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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 16.04.2008
Aktenzeichen: 21 A 2275/06.A
Rechtsgebiete: AsylVfG, AufenthG


Vorschriften:

AsylVfG § 73 Abs. 1
AufenthG § 60
Die im Jahr 1999 erfolgte Anerkennung eines Tamilen srilankischer Staatsangehörigkeit als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft kann derzeit nicht nach § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG mit der Begründung widerrufen werden, in Sri Lanka habe sich die allgemeine Lage in Bezug auf die Einhaltung der Menschenrechte gebessert.

Die im Widerrufsbescheid zusätzlich getroffenen Feststellungen zu § 60 Abs. 1 AufenthG und § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG sind in der Regel gegenstandslos, wenn der Widerruf aufgehoben wird.


Tatbestand:

Der Kläger gab an, er sei auf der Jaffna-Halbinsel geboren, srilankischer Staatsangehöriger tamilischer Volkszugehörigkeit und habe während seines Aufenthalts in Deutschland geheiratet. Bei den Anhörungen während seines Asylantragsverfahrens im Dezember 1998 trug er die Gründe für seine Ausreise vor. Er habe bis zum Alter von 16 Jahren die Schule besucht und dann im Lebensmittelhandel seines Vaters gearbeitet. Im Mai 1993 habe er sich der LTTE angeschlossen und eine dreimonatige Kampfausbildung auf der Jaffna-Halbinsel erhalten. Im September desselben Jahres sei er bei Kämpfen durch Granatsplitter verletzt worden. Nach seiner Genesung sei er gesundheitlich nicht mehr in der Lage gewesen, an Kampfhandlungen teilzunehmen. Deswegen habe er für die LTTE in den folgenden Jahren Hilfstätigkeiten für die kämpfenden Truppen ausgeübt. Erstmals im Mai 1998 habe er erfolglos um Entlassung aus dem Dienst der LTTE gebeten. Er habe sich gleichwohl entfernt. Es sei bekannt gewesen, dass er bei der LTTE gewesen sei. Deswegen fürchte er staatliche Verfolgungsmaßnahmen, die ehemaligen LTTE-Kämpfern drohten. Auch habe er als Abtrünniger Angst, der LTTE in die Hände zu fallen.

Der Kläger gelangte 1998 auf dem Luftweg mit einem fremden deutschen Pass nach Frankfurt am Main. Das Bundesamt gewährte ihm mit bestandskräftigem Bescheid Asyl und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Ausländergesetz a.F. - AuslG - hinsichtlich Sri Lanka vorlagen. Es begründete den Anerkennungsbescheid mit der vom Kläger angegebenen Mitgliedschaft in der LTTE und verwies im Übrigen lediglich auf dessen Verfolgungsvorbringen.

Das Bundesamt widerrief nach Anhörung im Jahr 2006 die Anerkennung als Asylberechtigter und die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 AuslG vorliegen. Gleichzeitig stellte es fest, dass die Voraussetzungen der §§ 60 Abs. 1 und 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG in der Person des Klägers nicht vorliegen. Zur Begründung stützte es sich darauf, dass der Kläger aufgrund einer Verfolgung wegen des Verdachts der LTTE-Zugehörigkeit anerkannt worden sei. Inzwischen sei eine Waffenruhe eingetreten, die zu einem Rückgang der Kontrollen und dem Ende der willkürlichen Verhaftungen geführt habe. Die Tamilen würde nicht wegen ihrer Volkszugehörigkeit als Gruppe verfolgt. Die Regierung bemühe sich um eine Verbesserung der Menschenrechtssituation im Land, was sich auch in der erfolgreichen Arbeit nationaler und internationaler Menschenrechtsorganisationen zeige.

Die gegen den Widerrufsbescheid gerichtete Klage wies das VG ab. Die dagegen eingelegte Berufung hatte Erfolg.

Gründe:

1. Die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 AsylVfG, der allein als Rechtsgrundlage für den angefochtenen Widerruf der Anerkennung als Asylberechtigter und der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt, sind nicht erfüllt. Die Vorschrift ist in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 (BGBl I S. 1970) zugrunde zu legen, weil das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abstellt (§ 77 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbs. AsylVfG). § 73 Abs. 1 AsylVfG n. F. enthält keine lediglich zukunftsbezogene Regelung, die seine Anwendung auf Widerrufe, die vor seinem Inkrafttreten bereits ergangen waren, ausschlösse.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 1.11.2005 - 1 C 21.04 -, BVerwGE 124, 276 zu § 73 Abs. 2a Satz 1 AsylVfG vor Einführung der hierfür geltenden Übergangsregelung in § 73 Abs. 7 AsylVfG n. F.

Nach § 73 Abs. 1 AsylVfG sind - vorbehaltlich des Satzes 3 - die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Anerkennung als Asylberechtigter oder zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, oder wenn er als Staatenloser in der Lage ist, in das Land zurückzukehren, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Die Widerrufsnorm begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Asylgrundrecht verleiht anders als die Menschenrechte, die dem Träger Zeit seines Lebens zustehen, keinen unveränderbaren Status. Das Asylrecht ist in seinem Bestand von den Umständen abhängig, die es begründen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 1.11.2005, a. a. O.; Hailbronner, Ausländerrecht (Stand: Februar 2008), § 73 AsylVfG Rn. 9.

Der Widerruf erweist sich jedoch als materiell rechtswidrig, weil im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung die Voraussetzungen des § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG nicht erfüllt sind. Die Umstände, die zur Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter und zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, sind nicht weggefallen. Ebensowenig haben sich in der Person des Klägers Änderungen ergeben, die darauf schließen lassen, dass ihm keine Verfolgungsgefahr mehr droht. Ändert sich im Nachhinein lediglich die Beurteilung der Verfolgungslage, so rechtfertigt dies den Widerruf nicht.

§ 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG n. F. übernimmt Art. 1 C Nr. 5 und 6 der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - nun auch dem Wortlaut nach in deutsches Recht. Eine inhaltliche Änderung der Widerrufsvoraussetzungen geht damit nicht einher, weil § 73 Abs. 1 AsylVfG a. F. schon bisher im Sinne von Art. 1 C Nr. 5 und 6 GFK auszulegen war.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 20.3.2007 - 1 C 21.06 -, BVerwGE 128, 199, und vom 1.11.2005, a.a.O., sowie BT-Drs. 16/5065, S. 219.

Ein Widerruf kommt demnach insbesondere in Betracht, wenn sich die zum Zeitpunkt der Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse nachträglich erheblich und nicht nur vorübergehend so verändert haben, dass bei einer Rückkehr des Ausländers in seinen Herkunftsstaat eine Wiederholung der für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist und ihm nicht aus anderen Gründen erneut Verfolgung droht.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.3.2007, a. a. O., m.w.N.

Der Gesetzgeber hatte ausweislich des Gesetzentwurfs der damaligen Regierungsfraktionen bei Schaffung des § 16 Abs. 1 AsylVfG 1982, der insoweit im Wesentlichen inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des heutigen § 73 Abs. 1 AsylVfG, vor allem den Fall als Widerrufsgrund vor Augen, dass "in dem Verfolgerstaat ein Wechsel des politischen Systems eingetreten ist, so dass eine weitere Verfolgung nicht mehr zu befürchten ist" (BT-Drs. 9/875, S. 18). Ob eine solche Änderung eingetreten ist, beurteilt sich nicht allein nach dem im Anerkennungsbescheid zugrunde gelegten Sachverhalt, sondern nach den zum Zeitpunkt der Anerkennung im Verfolgerstaat tatsächlich herrschenden Verhältnissen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 19.9.2000 - 9 C 12.00 -, BVerwGE 112, 80, und Schäfer, in: Gemeinschaftskommentar zum Asylverfahrensgesetz 1992 (Stand: Dezember 2007), § 73 Rn. 27 f.

Seit der Anerkennung des Klägers im Februar 1999 haben sich die Verhältnisse in Sri Lanka nicht dergestalt gebessert, dass die Gefahr einer Verfolgung aus asylerheblichen Gründen geringer geworden wäre. Da eine Wiederholung der für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen nicht hinreichend sicher auszuschließen ist, kann offen bleiben, ob der Kläger darüber hinaus aufgrund neuer andersartiger Umstände einer Verfolgungsgefahr unterliegen könnte und an welchem Wahrscheinlichkeitsmaßstab eine solche Gefahr vor dem Hintergrund der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.4.2004 - Qualifikationsrichtlinie - zu messen wäre.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 7.2.2008 - 10 C 33.07 -, ZAR 2008, 192.

Aus dem Urteil des OVG NRW vom 24.3.1999 - 21 A 1346/96.A - und den ihm zugrunde liegenden Erkenntnissen folgt, dass sich bis 1999 die Menschenrechtssituation auch in den Konfliktgebieten im Norden und Osten Sri Lankas im Vergleich zu den Vorjahren wesentlich verbessert hatte. Eine politische Verfolgung der Bevölkerungsgruppe der Tamilen oder einer Untergruppe der Tamilien fand weder im gesamten Land noch in einzelnen Landesteilen statt. Inhaftierungen, inbesondere zur Identitätsfeststellung und Fahndung nach LTTE-Angehörigen und -Unterstützern, währten nur in einer verhältnismäßig geringfügigen Zahl von Fällen länger als zwei Tage. Die Gefahr, im Gewahrsam der staatlichen Sicherheitskräfte misshandelt zu werden, war nicht zuletzt wegen neu eingerichteter innerstaatlicher Kontrollmechanismen (vor allem nach der Gründung der "National Human Rights Commission" - NHRC -) erheblich verringert. Das Folterverbot wurde zwar nicht durchweg beachtet. Die Zahl der Verschwundenenfälle ging von 1996 an aber deutlich zurück und betraf mehrheitlich LTTE-Mitglieder, bei denen die Bereitschaft zu terroristischen Aktionen vermutet wurde. Seit Mitte des Jahres 1997 war jedoch selbst auf der Jaffna-Halbinsel kein Fall des Verschwindenlassens mehr bekannt geworden. Die verbesserte Lage fand ihren Niederschlag in Rückführungsabkommen, die unter anderem mit der Schweiz, den Niederlanden und Dänemark geschlossen wurden. Bis Ende 1998 kehrten auf ihrer Grundlage zahlreiche ehemalige Flüchtlinge nach Sri Lanka zurück.

Nach der maßgeblichen heutigen Erkenntnislage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ist festzustellen, dass sich die allgemeine politische Lage in Sri Lanka in Bezug auf die Einhaltung der Menschenrechte und insbesondere in Bezug auf das Risiko von Tamilen, wegen des Verdachts der Unterstützung der LTTE verfolgt zu werden, im Vergleich zum Jahr 1999 nicht verbessert, sondern eher verschlechtert hat.

Das Auswärtige Amt hat bereits in seiner Ad-hoc-Information vom 31.1.2007 ausgeführt, aufgrund der jüngsten politischen Entwicklungen, insbesondere der teilweisen Wiedereinführung der repressiven Anti-Terrorgesetze im Dezember 2006 und der Einnahme der Vakarai/Ost-Provinz durch srilankische Regierungstruppen am 22.1.2007 habe sich die im Asyllagebericht vom 11.12.2006 dargestellte Situation verschärft. Nach dem jüngsten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 5.2.2008 stellt sich gegenwärtig die Situation in Sri Lanka wie folgt dar: Das bereits seit langem nicht mehr eingehaltene Waffenstillstandsabkommen von Februar 2002 ist zum 16.1.2008 vom srilankischen Präsidenten aufgekündigt worden. Regierungstruppen und von der Regierung nicht kontrollierte paramilitärische Einheiten (insbesondere die sog. Karuna-Gruppe oder TMVP - Thamil Makal Viduthalai Pullikal = Tamil People Liberation Tigers -) haben im Sommer 2007 die LTTE aus ihren östlichen Stellungen vertrieben. Die Sicherheitslage verschärft sich weiterhin. Insbesondere kommt es zu Bombenanschlägen mit zahlreichen Todesopfern, die von der Regierung der LTTE zugeschrieben werden. Es kommt zu einer Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte und von Repressionen seitens der LTTE und mit der Regierung kollaborierender paramilitärischer Gruppen. Das im November und Dezember 2006 weiter verschärfte Notstandsrecht gibt den Sicherheitsbehörden sehr weit gehende Eingriffsrechte mit nur noch sehr eingeschränkter richterlicher Kontrolle. Besonderem Druck ausgesetzt ist die tamilische Bevölkerungsgruppe, deren Angehörige häufig unter den Generalverdacht der Unterstützung der LTTE-Rebellen gestellt werden. Menschenrechtsverletzungen werden kaum untersucht oder gar strafrechtlich verfolgt. Es gibt zunehmenden Druck auf regierungskritische Medien und massive Versuche, oppositionelle Politiker einzuschüchtern. Tamilen werden nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes nicht allein aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit systematisch verfolgt, sind aber - durch ihre tamilische Sprache und die entsprechenden Einträge in Ausweiskarten für die Sicherheitskräfte leicht identifizierbar - in eine Art Generalverdacht der Sicherheitskräfte geraten. Die ständigen Razzien, PKW-Kontrollen und Verhaftungen schon bei Vorliegen geringster Verdachtsmomente richten sich vor allem gegen Tamilen. Durch die Wiedereinführung des "Terrorism Prevention Act" Ende 2006 ist die richterliche Kontrolle solcher Verhaftungen kaum mehr gewährleistet. Wer verhaftet wird, muss mit längerer Inhaftierung rechnen, ohne dass es zu weiteren Verfahrensschritten oder gar einer Anklageerhebung kommen muss. Die Unterstützung der LTTE ist mit dem Terrorism Prevention Act erneut strafbar, auch wenn die LTTE in diesem Gesetz nicht ausdrücklich genannt wird. Jeder, der in den Augen der Sicherheitsbehörden der Nähe zur LTTE verdächtig ist, muss damit rechnen, verhaftet zu werden. In den Augen der Sicherheitsbehörden sind besonders verdächtig Tamilen, die sich erstmals in dem von der Regierung beherrschten Gebiet niederlassen wollen. Srilanker, die in der Vergangenheit seitens der Sicherheitsbehörden oder der LTTE verfolgt wurden, müssen seit Ende Dezember 2006 mit erneuter Verfolgung und Beeinträchtigung ihrer Sicherheit rechnen. Dies trifft auch auf Personen zu, die sich in den vom Bürgerkrieg bislang verschonten Gebieten der Insel einschließlich der Hauptstadt Colombo aufhalten. Auch in diesen "friedlichen" Regionen gehören Razzien und nächtliche Verhaftungsaktionen seit Anfang 2007 zur Tagesordnung. 90 v.H. der im Zusammenhang mit Terrorismusbekämpfung und Sicherheitsprävention Verhafteten sind Tamilen. Diese sind weit überproportional von Festnahmen und längeren Haftzeiten betroffen als andere Bevölkerungsgruppen. Bei Strafverfahren im Zusammenhang mit der Unterstützung der LTTE drohen auch bei relativ geringfügigen Delikten drakonische Haftstrafen. In Verfahren unter dem Terrorism Prevention Act müssen Angeklagte beweisen, das Geständnisse unter Zwang oder Folter erpresst worden sind. Die Untersuchungshaftzeiten sind lang, und es dauert oftmals mehr als ein Jahr, bis überhaupt entschieden wird, ob eine Anklage erhoben wird oder nicht. Die LTTE und die TMVP üben Repressionen bis hin zu Mordanschlägen aus. Es liegen Informationen darüber vor, dass abgeschobene Tamilen aus Deutschland und anderen westlichen Staaten nach ihrer Rückkehr nach Colombo von der LTTE gefoltert und mit Mord bedroht wurden, nachdem sie nicht mit ihr kooperiert hatten. Es gibt innerhalb Sri Lankas keine Gebiete mehr, in denen die beschriebenen Verfolgungshandlungen nicht ausgeübt werden, auch wenn die Intensität der Bedrohung sich in den einzelnen Landesteilen unterscheidet. Die nach dem Waffenstillstand 2002 bestehende Möglichkeit, sich im ganzen Land ohne große Einschränkungen zu bewegen und niederzulassen, existiert nicht mehr. Mit dem im August 2005 wieder eingeführten und im Dezember 2006 verschärften Notstandsrecht haben die Vorwürfe über Folterungen durch die Sicherheitskräfte wieder erheblich zugenommen. Nach einer Aussage des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen wird Folter als gängige Praxis im Rahmen der Terrorismusbekämpfung angewendet. Im Zusammenhang mit ethnischen Spannungen kommt es im Norden und Osten des Landes zu gezielten extralegalen Tötungen, die zumeist auf einzelne Personen oder Personengruppen zielen (Angehörige der Sicherheitskärfte, LTTE-Kader, Karuna-Anhänger, bestimmte Politiker, herausgehobene Persönlichkeiten), ohne dass die Urheberschaft für diese Taten bewiesen werden könnte. Es besteht ein allgemeiner Verdacht, dass ein Teil dieser Taten von den staatlichen Sicherheitskräften, teilweise in Kollusion mit der TMVP, verübt wird. Seit Anfang 2006 sind über 500 Personen verschwunden. Es besteht der allgemeine Verdacht, dass diese Personen von der LTTE und Sicherheitskräften getötet wurden. Ein Asylantrag im Ausland begründet in aller Regel noch keinen Verdacht, der LTTE nahe zu stehen. Ein Anfangsverdacht trifft aber Rückkehrer, die aus den nördlichen oder östlichen Landesteilen stammen und sich nun erstmals in Colombo oder dem Süden niederlassen wollen. Ebenso steht unter Verdacht, wer bereits früher als Anhänger der LTTE auffällig geworden war.

Diese Einschätzung der Lage in Sri Lanka wird durch die Auskünfte und Stellungnahmen anderer Organisationen und Gruppen bestätigt.

Der UNHCR hatte bereits in seiner Stellungnahme von Januar 2007 darauf hingewiesen, dass sich als Folge des wieder aufgeflammten Bürgerkrieges die Menschenrechtslage für die srilankische Bevölkerung dramatisch verschlechtert habe. Hiervon seien in besonderem Maße Tamilen aus dem Norden und Osten des Landes betroffen. Aufgrund der im April bzw. Dezember 2006 drastisch verschärften Sicherheitsbestimmungen bestehe auch für Tamilen aus Colombo und Umgebung ein erhöhtes Risiko, willkürlichen, missbräuchlichen Polizeimaßnahmen unterworfen zu werden und Opfer von Entführungen, Verschleppungen oder Tötungen zu werden. UNHCR empfiehlt deshalb, Tamilen aus dem Norden oder Osten nicht abzuschieben, bis eine signifikante Verbesserung der Sicherheitslage eingetreten sei. Tamilen aus Colombo sollten als Flüchtlinge anerkannt werden, wenn sie zielgerichteten Menschenrechtsverletzungen durch die LTTE, die staatlichen Behörden oder durch paramilitärische Gruppen ausgesetzt seien.

Auch amnesty international (vgl. Auskunft an das VG Hannover vom 18.4.2007 - ASA 37-06.034 -; ai Jahresbericht 2007 Sri Lanka; AI-Länderinformationen, Katja Köhne, Menschenrechts- und Sicherheitslage in Sri Lanka, asyl-info 7-8/2007; Bericht "Sri Lanka, Silencing Dissent" von Februar 2008) ist der Auffassung, dass sich die aktuelle Lage in Sri Lanka insbesondere seit Mitte 2006 so sehr verschlechtert habe, dass in dem Land wieder ein de facto Bürgerkrieg herrsche. amnesty international dokumentiert eine massive Verschlechterung der Sicherheits- und Menschenrechtslage und beobachtet, dass es wieder zu ähnlichen Mustern von Menschenrechtsverletzungen komme wie vor dem Abschluss des Waffenstillstandsabkommens im Jahr 2002: Fälle von gewaltsamem Verschwindenlassen und Entführungen, willkürliche Festnahmen vor allem von tamilischen jungen Männern, Folter und Misshandlung in Polizeigewahrsam, politische Morde durch die LTTE und die Karuna-Gruppe, Rekrutierung von Kindersoldaten. Diese Menschenrechtsverletzungen geschähen in einer Atmosphäre der Straflosigkeit; keine Seite bemühe sich, die an den Kämpfen unbeteiligten Zivilisten zu schützen. Nach einem Anschlag der LTTE auf den srilankischen Außenminister im August 2005 seien vom Parlament Emergency Regulations, also Notstandsregelungen, erlassen worden, die den Behörden einen breiten Handlungsspielraum einräumten und auf Grundlage derer Personen auf bloße Verdachtsmomente hin verhaftet und bis zu einem Jahr ohne Prozess festgehalten werden könnten. Zuletzt seien am 6.12.2006 die Emergency (Prevention and Prohibition of Terrorism and Specified Terrorist Activities) Regulations No. 07 erlassen worden. Diese neuen Sicherheitsbestimmungen ließen offenbar die Anwendung des umstrittenen Anti-Terrorgesetzes Prevention of Terrorism Act No. 48 (PTA) doch wieder zu. Die Vorschriften sähen in einem sehr ausgedehnten Anwendungsbereich generelle Verbote jeglicher Teilnahme an und Förderung von terroristischen Aktivitäten vor. Ferner enthielten diese Vorschriften eine Definition des Terrorismus, die so breit angelegt sei, dass auch regierungskritische Aktivitäten darunter fallen könnten. Zusätzlich führe der alleinige Verdacht, dass eine Person gegen das PTA verstoßen habe, zu der Erfüllung der jeweiligen Tatbestände. Amnesty international ist der Auffassung, dass aufgrund der desolaten Sicherheits- und Menschenrechtslage zur Zeit niemand nach Sri Lanka abgeschoben werden solle. In besonderem Maße gefährdet, Opfer von Menschenrechtsverletzungen zu werden, seien Personen, die in irgendeiner Form mit der LTTE in Verbindung gebracht werden könnten. Es komme Berichten zufolge bei der Einreise regelmäßig zu Befragungen am Flughafen und amnesty international seien mehrere Fälle bekannt, in denen abgelehnte Asylbewerber am Flughafen festgehalten worden seien. Es habe in letzter Zeit in Colombo und anderen Städten viele Razzien und willkürliche Straßenkontrollen gegeben. Erstmalig seit Abschluss des Waffenstillstandsabkommens sei dies in großem Rahmen wieder Ende Dezember 2005 der Fall gewesen, als bei einer Polizeiaktion mindestens 1.798 Personen, der überwiegende Teil Tamilen, verhaftet worden seien. Seit 2006 sei die Anzahl der Polizei- und Militär-Checkpoints im ganzen Land drastisch erhöht worden und die Polizei führe regelmäßig Kontrollen und Razzien in Wohnungen, auf Straßen und zum Teil in ganzen Stadtgebieten durch. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe berichte, dass die Situation in Colombo besonders angespannt sei, wo die Bewohner von tamilisch besiedelten Gegenden aufgefordert seien, sich bei der Polizei zu registrieren. Bei darauf folgenden Großrazzien würden anhand der so erstellten Listen nicht registrierte Bewohner sofort festgenommen. Bei solchen Operationen komme es häufig zu mehreren hundert Festnahmen. In Colombo seien Berichten zufolge auch wieder paramilitärische sogenannte "white vans" unterwegs, in denen v. a. Tamilen entführt und verschleppt würden. Das Risiko, in Polizeigewahrsam Opfer von Folter und Misshandlung zu werden, sei in Sri Lanka sehr hoch. amnesty international lägen viele Meldungen über Folterungen sowie Todesfälle infolge von Folterhandlungen vor. Auch der UN-Ausschuss gegen Folter berichte von anhaltenden, gut dokumentierten Vorwürfen über weit verbreitete Folter und Misshandlung sowie Fälle von Verschwindenlassen.

Nach der Einschätzung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Aktuelle Erkenntnisse des Bundesamtes zu Sri Lanka, 4.5.2007) sind Tamilen in Gefahr, bei Kontrollen, den relativ häufigen Hausdurchsuchungen und auf meist haltlose Denunziationen hin verhaftet und ohne Anklage auf Grundlage der Notstandsgesetze Monate oder sogar Jahre lang inhaftiert zu werden. Eine spätere Verurteilung durch die ohnehin langsame Justiz erfolge nur selten. Derzeit sollen rund 1.000 Tamilen nach den Notstandsgesetzen in längerer (Untersuchungs-) Haft sein. Ihre Haftbedingungen seien nicht menschenrechtswidrig.

Auch nach der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. Bericht "Asylsuchende aus Sri Lanka" vom 1.2.2007) ist die Menschenrechtslage in Sri Lanka besorgniserregend. Neben den eklatanten Menschenrechtsverletzungen im Norden und Osten Sri Lankas gebe es eine dauernde Bedrohung durch terroristische Attacken auch im Großraum Colombo und in anderen Provinzen. Diese würden von der Regierung mit Methoden bekämpft, die für die tamilische Minderheit bedrohlich seien und ihre Sicherheit in Frage stellten. Seit Dezember 2005 gebe es eine signifikante Zunahme extralegaler Tötungen auch von Regierungsseite. Viele solcher Taten würden an gewöhnlichen Personen begangen, die kaum erkennbar in Verbindung zum Konflikt stünden. Teilweise seien Entführungen und Tötungen Teil eines Musters, die LTTE anzugreifen, teilweise geschähen sie aus politischen Motiven und könnten zudem einen kriminellen Hintergrund haben. Die Zahl des Verschwindenlassens, der extralegalen Hinrichtung und der Entführungen vor allem von Tamilen und Tamilinnen habe auch in der Hauptstadt Colombo zugenommen. Auch die LTTE oder Kriminelle mit Verbindungen zur LTTE seien verantwortlich für Entführungen und Ermordungen in Colombo. Die srilankischen Institutionen seien nicht willens oder in der Lage, die Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen und zu verfolgen. Nach dem Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe "Sri Lanka unter Notstandsrecht" von Dezember 2007 muss jeder, der in den Augen der Sicherheitsorgane der Nähe zur LTTE verdächtig ist, damit rechnen, von den Sicherheitskräften verhaftet zu werden. Personen, die in der Vergangenheit im Verdacht einer Kooperation mit den LTTE standen, müssen seit Dezember 2006 erneute Verfolgung und Beeinträchtigung der Sicherheit befürchten. Das trifft auch auf solche zu, die sich in den vom Bürgerkrieg bislang verschonten Gebieten der Insel, einschließlich der Hauptstadt Colombo, aufhalten. Auch in den so genannten "friedlichen" Regionen gehören Razzien und nächtliche Verhaftungsaktionen inzwischen zur Tagesordnung. Am häufigsten sind Verhaftungswellen nach Anschlägen, die den LTTE zugerechnet werden. Vordringlichstes Ziel der Kontrollen sind Tamilen. Kommen sie aus dem Norden oder Osten Sri Lankas, insbesondere aus den LTTE-dominierten Gebieten, oder wollen sie sich erstmals in den von der Regierung kontrollierten Gebieten niederlassen, haben sie ein erhöhtes Risiko, festgenommen, misshandelt und gefoltert zu werden. In Sri Lanka kommt es zunehmend zu Entführungen und extralegalen Tötungen, deren Urheberschaft sich oft nicht klären lässt. Es stehe jedoch fest, dass in den Gebieten unter Regierungskontrolle Todesschwadronen aus den Kreisen der Sicherheitskräfte und den mit ihnen verbündeten Milizen unterwegs seien. Die Zunahme extralegaler Tötungen sei besonders in Jaffna, aber auch in Vavuniya und Batticaloa besorgniserregend.

Auch die Organisation Human Rights Watch (Pressemitteilung "Sri Lanka: Verschwindenlassen durch Sicherheitskräfte eine nationale Krise" vom 6.3.2008; Bericht "Recurring Nightmare, State Responsibility für ,Disappearances' and Abductions in Sri Lanka" von März 2008) macht die srilankische Regierung für zahlreiche Entführungen und das Verschwindenlassen von Personen verantwortlich. Nach dem Bericht sollen in der Zeit von Dezember 2005 bis Dezember 2007 mehr als 1.500 Personen als vermisst gemeldet worden sein, von denen die meisten weiterhin verschwunden seien. Human Rights Watch dokumentiert im einzelnen 99 Fälle verschwundener Personen und verweist darüber hinaus auf eine von Menschenrechtsgruppierungen zusammengestellte Liste mit weiteren 498 verschwundenen Personen. Die große Mehrheit der Opfer sind nach Human Rights Watch (S. 63 ff. des Berichtes) junge männliche Tamilen. Einige der Opfer, insbesondere in Jaffna, wurden offensichtlich wegen ihrer vermeintlichen Zugehörigkeit zur LTTE zum Ziel der Übergriffe, wobei der Begriff der Zugehörigkeit alles umfasst von einem - auch erzwungenen - Aufenthalt in Trainingscamps der LTTE bis zum Betrieb eines Ladens, zu dessen Kundschaft auch LTTE-Kader gehören. Zu den Opfern gehörten auch Studenten, religiöse Führer, humanitäre Helfer und Journalisten. In Colombo und in geringerem Umfang auch in anderen Gebieten waren viele der Opfer Geschäftsinhaber. Diesen Entführungen folgten zumeist Lösegeldforderungen. Während die Opfer zunächst überwiegend Tamilen waren, wurden im Laufe des Jahres 2007 auch muslimische Geschäftsleute entführt. Im Mai 2007 wurden mehr als ein Dutzend muslimische Geschäftsleute entführt, von denen einige nach Lösegeldzahlungen freigelassen wurden.

Die International Crisis Group, eine international tätige Nichtregierungsorganisation, stellt in ihrem Bericht vom 20.2.2008 (Asia Report N°146, Sri Lanka's Return to War: Limiting the Damage, insbes, S. 10 und 13) fest, dass mit dem Zusammenbruch des Waffenstillstandes, mit der Rückkehr der LTTE zu Terroranschlägen und mit den Anti-Terror-Maßnahmen der Regierung die Angst und die zwischenethnischen Spannungen deutlich angestiegen seien. Die Entscheidung, etwa 375 Tamilen aus Hotels und Pensionen in Colombo mit Bussen "nach Hause" in den Norden und Osten und das zentrale Bergland zu bringen, hätten einen deutlichen Vertrauensverlust bewirkt. Danach sei es Anfang Dezember 2007 nach Bombenanschlägen, die der LTTE zugeschrieben wurden, zu Massenverhaftungen von mehr als 2.500 Personen gekommen. Die Verhaftungen seien unorganisiert und unterschiedslos erfolgt und hätten auch viele seit langem in der Hauptstadt ansässige Personen mit einwandfreien Ausweisen betroffen. Mehr als 400 Personen seien zu Gefangenenlagern in den Süden gebracht worden. Die meisten seien innerhalb einer Woche entlassen worden. Von vielen seien diese sog. "Sicherheitsmaßnahmen" als Botschaft verstanden worden, dass alle Tamilen eine Gefahr für die Sicherheit darstellten und in Colombo oder anderen singhalesischen Gebieten nicht willkommen seien. Besonders verletzlich seien Tamilen aus dem Norden und Osten. Die Menschenrechtskrise bestehe fort. Die Verletzung bürgerlicher und politischer Rechte sei weit verbreitet, vor allem im Norden und Osten, wo politische Morde und das Verschwindenlassen von Menschen an der Tagesordnung sei, insbesondere in Jaffna.

Auch das Department of State der Vereinigten Staaten von Amerika vertritt in seinem Bericht vom 11.3.2008 (2007 Country Reports on Human Rights Practices - Sri Lanka) die Auffassung, der Respekt der srilankischen Regierung gegenüber den Menschenrechten nehme zum Teil aufgrund der Eskalation des bewaffneten Konflikts ab. Die überwältigende Mehrheit der Opfer von Menschenrechtsverletzungen seien junge männliche Tamilen, obwohl ethnische Tamilen insgesamt nur etwa 16 % der Gesamtbevölkerung ausmachten. Die Lage habe sich insbesondere auf der von der Regierung kontrollierten Jaffna-Halbinsel verschlechtert. Im Laufe des Jahres 2007 seien geschätzt 3.200 Personen im Zusammenhang mit den Feindseligkeiten zwischen den srilankischen Sicherheitskräften und der LTTE getötet worden, darunter etwa 1.000 Zivilpersonen. Die meisten der zivilen Opfer seien nach Auffassung internationaler Organisationen nicht bei militärischen Aktionen, sondern durch individuelle Vorfälle, d.h. insbesondere durch extralegale Tötungen ums Leben gekommen. Diese Vorfälle ereigneten sich nach Mitteilung des "Consortium of Humanitarian Organizations" (CHA), einer Schirmorganisation einheimischer Nichtregierungsorganisationen, überproportional häufig in überwiegend von Tamilen bewohnten Gebieten. Während in Colombo etwa 35 Zivilpersonen in Zusammenhang mit dem Konflikt ums Leben gekommen seien, hätten sich in Jaffna geschätzte 200 Todesfälle dieser Art ereignet. Unter den Notstandsgesetzen seien mehrere tausend Personen zumindest zeitweilig inhaftiert wurden, wobei die Mehrheit innerhalb von 24 Stunden wieder entlassen wurden. Zwischen dem 30.11. und dem 3.12.2007 seien nach zwei Bombenanschlägen der LTTE in und bei Colombo fast 2.500 Tamilen in der Hauptstadt und geschätzt 3.500 landesweit verhaftet worden. Es habe sich zumeist um männliche Tamilen gehandelt, die nach den Berichten allein aufgrund ihrer tamilischen Zunamen verhaftet worden seien. Die große Mehrheit der Verhafteten sei bald wieder freigelassen worden. Zum Ende des Jahres seien in dem Gefangenenlager Boossa noch 12 von 372 Verhafteten in Haft geblieben.

Wegen der verhältnismäßig schmalen Erkenntnisgrundlage zur aktuellen Situation in der Herkunftsregion des Klägers im Norden Sri Lankas lassen sich derzeit zwar keine abschließenden oder in die Einzelheiten gehenden Bewertungen für diesen Landesteil vornehmen. Gleichwohl kann der Senat aber mit ausreichender Gewißheit feststellen, dass sich die für einen Widerruf maßgeblichen allgemeinen politischen Verhältnisse im Hinblick auf die Einhaltung der Menschenrechte bzw. die Gefahr asylerheblicher Verfolgungsmaßnahmen seit der Anerkennung des Klägers im Jahr 1999 weder im gesamten Land noch in seiner Herkunftsregion verbessert haben. Das gilt insbesondere für den Kläger, der sich - die Feststellungen des Anerkennungsbescheids zugrunde gelegt - unerlaubt von der LTTE entfernt hat.

Aus den Verwaltungsvorgängen ergibt sich überdies nichts dafür, dass sich in der Person des Klägers Änderungen ergeben haben, die es als zumutbar erscheinen ließen, ihn auf den Schutz seines Heimatstaates zu verweisen.

2. Aus Gründen der Klarstellung hat der Senat auch die Feststellungen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen, (deklaratorisch) aufgehoben.

Durch die Aufhebung des Widerrufs sind diese Feststellungen gegenstandslos geworden. Denn bei verständiger Auslegung des Widerrufsbescheids hat das Bundesamt sie unter der Bedingung getroffen, dass der Widerruf des Anerkennungsbescheids rechtmäßig ist. Das folgt einerseits daraus, dass das Bundesamt die Feststellungen ausdrücklich nur in Erfüllung seiner Pflicht zur umfassenden Schutzgewährung getroffen hat. Andererseits ist angesichts des vom Gesetz vorgegebenen, in hohem Maße auf Verfahrensökonomie und -straffung angelegten Entscheidungsprogramms des Bundesamts im Regelfall davon auszugehen, dass es die Entscheidung über eine weniger umfangreiche Schutzgewährung nur trifft, wenn das weiter reichende Schutzgesetz nicht eingreift. Nach gefestigter Rechtsprechung stehen die asylrechtlichen Ansprüche nämlich in einem bestimmten Rangverhältnis in dem Sinne, dass Schutz vor geltend gemachten Gefahren im Heimatstaat vorrangig auf der Stufe zu gewähren ist, die jeweils den umfassenderen Schutz vermittelt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.11.2006 - 1 C 10.06 -, BVerwGE 127, 161, m. w. N. seiner früheren Rechtsprechung.

Der Kläger ist wegen des aufgehobenen Widerrufs weiterhin als Asylberechtigter und politischer Flüchtling anerkannt. Unabhängig davon, ob der bestandskräftige Bescheid zu § 51 Abs. 1 AuslG überhaupt noch Raum für Feststellungen nach § 60 Abs. 1 AufenthG unter dem Blickwinkel des Schutzes vor nichtstaatlicher Verfolgung lässt, besteht hieran wegen der dem Kläger bereits zuerkannten Flüchtlingseigenschaft auch aus Sicht des Bundesamtes kein Interesse. Dasselbe gilt für die Feststellung zu § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG, die im Anerkennungsfall ohnehin nachrangig ist (vgl. § 31 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 AsylVfG).

Ende der Entscheidung

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