Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 14.11.2007
Aktenzeichen: 21d B 1024/07.BDG
Rechtsgebiete: BDG


Vorschriften:

BDG § 38
BDG § 63
Allein in Fällen materiell-eigennütziger Postunterdrückung kommt die Regelrechtsprechung der Dienstentfernung in Betracht.

Bei Maßnahmen nach § 38 BDG handelt es sich um mit Anordnungen der sofortigen Vollziehung vergleichbare Verwaltungsentscheidungen sui generis, weil gegen sie nicht Widerspruch und Klage, sondern der Antrag auf Aussetzung gemäß § 63 BDG statthaft ist.

Für das besondere Verfahren der Aussetzung gemäß § 63 BDG gilt, dass eine Prüfung des Sachverhalts allein auf der Grundlage des dargelegten Ermittlungsstandes und insbesondere von präsenten Beweismitteln in Betracht kommt.


Tatbestand:

Die Antragsgegnerin hatte den Antragsteller, einen Posthauptschaffner, wegen eines Dienstvergehens vorläufig des Dienstes enthoben und einen Teil seiner Dienstbezüge einbehalten. Sein Antrag auf Aussetzung dieser Maßnahmen hatte vor dem VG keinen Erfolg. Auf seine Beschwerde änderte das OVG NRW den angefochtenen Beschluss und setzte die disziplinarrechtlichen Maßnahmen aus.

Gründe:

1. Die Voraussetzungen für eine vorläufige Dienstenthebung nach dem BDG sind derzeit nicht gegeben.

a) Die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage des § 38 Abs. 1 Satz 1 BDG liegen zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht vor. Hiernach kann die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird oder wenn bei einem Beamten auf Probe oder einem Beamten auf Widerruf voraussichtlich eine Entlassung nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 4 sowie § 32 BBG erfolgen wird. Eine hierauf gestützte vorläufige Dienstenthebung erfordert die Prognose, dass im Disziplinarverfahren voraussichtlich die disziplinare Höchstmaßnahme zu erwarten ist. Das Wort "voraussichtlich" in § 38 Abs. 1 Satz 1 BDG bedeutet, dass nur eine summarische Prüfung des zur Zeit bekannten Sachverhalts geboten ist. Das Disziplinargericht muss nicht die Überzeugung gewinnen, dass der Beamte das Dienstvergehen, das die disziplinare Höchstmaßnahme rechtfertigt, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit begangen hat. Es reicht ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit aus. Dieser besteht allerdings nicht schon dann, wenn die Verhängung der schärfsten Disziplinarmaßnahme möglich oder ebenso wahrscheinlich ist wie die einer milderen Disziplinarmaßnahme. Vielmehr ist erforderlich, dass im Disziplinarverfahren gegen einen aktiven Beamten mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf Entfernung aus dem Dienst erkannt werden wird. Die Dienstentfernung des Beamten muss nach der gebotenen, ihrer Natur nach nur überschlägig möglichen Prüfung des Sachverhalts wahrscheinlicher sein als eine unterhalb der Höchstmaßnahme liegende Disziplinierung.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 22.5.2003 - 22b A 4017/02.BDG - und vom 29.3.2007 - 21d A 510/05.O - zu § 92 Abs. 1 DO NRW; OVG Saarl., Beschluss vom 24.7.2007 - 7 B 313/07 -, IÖD 2007, 247.

Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Der Senat folgt im Rahmen einer summarischen Prüfung nicht der Einschätzung des VG, das dem Beamten zur Last gelegte Dienstvergehen werde voraussichtlich die Höchstmaßnahme nach sich ziehen.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann es allerdings als sicher angesehen werden, dass der Antragsteller oder sein Sohn zwei Pakete unter fremden türkischen Namen in der Türkei aufgegeben und diese an nicht existierende Adressen in dem Zustellbezirk des Antragstellers gerichtet hatten. Der Antragsteller, der diesen Sachverhalt einräumt, hatte hierfür die Namen Schmidt und Meier benutzt und als Anschrift die X-Straße 0 sowie Y-Straße 0 in Z angegeben. Die disziplinarrechtliche Wertung der Ansichnahme dieser Pakete in der Zeit vom 13. bis 16. sowie am 28.2.2007 lässt die Annahme eines sog. Zugriffsdelikts nicht zu.

Ein Zugriffsdelikt liegt vor, wenn ein Beamter auf ihm anvertrautes Bargeld oder gleichgestellte Werte zugreift und damit den wertmäßigen Bestand unmittelbar verkürzt; auf die Art der Gewahrsamserlangung kommt es nicht an. Das Zugriffsdelikt ist ein schweres innerdienstliches Dienstvergehen im Kernbereich der Aufgaben und hat aufgrund seiner Schwere in der Regel die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zur Folge.

Vgl. zu einer bei der Deutschen Post AG begangenen Unterschlagung BVerwG, Urteil vom 10.11.1998 - 1 D 103.97 - Buchholz 232, § 54 Satz 2 BBG Nr. 19; Köhler/Ratz, BDG, 3. Aufl., 2003, S. 268 m.w.N.

Das angeschuldigte Verhalten des Beamten kann indes nicht als ein solches Dienstvergehen bewertet werden. Notwendige Voraussetzung eines Zugriffsdelikts ist zudem, dass die Sache (hier die Postsendung) nicht für ihn bestimmt ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 22.6.1993 - 1 D 76.92 -, ZBR 1993, 378; Köhler/Ratz, a.a.O., S. 272.

Die Deutsche Post AG - d.h. die für sie handelnden natürlichen Personen - hat zwar - wie die Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf nicht näher bezeichnete Geschäftsbedingungen und Auslieferungsvorschriften meint - im Zuge der Beförderung Gewahrsam an den beiden aus der Türkei kommenden Paketen erlangt. Die Pakete waren aber nach den bisher nicht widerlegten Angaben des Antragstellers für den Antragsteller und seinen Sohn und nicht für einen Dritten bestimmt. Der bloß vorschriftswidrige Umgang mit den Postsendungen vermag ein Zugriffsdelikt nicht zu begründen. Das Eigentum an den Paketen verblieb bei dem Antragsteller und seinem Sohn (soweit sie Eigentum an dem Inhalt der Pakete erlangt hatten) und ist nicht etwa auf die Deutsche Post AG übergegangen, so dass weder Diebstahl noch Unterschlagung als strafrechtlich relevante Delikte verwirklicht worden sind. Entgegen der im Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 7.9.2007 geäußerten Auffassung haben sie mit der Aufgabe der Pakete in der Türkei das Eigentum an ihren Sachen auch nicht aufgegeben. Denn für eine Aufgabe des Eigentums ist ein entsprechender erkennbarer Verzichtswille i.S.v. § 959 BGB unerlässlich. Hierfür ist jedoch nichts zu erkennen. Vielmehr sollten beide Pakete den hieran Berechtigten zugeführt werden. Die Adressierung an nicht existierende Adressaten ändert hieran nichts.

Ob die Voraussetzungen des § 206 Abs. 2 Nr. 2 StGB, der das Unterdrücken einer dem Postdienst anvertrauten Sendung unter Strafe stellt, vorliegen, kann hier letztlich dahinstehen. Unterdrückt ist eine Sendung im Postbereich, wenn der fragliche Gegenstand dem ordnungsgemäßen Postverkehr entzogen wird; untergeordnete Verstöße gegen Vorschriften rein innerdienstlichen Charakters sind aber kein Unterdrücken i.S. des § 206 Abs. 2 Nr. 2 StGB.

Vgl. Lenckner, in: Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl., 2006, § 206 Rn. 20, m.w.N.

Fraglich ist insbesondere, ob die Ansichnahme der beiden Pakete sich als unbefugt i.S. dieser Vorschrift darstellt, weil der Antragsteller nach seinen bisher nicht widerlegten Angaben als Berechtigter an den Paketen dafür gesorgt hat, dass sie ihn erreichten.

Vgl. auch Lenckner, in: Schönke/Schröder, a.a.O., § 206 Rn. 26 und 11 ff.; Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl., 2007, § 206 Rn. 17 und 9.

Entscheidend ist freilich, dass in Fällen der Postunterdrückung die Regelrechtsprechung der Dienstentfernung nur bei materiell-eigennütziger Postunterdrückung in Betracht kommt.

Vgl. Köhler/Ratz, a.a.O., S. 272,

Das ist vorliegend nicht zu bejahen, da das Eigentum an den Paketen bei dem Antragsteller und seinem Sohn verblieben ist. Dass im Zusammenhang mit dem Übersenden der Pakete aus der Türkei nach Deutschland möglicherweise zollrechtsrelevante Tatbestände verletzt worden sind, vermag gleichfalls nicht die Höchstmaßnahme nach sich zu ziehen.

Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 18.5.1988 - 1 D 103.87 -, DokBer B 1988, 233.

Der Hinweis der Antragsgegnerin, die beiden Pakete seien nach den einschlägigen Geschäftsbedingungen und Auslieferungsvorschriften unabhängig von den Eigentumsverhältnissen unbefugt dem Postverkehr entzogen worden, weil der Antragsteller weder als Empfänger noch als Absender aufgeführt worden sei und ihm die Pakete nicht hätten ausgeliefert werden dürfen, führt nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand nicht weiter. Die Antragsgegnerin legt nicht im Einzelnen dar, dass die - nicht vorgelegten - Vorschriften einem auf das Eigentum am Paket gestützten Herausgabeanspruch des Antragstellers entgegengehalten werden könnten und der Inhalt der Pakete der Antragsgegnerin zukäme. Sollte es nämlich letztlich auf die nachzuweisenden Eigentumsverhältnisse ankommen, erschöpfte sich das materiell-eigennützige Vorgehen des Antragstellers darin, dass er seinen bisher nicht in Frage stehenden Eigentumsanspruch in einem "vereinfachten" Verfahren, ohne jede Kontrolle durch Vorgesetzte, eigenmächtig durchgesetzt hätte. Das Schutzgut des § 206 StGB - Verhinderung von Eingriffen in den ordnungsgemäßen Postverkehr - dürfte dagegen nicht berührt sein.

So für die Auslieferung von Postsendungen an Personen, die sich einer fingierten Empfängerangabe bedienten, BVerwG, Urteil vom 11.5.1988, a.a.O.

Das Schwergewicht des Vorwurfs dürfte im vorliegenden Fall hinsichtlich der Postsendungen aus der Türkei darin liegen, dass der Antragsteller nach dem eigenen Geständnis die ihm eingeräumten dienstlichen Möglichkeiten - Zugang zu Beförderungsgut im Zustellstützpunkt - dazu genutzt hat, sich nicht weiter ermittelte steuerliche Vorteile zu verschaffen. Durch die eigennützige Ausnutzung der dienstlichen Möglichkeiten erlangen außerdienstliche Verfehlungen im Zusammenhang mit Einfuhrabgaben einen dienstlichen Bezug. Dass dieses Fehlverhalten voraussichtlich die Höchstmaßnahme nach sich ziehen wird, zeichnet sich derzeit nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ab, und zwar schon deshalb, weil Feststellungen zum Inhalt der Pakete nicht getroffen worden sind.

Soweit das VG in Übereinstimmung mit der Antragsgegnerin auf eine Wegnahme von zwei weiteren Paketen in der Zeit vom 24.1. bis 4.2.2006 abstellt und eine Zugriffshandlung bejaht, mag sie bejaht werden können, wenn es sich um für den Antragsteller fremde Pakete gehandelt hat. Nach Lage der Dinge ist zur Zeit das Vorliegen eines solchen innerdienstlichen Dienstvergehens jedoch nicht überwiegend wahrscheinlich. Der Antragsteller bestreitet, in der Zeit vom 24.1. bis 4.2. 2006 zwei Pakete, die an einen Herrn Müller in der Y-Straße in Z mit der Hausnummer 0 adressiert gewesen seien, an sich genommen zu haben. Die Antragsgegnerin sieht die angeschuldigte Tat aufgrund der Aussage des Zeugen T, der zur fraglichen Zeit den Antragsteller in seinem Zustellbezirk vertreten habe, als bewiesen an: Diese Pakete, die nicht aus der Türkei gekommen seien, seien unzustellbar gewesen und er - der Zeuge T - habe sie zur Zustellbasis zurückgebracht. Am nächsten Tag sei der Antragsteller in Begleitung eines jüngeren Mannes, dies sei der Sohn des Antragstellers gewesen, auf der Zustellbasis erschienen. Er - der Zeuge - habe den Antragsteller gefragt, wo sich die Häuser befänden, die als Anschrift auf den beiden Paketen angegeben seien, worauf ihm der Antragsteller gesagt habe, es gebe die Hausnummern auf der Y-Straße nicht und gleichfalls nicht den angegebenen Empfängernamen. Vielmehr seien beide Pakete für ihn selbst bestimmt; in ihnen befinde sich von ihm bestellte Ware. Der Begleiter des Antragstellers habe auf Weisung des Antragstellers die Pakete an sich genommen und die Zustellbasis verlassen. Aus dieser Aussage folgert das VG die überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Zugriffsdelikts. Es wertet die vom Zeugen T bezeugte Erklärung des Antragstellers, es seien seine Pakete, als Täuschungshandlung gegenüber dem Zeugen und geht mit Rücksicht auf das Bestreiten des gesamten Vorgangs davon aus, dass weder der Antragsteller noch sein Sohn diese Pakete selbst aufgegeben hätten. Diese Schlussfolgerung bedarf allerdings einer näheren und - zur Zeit nicht gegebenen - tragfähigen Begründung. Zunächst fällt auf, dass der Zeuge T bekundet hat, die Zustellung der beiden Pakete habe ebenso wie in dem Fall der Zustellung des einen aus der Türkei kommenden Paketes in der Y-Straße erfolgen sollen. Das aus der Türkei kommende Paket sollte unter der Hausnummer 0 zugestellt werden, die beiden von dem Zeugen genannten Pakete unter der Hausnummer 0,1 oder 2. Dies könnte durchaus dafür sprechen, dass der Antragsteller wiederum Empfänger auch dieser Pakete sein sollte. Wenn die Antragsgegnerin zudem hinsichtlich dieser beiden Pakete in ihren Schriftsätzen ohne weitere Erläuterung von einem Empfänger in der P-Straße in Z spricht, ergibt sich kein in sich stimmiges Bild, weil nach unbestrittener Darstellung des Antragstellers die P-Straße nicht zu seinem Zustellbezirk gehörte, die Chance, die Pakete an sich zu nehmen, dann wohl nicht gegeben war. Warum der Antragsteller dem Geschehen im Hinblick auf die beiden Pakete insgesamt seine Richtigkeit abspricht, bleibt allerdings in der Tat schleierhaft. Auch ein weiterer Punkt ist darüber hinaus unklar. Der Zeuge will den Antragsteller auch gefragt haben, wo sich die Häuser befänden, die als Anschrift auf den beiden Paketen angegeben seien. Die Antwort des Antragsteller sei gewesen, es gebe die Hausnummern auf der Y-Straße gar nicht. Auch diese Angaben scheinen überprüfungswürdig zu sein, insbesondere im Hinblick darauf, ob die angegebene Anschrift existiert. Nach alledem vermag der Senat zur Zeit nicht mit der hinreichenden Sicherheit zu erkennen, dass die Aussage des Zeugen T im erforderlichen Umfang überzeugend ist. Da der angeschuldigte Sachverhalt nicht hinreichend geklärt ist, besteht weiterer Ermittlungsbedarf. Die Antragsgegnerin hat etwa bislang den Sohn des Antragstellers nicht als Zeugen vernommen und sie ist auch nicht der Frage nachgegangen, ob der Zeuge T in der Zeit vom 24.1. bis zum 4.2.2006 Pakete unter der von ihm angegebenen Anschrift überhaupt auszuliefern hatte. Gleichfalls ist bisher die Überprüfung von entsprechenden Verlustmeldungen unterblieben.

Soweit schließlich dem Antragsteller die Entwendung eines fünften Paketes am 21.2.2007 zur Last gelegt wird, geht auch das VG nach dem derzeitigen Erkenntnisstand nicht von einem festgestellten Dienstvergehen aus. Zu Recht stellt das VG darauf ab, es sei bislang nur davon auszugehen, dass das Paket im Verantwortungsbereich des Antragstellers verlorengegangen sei. Im Beschwerdeverfahren hat die Antragsgegnerin diese Annahme nicht widerlegen können; sie stellt allein Mutmaßungen im Hinblick auf die Zueignung dieses Pakets an.

b) Auch die Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 Satz 2 BDG sind nicht gegeben. Die für die Erhebung der Disziplinarklage zuständige Behörde kann danach den Beamten vorläufig des Dienstes entheben, wenn durch sein Verbleiben im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht. Für die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung bedarf es deshalb eines besonderen rechtfertigenden Grundes.

Vgl. Köhler/Ratz, a.a.O., S. 434; zu § 91 BDO vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 17.5.2001 - 1 DB 15.01 -, NVwZ 2001, 1410.

Nach § 39 Abs. 1 Satz 1 und 3 VwVfG sind die für die vorläufige Dienstenthebung maßgeblichen Ermessenserwägungen in der Anordnung darzulegen, es sei denn, sie sind i.S.v. § 39 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG dem Betroffenen bereits bekannt oder ohne weiteres erkennbar.

Diesem Abwägungs- und Darlegungserfordernis wird die angegriffene Verfügung vom 19.3.2007 nicht gerecht. Es werden zwar einzelne rechtliche Gesichtspunkte bruchstückhaft dargelegt, die im Zusammenhang mit Ermessensentscheidungen von Bedeutung sein können (Sicherung des Dienstbetriebs, Erhaltung des Betriebsfriedens und Ansehen der Deutschen Post AG). Es fehlt aber ihre inhaltliche Ausfüllung mit konkreten Merkmalen des vorliegenden Falles. Über die allgemeine Aussage hinausgehende besondere Gründe, die seine vorläufige Suspendierung rechtfertigen können, enthält die angegriffene Verfügung nicht. Auch sind keine Umstände ersichtlich, wonach dem Antragsteller derartige Erwägungen bekannt oder ohne weiteres erkennbar wären. Zwar kann ein Begründungsmangel durch nachträgliche Darlegung der maßgeblichen Ermessenserwägungen geheilt werden (§ 45 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 45 Abs. 2 VwVfG). Dies hat die Antragsgegnerin mit ihren Schriftsätzen versucht. Die nachträglich von ihr dargelegten Gründe beziehen sich aber auf die Rechtfertigung einer Dienstentfernung des Antragstellers als zu erwartende Entscheidung in der Hauptsache. Die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebung wird damit begründet, dass der begründete Verdacht eines Dienstvergehens bestehe, welches die Dienstentfernung des Antragstellers rechtfertige. Auch soweit die Antragsgegnerin darauf abhebt, ein anderweitiger Einsatz des Antragstellers ohne Befassung mit Postsendungen sei nicht möglich, hat sie gleichwohl einen besonderen rechtfertigenden Grund nicht dargetan. Wiederum ist Ausgangspunkt ihrer Erwägungen die Aneignung von fünf Paketen. Angesichts der gegenwärtigen Beweislage ist eine Zugriffshandlung aber nicht hinreichend sicher festgestellt.

2. Liegen danach die Voraussetzungen für eine vorläufige Dienstenthebung nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BDG nicht vor, sind gleichfalls die Voraussetzungen für die Einbehaltungsanordnung nach § 38 Abs. 2 BDG nicht gegeben, denn diese Anordnung setzt voraus, dass im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird.

3. Der Senat weist nochmals ausdrücklich darauf hin, dass die Aussetzungsentscheidung auf der Grundlage der derzeitigen Ermittlungsergebnisse ergangen ist. Sollten sich aus Sicht der Antragsgegnerin aufgrund weitergehender Ermittlungen (vgl. hierzu im Einzelnen §§ 21 ff. BDG) veränderte Umstände ergeben, bleibt es ihr unbenommen, einen Antrag auf Änderung der Entscheidung zu stellen (vgl. § 63 Abs. 3 BDG i.V.m. § 80 Abs. 7 VwGO). Demgegenüber hat der Senat in diesem Verfahren keine eigene Beweiserhebung durchzuführen; auch darf der Senat sein Ermessen nicht an die Stelle der Einleitungsbehörde setzen. Bei den Maßnahmen nach § 38 BDG handelt es sich um mit Anordnungen der sofortigen Vollziehung vergleichbare Verwaltungsentscheidungen sui generis, weil gegen sie nicht Widerspruch und Klage, sondern der Antrag auf Aussetzung gemäß § 63 BDG statthaft ist.

Vgl. Urban, NVwZ 2001, 1335, 1338 f.; vgl. auch BT-Drucks. 14/4659, S. 44, 50; Köhler/Ratz, a.a.O., S. 523.

Obgleich § 58 Abs. 1 BDG als Ausdruck des Grundsatzes der Unmittelbarkeit klarstellt, dass das Gericht ungeachtet der Pflicht des Dienstvorgesetzten, im Disziplinarverfahren eigene Ermittlungen anzustellen (vgl. §§ 21, 24 ff. BDG), nach den Regeln des allgemeines Verwaltungsprozesses die erforderlichen Beweise erhebt, gilt für das hier eingeleitete besondere Verfahren der Aussetzung gemäß § 63 BDG - vergleichbar liegt es bei dem Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO -, dass eine (summarische) Prüfung des Sachverhalts allein auf der Grundlage des dargelegten Ermittlungsstandes und insbesondere von präsenten Beweismitteln in Betracht kommt.

Vgl. OVG Saarl., a.a.O.; Köhler/Ratz, a.a.O., S. 526; vgl. auch Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 80 Rn. 125.

Ende der Entscheidung

Zurück