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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 15.08.2007
Aktenzeichen: 21d A 3599/06.BDG
Rechtsgebiete: VwVfG


Vorschriften:

VwVfG § 46
Ein bei Einleitung eines Disziplinarverfahrens vorliegender Mangel in der örtlichen Zuständigkeit kann gemäß dem Rechtsgedanken des § 46 VwVfG (i.V.m. § 3 BDG) ohne Folgen bleiben.

Der Vorstand der Deutschen Telekom AG kann sich bei Erhebung einer Disziplinarklage von einem Prozessbevollmächtigten vertreten lassen.

Eine Vernachlässigung der Dienstaufsicht durch Vorgesetzte kann ggf. als Mitursache einer dienstlichen Verfehlung bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme mildernd berücksichtigt werden.


Tatbestand:

Die Beklagte war bis zu ihrer vorläufigen Dienstenthebung als Fernmeldebetriebsinspektorin bei der Niederlassung X der Deutschen Telekom AG eingesetzt. Der Leiter der Niederlassung X leitete ein Disziplinarverfahren gegen die Beklagte ein wegen des Vorwurfs, sie habe seit 2002 durch die bewusste Manipulation von Datenerfassungssystemen Außendienstentschädigung für sich selbst und für ihren Lebensgefährten unberechtigt bezogen und damit Geld ihres Dienstherrn veruntreut. Die Beklagte gestand die Manipulationen ein und berief sich auf einen durch gesundheitliche und berufliche Belastungen bedingten Kontrollverlust. Vor Erhebung der Disziplinarklage mit dem Ziel der Entfernung der Beklagten aus dem Beamtenverhältnis beteiligte der Vorstand der Deutschen Telekom AG im Mitwirkungsverfahren den Betriebsrat von Vivento, wohin die Beklagte versetzt worden war. Das VG erkannte der mittlerweile wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzten Beklagten das Ruhegehalt ab. Ihre Berufung wurde vom OVG zurückgewiesen.

Gründe:

Dem behördlichen Disziplinarverfahren, das durch die Erhebung der Disziplinarklage abgeschlossen worden ist (§ 34 BDG), haftet kein wesentlicher Mangel i.S.v. § 55 BDG an, der eine Fristsetzung zur Mangelbeseitigung gemäß § 55 Abs. 3 Satz 1 BDG erfordert hätte. Die von der Beklagten geltend gemachten Mängel liegen entweder nicht vor oder haben sich nicht rechtserheblich ausgewirkt. Der Prozessbevollmächtigte hat zwar binnen zwei Monaten nach Zustellung der Klage das Vorliegen wesentlicher Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens geltend gemacht. Gegeben sind sie allerdings nicht.

Der Begriff des Mangels des behördlichen Disziplinarverfahrens i.S.v. § 55 BDG erfasst auch die Verletzung von Verfahrensregeln außerhalb des Regelungsbereichs des Bundesdisziplinargesetzes. Allein die weite Auslegung dieses Begriffs entspricht dem gesetzlichen Kontrollauftrag des Gerichts, zum Schutz der Rechte des beklagten Beamten den gesamten behördlichen Verfahrensabschnitt vor Erhebung der Disziplinarklage, soweit nicht ohnehin gerügt, von Gerichts wegen (vgl. § 55 Abs. 3 Satz 1 BDG) auf Mängel und deren Folgen zu überprüfen. Soweit Mängel gemäß § 32 BDG zur Einstellung des behördlichen Disziplinarverfahrens führen würden, haben sie regelmäßig zugleich die Unzulässigkeit einer Disziplinarklage zur Folge.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.10.2005 - 2 C 12.04 -, BVerwGE 124, 252.

Soweit der Prozessbevollmächtigte darauf abhebt, der Ermittlungsführer habe ohne Kenntnisgabe Gespräche mit dem Zeugen Y geführt, so dass § 168 c StPO in entsprechender Anwendung verletzt sei, liegt ein beachtlicher Fehler nicht vor. Bereits die Anwendung von § 168 c StPO ist im disziplinarrechtlichen Verfahren nicht vorgesehen. Vielmehr ist nach § 24 Abs. 4 Satz 1 BDG dem Beamten Gelegenheit zu geben, an der Vernehmung von Zeugen teilzunehmen und hierbei sachdienliche Frage zu stellen. Entscheidend ist freilich, dass nicht ersichtlich ist, dass eine Beweiserhebung durch Vernehmung des Zeugen Y stattgefunden hat. Eine Niederschrift hierüber gibt es nicht. Etwaige Aussagen des Zeugen sind auch nicht zum Gegenstand der Disziplinarklage gemacht worden. So liegt es auch hinsichtlich der von der Beklagten gerügten weiteren Ermittlungen durch die Prozessbevollmächtigte der Klägerin.

Soweit der Prozessbevollmächtigte die Beteiligung des Betriebsrats bei Vivento beanstandet, liegt ein Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens nicht vor. Die sich aus § 78 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 2 BPersVG, § 28, § 29 Abs. 5 PostPersRG ergebende Mitwirkungsbefugnis des Betriebsrats bei der Erhebung der Disziplinarklage ist vom Betriebsrat von Vivento als dem Betriebsrat desjenigen Betriebes wahrgenommen worden, bei dem die Beklagte aufgrund der erfolgten Versetzung zu Vivento beschäftigt war; diese Maßnahme ist unabhängig von der Frage ihrer Rechtmäßigkeit rechtlich wirksam. Die Zuständigkeit des Betriebsrats von Vivento folgt aus den Zuständigkeitsregeln des Betriebsverfassungsgesetzes, die gemäß § 24 Abs. 1 PostPersRG Anwendung finden. Danach ist der von den Arbeitnehmern - im Bereich der Deutschen Telekom AG einschließlich der Beamten (§ 24 Abs. 2 Satz 1 PostPersRG) - in den einzelnen Betrieben gewählte Betriebsrat für die Ausübung der gesetzlichen Beteiligungsbefugnisse zuständig. Er hat die Interessen der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer - einschließlich der Beamten - gegenüber dem Unternehmen wahrzunehmen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 22.6.2006 - 2 C 11.05 -, ZBR 2007, 53.

Auch die Rüge, die Einleitung des Disziplinarverfahrens sowie die Disziplinarklage hätten vom Vorstand der Deutschen Telekom AG erhoben werden müssen, greift nicht durch.

Im Hinblick auf die Einleitung des Disziplinarverfahrens nehmen die Befugnisse einer Dienstbehörde ("der Dienstvorgesetzte" i.S.v. § 17 Abs. 1 BDG) die Außenorganisationen wahr (vgl. I. Nr. 1, 2 der Anordnung zur Übertragung dienstrechtlicher Zuständigkeiten im Bereich der Deutschen Telekom AG vom 18.12.2001, BGBl. 2002 I S. 39, zuletzt geändert durch Anordnung vom 21.12.2005, BGBl. I S. 3727). Die Befugnisse einer Dienstbehörde sowie eines Dienstvorgesetzten werden unter anderem von den Niederlassungen und deren Leitern wahrgenommen. Vorliegend hat der Leiter der Technikniederlassung in B das Disziplinarverfahren gegen die Beklagte eingeleitet (vgl. auch Anordnung des Vorstands der Deutschen Telekom AG vom 14.5.2002 zu der Wahrnehmung dienstrechtlicher Befugnisse nach § 3 PostPersRG). Dies begegnet allerdings Zweifeln im Hinblick auf seine örtliche Zuständigkeit. Die Beklagte war aufgrund der Versetzung zu der Technikniederlassung D versetzt worden, so dass deren Leiter die Befugnisse eines Dienstvorgesetzten hätte wahrnehmen müssen. Die Beklagte sollte zwar von der Technikniederlassung D zur Technikniederlassung B versetzt werden. Ob die Versetzung wirksam geworden ist, ist indes fraglich, weil die Beklagte den Zugang der Verfügung bestreitet. Ein Mangel in der örtlichen Zuständigkeit bleibt aber ohne Folgen. § 46 VwVfG setzt zwar den Erlass eines - hier nicht vorliegenden - Verwaltungsakts voraus. Allerdings kommt insoweit der Rechtsgedanke des § 46 VwVfG zum Tragen.

Vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 27.1.1998 - 1 WB 51.97 -, Buchholz 252 § 23 SBG Nr. 1; Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 9. Auflage 2005, § 46 Rn. 10; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 6. Auflage 2001, § 46 Rn. 19.

§ 46 lässt eine Aufhebbarkeit des Verwaltungsaktes ausscheiden, wenn Verfahrens- oder Formfehler oder Mängel in der örtlichen Zuständigkeit offensichtlich ohne Einfluss auf das Entscheidungsergebnis waren. Eine entsprechende Anwendbarkeit dieser Vorschrift in disziplinarrechtlichen Verfahren kommt gemäß § 3 BDG auch grundsätzlich in Betracht.

Vgl. Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Loseblatt-Kommentar, Stand: 2002, § 3 BDG Rn 7.

Der Fehler der örtlichen Unzuständigkeit war hier ohne Einfluss auf das Entscheidungsergebnis, denn das Disziplinarverfahren hat der Dienstvorgesetzte einzuleiten, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen. Es besteht mithin grundsätzlich Einleitungszwang, vgl. Gansen, a.a.O. § 17 Rn 1 f., so dass eine örtliche Unzuständigkeit der Technikniederlassung in B die Entscheidung über die Einleitung des Disziplinarverfahrens nicht beeinflusst hat.

Die Disziplinarklage ist im Namen des Vorstands der Deutschen Telekom AG durch die Postoberrätin S als Prozessbevollmächtigte erhoben worden. Ein Verstoß gegen § 34 Abs. 2 BDG ist nicht ersichtlich. Danach liegt die Befugnis zur Erhebung einer Disziplinarklage gegen einen Beamten bei der obersten Dienstbehörde. Deren Befugnisse werden im Bereich der Deutschen Telekom AG vom Vorstand wahrgenommen, der durch das Personalvorstandsmitglied handelt (§ 1 Abs. 2 und 7 PostPersRG), der sich wiederum - wie hier geschehen - mangels entgegenstehender Bestimmungen vertreten lassen kann. Im Übrigen ist eine gemäß § 34 Abs. 2 Satz 2 BDG mögliche Übertragung der Zuständigkeit zur Klageerhebung gegen Beamte auf eine nachgeordnete Stelle nicht erfolgt.

Das Rechtsmittel der Beklagten ist unbeschränkt eingelegt. Dies hat zur Folge, dass der Senat im Berufungsverfahren eigene Tatsachenfeststellungen hinsichtlich des gegenüber der Beklagten erhobenen Vorwurfs getroffen hat.

Der Senat trifft unter Auswertung der beigezogenen Akten und auf Grund der mündlichen Verhandlung hinsichtlich des gegenüber der Beklagten erhobenen Vorwurfs, in zahlreichen Fällen die Deutsche Telekom AG geschädigt zu haben, indem sie unter Ausnutzung ihrer dienstlichen Kenntnisse und Zugangsmöglichkeiten zu Datenerfassungssystemen im Zeitraum von Mai 2002 bis August 2003 eine Vielzahl von Manipulationen durchgeführt hat, im Wesentlichen die gleichen Feststellungen, wie sie bereits das VG getroffen hat. Das der Beklagten vorgeworfene objektive Geschehen ist zwischen den Verfahrensbeteiligten zudem unstreitig und - was die Höhe der Schadenssumme betrifft - mittlerweile klargestellt worden.

Die Beklagte hat danach gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 BDG ein Dienstvergehen begangen. Sie hat die ihr obliegenden Dienstpflichten in schwerwiegender Weise schuldhaft verletzt. Zu den beamtenrechtlichen Pflichten gehört die Pflicht zur uneigennützigen Amtsführung (§ 54 Satz 2 BBG) und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes (§ 54 Satz 3 BBG). Das vorsätzlich begangene Dienstvergehen rechtfertigt die Aberkennung des Ruhegehalts, weil sie aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen, wenn sie sich noch als Beamtin im Dienst befände (§ 12 Abs. 1, § 13 Abs. 2 Satz 2 BDG).

Zutreffend hat das VG die begangenen Pflichtverletzungen der Beklagten als Kernbereichsverletzung gewertet. In Rede stehen hier Delikte des Betrugs und der Untreue. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Beklagten Ansprüche auf Außendienstdienstentschädigung im relevanten Zeitraum zustanden.

Der Betrug gegen die eigene Verwaltung beeinträchtigt schwerwiegend die Vertrauensbasis. Die Verwaltung ist nicht in der Lage, die auf Leistung abzielenden Angaben ihrer Mitarbeiter in jedem Einzelfall zu überprüfen. Sie muss und darf sich darauf verlassen können, dass sich Beamte ihr gegenüber redlich verhalten. Dies gilt auch für Veruntreuungen. Wer missbräuchlich aus seiner Amtsstellung und dienstlichen Möglichkeit zum Schaden seiner Behörde privaten Nutzen zieht, begeht ein schweres Dienstvergehen, für das keine Regeleinstufung gilt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 26.6.1985 - 1 D 161.84 -, DokBer B 1985, 259; Köhler/Ratz, BDG, 3. Auflage 2003, S. 291.

Vorliegend kommt - außer dem langen Tatzeitraum und der Vielzahl der Einzelfälle - erschwerend hierzu, dass die Art und Weise der Tatbegehung deutliche Parallelen mit einem sogenannten Zugriffsdelikt hat. Ein solches Delikt liegt vor, wenn ein Beamter auf Bargeld oder gleichgestellte Werte zugreift und damit den wertmäßigen Bestand der von ihm geführten Kasse unmittelbar verkürzt.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 17.1.1995 - 1 D 59.94 -, Buchholz 232 § 54 Satz 2 BBG Nr. 1, und vom 8.10.1996 - 1 D 102.95 -, DokBer B 1997, 53.

Die Einstufung als Zugriffsdelikt ist unabhängig von der strafrechtlichen Beurteilung. Es kommt also nicht darauf an, ob der Beamte die dienstlichen Gelder etwa durch Betrug, Diebstahl, Untreue, Unterschlagung erlangt hat.

Vgl. Köhler/Ratz, a.a.O., S. 269 f., m.w.N.

Es sind deshalb die Grundsätze heranzuziehen, nach denen ein eigennütziger Zugriff auf amtlich anvertrautes oder zugängliches Geld zu ahnden ist. Es macht für das berufserforderliche Vertrauen und dessen Beeinträchtigung letztlich keinen Unterschied, ob sich ein Beamter durch unmittelbaren Zugriff auf dienstliche Gelder unrechtmäßig bereichert oder ob er sich unter Ausnutzung seiner dienstlichen Stellung und der sich hieraus ergebenden Möglichkeiten unter Missbrauch ihm dienstlich zugänglicher Möglichkeiten buchmäßig Geld seines Dienstherrn verschafft, über das er nach Gutschrift auf sein Konto dann frei verfügen kann. Auch in diesem Fall - wie er hier vorliegt - hat sich ein Beamter gleichermaßen unredlich erwiesen und im Kernbereich seiner dienstlichen Pflichten versagt. Er kann das Vertrauen seines Dienstherrn nicht mehr beanspruchen. Ein solches pflichtwidriges und strafbares Fehlverhalten führt wie der damit vergleichbare unmittelbare Zugriff auf amtlich anvertrautes oder zugängliches Geld regelmäßig zur Entfernung aus dem Dienst.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 23.9.1987 - 1 D 46.87 -, DokBer B 1988, 26, m.w.N.

Die Beklagte handelte außerdem schuldhaft.

Auf der Grundlage der im Ermittlungsverfahren eingeholten Gutachten steht fest, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Tatbegehung nicht schuldunfähig war. (Wird ausgeführt.)

Angesichts des geeigneten Gutachtenmaterials brauchte den Beweisanträgen nicht entsprochen zu werden. Eine weitere Beweiserhebung ist nur dann erforderlich, wenn die vorliegenden Sachverständigengutachten erkennbare Mängel enthalten, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgehen oder unlösbare Widersprüche aufweisen, wenn sich aus ihnen Zweifel an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit der Gutachter ergeben oder wenn sich herausstellt, dass es sich um eine besonders schwierige Fachfrage handelt, die ein spezielles Fachwissen erfordert, das bei den bisherigen Gutachtern nicht vorhanden ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 6.10.1987 - 9 C 12.87 -, Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 31.

So liegt es hier aber nicht. Dass die Gutachten im (behördlichen) Disziplinarverfahren - mithin im Verwaltungsverfahrens - eingeholt worden sind, steht ihrer Verwertung nicht entgegen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.3.2007 - 7 B 74.06 -, NVwZ 2007, 838; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage 2005, § 98 Rn. 15 a.

Ob die Beklagte die Taten in einem Zustand der verminderten Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB begangen hat, kann letztlich sogar dahinstehen. (Wird ausgeführt.)

Auch von der Beklagten konnte demnach erwartet werden, dass sie bei verminderter Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit keine vorsätzlichen schwerwiegenden Straftaten begeht, deren Unrechtsgehalt leicht einsehbar ist.

Gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG ist ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Die Vorschrift benennt die Voraussetzungen für das Vorliegen eines schweren Dienstvergehens und eines endgültigen Vertrauensverlustes nicht.

Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt voraus, dass die sich aus § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG ergebenden Bemessungskriterien mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 2 BDG) und in die Entscheidung eingestellt werden. Dieses Erfordernis beruht letztlich auf dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Danach muss die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen.

Vgl. BVerfG, 2. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 8.12.2004 - 2 BvR 52/02 -, NJW 2005, 1344, 1346.

Hat sich der Beamte bei der Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit an Vermögenswerten vergriffen, die als dienstlich anvertraut seinem Gewahrsam unterliegen, ist ein solches Dienstvergehen regelmäßig geeignet, das Vertrauensverhältnis zu zerstören, vgl. BVerfG, 1. Kammer des Zweiten Senats, Beschluss vom 19.2.2003 - 2 BvR 1413/01 - NVwZ 2003, 1504, 1504 f., m.w.N., so dass in diesen Fällen die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder die Aberkennung des Ruhegehalts grundsätzlich Ausgangspunkt der Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme ist. Die von der Schwere ausgehende Indizwirkung entfällt, wenn zugunsten des Beamten gewichtige Entlastungsgründe zu berücksichtigen sind, die den Schluss rechtfertigen, der Beamte habe das Vertrauen noch nicht endgültig verloren. Solche Gründe stellen auch, aber nicht nur die sog. anerkannten Milderungsgründe dar. Entlastungsgründe können sich aus allen Umständen ergeben; sie müssen in ihrer Gesamtheit geeignet sein, die Schwere des Pflichtenverstoßes erheblich herabzusetzen. Erforderlich ist stets eine Prognoseentscheidung zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung auf der Grundlage aller im Einzelfall be- und entlastenden Umstände. Entlastungsgründe sind bereits dann einzubeziehen, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen sprechen.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 20.10.2005 - 2 C 12.04 -, NVwZ 2006, 469, 471 f., und vom 10.1.2007 - 1 D 15.05 -, Juris.

Von der Höchstmaßnahme kann hier nicht abgesehen werden. Die umfassende Prognoseentscheidung unter Berücksichtigung aller wesentlichen Umstände des vorliegenden Einzelfalls ergibt, dass die Beklagte das Vertrauen ihres Dienstherrn verloren hat. Dass zu Gunsten der Beklagten einer der anerkannten Milderungsgründe nicht eingreift, hat die Disziplinarkammer zutreffend ausgeführt. Gründe, hiervon abzuweichen, sind im Berufungsverfahren nicht geltend gemacht worden.

Die von der Schwere des Dienstvergehens ausgehende Indizwirkung für einen Verlust des Vertrauens des Dienstherrn entfällt auch nicht aufgrund einer Berücksichtigung aller die Beklagte entlastenden Umstände. Es bestehen keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass sich die Beklagte zur Tatzeit in einer so außergewöhnlichen Situation befand, dass von ihr ein an normalen Maßstäben orientiertes dienstpflichtgemäßes Verhalten nach den Umständen des Einzelfalls nicht erwartet werden konnte.

Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 10.1. 2007 - 1 D 15.05 -, Juris.

Es ist nicht ersichtlich, dass die Eigenverantwortung der Beklagten zur Tatzeit aufgrund unzureichender Dienstaufsicht erheblich gemindert war.

Eine Vernachlässigung der Dienstaufsicht durch Vorgesetzte kann unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Fürsorgepflicht oder des "Mitverschuldens" als Mitursache einer dienstlichen Verfehlung bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme mildernd berücksichtigt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für besondere Umstände - etwa eine starke dienstliche Überforderung - vorlagen, die ausreichende Kontrollmaßnahmen unerlässlich machten, solche aber pflichtwidrig unterblieben oder nur unzureichend durchgeführt wurden.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 17.9.2003 - 2 WD 49.02 -, NVwZ-RR 2004, 264 und vom 10.1.2007 - 1 D 15.05 -, Juris.

Im vorliegenden Fall gab es keine konkreten Anhaltspunkte für besondere Umstände, die bezüglich der Beklagten regelmäßige dienstliche Kontrollmaßnahmen unerlässlich machten. Die hierzu durchgeführte Beweisaufnahme hat den Vortrag der Beklagten hierzu nicht bestätigen können. Vielmehr ist der Senat davon überzeugt, dass ihre Dienstvorgesetzten auf die unbestritten anspruchsvolle Arbeitsplatzsituation im Geschäftszimmer des Ressorts zeitnah und angemessen reagiert haben. Dies folgt aus den Aussagen der Zeugen Y und Z. (Wird ausgeführt) Entgegen der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten ist der Beweiswert der Zeugenaussagen auch nicht erschüttert, weil sie vor ihren Aussagen über den bisherigen Prozessverlauf informiert gewesen wären. Die substanzarme Rüge des Prozessbevollmächtigten der Beklagten gibt hierfür nichts her. Dass die Zeugen vor der Sitzung und in den Sitzungspausen mit der Prozessbevollmächtigten der Klägerin gesprochen haben, ist zwar eingeräumt, eine Festlegung des Inhalts der Aussagen aber glaubhaft bestritten worden, so dass nicht ersichtlich ist, dass die Zeugen sich zur Vorbereitung auf ihre Aussagen mit der Prozessbevollmächtigten der Klägerin abgesprochen und etwa in der Sache von der Prozessbevollmächtigten beeinflusst ihre Aussagen gemacht hätten.

Unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Beklagte nicht in einer Art und Weise dienstlich überfordert war, dass der Vorgesetzte hätte Abhilfe schaffen müssen. Vielmehr hat sich aufgrund der Zeugenaussagen gezeigt, dass nach Kenntnis der von dem Lebenspartner der Beklagten als zugespitzt geschilderten Arbeitsplatzsituation es mit dem Einsatz einer weiteren Mitarbeiterin zu einer Entlastung der Beklagten kam und eine erkennbare starke Belastung der Beklagten trotz der sich im Zusammenhang mit der Abrechnung der Außendienstentschädigungen ergebenden Stoßzeiten zum Monatswechsel nicht vorlag. Von einer Vernachlässigung der Dienstaufsicht durch Vorgesetzte kann daher keine Rede sein. Sie ergibt sich außerdem nicht aus Gründen einer Mobbingsituation zu Lasten der Beklagten. Auch hier hat die Beweisaufnahme ein gänzlich anderes als das von der Beklagten dargestellte Bild ergeben. Die Beklagte war sich nach übereinstimmender Aussage der Zeugen - auch aufgrund ihres besonderen Status als Fernmeldebetriebsinspektorin - ihrer besonderen Stellung im Geschäftszimmer bewusst und sie war als "Mutter der Kompanie" anerkannt und geschätzt. Die Beklagte selbst hatte zu der teilweise schlechten Stimmung in dem Geschäftszimmer aufgrund ihres eigenen Verhaltens beigetragen, wofür das Schreiben einer Kollegin auch beredter Ausdruck ist. Es zeigt nämlich keine für die Beklagte unzumutbare Mobbingsituation auf, sondern vielmehr den Wunsch der Kollegin, miteinander und nicht gegeneinander arbeiten zu wollen. Im Übrigen zeigt die vom Zeugen Y geschilderte Reaktion der Beklagten auf eine Kollegin, deren Erscheinen sie offensichtlich als Konkurrenzsituation empfand, dass sie zur Wahrung ihrer Interessen durchaus "austeilen" konnte: "Was wollen sie hier, wollen sie mir die Stelle streitig machen?" Wenn in diesem Fall von Mobbing die Rede sein kann, dann nur aus Sicht dieser Kollegin.

Soweit die Beklagte eine unzureichende Kontrolle bei der Anwendung der Datenerfassungssysteme geltend macht, ist auch dieses Vorbringen nicht zugunsten der Beklagten mildernd zu berücksichtigen. Unabhängig davon, ob und inwieweit der Umstand fehlender Kontrolle durch den Vorgesetzten disziplinarrechtlich als milderungsrelevant zu berücksichtigen ist, weil die Hemmschwelle zur Verwirklichung eines Dienstvergehens abgesunken ist, vgl. BVerwG, Urteil vom 17.10.2002 - 2 WD 14.02 -, NVwZ-RR 2003, 366, scheiden solche Gründe vorliegend aus. Der Zeuge Y erhielt nämlich als Ressortleiter einmal monatlich den Ausdruck des Monatsberichts über die Außendienstentschädigungen in Papierform, so dass zumindest eine Plausibilitätskontrolle möglich war. Hier ist auch der Grund für die Entdeckung des Dienstvergehens der Beklagten zu sehen. Dem Zeugen Y fiel im Juli 2003 eine größere für die Beklagte zu buchende Summe auf, die nicht plausibel war. Aufgrund seiner Nachfrage erfuhr er von der Personalmanagementstelle von den Zahlungen in den vergangenen Monaten, die zudem mit auf dem jeweiligen Ausdruck angegebenen Beträgen nicht übereinstimmten, sondern höher waren. Hiermit ist zugleich der von der Beklagten geltend gemachte Hilferuf, das Dienstvergehen begangen zu haben, um eine Veränderung der Arbeitsplatzsituation herbeizuführen, widerlegt. Denn eine Kontrolle war nach der Plausibilitätsüberprüfung durch den Ressortleiter, den Zeugen Y, nicht mehr vorgesehen. Waren also die dem Zeugen präsentierten und auf die Beklagte zu buchenden Beträge so niedrig, dass die Überprüfung keine Beanstandungen ergeben konnten, konnte es auch keine Entdeckung ihres Dienstvergehens geben.

Soweit es den Unterhaltsbeitrag betrifft, dessen Gewährung allein in der Entscheidung über die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder die Aberkennung des Ruhegehalts ergehen kann (§ 10 Abs. 3 und § 12 Abs. 2 BDG), vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23.4.2007 - 21d A 571/05.BDG -, DVBl. 2007, 852, hat der Senat es als geboten angesehen, der Beklagten bis zur Gewährung einer Rente aufgrund einer Nachversicherung, längstens für die Dauer von 12 Monaten, einen Unterhaltsbetrag in Höhe von 70 % des Ruhegehalts zu bewilligen, das ihr bei Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung zustünde.

Ende der Entscheidung

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