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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 30.05.2006
Aktenzeichen: 21d A 3905/05.O
Rechtsgebiete: AO, StPO, LBG NRW


Vorschriften:

AO § 371
AO § 71 Abs. 1
StPO § 170 Abs. 2
LBG NRW § 83 Abs. 1 Satz 2
Bei einem Finanzbeamten, der binnen 10 Jahren Steuern in einer Größenordnung von 400.000,00 DM und mehr hinterzieht, ist die Entfernung aus dem Dienst aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles geboten (Fortsetzung der Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteile vom 9.6.2004 - 22d A 1396/02.O - und vom 10.11.2004 - 22d A 1184/03.O -). Dies gilt im Einzelfall auch bei Vorliegen des Milderungsgrundes einer strafbefreienden Selbstanzeige gemäß § 371 AO.
Tatbestand:

Dem Beamten wird zur Last gelegt, ein Dienstvergehen dadurch begangen zu haben, dass er durch Abgabe unrichtiger Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1987 bis 1996 und durch Nichtabgabe von Vermögensteuererklärungen auf den 1. Januar 1989 bis zum 1. Januar 1996 für sich und seine Ehefrau Steuern in Höhe von insgesamt 416.576,32 DM hinterzogen hat. Bekanntgeworden war dies strafbare Verhalten des Beamten aufgrund einer Selbstanzeige, die zur Einstellung des Steuerstrafverfahrens gemäß § 170 Abs. 2 STPO i.V.m § 71 Abs. 1 AO führte. Die Disziplinarkammer urteilte auf Entfernung aus dem Dienst. Die Berufung des Beamten hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Der Beamte hat die tatsächlichen Feststellungen der Disziplinarkammer sowie deren Wertung als Dienstvergehen durch die Kammer nicht angefochten. Er wendet sich allein gegen das Disziplinarmaß, seiner Entfernung aus dem Dienst. Daher sind die Tat- und Schuldfeststellungen des Urteils der Disziplinarkammer und die darin vorgenommene Würdigung des Verhaltens als Dienstvergehen für das Rechtsmittelgericht bindend.

Nach den Feststellungen der Disziplinarkammer hat der Beamte ein Dienstvergehen im Sinne von § 83 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW begangen, indem er durch unvollständige Angaben hinsichtlich der Einnahmen aus Kapitalvermögen sowie aus Vermietung und Verpachtung in den Veranlagungszeiträumen für die Jahre 1987 bis 1996 Einkommensteuer in einer Gesamthöhe von 367.596,32 DM und für die Veranlagungszeiträume 1989 bis 1996 durch Nichtabgabe von Vermögensteuererklärungen Vermögensteuer in einer Gesamthöhe von 48.980,00 DM hinterzogen hat.

Weil das außerdienstliche Fehlverhalten des Beamten nach den Umständen des Ein-zelfalles in besonderem Maß geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Berufsbeamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen, handelt es sich um ein disziplinarrechtlich bedeutsames außerdienstliches Dienstvergehen (§§ 57 Satz 3, 83 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW). Hier ist von Belang, dass der Beamte schon aufgrund seines Beamtenverhältnisses, aber darüber hinaus auch aufgrund seiner leitenden Funktion innerhalb der Finanzverwaltung (Sachgebietsleiter) das Vertrauen in seine Amtsführung beeinträchtigt und die Achtung in einer für sein Amt und das Ansehen des Berufsbeamtentums bedeutsamen Weise schmälert, wenn er glaubt, alle Rechte aus dem Beamtenverhältnis für sich in Anspruch nehmen zu können - dies betrifft hier insbesondere die Alimentation und die Beihilfe -, den geschuldeten Beitrag zum Abgabenaufkommen aber verweigern zu können. Wer es mit den steuerlichen Verpflichtungen nicht ernst nimmt, erweckt den Eindruck, die Rechtsordnung stehe im Interesse des eigenen Vorteils zur Disposition.

Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme für das dem Beamten vorwerfbare Dienstvergehen ist, da es für die Ahndung eines Dienstvergehens, das die Hinterziehung von Steuern betrifft, keine alle denkbaren Fallgestaltungen erfassende Regelmaßnahme gibt,

vgl. OVG NRW, Urteil vom 12. 11. 2001 - 15d A 5014/99.O -,

eine Gesamtwürdigung anhand der Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Es ist vom Zweck des Disziplinarverfahrens ausgehend maßgeblich darauf abzustellen, inwieweit durch das Dienstvergehen die Funktionsfähigkeit der Verwaltung und /oder das Ansehen des Berufsbeamtentums, des betroffenen Verwaltungszweiges, der Dienststelle und des Amtes selbst beeinträchtigt sind. Eine Entfernung aus dem Dienst oder erzieherische Maßnahmen sind daher nur unter Berücksichtigung der Gesamtpersönlichkeit des Beamten im Hinblick darauf zulässig, ob er für den öffentlichen Dienst noch tragbar ist. Hat ein Beamter im Kernbereich seines Pflichtenkreises schuldhaft versagt und das Vertrauen seines Dienstherrn endgültig verloren, ist er für den öffentlichen Dienst objektiv untragbar und sein Verbleiben im Dienst dem Dienstherrn nicht länger zumutbar. Dies kann entsprechend für eine außerdienstliche Verfehlung gelten, die nach ihrer Art, insbesondere ihrer Nähe zum Kernbereich und ihrer Intensität dem Kernbereichsverstoß in nichts nachsteht.

Gemessen an diesen Grundsätzen ist hier die Entfernung des Beamten aus dem Dienst geboten. Bei der erforderlichen abwägenden Gesamtwürdigung gilt es zunächst zu Lasten des Beamten einzustellen, dass das Dienstvergehen objektiv schwer wiegt. Ein Beamter, der sich außerhalb des Dienstes der vorsätzlichen Steuerhinterziehung erheblicher Beträge schuldig gemacht hat, begeht ein schweres Wirtschaftsdelikt. Disziplinarrechtlich wirkt sich dabei besonders aus, dass er sich - durch ein zudem grundsätzlich strafbares Verhalten - unberechtigte Steuervorteile verschafft hat, obwohl er öffentliche Aufgaben wahrzunehmen hat und durch öffentliche Mittel alimentiert wird. Das beeinträchtigt in erheblichem Maße sein eigenes Ansehen und das Ansehen der Beamtenschaft insgesamt, auf das der freiheitliche Rechtsstaat in besonderem Maße angewiesen ist, wenn er die ihm gegenüber der Allgemeinheit obliegenden Aufgaben sachgerecht erfüllen will.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. 11. 1994 - 1 D 57.93 -, BVerwGE 103, 184.

Über die Ansehensschädigung hinaus führt ein solches Verhalten grundsätzlich auch zu erheblichen Zweifeln an der für seine dienstlichen Tätigkeit gebotenen Vertrauenswürdigkeit des Beamten im Übrigen. In gesteigertem Maße gilt dies für den im vorliegenden Verfahren beschuldigten Beamten, dessen Aufgabe es als Finanzbeamter gerade gewesen ist, die Steuerehrlichkeit zu überprüfen und in diesem Zusammenhang die Steuerpflichtigen zur Steuerehrlichkeit und zu einem ordentlichen Erklärungsverhalten anzuhalten.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. 09. 2002 - 15d A 3598/00.O -, m.w.N. zur st. Rspr. des früher zuständigen 2. Disziplinarsenats.

Das außerdienstliche Verhalten weist insoweit einen engen dienstlichen Bezug zu den Kernpflichten eines Finanzbeamten auf, wobei hier noch dessen seit Juli 1987 herausgehobene Funktion als Sachgebietsleiter sowie die Vorbildfunktion in diesem Amt des gehobenen Dienstes hinzutreten. Bereits dies verleiht einem Dienstvergehen der hier fraglichen Art ein besonderes, für die Maßnahmebemessung bedeutsames Gewicht.

Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 6. 06. 2000 - 1 D 66.98 -, DÖD 2000, 290.

Ferner spricht gegen den Beamten, dass er nicht nur einmalig versagt, sondern sein pflichtwidriges Tun über zehn Veranlagungsjahre fortgesetzt hat. Zwischen den einzelnen Tathandlungen hätte für ihn ausreichend Gelegenheit bestanden, über die Pflichtwidrigkeit seines Handelns nachzudenken und davon Abstand zu nehmen. Auch wenn dies mit jährlich steigendem Hinterziehungsbetrag dem Beamten schwerer gefallen sein dürfte, hätte er doch jederzeit zur Steuerehrlichkeit zurückführende Maßnahmen ergreifen können. Dies hat der Beamte unterlassen. Er hat sein Handeln erst eingestellt und im März 1998 die Selbstanzeige erstattet, nachdem der Ermittlungsdruck durch die Durchsuchungen der Banken zugenommen hatte.

Schließlich gilt es auch, die Gesamtgrößenordnung der Hinterziehungsbeträge zu berücksichtigen. Es geht hier um die Hinterziehung von Einkommensteuer in einer Gesamthöhe von 367.596,32 DM und von Vermögensteuer in einer Gesamthöhe von 48.980,00 DM, zusammen also 416.576,32 DM (dem lag u.a. ein steuerpflichtiges Vermögen in Höhe von zuletzt [1996] 1.611.207,00 DM bzw. die Nichtangabe von Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von insgesamt - d.h. für 1987 bis 1996 - 897.889,00 DM zu Grunde). Hinterziehungsbeträge in dieser Größenordnung bewegen sich deutlich jenseits einer etwaigen "Bagatellgrenze" und verleihen dem Dienstvergehen ein entsprechendes mit der Schadenshöhe korrelierendes Eigengewicht.

Die Größenordnung reduziert sich auch nicht deshalb, weil ein Großteil der Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie Vermietung und Verpachtung von seiner Ehefrau erwirtschaftet wurden. Denn zum einen hat der Beamte gestanden, selbst die Steuererklärungen erstellt zu haben, die dann nur noch von seiner Ehefrau mit unterzeichnet worden seien, und zum anderen haften gemeinsam steuerlich veranlagte Ehepartner gesamtschuldnerisch für die Steuerschuld und damit jeweils in voller Höhe.

Demgegenüber fallen bei der Gesamthinterziehungssumme von zusammen 416.576,32 DM binnen 10 Jahren die ansonsten tadellose Führung des Beamten, die fehlende disziplinar- und strafrechtliche Vorbelastung sowie seine über Jahrzehnte unbeanstandete Verrichtung seines Dienstes nicht entscheidend ins Gewicht. Gerade wegen seiner gezeigten dienstlichen Fähigkeiten ist ihm letztendlich das Amt eines Sachgebietsleiters anvertraut worden. Dem ihm dadurch entgegengebrachten Vertrauen ist der Beamte durch sein gesetzeswidriges Handeln jedoch nicht gerecht geworden.

Nicht entscheidend ins Gewicht fällt auch, dass der Beamte sich im Steuerstrafverfahren kooperativ gezeigt hat und das Strafverfahren aufgrund einer Selbstanzeige gemäß § 371 AO nach Zahlung der hinterzogenen Steuern eingestellt worden ist.

Zur Nachzahlung war er auf Grund der bestandskräftigen Steuerbescheide verpflichtet. Außerdem konnte er nur dadurch die mit der Selbstanzeige einhergehende Straffreiheit erlangen.

Soweit der Beamte rügt, dass die Disziplinarkammer diese ihn entlastenden Gründe, insbesondere die Selbstanzeige nicht entscheidend berücksichtigt habe, um von der Höchstmaßnahme abzusehen, verkennt er, dass die Anforderungen an die Entlastungswirkung eines Milderungsgrundes durch die Schwere des Dienstvergehens und nicht nur durch die Art des Delikts bestimmt werden.

Vgl. BGH, Urteil vom 9. 06. 2004 - RiSt(R) 1/02 - , NJW 2004, 2910.

Daher ist es nicht geboten, bei Steuerhinterziehungen eine Selbstanzeige stets als Milderungsgrund anzusehen, der die Verhängung der Höchstmaßnahme verbietet.

Allerdings kann einer Selbstanzeige grundsätzlich auch dann, wenn sie nicht zugleich die Voraussetzungen des anerkannten Milderungsgrunds der freiwilligen Offenbarung vor Tatentdeckung erfüllt, die Bedeutung eines disziplinarrechtlichen Milderungsgrunds zukommen. Denn die Selbstanzeige ist ein Anhalt dafür, dass der Täter - unabhängig von seinen näheren Beweggründen - grundsätzlich gewillt ist, zur Steuerehrlichkeit zurückzukehren; sie ist damit objektiv ein Zeichen für eine wiedergewonnene Gesetzestreue.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 6. 6 2000 - 1 D 66.98 -, a.a.O.; NRW OVG Urteil vom 7. 8. 2001 - 15d A 4172/00.O -; Beschlüsse vom. 4. 5. 2000 - 12d A 4145/99.O -, IÖD 2001, 53, vom 5. 5. 2000 - 12d A 4813/99.O -, v. 10. 5. 2000 - 12d A 4369/99.O - und vom 5. 4. 2001 - 15d A 878/00.O -.

Da im Falle einer strafbefreienden Selbstanzeige die Tat noch nicht entdeckt war bzw. der Täter von einer Entdeckung noch nichts wusste oder wissen musste (vgl. § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO), wirkt sich in diesem Zusammenhang grundsätzlich zu Gunsten des Täters aus, dass ohne seine Mitwirkung die Steuerhinterziehung möglicherweise überhaupt nicht, nicht in vollem Umfang oder nur mit großem Aufwand hätte nachgewiesen werden können. Durch die mit der Selbstanzeige einhergehende Bereitschaft, die Verfehlung vorbehaltlos offen zu legen, verändert der Täter dabei die Beweislage entscheidend (weiter) zu seinen Ungunsten.

Mehr noch als ein nach entdeckter Tat abgegebenes Geständnis ist die Selbstanzeige nach § 371 AO unter Berücksichtigung dieser Umstände auch disziplinarrechtlich ein im Grundsatz gewichtiger Anhalt dafür, dass das Vertrauensverhältnis zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten - auch einem Finanzbeamten - nicht notwendig endgültig zerstört ist, sondern im Hinblick auf die Gesamtpersönlichkeit des zur Gesetzestreue zurückgekehrten Beamten noch eine hinreichende weitere Vertrauensbasis bestehen kann. Dies gilt unabhängig davon, dass die Abgabe der Selbstanzeige in erster Linie durch das gesetzliche Versprechen der Straffreiheit begünstigt worden sein mag. Denn der Beamte würde gerade durch den Anreiz der Strafbefreiung in eine kaum auflösbare Konflikt- und Zwangslage geraten, wenn er im Falle einer Selbstoffenbarung nicht zugleich auch disziplinarrechtlich eine mildere Bewertung seiner Verfehlung erreichen könnte.

Vgl. die zuvor zitierten Beschlüsse.

Eine Selbstanzeige wirkt freilich regelmäßig nicht im gleichen Maße mildernd, wenn der Beamte sie nur unter dem Eindruck eines sich gegen ihn konkret verdichtenden Verdachts abgegeben hat, von dem dieser auch Kenntnis hatte (Grenzfälle evtl. gerade noch fehlender Entdeckung i.S.d. § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO). Hat der Beamte die Selbstanzeige nach § 371 AO indes im Wesentlichen (noch) aus "freien Stücken" heraus abgegeben, d.h. ohne die konkrete Befürchtung einer Entdeckung und Überführung, ist sie unvermindert mildernd einzustellen. Allgemeine Berichte in den Medien über Maßnahmen der Steuerfahndung im Bankenbereich begründen eine solche Befürchtung nicht.

Vgl. OVG NRW, Urt. v. 7. 08. 2001 - 15d A 4172/00.O -, Beschluss vom 4. 5. 2000 - 12d A 4145/99.O -.

Trotz alledem kann mit Blick auf besondere Umstände des Einzelfalls ein außergewöhnliches Gewicht des dem Beamten zur Last gelegten Dienstvergehens dazu führen, dass im Ergebnis das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und seinem Dienstherrn unabhängig von einer freiwilligen Selbstanzeige als endgültig zerstört angesehen werden muss. Zu denken ist an eine bei der Tatbegehung gezeigte besondere kriminelle Energie (etwa in Form der Einreichung gefälschter Belege) und - im Einzelfall - an eine extrem aus dem Rahmen fallende Größenordnung der Steuerhinterziehung.

Vgl. NRW OVG, Beschluss vom 5. 04. 2001 - 15d A 878/00.O -.

Davon ausgehend sind vorliegend Umstände festzustellen, die der Selbstanzeige als Milderungsgrund eine auf das Disziplinarmaß durchschlagende Kraft nehmen. Allerdings ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon auszugehen, dass die Selbstanzeige des beschuldigten Beamten noch "freiwillig" im vorbeschriebenen Sinne erfolgte.

Vgl. zu diesem Merkmal: OVG NRW, Urteil vom 7. 8. 2001 - 15d A 4172/00.O -, m.w.N.

Besondere erschwerende Tatumstände, die der Selbstanzeige ihr Gewicht nehmen, sind aber in der Höhe des Hinterziehungsbetrags zu sehen. Die Größenordnung der vorliegenden Steuerhinterziehung liegt weit über den Beträgen, die aufgrund einer freiwilligen Selbstanzeige noch die Belassung eines Finanzbeamten im Dienst erlaubten.

Nach der Rechtsprechung des BVerwG,

vgl. Urteil 5. 7. 2000 - 1 D 21.99 -, m.w.N.,

sind als besonders hoch bereits Hinterziehungsbeträge von 219.000,00 DM und 232.000,00 DM bezeichnet worden. Bei Beamten der allgemeinen Verwaltung soll dann in Abgrenzung zur Gehaltskürzung eine Dienstgradherabsetzung als nächste schwerwiegendere Disziplinarmaßnahme angemessen sein.

Vgl. BVerwG, z.B. Urteil vom 4 .9. 1991 - 1 D 35.90 - BVerwGE 93, 151, vom 9. 11. 1994 - 1 D 57.93 -, a.a.O., und vom 5. 7 2000 - 1 D 21.99 -.

Von der Angemessenheit einer Dienstgradherabsetzung ist das BVerwG auch in seinem Urteil vom 8. 9 2004 - 1 D 18.03 -, ZBR 2005, 91, ausgegangen. Die Entscheidung betraf einen Beamten des gehobenen Dienstes in der Wehrbereichsverwaltung, der Steuern in Höhe von 170.000,00 DM hinterzogen und dadurch einen Steuerschaden von 134.000,00 DM verursacht hatte. Das BVerwG führt in dieser Entscheidung aus, dass bei fehlenden erschwerenden Umständen eine Dienstgradherabsetzung angemessen sei, wenn sich der Umfang der hinterzogenen Steuern im fünf- oder sechsstelligen (DM-)Bereich bewege. Ob dem in dieser Allgemeinheit zu folgen ist, braucht hier nicht entschieden zu werden.

Denn jedenfalls für Finanzbeamte des gehobenen und höheren Dienstes hält der Senat an seiner Rechtsprechung fest, dass wegen der besonderen Nähe des Dienstvergehens der Steuerhinterziehung zu den Kernbereichspflichten bei außergewöhnlich hohen Hinterziehungsbeträgen über Jahre die Entfernung aus dem Dienst bzw. bei Ruhestandsbeamten die Aberkennung des Ruhegehalts auszusprechen ist. Derartige außergewöhnlich hohe Hinterziehungsbeträge sieht der Senat jedenfalls bei ca. 400.000,00 DM Gesamthinterziehungssumme binnen 10 Jahren als erreicht an. Der Senat hat bereits in zwei Fällen auf die Höchstmaßnahme erkannt, in denen es um hinterzogene Beträge von jeweils weit mehr als 400.000,00 DM ging und Milderungsgründe nicht vorlagen.

NRW OVG, Urteile vom 9. 6. 2004 - 22d A 1396/02.O - und vom 10.11. 2004 - 22d A 1184/03.O -.

In diesen Fällen sah sich der Senat in seinen Erwägungen zum Disziplinarmaß be-stätigt durch die Rechtsprechung des BVerwG in Fällen, in denen sich Zollbeamte außerdienstlich an Zollvergehen mit einer Schadenshöhe von deutlich weniger als 100.000,00 DM beteiligt haben. In diesen Fällen hat das BVerwG - wohl auch wegen des engen dienstlichen Bezuges - nicht eine Degradierung, sondern die Dienstentfernung für sachangemessen erachtet.

Z.B. Urteil vom 24. 11. 1998 - 1 D 16.97 - (gewerbsmäßiger Zigarettenschmuggel, Steuerschaden: 21.750, - DM). Vgl. auch Urteil vom 25. 06. 1998 - 1 D 32.97 - (Steuerhehlerei eines Bahnbeamten, Steuerschaden: 61.000, - DM).

In der Vergangenheit hatten die Disziplinarsenate beim OVG NRW aber überwiegend Fälle zu entscheiden, in denen Finanzbeamte Steuerhinterziehungen begangen hatten, die aufgrund von Selbstanzeigen zur Einstellung der Strafverfahren führten. In diesen Fällen haben die Senate regelmäßig die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme in den Blick genommen, gelangten aber aufgrund von Milderungsgründen, insbesondere aufgrund der freiwilligen Selbstanzeige, zur nächst niedrigeren Disziplinarmaßnahme, der Dienstrangherabsetzung.

Vgl. nur OVG NRW, Urteile vom 12. 11. 2001 - 15d A 5014/99.O -, vom 13. 11. 2002 - 15d A 4131/01.O -, vom 21. 05 2003 - 22d A 2672/01.O - und vom 30. 11. 2005 - 21d A 2894/04.O -(Degradierung in Fällen von Finanzbeamten, die 25.000,00 DM, 39.000,00 DM, 150.000,00 DM bzw. 81.000,00 DM Steuern hinterzogen und jeweils eine freiwillige Selbstanzeige erstattet hatten).

Bereits in den Entscheidungen, in denen die Hinterziehungsbeträge über 400.000,00 DM lagen, es aber an einer Selbstanzeige fehlte, hat der Senat ausdrücklich die Frage offen gelassen, ob eine Selbstanzeige an diesem Ergebnis etwas geändert hätte.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 10. 11. 2004 - 22d A 1184/03.O - und vom 9. 06 2004 - 22d A 1396/02.O .

Diese Frage ist zu verneinen. Bei einer Steuerhinterziehung in der vorliegenden Größenordnung ist das Vertrauensverhältnis zwischen dem Finanzbeamten und seinem Dienstherrn als endgültig zerstört anzusehen. Ein Finanzbeamter, der jährlich Steuern in einer Größenordnung von mehreren zigtausend DM hinterzieht, dieses Verhalten über zehn Jahre fortsetzt und die Gesamthinterziehungssumme dabei die Größenordnung von 400.000,00 DM erreicht, legt eine so eklatante Fehleinstellung zu seinen staatsbürgerlichen Pflichten an den Tag, die in einem krassen ambivalenten Verhältnis zu seinen beamtenrechtlichen Aufgaben steht, dass auch durch eine Selbstanzeige keine Grundlage für ein Vertrauen geschaffen werden kann. Jährlich hat sich der Beamte trotz der sich Jahr für Jahr besser entwickelnden Einkommens- und Vermögenssituation, die ihrerseits in finanzieller Hinsicht zu jeder Zeit ein mehr als sorgloses Leben erlaubte, gegen eine Deklarierung seiner wahren Einkommens- und Vermögensverhältnisse entschieden.

Die Hinterziehung von Steuern in einer Größenordnung von ca. 400.000,00 DM lässt ein ungezügeltes Verlangen nach Vermögensmehrung erkennen, dem der Beamte vor allem anderen den Vorrang eingeräumt hat. Er hat damit zu erkennen gegeben, dass er sein Bedürfnis nach Vermögensmehrung in jedem Fall über die Bedürfnisse seines Dienstherrn und des Gemeinwesens stellt, nämlich die Steuerlast gerecht auf alle Bürger zu verteilen. Dieser über Jahre gelebte Wesenszug zerstört das Vertrauen des Dienstherrn in die korrekte Amtsausübung als Finanzbeamter restlos. Dies gilt in jedem Fall auch für das Vertrauen des Bürgers in die gleichmäßige Besteuerung aller Einkommen und Vermögen seitens der dazu berufenen Finanzbeamten. Mag die Bevölkerung noch Verständnis dafür aufbringen, dass der Beamte bei Hinterziehungsbeträgen von bis zu 200.000,00 DM in zehn Jahren und einer Selbstanzeige noch eine zweite Chance erhält, tendiert dieses bei mehr als dem Doppelten ungeachtet einer Selbstanzeige jedenfalls gegen Null.

Die Entfernung des Beamten aus dem Dienst verstößt auch nicht gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot. Danach muss die dem Einzelnen staatlicherseits auferlegte Belastung geeignet und erforderlich sein, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Darüber hinaus darf der Eingriff seiner Intensität nach nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und zu den von dem Beamten hinzunehmenden Einbußen stehen. Ist, wie vorliegend, der durch das Gewicht des Dienstvergehens eingetretene Vertrauensschaden mangels durchgreifender Milderungsgründe so erheblich, dass die Entfernung des Beamten aus dem Dienst geboten ist, erweist sich diese Höchstmaßnahme gegenüber dem Beamten als geeignete und erforderliche Maßnahme, um dem oben genannten Zweck einer disziplinaren Maßregelung Geltung zu verschaffen.

Vgl. zum Verhältnismäßigkeitsgebot: BVerwG, Urteil vom 27. 2. 2002 - 2 WD 18.01 - , Dok. Ber. B 2002, 253;. OVG NRW, Urteil vom 7. 5. 2003 - 22d A 1318/01.O -.



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