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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 27.03.2007
Aktenzeichen: 20 A 1717/05
Rechtsgebiete: ErftVG, GWB


Vorschriften:

ErftVG § 8
GWB § 97
GWB § 104
GWB § 114
§ 104 Abs. 2 Satz 1 GWB schließt nicht den Widerspruch des Bewerbers um einen öffentlichen Auftrag gegen einen Verwaltungsakt aus, durch den das Mitglied eines Wasserverbandes auf verbandsrechtlicher Grundlage zu Leistungen verpflichtet worden ist, die anderenfalls nach den §§ 97 ff GWB hätten vergeben werden müssen.

Der übergangene Bewerber kann durch eine solche Inanspruchnahme in seinen Rechten verletzt werden.


Tatbestand:

Die Klägerin ist Mitglied des Erftverbandes. Sie verfügt in von ihr betriebenen Kraftwerken über Verbrennungskapazitäten für Klärschlamm. Die Nutzung dieser Kapazitäten hatte sie der Firma A. überlassen, die auch den Transport des Klärschlamms abwickelte. Der Erftverband ordnete die Inanspruchnahme von zwei Kraftwerken der Klägerin zur thermischen Verwertung von Klärschlamm an. Gleichzeitig verpflichtete er die Klägerin auf deren Betreiben, den Klärschlamm von den Kläranlagen zu den Kraftwerken zu transportieren. Diese Verpflichtung hob der beklagte Widerspruchsausschuss des Erftverbandes auf den Widerspruch der Beigeladenen, eines Unternehmens der Abfallbranche, auf. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Die Beigeladene war zur Einlegung des Widerspruchs befugt. Sie konnte geltend machen, durch die Einbeziehung der Transportleistungen in die Inanspruchnahme der Klägerin in ihren Rechten verletzt zu sein (§ 42 Abs. 2 VwGO in entsprechender Anwendung). Dabei kann im Zusammenhang der Beurteilung der Widerspruchsbefugnis dahingestellt bleiben, ob und inwieweit § 8 ErftVG mit der Konkretisierung der Reichweite der möglichen Inanspruchnahme von Verbandsmitgliedern auch dazu bestimmt ist, dem Schutz Dritter zu dienen, die - wie die Beigeladene - bereit sind, im Rahmen ihrer betrieblichen Tätigkeit Leistungen zu erbringen, die einem Verbandsmitglied auf der Grundlage dieser Vorschrift als Pflicht abverlangt werden, ob also eine Überschreitung der Befugnisse nach § 8 ErftVG zur Rechtsverletzung eines solchen Dritten führt. Denn unabhängig hiervon ist jedenfalls das von Art. 12 Abs. 1 GG umfasste Recht der Beigeladenen zu berufsbezogenem Verhalten am Markt betroffen; Art. 12 Abs. 1 GG sichert die Teilhabe am Wettbewerb nach Maßgabe seiner Funktionsbedingungen.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. 6. 2006 - 1 BvR 1160/03 -, NVwZ 2006, 1396.

Die Ausübung der Befugnis nach § 8 Abs. 1 ErftVG vollzieht sich außerhalb des Wettbewerbs. Nur Mitglieder des Erftverbandes - und ggfs. Nutzungsberechtigte - kommen als Verpflichtete in Betracht. Betrifft die Verpflichtung eine am Markt erhältliche Leistung, ist für potenzielle Bewerber, die nicht Mitglieder des Verbandes sind, schon die Möglichkeit, die Leistung anzubieten, von vornherein verschlossen. Besteht bei wirtschaftlicher Betrachtung eine derartige Konkurrenzsituation, so verkürzt der Rückgriff auf die hoheitlichen Befugnisse nach § 8 ErftVG den Rahmen für eine ansonsten unter Marktbedingungen zu treffende Auswahlentscheidung, was auch den Anspruch auf Gleichbehandlung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge berührt.

Vgl. hierzu: BVerfG Beschlüsse vom 13. 6. 2006 - 1 BvR 1160/03 -, a.a.O., und vom 23. 5. 2006 - 1 BvR 2530/04 -, NJW 2006, 2613.

Soweit die Rechtfertigung dieser Beeinflussung des Marktgeschehens in der verbandlichen Verbundenheit der Mitglieder zu sehen ist, greift sie jedenfalls nur in diesem Umfang, also lediglich insofern, als ein Mitglied schon und allein durch unmittelbar zur Verfügung stehende Mittel einen Bedarf des Verbandes befriedigen kann. Anderenfalls kann auch unter Berücksichtigung des Anwendungsbereichs der §§ 97 ff GWB ein übergangener Bewerber nicht rechtsschutzlos gestellt sein. Ihm stehen die nach der Rechtsordnung allgemein zur Verfügung gestellten Rechtsschutzmöglichkeiten gegen hoheitliche Maßnahmen offen, um durchzusetzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber, der von hoheitlichen Befugnissen Gebrauch macht und so als Träger öffentlicher Gewalt (Art. 19 Abs. 4 GG) handelt, seine grundrechtlich verbürgte Freiheit als Anbieter im Wettbewerb beachtet.

Die streitige Anordnung ist, obwohl sie auf einen Wettbewerb um die Vergabe der Transportleistungen einwirkt, einem verwaltungsrechtlichen Rechtsbehelf der Beigeladenen nicht wegen § 104 Abs. 2 Satz 1 GWB entzogen. Nach dieser Vorschrift können Rechte aus § 97 Abs. 7 GWB sowie sonstige Ansprüche gegen öffentliche Auftraggeber, die auf die Vornahme oder das Unterlassen einer Handlung in einem Vergabeverfahren gerichtet sind, außer vor den Vergabeprüfstellen nur vor den Vergabekammern und dem Beschwerdegericht geltend gemacht werden. Die hierdurch eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten sind auf die Inanspruchnahmeverfügung unanwendbar; insofern bleibt es im Gegenteil bei der durch das Verwaltungsverfahrensrecht und das Verwaltungsprozessrecht eröffneten Möglichkeit, sich gegen den auf Wasserverbandsrecht und damit spezifisches Verwaltungsrecht gestützten Verwaltungsakt mittels Widerspruch und ggfs. Anfechtungsklage zu wehren (§ 79 VwVfG, § 68 Abs. 1 Satz 1, § 42 Abs. 1 erste Alternative VwGO). § 104 Abs. 2 Satz 1 GWB bestimmt und konzentriert den (Primär-)Rechtsschutz im Vergaberecht nach dem 4. Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Das ist angesichts der Anknüpfung an die Rechte aus § 97 Abs. 7 GWB und sonstige Ansprüche in einem Vergabeverfahren, der systematischen Einbindung der Vorschrift in die Bestimmungen über das Nachprüfungsverfahren sowie ihres Sinns und Zwecks nicht zweifelhaft. Verhindert werden soll eine Rechtswegzersplitterung, allerdings bei Ansprüchen mit spezifischem Bezug zu einem Vergabeverfahren im sachlichen Anwendungsbereich nach §§ 97 ff GWB, nicht dagegen bei sonstigen Ansprüchen. Der Anwendungsbereich des Vergaberechts ergibt sich aus § 99, § 100 GWB. Er ist eröffnet, wenn ein entgeltlicher Vertrag zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einem Unternehmen über bestimmte Gegenstände in Frage steht (§ 99 Abs. 1 GWB), die Schwellenwerte erreicht oder überschritten sind (§ 100 Abs. 1 GWB) und kein Ausnahmetatbestand (§ 100 Abs. 2 GWB) eingreift. Dabei verweist das Merkmal des entgeltlichen Vertrages jenseits dessen, ob der Vertrag privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Art ist, auf das Erfordernis einer durch Angebot und Annahme, also durch übereinstimmende beiderseitige Willenserklärungen zustande kommenden Rechtsgrundlage für die Erbringung der Leistungen. Die vertragliche Grundlage ist kennzeichnend für die Beschaffung von Leistungen am Markt, die in § 99 Abs. 2 GWB beschrieben ist und auf die § 97 Abs. 1 GWB mit dem Kriterium zielt, Leistungen im Wettbewerb und im Wege transparenter Vergabeverfahren zu beschaffen. Einseitiges hoheitliches Handeln, wie es eigentümlich ist für einen Verwaltungsakt, unterfällt dem von vornherein nicht. Mit einem Verwaltungsakt greift der Staat auf die ihm zukommende Rechtsmacht im Über- und Unterordnungsverhältnis zurück und nimmt er nicht die nach § 97 Abs. 1 GWB in Bezug genommene Rolle eines prinzipiell gleichgeordneten Marktteilnehmers bei der Nachfrage nach Leistungen ein. In Frage steht bei hoheitlichem Handeln mittels Verwaltungsakt nicht das Funktionieren der Marktmechanismen, sondern der Eingriff des Staates in seiner ausschließlich ihm zukommenden Eigenschaft als Träger öffentlicher Gewalt in Rechtspositionen derjenigen, die seiner Gewalt unterworfen sind.

Vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 13. 6. 2006 - 1 BvR 1160/03 -, a.a.O.

Zur Verteidigung dieser Rechtspositionen sind in Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Verbürgung von Rechtsschutz gegenüber Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt Rechtsschutzmöglichkeiten mit gegliederten Zuständigkeiten eingerichtet. Das schließt ein, dass ein Verwaltungsakt unanfechtbar und damit ungeachtet seiner materiellen Rechtmäßigkeit vorbehaltlich eines etwaigen Wiederaufgreifens (§ 51 VwVfG) rechtsverbindlich wird, wenn er nicht in gehöriger Art und Weise bei der zuständigen Stelle angefochten wird. Hierauf bezogene Zuständigkeiten sind den Vergabekammern nicht zugewiesen. Zu den nach § 114 Abs. 1 Satz 1 GWB zu ergreifenden geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern, gehört es nicht, unter Außerachtlassung der differenzierten Zuständigkeiten in die Ausübung von hoheitlichen staatlichen Befugnissen einzugreifen.

Dabei verfängt auch die von der Klägerin befürwortete materielle Betrachtungsweise nicht. Dem Vergaberecht nach §§ 97 ff GWB liegt, wie ausgeführt, nicht allein die Ausrichtung des Handelns öffentlicher Auftraggeber auf die Beschaffung von Leistungen zugrunde, sondern zugleich deren Auftreten mit Mitteln außerhalb der spezifisch hoheitlichen Machtbefugnisse.

Vgl. EuGH, Urteil vom 12. 7. 2001 - C - 399/98 -.

Den von der Klägerin genannten vergaberechtlichen Grundsätzen bei einer de-facto-Vergabe und den hierzu von ihr angeführten Entscheidungen

- EuGH, Urteil vom 11. 1. 2005 - C 26/03 -, NVwZ 2005, 187; BGH, Beschluss vom 1. 2. 2005 - X ZB 27/04 -, BGHZ 162, 116 -

ist nichts anderes zu entnehmen. In Rede stehen hierbei Situationen, in denen sich der öffentliche Auftraggeber Leistungen am Markt im Vertragswege beschafft oder zu beschaffen sucht, das deshalb an sich erforderliche Vergabeverfahren aber nicht einleitet. Bei einem solchen Vorgehen geht es nicht darum, ob das fragliche Vergabeverfahren formal ein bestimmtes Stadium erreicht; insofern gelangen die vergaberechtlichen Ziele des Wettbewerbes am Markt und der Transparenz zum Tragen. Das trifft aber bei hoheitlichem Handeln in Gestalt eines Verwaltungsaktes gerade von vornherein nicht zu. Denn dieses Handeln ist auch dann, wenn es auf die Erlangung einer Leistung zielt, typischerweise nicht im eigentlichen Sinne marktorientiert, sondern selbst dann hoheitlich in Anknüpfung an gesetzliche Ermächtigungen und hieraus abzuleitende Befugnisse gegenüber bestimmten Betroffenen geprägt. Die Leistung wird nicht nach Marktgesetzen wettbewerblich "nachgefragt" und "angeboten", sondern einseitig und aufgrund einer spezifischen, hoheitlich ausgestalteten Sonderrechtsbeziehung abverlangt. Ebenso fehlt es bei hoheitlichem Handeln mittels Verwaltungsakt jedenfalls im Allgemeinen an der für einen öffentlichen Auftrag im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB ebenfalls erforderlichen Entgeltlichkeit im Sinne des hierfür maßgeblichen Austausches von Leistung und Gegenleistung.

Vgl. hierzu: BGH, Beschluss vom 1. 2. 2005 - X ZB 27/04 -, a.a.O.

Das trifft auch zu für die hier in Frage stehende entschädigungspflichtige Inanspruchnahme auf der Grundlage der verbandsrechtlichen Berechtigung zur Benutzung von Grundstücken und Anlagen der Mitglieder. Hierbei handelt es sich um die Geltendmachung einer auf der Mitgliedschaft beruhenden Beschränkung des Eigentums, die aus Gründen der Verhältnismäßigkeit (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) des Ausgleichs durch Entschädigung bedarf. Die Entschädigung ist indessen ihrem Wesen nach keine nach Grund und Höhe unter Marktbedingungen aushandelbare Leistung zur Erlangung oder Durchsetzung der Berechtigung.

Eine durch die Inanspruchnahme der Klägerin bewirkte Verletzung von Rechten der Beigeladenen konnte auch noch durch den Widerspruchsbescheid beseitigt werden. Es ist Sinn und Zweck der Rechtsschutzfunktion eines Widerspruchsverfahrens zur Anfechtung eines Verwaltungsaktes, den Verwaltungsakt dann aufzuheben, wenn er Rechte des Widerspruchsführers verletzt; durch die Aufhebung wird die geschehene und fortbestehende Rechtsverletzung beendet und werden rechtmäßige Zustände hergestellt. Die von der Klägerin gesehenen Besonderheiten ergeben für die hier zu beurteilende Situation nichts anderes. Insbesondere sind die der Beigeladenen ursprünglich zustehenden Rechte nicht durch den Erlass der Inanspruchnahmeverfügung und die "Einvernehmlichen Regelungen" untergegangen oder in ihrer Durchsetzbarkeit geschwächt. § 114 Abs. 2 Satz 1 GWB, wonach ein bereits erteilter Zuschlag nicht aufgehoben werden kann, ist nicht anwendbar. Die Vorschrift bezweckt als Teil des Vergaberechts nach §§ 97 ff GWB vor dem Hintergrund der Anerkennung der Verbindlichkeit des Zuschlags, also des zustandegekommenen Vertragsverhältnisses, die Abgrenzung der Kompetenz der die Gewährung von Primärrechtsschutz sicherstellenden Vergabekammern und der ihnen nachgeordneten Gerichte einerseits und der für die Entscheidungen über Schadensersatz zuständigen Gerichte andererseits.

Vgl. BGH, Beschluss vom 9. 2. 2004 - X ZB 44/03 -, BGHZ 158, 43.

Hiernach ist der Regelungsgehalt des § 114 Abs. 2 Satz 1 GWB auf das Vergaberecht zugeschnitten und an hierauf bezogenen Wertungen nicht zuletzt hinsichtlich der Rechtssicherheit sowie der Beschleunigung orientiert. Einen auf die Vergabe mittels hoheitlicher Regelung durch Verwaltungsakt zu übertragenden allgemeinen Rechtsgrundsatz bringt die Vorschrift dagegen nicht zum Ausdruck. Bestätigt wird das unter dem Blickwinkel der gebotenen Effektivität des Rechtsschutzes auch dadurch, dass Rechtsschutz hinsichtlich eines Verwaltungsaktes in aller Regel erst dann gewährt wird, wenn der Verwaltungsakt bereits erlassen worden ist, und in dieser Ausgestaltung leer laufen würde, wenn man den Verwaltungsakt wegen seiner Regelungswirkung zugleich der Anfechtung entziehen würde. Nichts anderes ergibt sich aus dem Gesichtspunkt, dass Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens lediglich ein noch nicht abgeschlossenes Vergabeverfahren sein kann und die wirksame Erteilung eines Auftrages zur Beendigung eines zuvor eingeleiteten Vergabeverfahrens führt. Denn ein Vergabeverfahren in diesem Sinne findet bei einer Beschaffung von Leistungen mittels Verwaltungsakt nicht statt. Weiterhin gibt es hinsichtlich der verwaltungsrechtlichen Kriterien für den Rechtsschutz von Konkurrenten im gewerblichen Bereich keinen Grundsatz des Inhalts, dass die Zuteilung und Erschöpfung eines lediglich begrenzt verfügbaren Kontingents an begünstigenden Rechtspositionen nicht mit dem Ziel der Aufhebung ergangener Zuteilungsentscheidungen und der anderweitigen Zuteilung angefochten werden kann. ...

Die Inanspruchnahmeverfügung ist in ihren durch den Widerspruchsbescheid aufgehobenen Teilen rechtswidrig und verletzt die Beigeladene in ihrem Recht auf Teilhabe am Marktgeschehen hinsichtlich öffentlich benötigter Transportleistungen.

Sie findet in § 8 Abs. 1 ErftVG, der allein als einschlägig zu erwägenden Vorschrift, keine Rechtsgrundlage. Nach § 8 Abs. 1 ErftVG ist der Erftverband berechtigt, auf den Grundstücken seiner Mitglieder das Verbandsunternehmen durchzuführen. Zu diesem Zweck kann er die Überlassung von Anlagen zur Benutzung verlangen, die zur Erfüllung seiner Aufgaben dienlich sind. Dem Begriff der "Anlagen" ist hiernach ein grundstücksgebundenes Element eigen; erforderlich ist ein Zweckzusammenhang mit auf bestimmte Grundstücke bezogenen Unternehmen, und zwar dergestalt, dass der Verband sich die Herstellung eigener Anlagen auf den Grundstücken unter Umständen ersparen kann. Wie bereits im Widerspruchsbescheid anhand der Entstehungsgeschichte des § 8 Abs. 1 ErftVG näher dargetan worden ist,

vgl. hierzu LT-Drs. 3/269, S. 41,

zielt die gesonderte Erwähnung der Anlagen auf eine Präzisierung und Erweiterung der im Wasserverbandsrecht hergebrachten Berechtigung der Verbände, das Verbandsunternehmen auf den die dingliche Mitgliedschaft begründenden Grundstücken durchzuführen (§ 222 Abs. 1 prWG, § 22 Abs. 1 WVVO, § 33 Abs. 1 WVG) und sich ggfs. durch Satzung gegenüber dem Eigentümer weitergehende Rechte einzuräumen (§ 22 Abs. 3 WVVO, § 33 Abs. 2 WVG). Ausgangs- und Bezugspunkt der Berechtigungen ist dabei jeweils das Grundeigentum, nicht allein eine irgendwie geartete Nützlichkeit von - nicht spezifisch grundstücksbezogenen - Leistungen oder Gewährungen für den Erfolg des Verbandsunternehmens. Diese Ausrichtung der Berechtigung auf Grundstücke der Mitglieder liegt, was durch § 8 Abs. 3, Abs. 4 Satz 2 ErftVG bestätigt wird, unverändert auch § 8 Abs. 1 ErftVG zugrunde.

Die Transportleistungen weisen diesen Grundstücksbezug nicht auf. Sie werden im Wesentlichen außerhalb der Grundstücke und Anlagen der Klägerin erbracht, nämlich im öffentlichen Straßenverkehr zwischen den Kraftwerken und den Kläranlagen. Sie stehen auch funktional mit der grundstücksbezogenen Benutzung der Kraftwerke nicht in einem so engen Zusammenhang, dass sie unumgänglich gerade von der Klägerin und aufgrund ihrer Mitgliedschaft im Erftverband erbracht werden müssten. Die von der Klägerin gesehene Notwendigkeit der Einbeziehung der Transportleistungen in die Inanspruchnahme folgt aus ihren Abreden mit der Firma A. und den von ihr entwickelten betrieblichen Vorgaben für eine zweckmäßige Anlieferung der Klärschlämme. Der Erftverband ist dagegen für die Erfüllung seiner Aufgaben allein darauf angewiesen, dass die Klärschlämme überhaupt zu den Kraftwerken transportiert werden.

Die von der Klägerin für die Rechtmäßigkeit der Inanspruchnahmeverfügung vorgebrachten Aspekte überzeugen nicht. Insbesondere lässt die gebotene Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht den Schluss zu, die Inanspruchnahme habe über die Reichweite des § 8 Abs. 1 ErftVG hinaus auf die Transportleistungen erstreckt werden dürfen und sogar müssen. Die Verhältnismäßigkeit einer Verpflichtung ist dadurch herzustellen, dass die Verpflichtung nach Art und Umfang auf das billigerweise Zumutbare beschränkt wird. Der etwa in § 7 Abs. 3 EEG bezogen auf eine Enteignung zum Ausdruck gelangende und der Sache nach von der Klägerin aufgegriffene Rechtsgedanke, eine Verpflichtung im Interesse ihrer Verhältnismäßigkeit über den Bereich hinaus auszudehnen, der durch ihre Voraussetzungen vorgegeben ist, trägt hier schon deshalb nicht, weil die Erstreckung zu Lasten Dritter gehen würde, wenn - wie hier - weitere marktgängige Leistungen außerhalb eines - an sich notwendigen - offenen Verfahrens vergeben werden. Es geht um die Ausweitung eines hoheitlichen Zugriffs allein insoweit, als dadurch die sonst für die Verschaffung der Leistungen zu beachtenden Kriterien außer Acht bleiben. Jedenfalls das steht einer Inpflichtnahme der Klägerin über den Rahmen des § 8 Abs. 1 ErftVG hinaus entgegen. Denn inmitten steht damit eine Beeinträchtigung von Rechten Dritter, weil die Reichweite der verbandsrechtlichen Befugnisse gleichzeitig darüber bestimmt, ob und inwiefern sich der Erftverband wegen der Begrenztheit seiner hoheitlichen Rechte zur Erfüllung seiner Aufgaben und zur Durchführung seiner Unternehmen als Nachfrager in den Anwendungsbereich des Vergaberechts zu begeben hat. Dem Erftverband steht es nicht zu, sich durch Überschreitung der ihm verbandsrechtlich zugestandenen Befugnisse den für ihn außerhalb derselben geltenden Erfordernissen zu entziehen. In Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 8 Abs. 1 ErftVG wirkt er, soweit es um die Beschaffung von Leistungen geht, von außen auf den Wettbewerb ein. Eine Überschreitung dieser Befugnisse, zumal durch eine mit dem Mitglied einvernehmlich abgesprochene Inanspruchnahme unter Einbeziehung eines am Wettbewerb hinsichtlich der Transportleistungen beteiligten Dritten, enthält zugleich eine tendenziell zur Einschränkung des Freiheitsraumes Dritter führende Einengung des Wettbewerbes. Es verstößt gegen diesen Freiheitsraum, wenn der Erftverband sich durch Überschreitung der ihm verbandsrechtlich zugestandenen Befugnisse den für ihn außerhalb derselben geltenden Anforderungen entzieht.

Dadurch werden vorliegend Rechte der Beigeladenen verletzt. Allerdings dient § 8 Abs. 1 ErftVG neben dem Schutz der Verbandsinteressen an der Durchführung der Unternehmen und der Erfüllung der Aufgaben ganz vorrangig dem Schutz der Verbandsmitglieder vor einer nach Maßgabe dieser Vorschrift nicht gerechtfertigten Inpflichtnahme. Ob generell eine Schutzfunktion des § 8 Abs. 1 ErftVG auch für potentielle Mitbewerber dessen, der im Rahmen der verbandsinternen Inanspruchnahme marktgängige Leistungen erbringen soll, angenommen werden kann, erscheint im Hinblick auf die grundsätzlich erforderliche Individualisierbarkeit des Kreises von Drittbegünstigten zweifelhaft. Da aber der Rahmen der verbandsrechtlichen Befugnis zur Inanspruchnahme zugleich über den Bereich bestimmt, in dem der Verband seine Ziele mit den Mitteln der allgemeinen Rechtsordnung zu verfolgen hat, stellt im Interesse der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs die Missachtung der Grenzen des § 8 Abs. 1 ErftVG jedenfalls dann, wenn die Inanspruchnahme des Mitgliedes in Wirklichkeit eine umfassende Auftragsvergabe einschließt, einen Eingriff in die Berufsausübung derjenigen dar, die, wie die Beigeladene, konkret um diese Aufträge konkurrieren. Art. 12 Abs. 1 GG schützt das berufsbezogene Verhalten von Unternehmen am Markt. Erfolgt die unternehmerische Berufstätigkeit nach den Grundsätzen des Wettbewerbs, wird die Reichweite des Schutzes auch durch die rechtlichen Regeln mitbestimmt, die den Wettbewerb ermöglichen und begrenzen. Art. 12 Abs. 1 GG sichert in diesem Rahmen die Teilhabe am Wettbewerb nach Maßgabe seiner Funktionsbedingungen.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 13. 6. 2006 - 1 BvR 1160/03 -, a.a.O., und vom 14. 3. 2006 - 1 BvR 2087/03 u.a. -, NVwZ 2006, 1041.

Zur Teilhabe am Wettbewerb gehört der Versuch, sich durch wettbewerbliches Verhalten als Anbieter um Erfolg zu bemühen. Es ist mit den Funktionsbedingungen des Wettbewerbs schlechterdings nicht zu vereinbaren, wenn der Staat bei der Beschaffung einer Leistung deshalb nicht als Nachfrager auftritt, weil er sich die Leistung in Ausübung ihm nicht zustehender hoheitlicher Befugnisse außerhalb des Wettbewerbs dadurch verschafft, dass er hoheitlich die Verpflichtung zur Leistung begründet. Dadurch erfolgt faktisch eine Auftragsvergabe, die diejenigen, die sich für die Erlangung staatlicher Aufträge dem Wettbewerb stellen müssen, und diejenigen, die außerhalb des Wettbewerbes mit als Verpflichtungen ausgegebenen Aufträgen bedacht werden, in einem Bereich ungleich behandelt, auf den sich diese hoheitlichen Befugnisse objektiv nicht beziehen. Eine derartige Verpflichtung nähert sich wirtschaftlich einer Subvention mit berufsregelnder Tendenz an. Sie ist unter dem Gesichtspunkt der Vergabe eines Auftrages objektiv willkürlich. Hierauf können sich zumindest diejenigen berufen, die im Vorfeld der hoheitlichen Verpflichtung konkret als Anbieter aufgetreten sind.

So ist es hier. ...

Auch in tatsächlicher Hinsicht ist nicht festzustellen, dass die Transportleistungen unter mit den betrieblichen Erfordernissen noch zu vereinbarenden Rahmenbedingungen ausschließlich von der Klägerin bzw. der Firma A. erbracht werden konnten oder mussten. ...



Ende der Entscheidung

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