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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 23.12.2003
Aktenzeichen: 21 B 2381/03
Rechtsgebiete: LVO FF


Vorschriften:

LVO FF § 11
LVO FF § 14
Ein Angehöriger der Freiwilligen Feuerwehr, dem vom Wehrführer eine Funktion übertragen worden ist, kann trotz des Fehlens einer entsprechenden Regelung in der Verordnung über die Laufbahn der ehrenamtlichen Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr auf die Ausübung der Funktion rechtswirksam verzichten.

Der Verzicht erfolgt durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung und erlangt Wirksamkeit, ohne dass es einer gesonderten Annahmeerklärung durch den Wehrführer bedarf.


Tatbestand:

Mit Urkunde vom 1.10.2001 wurde der Antragsteller zum stellvertretenden Löschzugführer ernannt. Mit Schreiben vom 3.5.2002 trat er von dieser Funktion zurück. Unter dem 28.10.2002 verfügte der Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr der Antragsgegnerin - im Folgenden: Wehrführer - unter Anordnung der sofortigen Vollziehung den Ausschluss des Antragstellers aus der Freiwilligen Feuerwehr. Dagegen erhob der Antragsteller Widerspruch. Auf seinen Antrag stellte das VG die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Ausschlussverfügung wieder her. Unter dem 16.6.2003 gab der Landrat des Kreises L. dem Widerspruch des Antragstellers statt und hob die Ausschlussverfügung auf. Bereits in Anbetracht der Entscheidung des VG räumte der Wehrführer mit Schreiben vom 12.5.2003 dem Antragsteller das Recht ein, wieder in der Freiwilligen Feuerwehr mitzuarbeiten; gleichzeitig erklärte er, eine Funktion werde dem Antragsteller nicht (wieder) zugewiesen. Da der Antragsteller in diesem Schreiben einen ihm eine Funktion innerhalb der Freiwilligen Feuerwehr entziehenden Verwaltungsakt sah, erhob er dagegen Widerspruch. Am 25.10.2003 suchte der Antragsteller beim VG um vorläufigen Rechtsschutz nach, der in Anbetracht seiner Auffassung, die Funktion als Gruppenführer nie aufgegeben zu haben, zunächst auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtet war, ihm die Funktion eines Gruppenführers zuzuweisen. Nachdem das VG darauf hingewiesen hatte, dass seiner Ansicht nach die Dienststellung als Gruppenführer mit der Übertragung der Dienststellung eines stellvertretenden Löschzugführers erloschen und der mit Schreiben vom 3.5.2002 erklärte Rücktritt von der Funktion des stellvertretenden Löschzugführers unwirksam sei, stellte der Antragsteller sein Begehren auf die Zuweisung der Funktion eines stellvertretenden Löschzugführers um. Mit dem angefochtenen Beschluss stellte das VG im Wege der einstweiligen Anordnung fest, dass der Antragsteller weiterhin die Dienststellung eines stellvertretenden Löschzugführers inne habe. Die dagegen gerichtete Beschwerde hatte Erfolg.

Gründe:

Hinsichtlich der Bezeichnung des Antragsgegners bedarf das Rubrum des Verfahrens keiner Berichtigung, weil das Rechtsschutzgesuch zutreffend gegen den Bürgermeister der Gemeinde gerichtet ist. Der Wehrführer kommt als Antragsgegner nicht in Betracht, da ihm lediglich eine funktionelle Zuständigkeit für Personalangelegenheiten der Freiwilligen Feuerwehr innerhalb der Gemeinde zukommt, ohne dass mit dieser Zuständigkeit eine organisatorische Verselbständigung einherginge.

Vgl. in diesem Zusammenhang auch OVG NRW, Beschlüsse vom 18.6.1997 - 21 B 1990/96 - und vom 15.12.2000 - 21 B 1540/00 -, m.w.N.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das VG hat die einstweilige Anordnung zu Unrecht erlassen.

Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO. Es fehlt jedenfalls an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs.

Der Antragsteller kann aufgrund der in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund seines derzeitigen Status weder die Ausübung der Funktion eines stellvertretenden Löschzugführers (1.) noch die Ausübung der Funktion eines Gruppenführers (2.) beanspruchen. Er hat auch keinen Anspruch glaubhaft gemacht, schon jetzt eine der beiden Funktionen übertragen zu bekommen (3.).

1. Mit der am 1.10.2001 - noch unter der Geltung der Verordnung über die Laufbahn der ehrenamtlichen Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr vom 16.6.1980 (GVBl. NRW. S. 688) - LVO FF 1980 - in der Fassung der Zweiten Änderungsverordnung vom 10.6.1989 (GVBl. NRW. S. 431) - erfolgten Ernennung hatte der Antragsteller die Dienststellung eines stellvertretenden Löschzugführers erlangt. Diese Bestellung zum Funktionsträger galt nach dem Inkrafttreten der Verordnung über die Laufbahn der ehrenamtlichen Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr vom 1.2.2002 (GVBl. NRW. S. 53) - LVO FF 2002 - nach der Übergangsregelung in § 23 Abs. 2 Satz 1 LVO FF 2002 fort. Mit seinem im Schreiben vom 3.5.2002 erklärten Rücktritt hat der Antragsteller aber auf die Ausübung dieser Funktion wirksam verzichtet und muss sich daran festhalten lassen.

a) Entgegen der Auffassung des VG ist es grundsätzlich möglich, auf die Ausübung einer Funktion in der Freiwilligen Feuerwehr zu verzichten.

Das VG stützt seine Auffassung, ein freiwilliger Rücktritt von einer Dienststellung oder Funktion sei nicht möglich, allein darauf, dass die maßgebliche Laufbahnverordnung Derartiges nicht vorsehe. Diese allein am Wortlaut orientierte Auslegung greift jedoch zu kurz. Vielmehr ist auch der Sinn und Zweck der in der Laufbahnverordnung getroffenen Regelungen zur Möglichkeit der Übertragung von Funktionen auf einzelne Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr in den Blick zu nehmen. Daraus erschließt sich zwingend, dass ein rechtswirksamer Verzicht auf die Ausübung einer Funktion möglich sein muss.

Durch die Übertragung von Funktionen sichert der Wehrführer einen ordnungsgemäßen Dienst- und Einsatzablauf, indem er ausgewählten Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr, die über die erforderliche Qualifikation verfügen, unter Berücksichtigung von Eignung, Befähigung und fachlichen Leistungen insbesondere Führungsaufgaben überträgt. Gerade die Wahrnehmung derartiger Aufgaben erfordert eine besondere Einsatzbereitschaft des jeweiligen Funktionsträgers und damit im Grundsatz auch dessen Einverständnis mit der Funktionsübertragung. Sieht sich aber ein einzelner Funktionsträger in Anbetracht veränderter Verhältnisse nicht mehr in der Lage, den sich aus der Funktion ergebenden Anforderungen hinreichend genügen zu können, muss es ihm grundsätzlich möglich sein, unter Verbleib im aktiven Dienst der Freiwilligen Feuerwehr Aufgaben ohne eine Funktion - und damit ohne die hierdurch bedingte zusätzliche Belastung - wahrzunehmen. Es wäre mit dem Grundgedanken der Freiwilligen Feuerwehr nicht vereinbar, wenn ein Funktionsträger, der sich nicht mehr in der Lage sieht, die ihm übertragene Funktion weiterhin sachgerecht auszuüben, allein vor der Alternative stünde, aus dem aktiven Dienst der Freiwilligen Feuerwehr auszuscheiden. Dies gilt insbesondere, wenn in den Blick genommen wird, dass der Dienst in der Freiwilligen Feuerwehr schon von deren Namen her von dem Prinzip der Freiwilligkeit geprägt ist.

Vgl. im Ergebnis ebenso Schneider, Laufbahn in der Freiwilligen Feuerwehr Nordrhein-Westfalen, Kommentar für die Praxis, 2. Aufl. 2002, § 14 LVO FF Anm. 1.4.

Seine Bestätigung findet diese Auslegung auch darin, dass die neue Laufbahnverordnung den strikten Grundsatz der Trennung von Dienstgrad und Funktion enthält. Nachdem noch in der Vorgängerregelung den einzelnen Dienstgraden bestimmte Dienststellungen und Aufgaben zugeordnet waren (vgl. im Einzelnen § 6 Abs. 1 LVO FF 1980), bestimmt nunmehr § 11 Abs. 2 LVO FF 2002 ausdrücklich, dass der Dienstgrad unabhängig von der Funktion ist. Gerade durch die Aufnahme dieses Trennungsgrundsatzes in die Laufbahnverordnung sollten Schwierigkeiten, die in der Vergangenheit bei der - aus persönlichen oder beruflichen Gründen erfolgten - Aufgabe von Funktionen aufgetreten waren, zum großen Teil vermieden werden.

Vgl. Schneider, a.a.O., § 11 LVO FF Anm. 4.1.

b) Der Verzicht auf die Ausübung einer Funktion erfolgt durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung und erlangt Wirksamkeit, ohne dass es dazu noch einer gesonderten Annahmeerklärung durch den Wehrleiter bedarf.

Dagegen kann nicht mit Erfolg eingewandt werden, die Funktionsfähigkeit der Freiwilligen Feuerwehr sei nicht sichergestellt, wenn es den Funktionsträgern möglich wäre, jederzeit auf die Ausübung ihrer Funktion zu verzichten. Diesem Einwand ist zum einen entgegenzuhalten, dass sich mit Blick auf die Funktionsfähigkeit der Freiwilligen Feuerwehr die Situation bei einem Verzicht auf die Ausübung einer übertragenen Funktion nicht anders darstellt als bei einem Austritt aus dem Dienst der Freiwilligen Feuerwehr. Auch dieser ist jedoch nach § 22 Abs. 2 Buchst. b LVO FF 2002 jederzeit möglich und von einer Annahme des Wehrleiters unabhängig.

Vgl. Schneider, a.a.O., § 22 LVO FF Anm. 8.1.

Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass bei einem Verzicht auf die Ausübung einer dringend zu besetzenden Funktion § 17 Abs. 1 LVO FF 2002 die Möglichkeit einer kommissarischen Übertragung der Funktion eröffnet. Für eine derartige kommissarische Übertragung einer Funktion käme, wenn andere hinreichend qualifizierte Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr nicht zur Verfügung stehen, auch der Funktionsträger in Betracht, der auf die Ausübung seiner Funktion verzichtet hat. In einem solchen Fall müsste er seine persönlichen Interessen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Freiwilligen Feuerwehr für die auf das unumgänglich Notwendige zu begrenzende Zeit der kommissarischen Funktionsübertragung zurückstellen.

c) Vorliegend hat der Antragsteller mit seinem Schreiben vom 3.5.2002 unmissverständlich auf die Ausübung der ihm übertragenen Funktion des stellvertretenden Löschzugführers verzichtet. Ein Anhalt dafür, dass der Antragsteller diesen Verzicht in der Folgezeit zurückgenommen haben könnte, besteht nicht. Namentlich kann in der mehrfach bekundeten Bereitschaft des Antragstellers, erneut für die Übernahme einer Funktion zur Verfügung zu stehen, keine Rücknahme des Verzichts gesehen werden. Angesichts dessen kann offen bleiben, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine derartige Rücknahme überhaupt möglich ist. Keiner Vertiefung bedarf auch die Frage, ob die für die Abgabe der Verzichtserklärung maßgeblichen Gründe möglicherweise nachträglich weggefallen sind. Denn auch wenn dies zu bejahen wäre, hätte der Antragsteller keinen Anspruch darauf, erneut die Funktion, auf die er verzichtet hat, übertragen zu bekommen.

Vgl. Schneider, a.a.O., § 14 LVO FF Anm. 1.4.

2. Der Antragsteller kann auch nicht die Ausübung der Funktion eines Gruppenführers beanspruchen.

Bis zum 30.9.2001 hatte der Antragsteller die Dienststellung eines Gruppenführers inne. Diese Dienststellung hat er aber im Hinblick darauf, dass kein Anhalt für eine - nunmehr in § 16 LVO FF 2002 ausdrücklich vorgesehene - Übertragung einer Doppel- oder Mehrfachfunktion ersichtlich ist, mit seiner Ernennung zum stellvertretenden Löschzugführer verloren und seitdem auch nicht wieder erworben.

Entgegen dem offensichtlich beim Antragsteller vorherrschenden Verständnis besteht zwischen den verschiedenen Funktionen, wie sie etwa in der Feuerwehr-Dienstvorschrift 2/1 (FwDV 2/1) "Ausbildung der Freiwilligen Feuerwehren" - Rahmenvorschriften - vgl. dazu im Einzelnen Schneider, a.a.O., § 14 LVO FF Anm. 3.4. - und in der Anlage 3 zur LVO FF 2002 genannt sind, kein Stufenverhältnis, was namentlich auch der schon angesprochene Grundsatz der Trennung von Dienstgrad und Funktion belegt. Insbesondere führt der Verzicht auf die Funktion eines stellvertretenden Löschzugführers nicht zu einem Wiederaufleben einer zuvor wahrgenommenen Funktion eines Gruppenführers. Aufgrund dessen hat der Antragsteller mit dem wirksam erklärten Verzicht auf die ihm übertragene Funktion des stellvertretenden Löschzugführers keinerlei Funktion mehr inne. Seine frühere Dienststellung als Gruppenführer ist mit der Ernennung zum stellvertretenden Löschzugführer hinfällig geworden. Nach dem ausgesprochenen Verzicht bedarf es deshalb für die Erlangung der Funktion eines Gruppenführers eines erneuten Übertragungsaktes, an dem es hier jedoch auch nach dem Vorbringen des Antragstellers offensichtlich fehlt.

3. Der Antragsteller kann im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes auch nicht beanspruchen, eine der beiden Funktionen - endgültig oder kommissarisch - übertragen zu bekommen.

An einem auf eine endgültige Übertragung einer der Funktionen gerichteten Anordnungsanspruch fehlt es schon im Hinblick darauf, dass es sich vorliegend um ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes handelt, in dem eine Vorwegnahme der Hauptsache, wie sie eine derartige Übertragung darstellen würde, nur dann zulässig ist, wenn dem Antragsteller andernfalls wegen der Dauer des Hauptsacheverfahrens unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden bzw. irreversible Fakten geschaffen und dadurch nicht wieder gut zu machende Nachteile entstehen würden. Daran fehlt es offensichtlich. Auch der Antragsteller hat Derartiges nicht vorgetragen und erst recht nicht glaubhaft gemacht.

Auch für einen auf eine kommissarische Übertragung einer der beiden Funktionen gerichteten Anordnungsanspruch ist nichts ersichtlich. Nach § 17 Abs. 1 LVO FF 2002 kann eine kommissarische Übertragung erfolgen, wenn für eine dringend zu besetzende Funktion kein geeigneter Angehöriger der Freiwilligen Feuerwehr mit der entsprechenden Qualifikation zur Verfügung steht.

In Anbetracht dessen hat der Antragsteller schon nicht die Notwendigkeit einer dringenden Besetzung einer Funktion glaubhaft gemacht. Von einer derartigen Notwendigkeit kann nur gesprochen werden, wenn sonst die Einsatzfähigkeit der gesamten Feuerwehr oder von Feuerwehreinheiten unmittelbar bedroht wäre.

Vgl. Schneider, a.a.O., § 17 LVO FF Anm. 1.2.

Dass diese Voraussetzung derzeit bei der Freiwilligen Feuerwehr der Antragsgegnerin erfüllt ist, ist dem Vortrag des Antragstellers nicht zu entnehmen. Insbesondere ist die Funktion des stellvertretenden Löschzugführers des Löschzugs I.-N. nicht unbesetzt. Diese ist dem Feuerwehrangehörigen L. - kommissarisch - übertragen worden. Zwar mag dieser nach dem Vortrag des Antragstellers nicht an erforderlichen Fortbildungsveranstaltungen teilgenommen haben. Allein daraus kann aber nicht auf eine unmittelbare Bedrohung der Einsatzfähigkeit des Löschzugs geschlossen werden. Denn das Fehlen der für die Übertragung der Funktion erforderlichen Qualifikation ist stets gegeben, wenn eine kommissarische Funktionswahrnehmung in Rede steht. Darüber hinausgehende Umstände, aus denen eine Gefährdung der Einsatzbereitschaft hergeleitet werden könnte, sind weder aus dem Vorbringen des Antragstellers noch ansonsten ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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