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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 08.07.2009
Aktenzeichen: 20 B 180/08
Rechtsgebiete: KrW-/AbfG, LAbfG NRW, OBG NRW


Vorschriften:

KrW-/AbfG § 10 Abs. 4
KrW-/AbfG § 21
LAbfG NRW § 35 Abs. 1
OBG NRW § 14
Das Nachsortieren des Inhalts von Restmüllbehältern stellt nicht ohne weiteres eine konkrete Gefahr dar.
Tatbestand:

Die Antragstellerin ist ein Dienstleistungsunternehmen der Abfallbranche. Sie bietet bei Objekten des Mietwohnungsbaus u. a. an, den Inhalt von Restmüllbehältern nachzusortieren. Der Antragsgegner untersagte ihr mit Ordnungsverfügung vom 28.6.2007, in zur Abfuhr bereitgestellten Restabfallbehältern befindliche Abfälle umzuschaufeln, zu durchzusuchen oder sonst wie zu durchmischen, manuell durchzusortieren und dem Restabfallbehälter zu entnehmen mit Ausnahme von aufliegendem großvolumigem Sperrmüll, von aufliegender großflächiger Pappe oder Kartonmaterialen und von aufliegenden großvolumigen Verpackungen sowie Abfalltüten aufzureißen und den losen Inhalt in den Restabfallbehälter zu entleeren. Das OVG stellte die aufschiebende Wirkung der hiergegen gerichteten Klage wieder her (Anschluss an Oberverwaltungsgericht NRW, Urteil vom 11.9.2008 - 20 A 1661/06 -).

Gründe:

Die Untersagungsanordnungen finden entgegen der Auffassung des VG ihre Rechtsgrundlage voraussichtlich nicht in § 7 Abs. 2 Satz 3 der Satzung der Wirtschaftsbetriebe A. über die Abfallentsorgung in der Stadt E. (Abfallentsorgungssatzung) vom 18.12.2007. Die Vorschrift stimmt wörtlich überein mit § 7 Abs. 2 Satz 3 der in der Ordnungsverfügung als Ermächtigungsgrundlage genannten Satzung über die Abfallentsorgung in der Stadt E. vom 3.3.2000 in der seinerzeit geltenden Fassung. Danach ist es Unbefugten nicht gestattet, angefallene Abfälle zu durchsuchen oder wegzunehmen. Die Antragstellerin ist keine "Unbefugte" im Sinne dieser Regelung. Der Senat hat in einer den Beteiligten bekannten, eine inhaltlich gleichgelagerte kommunale Satzungsbestimmung und eine vergleichbare Ordnungsverfügung betreffenden Entscheidung (Urteil vom 11.9.2008 - 20 A 1661/06-) nach Erlass des angegriffenen Beschlusses den Abfallbesitzer und den vom Abfallbesitzer mit der Erfüllung der ihm bis zur Überlassung der Abfälle an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger obliegenden Pflichten Beauftragten nicht als unbefugt angesehen. Das von ihm im vorgenannten Verfahren als beauftragt betrachtete Unternehmen war in vergleichbarer Weise wie die Antragstellerin tätig. Die für diese Bewertung maßgebend gewesenen Erwägungen des Senats treffen auch vorliegend zu; von ihnen abzurücken, gibt das Vorbringen der Beteiligten keinen Anlass. Insbesondere wird ein ausschlaggebend an dem Gefahrenpotential des Durchsuchens und/oder Wegnehmens angefallener Abfälle ausgerichtetes Verständnis des Merkmals "unbefugt" nicht dessen personaler Komponente, die vor dem Hintergrund der Pflichten des Abfallbesitzers zu sehen ist, gerecht. Der Regelungsgehalt von § 7 Abs. 2 Satz 3 Abfallentsorgungssatzung läuft auch nicht etwa leer, wenn man den Abfallbesitzer und den von ihm Beauftragten nicht als "Unbefugten" einordnet. Durch die Regelung wird dann (noch) der Zugriff Dritter auf die Abfälle untersagt. Ein solcher Zugriff kann u. a. mit der Gefahr eines ungeordneten Wegwerfens oder Verteilens von Abfällen verbunden sein, sodass der vom Abfallbesitzer mit dem Einbringen der Abfälle in die Sammelbehälter bezweckte Erfolg letztlich ausbleibt. Das läuft der Effektivität und dem Sinn und Zweck des satzungsmäßigen Anschluss- und Benutzungszwangs zuwider. Eine solche Gefahr ist bei einem hier in Rede stehenden Zugriff des Abfallbesitzers und des von ihm Beauftragten auf die Abfälle nicht, zumindest nicht in gleichem Maße, zu erwarten. Denn Abfallbesitzer haben im Rahmen des Anschluss- und Benutzungsverhältnisses, dessen prinzipielle Anerkennung in § 7 Abs. 2 Satz 3 Abfallentsorgungssatzung mit dem Merkmal "angefallen" vorausgesetzt wird, in aller Regel ein eigenes, nachhaltiges Interesse daran, dass auf ihren Grundstücken anfallende Abfälle nicht "wild" entsorgt werden. Das trifft auch für die Vertragspartner der Antragstellerin zu. Die der Antragstellerin untersagten, von den Abfallbesitzern in Auftrag zu gebenden Tätigkeiten sind nicht dazu bestimmt, sich der nach Maßgabe des Anschluss- und Benutzungszwangs zu entsorgenden Abfälle unter dessen Missachtung zu entledigen. Das Sauberhalten der Standplätze gehört zum Leistungsangebot der Antragstellerin. Systematische "Fehlwürfe" der Antragstellerin behauptet der Antragsgegner nicht.

Eine abstrakt - generelle Regelung, die jedermann ein Durchsuchen oder Wegnehmen von angefallenen Abfällen untersagt, ist in der Abfallentsorgungssatzung nicht enthalten; ob eine solche Regelung, was den Abfallbesitzer und den von ihm Beauftragten angeht, wirksam wäre, kann daher auf sich beruhen. Ebenso wenig weisen das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz und die auf dessen Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen eine solche Regelung auf. Gleiches gilt für das allgemeine Ordnungsrecht, sodass dahingestellt bleiben kann, ob und inwieweit für dessen Anwendung neben den spezifisch abfallrechtlichen Bestimmungen Raum bleibt.

Ob § 21 KrW-/AbfG die angegriffenen Untersagungsanordnungen trägt, ist jedenfalls ernstlich zweifelhaft. Die Zweifel lassen sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch nicht verlässlich ausräumen. § 21 KrW-/AbfG ermächtigt die zuständige Behörde, im Einzelfall die erforderlichen Anordnungen zur Durchführung u. a. das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes zu erlassen. Die Vorschrift räumt der Behörde die Befugnis zur Ausführung dieses Gesetzes ein. Die Behörde wird nicht zuletzt, was vorliegend in Rede steht, in die Lage versetzt, die materiell-rechtlichen Anforderungen an die Entsorgung der Abfälle einzelfallbezogen verbindlich zu konkretisieren und durchzusetzen. Einschlägig sind hier, da die Abfälle zum Zwecke ihrer Beseitigung in die Restabfallbehälter gelangt sind, bevor die untersagten Tätigkeiten ausgeführt werden, die Grundsätze der gemeinwohlverträglichen Abfallbeseitigung (§ 11 Abs. 1 i. V. m. § 10 KrW-/AbfG). Danach sind Abfälle so zu beseitigen, dass das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird (§ 10 Abs. 4 Satz 1 KrW-/AbfG). Eine Beeinträchtigung liegt insbesondere vor, wenn u. a. die Gesundheit der Menschen beeinträchtigt (§ 10 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 KrW-/AbfG) oder sonst die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet oder gestört werden (§ 10 Abs. 4 Satz 2 Nr. 6 KrW-/AbfG). Die Frage, ob eine Beeinträchtigung anzunehmen ist, erfordert, da es in der Sache um Gefahrenabwehr geht, eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Betrachtungsweise. Nach allgemeinen ordnungsrechtlichen Prinzipien liegt eine konkrete Gefahr vor, wenn im zu beurteilenden Einzelfall in überschaubarer Zukunft mit dem Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden kann.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 3.7.2002 - 6 CN 8.01-, DVBl 2002, 1562.

Dabei stehen der erforderliche Grad an Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts und Art sowie Umfang des drohenden Schadens in einer Wechselbeziehung zueinander; der Grad der Eintrittswahrscheinlichkeit ist umso geringer anzusetzen je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Auf den einzelfallbezogenen Nachweis einer Gefahr kommt es nur dann nicht an, wenn abstrakt-generelle Rechtssätze einschlägige Regelungen für bestimmte typischerweise besonders gefährliche Situationen enthalten; in einem solchen Fall besteht die konkrete Gefahr (schon) im - drohenden - Verstoß gegen den jeweiligen abstrakt-generellen Rechtssatz. An einem derartigen Rechtssatz fehlt es aber nach dem Vorstehenden. Entsprechende Voraussetzungen für die Konkretheit einer Gefahr gelten für § 35 Abs. 1 LAbfG NRW, wonach die zuständige Behörde zur Erfüllung der sich u. a. aus dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz ergebenden Pflichten die notwendigen Anordnungen treffen kann, soweit eine solche Befugnis nicht in anderen abfallrechtlichen Vorschriften enthalten ist. Zieht man daneben auch die ordnungsrechtliche Generalklausel nach § 14 OBG NRW als Rechtsgrundlage der Ordnungsverfügung in Betracht, ist das behördliche Einschreiten auch insofern durch eine konkrete Gefahr bedingt.

Der Schluss auf eine solchermaßen konkrete Gefahr wird nach derzeitigem Stand nicht hinreichend von aussagekräftigen Erkenntnissen, seien es wissenschaftliche Untersuchungen oder anderweitig fachlich fundierte Stellungnahmen oder seien es praktische Erfahrungen, getragen. Insofern ist auch einzustellen, dass, sollen sich die streitigen Untersagungsanordnungen als rechtmäßig erweisen, eine Gefahr festgestellt werden muss, deren Abwehr im Falle ihres Bestehens gerade die verfügten Anordnungen als notwendig erscheinen lassen muss; die Anordnungen müssen in ihrer Tragweite für die Antragstellerin mit der Gefahr korrespondieren. Das ist unter dem Gesichtspunkt der gebotenen Verhältnismäßigkeit der Mittel angesichts des zahlenmäßigen Umfangs sowie der Bedeutung der untersagten Tätigkeiten für die Antragstellerin dann der Fall, wenn eine von diesen Tätigkeiten ausgehende Gefahr so gelagert ist, dass mildere Abwehrmittel - etwa in Anknüpfung an die räumlichen Gegebenheiten an bestimmten Standorten von Restabfallbehältern oder an die Zeitpunkte der Ausführung der Tätigkeiten - typischerweise und nicht allenfalls punktuell und unter bestimmten, eher selten anzutreffenden Bedingungen als ungeeignet oder sonst unzureichend ausscheiden.

Als Gefahrenmomente werden in der Ordnungsverfügung im Wesentlichen Gesichtspunkte einer Gefährdung der Gesundheit durch freigesetzte Bioaerosole und der öffentlichen Ordnung durch Geruchsbelästigungen herangezogen. Das VG hat in Bezug auf Gesundheitsbeeinträchtigungen eine abstrakte, für das Verbot nach § 7 Abs. 2 Satz 3 Abfallentsorgungssatzung ausreichende Gefahr angenommen. Der Senat hat in seinem bereits erwähnten Urteil vom 11.9.2008 für das (Nach-)Sortieren der Abfälle eine hinreichend konkrete Gefahr verneint, und zwar auch in Bezug auf die in der streitigen Ordnungsverfügung ebenfalls genannten Gesichtspunkte einer negativen Anreizwirkung in Bezug auf die Trennung der Abfälle schon durch die Abfallerzeuger. Im Vordergrund des Vorbringens der Beteiligten während des Beschwerdeverfahrens stehen Fragen der gesundheitlichen Auswirkungen des (Nach-)Sortierens der Abfälle, nachdem eben diese Gegenstand auch von Erwägungen des BVerwG, vgl. Urteil vom 13.12.2007 - 7 C 42.07 -, DVBl 2008,317 und des dortigen vorinstanziellen Urteils waren.

Nähere Feststellungen oder Abschätzungen in Bezug auf Geruchsbelästigungen hat der Antragsgegner nicht vorgetragen. Greifbare Umstände, die den Schluss zulassen würden auf insoweit nach Art und Intensität tatsächlich ernsthaft ins Gewicht fallende nachteilige Folgen des (Nach-)Sortierens der Abfälle, insbesondere eines Überschreitens der Schwelle zu einem Verstoß gegen § 10 Abs. 4 KrW/AbfG, sind auch im Übrigen nicht erkennbar. Eine gesundheitliche Relevanz von durch die Tätigkeiten der Antragstellerin verursachten zusätzlichen Abfallgerüchen behauptet der Antragsgegner selbst nicht. Dass der Umgang mit Abfällen in Abhängigkeit von den jeweiligen Gegebenheiten unter Aspekten von Geruchsbelastungen problematisch ist, ist als solches nicht aussagekräftig genug. Der in der Regel wöchentliche Abfuhrrhythmus, in dem die Restabfallbehälter entleert werden (§ 16 Abs. 3 Abfallentsorgungssatzung), gewährleistet immerhin, dass sich deren Inhalt nicht über sachlich unvertretbar lange Zeiträume in den Behältern befindet und so geruchsbildende Zersetzungsprozesse zeitlich begrenzt sind.

Eine Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit ist ebenfalls zweifelhaft, und zwar auch dann, wenn man die Schwelle zur Beeinträchtigung bei einer Gefährdung ansetzt. Insoweit sind, wovon auch der Antragsgegner ausgeht, nicht die Mitarbeiter der Antragstellerin in den Blick zu nehmen, die die einzelnen Tätigkeiten ausführen. Insoweit gelten arbeitsschutzrechtliche Maßstäbe, deren Durchsetzung außerhalb der Zuständigkeit des Antragsgegners liegt und denen die Antragstellerin ihrem Vorbringen zufolge genügt. Ferner orientieren sich die arbeitsschutzrechtlichen Kriterien an potentiellen Dauerbelastungen als Folge des Arbeitsplatzes. Sie bestätigen, unabhängig von ihrer Ableitung, das als solches außer Frage stehende Risiko-/Gefahrenpotential des Umgangs mit Abfällen im Hinblick auf einen Kontakt mit aus den Abfällen emittierten Bioaerosolen. Sie besagen aber aus sich heraus nichts Greifbares darüber, ob und inwieweit Dritte, die mit diesen Stoffen lediglich gelegentlich und kurzzeitig in Berührung geraten, zumindest ohne besonderen Schutz einem aus gesundheitlicher Sicht erheblichen Risiko-/Gefahrenpotential ausgesetzt sind. Ungeachtet dessen, dass die Beteiligten über Einzelheiten der Tätigkeiten der Antragstellerin streiten, etwa ob der Inhalt der Restabfallbehälter regelmäßig auch "in der Tiefe" durchwühlt oder nur einer Sichtkontrolle der oberen Abfallschicht unterzogen wird, was ohne weiteres von erheblicher Bedeutung für die Emission kritischer Bioaerosole sein dürfte, ist eine Beaufschlagung von Dritten mit der für Arbeitsplätze typischen Regelmäßigkeit und Häufigkeit nicht entfernt erkennbar.

Der Übertragung des vom Senat im Urteil vom 11.9.2008 eingenommenen Standpunkts hält der Antragsgegner im Wesentlichen entgegen, dass die Tätigkeiten der Antragstellerin sich abweichend von ihrer eigenen Darstellung systematisch auf tief in den Restabfallbehältern befindliche Abfälle erstrecken und das Öffnen sowie Entleeren von Müllbeuteln einschließen; hiermit gehe ein angesichts des gesundheitlich potentiell kritischen Inhalts der Müllbeutel bzw. der Behälter und wechselnder Rahmenbedingungen etwa hinsichtlich der Witterung und der Behälterstandplätze und von für die Entwicklung und das Freisetzen von Bioaerosolen zum Teil sehr günstigen Verhältnissen eine letztlich unkalkulierbar hohes und nicht verantwortbares gesundheitliches Risiko einher. Damit verweist der Antragsgegner auf die bekannten allgemeinen Gefahrenmomente beim Umgang mit Abfällen aus privaten Haushalten, ohne aber die von ihm angenommene Beeinträchtigung oder Gefährdung in einer Weise zu untermauern, dass im vorliegenden Verfahren der Schluss auf eine konkrete Gefahr gezogen werden könnte. Zwar ist die menschliche Gesundheit ein besonders schutzwürdiges, hochrangiges Rechtsgut, sodass bei der Abschätzung der Auswirkungen der Tätigkeiten der Antragstellerin sogar außergewöhnlich ungünstige Rahmenbedingungen, etwa besonders keimträchtiger, hygienisch kritischer Abfall, die Nähe von Behälterstandorten zu Wohnungen bzw. Verkehrsflächen und eine erhöhte Anfälligkeit von Risikogruppen gegenüber den gesundheitlich relevanten Faktoren von Bioaerosolen einzubeziehen sind. Festzuhalten bleibt jedoch, dass auch der Antragsgegner keine Bedenken gegen die übliche Praxis des Bereitstellens, Einsammelns und Beförderns von Hausmüll hat, was bedeutet, dass die Ordnungsverfügung aus seiner Sicht folgerichtig im Kern (lediglich) der Verschärfung einer ohnehin gegebenen Risiko-/Gefahrensituation begegnen kann, und es keine anerkannten wirkungsbezogenen Maßstäbe zur gesicherten Beurteilung möglicher gesundheitlicher Auswirkungen derartiger Immissionen gibt. Das Gesundheitsamt des Antragsgegners verweist auf die Außerachtlassung gleichsam selbstverständlicher hygienischer Standards und die fehlende Notwendigkeit des Zugriffs auf die Abfälle in den Behältern. Tendenziell geht das eher in die Richtung einer gesundheitlich für sinnvoll erachteten Vorsorge im Vorfeld konkreter Gefahren als der Notwendigkeit von Maßnahmen zur Abwehr konkreter Gefahren. Das Witzenhausen-Institut und die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg sind in den von der Antragstellerin vorgelegten Untersuchungen übereinstimmend zum Ergebnis gelangt, eine auf die Tätigkeiten der Antragstellerin zurückführbare Beeinträchtigung oder auch nur Gefährdung der Gesundheit von Dritten im Umfeld der Standorte der Restabfallbehälter sei unwahrscheinlich. Der hierbei angewandte methodische Ansatz, einer nachweisbaren Erhöhung der ortsüblichen Hintergrundbelastung nachzugehen und hieran ausgerichtet mögliche zusätzliche gesundheitliche Risiken infolge gesundheitlich nachteiliger Immissionen abzuschätzen, ist angesichts des Standes der medizinischen Erkenntnisse, wie er etwa dem Bericht des Witzenhausen-Instituts zu entnehmen ist, nachvollziehbar und einleuchtend. Bezogen auf die Ergebnisse der Untersuchungen bleibt offen, inwieweit zusätzliche Risiken mangels Quantifizierung einer gesundheitlich tolerablen Gesamtbelastung dem Bereich der Vorsorge oder demjenigen der Gefahr zuzuordnen sind. Die in den Berichten über die Untersuchungen vertretene Einschätzung, eine auffällige Mehrbelastung der Umgebung der Behälterstandorte trete nicht auf, mag, was die Vollständigkeit und Repräsentativität der erfassten Tätigkeiten der Antragstellerin und der sonstigen für die Bewertung der Immissionssituation wesentlichen Bedingungen angeht, Fragen offen lassen und wegen Lücken beim untersuchten Sachverhalt in ihrem Erkenntniswert eingeschränkt sein. Jedoch lassen es auch die vom Antragsgegner geltend gemachten Nachweisschwierigkeiten nicht zu, aus diesen Bedenken gleichsam auf die Richtigkeit des Gegenteils der Abschätzungen zu schließen; ein positiver Beleg für das Vorliegen konkreter gesundheitlicher Beeinträchtigungen oder Gefährdungen lässt sich durch das Infragestellen von Untersuchungen, die auf eine Unbedenklichkeit hindeuten, nicht erbringen.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Tätigkeiten der Antragstellerin zumindest ganz überwiegend im Freien ausgeführt werden. Das spricht, wie die vorliegenden Untersuchungen zeigen, dafür, dass emittierte Bioaerosole in ihrer Konzentration schnell und stark verdünnt werden. Dementsprechend dürfte jedenfalls außerhalb der engeren Umgebung der Behälterstandplätze als Folge der Tätigkeiten der Antragstellerin eine mess- und spürbare Mehrbelastung wenig wahrscheinlich sein. Ferner wird zwar die Auslöseschwelle für durch Bioaerosole hervorgerufene gesundheitliche Beschwerden teilweise recht niedrig angesetzt und nach den vorliegenden Untersuchungen bei Tätigkeiten der Antragstellerin im näheren Umfeld der Restabfallbehälter zum Teil deutlich überschritten. Nach Darstellung des Witzenhausen-Instituts geht aber auch die Hintergrundbelastung gerade über die in der fachlichen Diskussion genannte Auslöseschwelle zum Teil erheblich hinaus. Die diesbezüglichen starken Schwankungen sind einer der Gründe dafür, dass dieses Institut zu der Einschätzung gelangt ist, für Anwohner und Passanten bestehe wegen der üblichen Abwehrmechanismen und Verhaltenweisen kein hygienisch-mikrobiologisches Risiko. Dass eine konkrete Gefahr in der Erhöhung der Hintergrundbelastung, also einer umweltbezogen allgemein nachteiligen Entwicklung, zu sehen wäre, ist ebenfalls zweifelhaft.

Das Erreichen bzw. Überschreiten potentiell kritischer Konzentrationswerte führt zudem ohne weiteres auf die Frage der Verfügbarkeit von ggfls. vorrangig vor den verfügten umfassenden - und sich auf die nach Meinung des Antragsgegners für die wirtschaftliche Basis der Antragstellerin maßgebenden Tätigkeiten des Leistungsangebots erstreckenden - Untersagungsanordnungen zur Herbeiführung rechtmäßiger Zustände zu erwägenden milderen Mitteln etwa der Schließung bzw. Verlegung von im Einzelfall für die Tätigkeiten ungeeigneten Behälterstandplätzen (vgl. hierzu auch § 17 Abs. 1 der Abfallentsorgungssatzung). Bezogen auf Passanten ist einzustellen, dass ein vom Antragsgegner als nahezu zwangsläufig eingestufter näherer Kontakt mit den Tätigkeiten der Antragstellerin nicht als zwingend erscheint. Die Tätigkeiten der Antragstellerin sind, zumal sie nach Darstellung des Antragsgegners geruchlich wahrnehmbar sind, von Außen erkennbar, sodass für Passanten im allgemeinen unschwer die Möglichkeit bestehen dürfte, einem Kontakt nicht anders als etwa bei einem zur Entleerung der Restabfallbehälter haltenden Müllsammelfahrzeug oder einem als unangenehm erkannten sonstigen Vorgang durch Vergrößerung des Abstandes auszuweichen. In gleicher Weise ist es für Benutzer der Sammelbehälter, etwa für Mieter, nicht unabwendbar, einen Müllbeutel gerade dann einzuwerfen, wenn die Mitarbeiter der Antragstellerin ihre Tätigkeit ausüben oder soeben ausgeübt haben. Auch in Bezug auf gesundheitliche Aspekte von Tätigkeiten ist es, zumal wenn sie, wie hier, in großer Anzahl an unterschiedlichen Orten unter wechselnden Bedingungen ausgeübt werden, im Zusammenhang mit der Abwehr konkreter Gefahren nicht gerechtfertigt, ohne weiteres eher ungewöhnlich ungünstige bis pessimale Annahmen zugrunde zu legen und hierauf gestützt zum Mittel eines weitreichenden Verbots zu greifen. Soweit man hierbei Beschwerden aus der Bevölkerung einen Aussagewert beilegt, was in der Ordnungsverfügung geschehen ist, ist insofern zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin nach ihren Angaben in E. seit mehreren Jahren und für Wohnanlagen mit mehr als 20.000 Wohneinheiten tätig ist und es - soweit ersichtlich - nur zu eher wenigen Beschwerden gekommen ist, bei denen Befürchtungen oder Besorgnisse in Bezug auf gesundheitliche Beeinträchtigungen jedenfalls nicht im Mittelpunkt standen.

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