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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 04.04.2008
Aktenzeichen: 19 E 224/08
Rechtsgebiete: VwGO, PrüfungO
Vorschriften:
VwGO § 162 Abs. 1 | |
PrüfungO § 20 Abs. 1 |
Tatbestand:
Die Klägerin bestand die Dolmetscherprüfung nicht, weil der Prüfungsausschuss der Beklagten ihre Klausur im Fach Übersetzung Russisch/Deutsch mit der Note ungenügend bewertet hatte. Zur Begründung ihres Widerspruchs legte die Klägerin ein von ihr eingeholtes Privatgutachten vor. Das VG wies die Klage der Klägerin ab. Im Berufungsverfahren einigten sich die Klägerin und die Beklagte außergerichtlich. Nach der Kostenentscheidung des OVG trägt die Beklagte die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Die Kostenbeamtin des VG erklärte die Kosten des Privatgutachtens in Höhe von 278,40 € für erstattungsfähig. Die Kammer des VG gab der dagegen eingelegten Erinnerung der Beklagten statt. Auf die Beschwerde der Klägerin wies das OVG die Erinnerung der Beklagten zurück.
Gründe:
Das VG hat der Erinnerung der Beklagten hinsichtlich der Kosten für die Einholung des Privatgutachtens in Höhe von 278,40 € zu Unrecht stattgeben. Die Kostenbeamtin des VG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Kosten des Privatgutachtens im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO zu den zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Klägerin im Vorverfahren gehören.
Ob Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind, beurteilt sich danach, wie eine verständige Partei, die bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, in gleicher Lage ihre Interessen wahrgenommen hätte. Aufgrund der den Verwaltungsprozess beherrschenden Untersuchungsmaxime (§ 86 VwGO) ist die Einholung eines Privatgutachtens nur dann als notwendig anzuerkennen, wenn die Partei mangels eigener genügender Sachkunde ihr Begehren tragende Behauptungen nur mit Hilfe des eingeholten Gutachtens darlegen oder unter Beweis stellen kann. Außerdem ist der jeweilige Verfahrensstand zu berücksichtigen. Die Situation im Vorverfahren oder im Prozess muss das Gutachten herausfordern und dessen Inhalt muss auf die Verfahrensförderung zugeschnitten sein.
BVerwG, Beschluss vom 11.4.2001 - 9 KSt 2.01, 11 A 13.97 -, juris, Rdn. 3; Nds. OVG, Beschluss vom 2. November 2006 - 1 OA 187/06 -, juris, Rdn. 3, jeweils m. w. N.
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Die Klägerin und auch ihr Prozessbevollmächtigter, der die russische Sprache nicht beherrscht, mussten nicht davon ausgehen, dass die Klägerin aufgrund eigener Sachkunde hinreichend in der Lage war, die Richtigkeit der Bewertung ihrer Klausur in dem Fach Übersetzung Russisch/Deutsch zu beurteilen und auf der Grundlage dieser Beurteilung substantiierte Einwände gegen die Bewertung zu erheben. Denn die Prüfer hatten ihre Klausur mit der Note ungenügend bewertet mit der Folge, dass nach ihrer Auffassung im Sinne der Definition der Note ungenügend in § 20 Abs. 1 der Prüfungsordnung der Beklagten für die staatlich anerkannte Prüfung von Dolmetschern und Übersetzern selbst die Grundkenntnisse der Klägerin lückenhaft sind. Vor diesem Hintergrund kommt es unter Kostengesichtspunkten auch nicht darauf an, dass die Klägerin in Russland geboren sowie seit Jahren als Dozentin für Russisch, als Prüferin bei Russisch-Zertifikatprüfungen und als Dolmetscherin und Übersetzerin für Russisch/Deutsch tätig ist. Soweit das VG unter Hinweis auf diese Aspekte meint, die Klägerin sei aufgrund eigener Sachkunde in der Lage gewesen, sich mit der Prüferkritik zumindest in dem Umfang auseinander zu setzen, in dem dies in dem eingeholten Privatgutachten erfolgt sei, kann dem schon deshalb nicht gefolgt werden, weil diese Schlussfolgerung eine verlässliche Beurteilung der fachlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Klägerin voraussetzt. Dies ist nicht Aufgabe der Verwaltungsgerichte, die hierfür auch nicht die erforderliche fachliche Kompetenz besitzen, sondern Gegenstand der angefochtenen Prüfung, die nach Auffassung der Prüfer im Fach Übersetzung Russisch/Deutsch ungenügende Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Klägerin gezeigt hatten.
Die Einholung des Gutachtens war auch aufgrund der gegebenen Situation im Vorverfahren herausgefordert. Das ist der Fall, wenn die Partei sich in einer "Notlage" befand, die ihr eine substantiierte, ohne sachkundige Beratung jedoch nicht mögliche Stellungnahme abverlangt.
VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 8.5.2001 - 5 S 3224/98 -, NVwZ-RR 2002, 315 (315); OVG NRW, Beschluss vom 16.8.1977 - XI B 610/76 -, OVGE 33, 90 (92); Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., 2006, § 162 Rdn. 35 bis 37, jeweils m. w. N.
Diese Voraussetzungen lagen im Zeitpunkt der Einholung des Privatgutachtens vor. Die Klägerin konnte sich nicht darauf beschränken, mit ihrem Widerspruch die Bewertung ihrer Klausur pauschal in Zweifel zu ziehen. Denn der Anspruch des Prüflings auf ein Überdenken der erfolgten Bewertung durch die Prüfer im Rahmen des verwaltungsinternen Kontrollverfahrens besteht nur dann, wenn er seine Einwände konkret und nachvollziehbar begründet. Das erfordert die Darlegung, in welchen konkreten Punkten nach seiner Auffassung die Prüferbemerkungen und -bewertungen Fehler aufweisen.
Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 24.2.1993 - 6 C 25.92 -, juris, Rdn. 27.
Das Privatgutachten war auch inhaltlich auf Verfahrensförderung zugeschnitten. Die Gutachterin hat entgegen der Auffassung des VG ihre Aufgabe als Sachverständige nicht verkannt und auch keine fachlich unzureichende Stellungnahme abgegeben. Sie hat konkret dargelegt, in welchen Punkten aus ihrer Sicht die Bewertung der Prüfer unrichtig ist oder die Prüfer den der Klägerin zustehenden Antwortspielraum nicht beachtet haben. Damit hat sie hinreichend Punkte aufgeführt, die für die Beklagte Veranlassung gaben, das verwaltungsinterne Kontrollverfahren durchzuführen, und die Prüfer verpflichteten, zu den auf das Gutachten gestützten Einwänden der Klägerin Stellung zu nehmen. Dem steht nicht entgegen, dass das Gutachten in weiten Teilen stichwortartig formuliert und nicht mit fachwissenschaftlichen (Literatur-) Hinweisen untermauert ist. Ein derart weitgehendes Gutachten hätte erhebliche weitere Kosten verursacht, die eine verständige Partei im damaligen Verfahrensstadium nicht veranlasst hätte. Denn das Gutachten war, wie ausgeführt, geeignet, einen Anspruch der Klägerin auf Durchführung des verwaltungsinternen Kontrollverfahrens zu begründen. Je nach Ergebnis des verwaltungsinternen Kontrollverfahrens hätte eine verständige Partei erst danach Überlegungen dazu angestellt, ob eine weitergehende Stellungnahme mit sachverständiger Hilfe erforderlich ist.
Ende der Entscheidung
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