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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 31.08.2006
Aktenzeichen: 20 A 3994/04
Rechtsgebiete: WaffG


Vorschriften:

WaffG § 17 Abs. 1
Eine wissenschaftlich-technische Sammlung i. S. d. § 17 Abs. 1 Halbsatz 2 WaffG ist ein Unterfall der kulturhistorisch bedeutsamen Sammlung und muss daher auch deren Charakteristika erfüllen.

Auch eine unter wissenschaftlich-technischen Gesichtspunkten zusammengestellte Sammlung kann kulturhistorisch bedeutsam i. S. d. § 17 Abs. 1 WaffG nur sein, wenn sie einen nicht ganz unerheblichen Beitrag zur Dokumentation menschlichen Schaffens in einer (zeit-)geschichtlichen Dimension zu leisten vermag; daran fehlt es, wenn eine solche Sammlung nur an spezielle technische Neuerungen in Details eines Grundmodells eines bestimmten Waffenherstellers anknüpft.


Tatbestand:

Der Kläger beantragte Mitte 2001 beim Beklagten die Erteilung einer Waffenbesitzkarte für Sammler zum Aufbau einer Sammlung von Selbstladepistolen des Herstellers Heckler & Koch des Typs P9/P9S, die in der Zeit von 1966 bis 1995 hergestellt worden sind. Zur Begründung machte er im Wesentlichen geltend, die Modelle wiesen mit dem beweglich abgestützten Rollenverschluss, welcher aus der Gewehrtechnik abgeleitet worden sei, eine technische Besonderheit auf und seien eine der herausragendsten Konstruktionen der letzten 30 Jahre.

Der Beklagte lehnte den Antrag Anfang 2002 ab. Ein Bedürfnis für den beabsichtigten Erwerb und Besitz der Waffen sei nicht nachgewiesen. Die beabsichtigte Sammlung erfasse zeitgenössische Waffen und könne deshalb nicht als kulturhistorisch bedeutsam anerkannt werden.

Die nach erfolglosem Widerspruch im September 2003 erhobene Klage wies das VG ab.

Auf die zugelassene Berufung gegen dieses Urteil, mit der der Kläger im Wesentlichen geltend gemacht hat, dass sich mit der Neuregelung des Waffengesetzes zum 1. 4. 2003 der Bezugspunkt für das waffenrechtlich anzuerkennende sammlerische Bedürfnis geändert habe, bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

Gründe:

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Waffenbesitzkarte für Waffensammler mit dem Sammlungsgebiet "Pistolen der Firma Heckler & Koch Modelle P9 und P9S" nicht zu.

Es fehlt bereits an dem für die Erteilung der begehrten Erlaubnis gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. § 8 WaffG in der seit dem 1. 4. 2003 geltenden Fassung erforderlichen Nachweis eines anzuerkennenden Bedürfnisses. Der Kläger hat nicht glaubhaft gemacht, dass mit dem Aufbau der beabsichtigten Sammlung besondere gegenüber den Belangen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung anzuerkennende Interessen i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 WaffG verbunden sind, die über ein rein privates Liebhaberinteresse am Besitz von bestimmten Waffenmodellen in ihren jeweiligen Varianten hinaus gehen. Die beabsichtige Sammlung stellt insbesondere keine nach § 17 Abs. 1 WaffG privilegierte Waffensammlung dar. Danach ist ein Bedürfnis zum Erwerb und Besitz von Schusswaffen bei Personen anzuerkennen, die glaubhaft machen, dass sie diese für eine kulturhistorisch bedeutsame Sammlung benötigen; kulturhistorisch bedeutsam ist auch eine wissenschaftlich-technische Sammlung.

Die beabsichtige Sammlung erfüllt die für die waffenrechtliche Anerkennung des Sammlerinteresses des Klägers danach geforderte besondere kulturhistorische Bedeutung nicht. Sie ist weder unter historischen noch unter wissenschaftlich-technischen Gesichtspunkten als kulturhistorisch bedeutsam einzustufen.

Die Vorschrift entspricht mit ihrer Anknüpfung an das Merkmal der kulturhistorisch bedeutsamen Sammlung im Wesentlichen den bis 31. 3. 2003 geltenden Vorgaben aus § 32 Abs. 1 Nr. 4 WaffG a. F., wonach ein Bedürfnis für Erwerb und Besitz von Waffen anzuerkennen war, wenn er dazu diente, eine kulturhistorisch bedeutsame Sammlung anzulegen oder zu erweitern. Entsprechend kann auch auf die zu jenen Vorgaben ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden.

Die Regelung in § 17 Abs. 1 Halbsatz 2 WaffG führt auf keine entscheidende Erweiterung der tatbestandlichen Voraussetzung gegenüber der bisherigen Rechtslage. Wenn es dort heißt, dass kulturhistorisch bedeutsam auch eine wissenschaftlich-technische Sammlung ist, wird damit kein weiterer selbständiger Privilegierungstatbestand eingeführt. Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Zusatz nicht etwa dahin zu verstehen, dass in Abgrenzung zu der in Halbsatz 1 genannten "kulturhistorisch bedeutsamen Sammlung" weitergehend auch schon jede Waffensammlung privilegiert werden sollte, die - ohne selbst kulturhistorisch bedeutsam zu sein - nach wissenschaftlichen Methoden unter technischen Gesichtpunkten zusammengestellt wird. Der Zusatz dient der Ausfüllung der im Halbsatz 1 verwendeten Begrifflichkeiten "kulturhistorisch" und "bedeutsam". Er verdeutlicht insoweit (nur), dass kulturhistorisch bedeutsam auch eine Sammlung sein kann, die unter wissenschaftlich-technischen Gesichtspunkten angelegt ist. Er knüpft an den Umstand an, dass Technikgeschichte Teil der zur Kulturhistorie zählenden Entwicklungsgeschichte ist und nicht nur allgemeine historische, d.h. in der Vergangenheit liegende und diese auch mitprägende Anknüpfungspunkte als Sammlungsschwerpunkt anzuerkennen, sondern auch technische Entwicklungen, gegebenenfalls auch neuere, einzubeziehen sind.

Dieses Verständnis der Vorschrift erschließt sich schon aus der Systematik und der Zweckrichtung der gesetzlichen Bedürfnisregelungen.

Es geht um die Konkretisierung eines besonderen Interesses i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 WaffG, d. h. um Privilegierungstatbestände, die geeignet sind, das öffentliche Interesse, den privaten Waffenbesitz möglichst zu beschränken, zu überwinden. Mit der Anknüpfung an die kulturhistorische Bedeutsamkeit einer Waffensammlung in § 17 Abs. 1 WaffG und mit der in § 18 WaffG eröffneten Möglichkeit, Waffen zu wissenschaftlichen und/oder technischen Zwecken zu erwerben und besitzen, sind dabei Tatbestände beschrieben, die sich grundlegend von der reinen privaten Liebhaberei am Besitz von Waffen unterscheiden. Sie weisen Bezüge zu objektiven Interessen der Allgemeinheit auf. Es geht einerseits um den (zukünftigen) (Erkenntnis-)Wert der Sammlung für die Gemeinschaft unter dem Aspekt der Dokumentation bedeutsamer Kulturentwicklungen und Bewahrung von bedeutsamem Kulturgut (§ 17 Abs. 1 WaffG). Andererseits geht es um die Nutzung der Waffen(-sammlung) für wissenschaftliche oder technische Zwecke und zwar nicht zum Selbstzweck, sondern zur Erprobung, Begutachten, Untersuchung oder zu einem ähnlichen Zweck, d.h. zu Zwecken mit jedenfalls mittelbarem Gemeinbezug (§ 18 Abs. 1 WaffG).

In diesem Gemeinbezug liegt auch nach der Neuregelung des Waffengesetzes der eigentliche Anknüpfungspunkt für die waffenrechtliche Privilegierung des Interesses am Erwerb und Besitz einer (An-)Sammlung von Waffen, auch wenn die jeweilige Tätigkeit - wie regelmäßig bei den als kulturhistorisch bedeutsam anerkannten Sammlungen - der Allgemeinheit (noch) nicht unmittelbar und konkret greifbar von Nutzen ist.

Vgl. zur alten Rechtslage: BVerwG, Urteil vom 10. 10. 2002 - 6 C 9.02 -, NVwZ-RR 2003, 432.

Deshalb ließe sich, wenn man den Begriff der wissenschaftlich-technischen Sammlung in § 17 Abs. 1 Halbsatz 2 WaffG aus dem Bezug zur Bedeutsamkeit in kulturhistorischer Hinsicht löst, darunter nur eine solche Sammlung verstehen, der eine vergleichbar gewichtige Bedeutung in wissenschaftlicher oder technischer Hinsicht zukommt. Das setzt eine - im Falle des Klägers ersichtlich nicht gegebene - entsprechende Bedeutung und Zweckrichtung des Waffenbesitzes zu wissenschaftlichen bzw. technischen Zwecken voraus. Diese Fallgestaltung ist aber bereits in § 18 Abs. 1 WaffG erfasst, dessen besonderen Anforderungen es nicht bedürfte, wenn in diesen Fällen bereits immer schon auch § 17 Abs. 1 Halbsatz 2 WaffG greifen würde.

Das Verständnis des Halbsatzes 2 von § 17 Abs. 1 WaffG als - erläuternde - inhaltliche Aussage zum Begriff des kulturhistorisch Bedeutsamen und nicht als alternativer Bedürfnistatbestand, der schon jede nach wissenschaftlichen Kriterien unter technischen Gesichtspunkten angelegte Waffensammlung erfasst, findet auch in der Entstehungsgeschichte und der Gesetzesbegründung eine Stütze. Der ursprüngliche Gesetzentwurf enthielt den streitigen Zusatz noch nicht. Zur Begründung war angeführt, dass die Vorschrift im wesentlichen dem bisherigen § 32 Abs. 1 Nr. 4 WaffG entspreche. Das Sammeln von Waffen oder Munition könne sich aus dem Beruf oder der fachlichen Ausbildung ergeben oder kulturhistorischen Zwecken dienen.

BT-Drucks. 14/7758, zu § 17 WaffG, S. 65.

Der Zusatz beruht auf der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Innenausschusses. Er ist mit der Vermeidung von Auslegungsproblemen begründet, die in der Vergangenheit wiederholt zu Rechtsstreitigkeiten geführt hätten. Auch Technikgeschichte sei Teil der Kulturgeschichte. Der Beginn einer technischen Entwicklung müsse zudem nicht zwingend in der Vergangenheit liegen. Einer Regelung im Gesetz sei aus Gründen der Transparenz der Vorzug vor einer entsprechenden Klarstellung in einer Verwaltungsvorschrift zu geben.

BT-Drucks. 14/8886, zu § 17 WaffG, S. 113.

Das zugrundegelegt, erfüllt die vom Kläger beabsichtigte Sammlung nicht die Anforderungen, die nach § 17 Abs. 1 WaffG an eine Sammlung zu stellen sind, an die ein anzuerkennendes Sammlerinteresse i. S. d. § 8 Abs. 1 WaffG anknüpfen kann. Mit Kulturgeschichte ist im Grundsatz die Gesamtheit menschlichen Schaffens und Wirkens in der Geschichte bezeichnet. Erfasst sind sowohl die politischen und wirtschaftlich-sozialen Lebens- und Denkformen, wie auch Sitte und Brauch, Religion und Kunst, sowie geistige und nicht zuletzt auch technische Leistungen. Insoweit kann der vom Kläger beabsichtigten Sammlung, die eine besondere technische Entwicklung im Bereich der Waffentechnik darstellen soll, nicht von vornherein jeglicher Bezug zur Kulturhistorie abgesprochen werden. Kulturhistorisch bedeutsam i. S. d. § 17 Abs. 1 WaffG kann eine unter wissenschaftlich-technischen Gesichtspunkten zusammengestellte Sammlung allerdings nur dann sein, wenn sie einen nicht ganz unerheblichen Beitrag zur Dokumentation menschlichen Schaffens in einer (zeit-)geschichtlichen Dimension zu leisten vermag.

Vgl. so bereits zur alten Rechtslage: BVerwG, Urteile jeweils vom 10. 7. 1984 - 1 C 108.79 -, DVBl. 1984, 1073, und - 1 C 49.82 -, DöV 1984, 981.

Daran fehlt es, wenn eine Sammlung auf Waffen eines Herstellers beschränkt ist, die sich nur geringfügig unterscheiden, und im Grunde auch keine weitergehende bestimmte waffentechnische Entwicklung aufzeigt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. 7. 1984 - 1 C 49.82 -, a.a.O.; OVG NRW, Urteil vom 25. 8. 1982 - 4 A 1698/81 -.

Davon ausgehend ist die Sammlung des Klägers nicht als kulturhistorisch bedeutsam anzuerkennen. Ob in Bezug auf Modelle eines anderen Herstellers eine andere Interessenlage anerkannt worden ist sowie ob und unter welchen weiteren Voraussetzungen - etwa wegen einer besonderen historischen Bedeutung des Waffentyps oder ihres Einsatzes - dem gefolgt werden kann, mag dabei dahinstehen.

Bei der beabsichtigten Sammlung des Klägers jedenfalls geht es im Kern (nur) um die Dokumentation einer besonderen Verschlusstechnik eines einzelnen Herstellers in verschiedenen Varianten zweier Modelle. Sie erstreckt sich in ihrem Umfang auf Spezifika, die vor dem Hintergrund der technischen Entwicklungsgeschichte einen nur kleinen und unerheblichen Ausschnitt des Waffenwesens beleuchten, auch wenn es sich bei dem Verschlusssystem um eine besondere Entwicklung handelt, die - durch Grundtypen repräsentiert - in Zukunft möglicherweise historisch bedeutsam werden kann. Die zur Sammlung vorgesehenen Exemplare der beiden Modellvarianten unterscheiden sich indes nur geringfügig und in einer Vielzahl kleiner technischer Details. Diese Einzelheiten mögen das Sammeln an sich interessant machen. Das betrifft indes nur jenes im Sammeln selbst liegende Liebhaberinteresse. Ein darüber hinausgehendes Interesse der Allgemeinheit daran, dass jene Varianten in allen ihren Facetten dokumentiert und für die Nachwelt konserviert werden, erschließt sich demgegenüber nicht. Insoweit trifft auch der vom Kläger in diesem Zusammenhang angebrachte Vergleich mit der Sammelwürdigkeit von Automobilen eines Herstellers und eines Modells nicht den Kern der vorliegenden Problematik. Denn im Waffenrecht reicht gerade ein rein privates Sammlerinteresse nicht aus. Der Erwerb und Besitz einer Waffensammlung ist vielmehr nur erlaubt, wenn mit der Sammlung die gesetzlich festgelegten Allgemeininteressen korrespondieren. An einer solchen Korrespondenz fehlt es aber hier. Denn eine weitergehende Bedeutung der Sammlungsobjekte liegt letztlich nicht in den einzelnen Modellvarianten. Sie ergibt sich (allein) im Hinblick auf das Verschlusssystem als solchem und vermag für sich die Ansammlung insoweit vergleichbarer Waffen in der von dem Kläger vorgestellten Größenordnung nicht zu rechtfertigen.

Die von dem Kläger ansonsten angesprochenen Sammelgesichtspunkte, die über die Besonderheiten der Verschlusstechnik hinausgehen, führen auf keine weitergehende Bedeutung der beabsichtigten Sammlung mit Allgemeinbezug.

Ende der Entscheidung

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