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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 28.02.2002
Aktenzeichen: 3 A 4165/99
Rechtsgebiete: BauGB, BauO NRW


Vorschriften:

BauGB § 133 Abs. 1
BauO NRW § 4 Abs. 1 Nr. 1
BauO NRW § 83 Abs. 1
BauO NRW § 83 Abs. 3
1. Durch eine Zuwegungsbaulast, die mangels baurechtlicher Bedeutsamkeit dem greifbaren Risiko jederzeitiger Löschung von Amts wegen ausgesetzt ist, wird ein Erschlossensein i.S.v. § 133 Abs. 1 BauGB nicht bewirkt.

2. Steht der Erreichbarkeit eines (Anlieger-)Grundstücks ein dicht mit Bäumen und Sträuchern bestandener und entsprechend gewidmeter unselbständiger Grünstreifen als (ausräumbares) tatsächliches und rechtliches Hindernis entgegen, ist dieses Grundstück solange nicht beitragspflichtig, wie dieses Hindernis nicht ausgeräumt ist. Hierzu reicht eine von der Gemeinde dem Eigentümer des Anliegergrundstücks gegenüber übernommene Verpflichtung, eine Zufahrt an gewünschter Stelle unter Durchbrechung des Gehölzstreifens anzulegen und ihm ein entsprechendes Nutzungsrecht einzuräumen, nicht aus.


Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag für die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlage "G.-Straße" im Gebiet der Stadt D..

Das 1630 qm große Grundstück der Klägerin Flurstück 143 grenzt mit einer Breite von ca. 18 m an die K. Straße an. Es ist dort straßennah mit einem zweigeschossigen freistehenden Wohnhaus bebaut und erstreckt sich mit ca. 85 m in den rückwärtigen - bislang gärtnerisch genutzten - Bereich. Das Grundstück unterfällt dem Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der es als Kerngebiet ausweist und innerhalb der durch Baugrenzen bestimmten überbaubaren Grundstücksflächen eine viergeschossige Bebauung zulässt. Die Lage des festgesetzten Baufensters orientiert sich teilweise an dem vorhandenen Gebäudebestand, erstreckt sich jedoch darüber hinaus ca. 55 m in den rückwärtigen Bereich. Die südliche Baugrenze liegt überwiegend auf der Grenze des Flurstücks der Klägerin zu dem sich dort südlich anschließenden, ca. 5 m tiefen und 85 m breiten Flurstück 171, das im Eigentum der Stadt steht. Dieses Flurstück gehört als nicht überbaubare Grundstücksfläche zu dem festgesetzten Kerngebiet. Es ist mit Bäumen und Sträuchern dicht bestanden. Südlich des Flurstücks 171 weist der Bebauungsplan eine Verkehrsfläche aus, die die G.-Straße in Anspruch nimmt.

Diese Straße, die beidseitig über Gehwege verfügt, wurde im Jahre 1969 gewidmet. Mit Baulasterklärung vom 31.3.1992 verpflichtete sich die Stadt gegenüber ihrer Bauaufsichtsbehörde zu dulden, dass die Fläche des Grundstücks Flurstück 171 vom jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Flurstück 143 als Zufahrt bzw. Zugang zum Privatgrundstück genutzt wird. Die Verpflichtungserklärung wurde am 3.4.1992 in das Baulastenverzeichnis des Beklagten eingetragen.

Nachdem im Dezember 1992 letzte Arbeiten zur Herstellung von Gehwegen an der G.-Straße abgeschlossen waren, zog der Beklagte die Klägerin zu einem Erschließungsbeitrag heran.

Das VG gab der Klage der Klägerin durch das angefochtene Urteil statt.

Die vom Senat zugelassene Berufung des Beklagten hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Das VG hat zutreffend erkannt, dass die mit dem streitbefangenen Bescheid geltend gemachte Erschließungsbeitragspflicht bisher nicht entstanden ist, weil das veranlagte Grundstück nicht zu den von der G.-Straße erschlossenen Grundstücken im Sinne von § 133 Abs. 1 BauGB gehört. Hieran hat sich bis zum Zeitpunkt der Entscheidung durch den Senat nichts geändert.

Nach § 133 Abs. 1 BauGB ist ein Grundstück beitragspflichtig, wenn es der abzurechnenden Anbaustraße wegen bebaubar ist, d.h. unter anderem von ihr aus in einer Weise verkehrlich erreichbar ist, die den einschlägigen Bestimmungen des Bebauungsrechts, § 30 BauGB, und des Bauordnungsrechts, § 4 BauO NRW, genügt. Dabei muss bei Wohngrundstücken - bei Grundstücken in einem festgesetzten Kerngebiet gelten jedenfalls keine minderen Anforderungen - regelmäßig die Möglichkeit bestehen, mit privaten Kraftfahrzeugen und solchen des öffentlichen Versorgungs- und Rettungswesens auf der Fahrbahn der Anbaustraße bis zur Höhe des Grundstücks zu fahren und es von dort aus (u. U. über einen Geh- und/oder Radweg) zu betreten.

Grenzt das Grundstück nicht an die abzurechnende Anbaustraße (Hinterlieger-grundstück), muss das auch hier erforderliche Heranfahrenkönnen an die Grundstücksgrenze im Falle zwischenliegenden fremden Grundbesitzes durch eine öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt über diesen Grundbesitz vermittelt werden. Erst dann wird das Hinterliegergrundstück durch die Anbaustraße i.S.v. § 133 BauGB erschlossen und kommt die Erschließungswirkung der Anbaustraße zum Tragen.

Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.

Dabei braucht der Senat nicht weiter zu untersuchen, ob sich das Grundstück der Klägerin nach dem hierfür maßgeblichen Eindruck eines unbefangenen Beobachters vor Ort, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 29.10.1993 - 8 C 53.91 -, NVwZ 1994, 909, im Verhältnis zu der Erschließungsanlage "G.-Straße" wegen des vorgelagerten städtischen Flurstücks 171 als Hinterliegergrundstück darstellt oder ob es - bei Zugehörigkeit dieses Flurstücks zur ausgebauten und gewidmeten Straße - ein an diese Anlage unmittelbar angrenzendes Anliegergrundstück ist. In beiden Fällen liegt ein Erschlossensein i.S.d. § 133 BauGB nicht vor.

1. Geht man von der auch vom Beklagten bis zu seinem Meinungswandel im Berufungszulassungsverfahren für richtig gehaltenen Beurteilung aus, das Grundstück der Klägerin sei im Verhältnis zu der abgerechneten Erschließungsanlage ein Hinterliegergrundstück, scheitert ein Erschlossensein nach § 133 Abs. 1 BauGB jedenfalls daran, dass es an der rechtlichen Sicherung einer Zufahrt über das Anliegergrundstück Flurstück 171 in der von §§ 30 Abs. 1 BauGB, 4 BauO NRW gebotenen Weise noch fehlt. Das gilt sowohl für den Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht für diese Anlage (§ 133 Abs. 2 BauGB) als auch für die Zeit danach bis zur Entscheidung im Berufungsverfahren.

Der Senat teilt die Beurteilung des VG, dass die von der Stadt als Eigentümerin des Flurstücks 171 übernommene und vom Beklagten als Untere Bauaufsichtsbehörde im April 1992 im Verfahren nach § 78 BauO NW a.F. eingetragene Zuwegungsbaulast nach den besonderen Umständen des Falles die Voraussetzungen der §§ 30 Abs. 1 BauGB, 4 BauO NRW an die rechtliche Sicherung der Erschließung nicht erfüllt.

Zweck der in Rede stehenden Zuwegungsbaulast nach § 78 BauO NRW a.F./§ 83 BauO NRW n.F. ist es, dem hierdurch Begünstigten die Möglichkeit zu verschaffen, bei einem Bauvorhaben, das nach den Grundstücksverhältnissen allein nicht genehmigt werden könnte, dem bauordnungsrechtlichen Erschließungserfordernis nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 BauO NRW unter Ausnutzung von Nachbargrundstücken zu genügen. Die Zuwegungsbaulast ist das Mittel zur Verwirklichung des vorgesehenen Bauvorhabens auf dem "notleidenden" Grundstück. Die Vorhabenbezogenheit, die darin besteht, einem Bauvorhaben durch die Verpflichtung eines Dritten zu einem sein Grundstück betreffendes baurechtlich relevantes Tun, Dulden oder Unterlassen die Genehmigungsfähigkeit zu vermitteln, macht die bauaufsichtliche Bedeutsamkeit der Zuwegungsbaulast aus. Sie ist für Eintragung und Fortbestand der Baulast unerlässlich.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15.5.1992 - 11 A 890/91 -, NJW 1993, 1284 und Beschluss vom 10.10.1997 - 7 B 1974/97 -; Böddinghaus/Hahn/Schulte, BauO NRW, § 83 Rdn. 8 und 14; Gädtke/Böckenförde/Temme/Heinz, BauO NRW, 9. Aufl., § 83 Rdn. 21 ff.; s. zum dortigen Landesrecht auch OVG Rh.-Pf., Urteil vom 25.6.1985 - 6 A 54/84 -, KStZ 1986, 76, und Nds. OVG, Urteil vom 2.7.1991 - 6 L 132/89 -, BRS 52 Nr. 164; allgemein auch BVerwG, Beschluss vom 4.10.1994 - 4 B 175.94 -, NVwZ 1995, 377.

Die bauaufsichtliche Bedeutsamkeit stellt gleichzeitig die Grundlage für die Befugnis der Bauaufsichtsbehörde dar, die von dem Dritten mit der Baulastübernahme eingegangene Verpflichtung während des Baugenehmigungsverfahrens und danach, insbesondere nach Verwirklichung des genehmigten Bauvorhabens, notfalls mit ordnungsrechtlichen Mitteln durchzusetzen.

Die hier von der Stadt in Bezug auf ihr Grundstück Flurstück 171 übernommene Zuwegungsbaulast hat, wie der Beklagte auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht in Abrede gestellt hat, zu keinem Zeitpunkt einen solchen Bezug zu einem auf dem Grundstück der Klägerin anstehenden oder auch nur sonstwie in überschaubarer Zukunft beabsichtigten Bauvorhaben aufgewiesen.

Zum zeitlichen Zusammenhang zwischen der Baulastbegründung und einer diese einbeziehenden bauaufsichtlichen Entscheidung, insbesondere in einem Baugenehmigungsverfahren, vgl. Böddinghaus/Hahn/Schulte, a.a.O., § 83 Rdn. 10 sowie Gädtke/ Böcken-förde/Temme/Heinz, a.a.O., § 83 Rdn. 27.

Die Klägerin hat stets erklärt, ihr Grundstück über den vorhandenen, zur K. Straße hin orientierten und von dieser Straße erschlossenen Gebäudebestand hinaus nicht weiter gehend baulich ausnutzen zu wollen. Gegenteiliges hat der Beklagte nicht geltend gemacht und ist auch sonst nicht hervorgetreten, und zwar weder vor noch nach Eintragung der Baulast im April 1992. Auch derzeit besteht, wie die Klägerin vor dem Senat unwidersprochen vorgetragen hat, keinerlei Bauabsicht.

Der gleichwohl - nach einem langwierigen Verwaltungsverfahren und kontroverser Meinungsbildung unter den Fachämtern - von der Bauaufsichtsbehörde des Beklagten eingetragenen Baulast fehlte und fehlt damit jedweder Bezug zu einem auf das Grundstück der Klägerin bezogenen Bauwunsch. Die Baulast stellt sich deshalb hier nach Lage der Dinge als eine von der Stadt aus eigenem - nach Scheitern ihrer Verkaufsbemühungen beitragsrechtlich motivierten - Antrieb gleichsam "auf Vorrat" übernommene Baulast dar für einen nach dem geltenden Bebauungsplan auf dem Grundstück der Klägerin zulässigen, nach Zeitpunkt und Ausgestaltung aber nicht absehbaren Baufall, bei dem sich infolgedessen auch nicht überschauen lässt, ob und in welchem Umfang Erschließungsbedürfnisse hierdurch in Richtung auf die G.-Straße ausgelöst werden könnten und wie das Flurstück 171 ggf. zwecks Herstellung der Erreichbarkeit des Grundstücks von der Straße in Anspruch genommen werden müsste.

Eine baurechtliche Bedeutsamkeit der Zuwegungsbaulast aus sonst beachtlichen bauordnungs- bzw. bauplanungsrechtlichen Gründen bestand - und besteht - ebenfalls nicht. Es ist nichts dafür ersichtlich, die übernommene Baulast diene etwa der Verhinderung dort sonst anderweit zu besorgender baurechtswidriger Zustände. Der Beklagte nimmt solches auch selbst nicht an. Dass für die in Rede stehende Zuwegungsbaulast eine baurechtliche Bedeutsamkeit allein aus der das Gebiet erfassenden Bauleitplanung abgeleitet werden könnte, ist gleichfalls zu verneinen. Eine mit einem Geh-, Fahr- oder Leitungsrecht zu belastende Fläche (§ 9 Abs. 1 Nr. 21 BBauG/BauGB), zu deren Umsetzung die Baulast hier dienen könnte, ist im Bebauungsplan nicht festgesetzt worden. Dass dieser Plan dem Grundstück der Klägerin - bei Schaffung einer Zuwegung über das Flurstück 171 - eine zusätzliche Bebauungsmöglichkeit zur G.-Straße hin bietet, zum Rechtscharakter eines Bebauungsplans als bloße Angebotsplanung vgl. statt vieler: BVerwG, Urteile vom 24.11.1989 - 4 C 41.88 -, NVwZ 1990, 860 und vom 26.8.1993 - 4 C 24.91 -, BRS 55 Nr. 17, reicht mangels absehbarer Realisierung derselben nicht aus, der Baulast die erforderliche baurechtliche Bedeutsamkeit zuzuerkennen. Das nachvollziehbare Interesse des Beklagten, das Grundstück der Klägerin wegen der aktuell gebotenen Bebauungsmöglichkeit auch aktuell an der Verteilung der Straßenausbaukosten mittels Erschließungsbeiträgen zu beteiligen, ändert daran nichts.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17.1.1997 - 3 B 2995/94 - unter Hinweis u.a. auf OVG Rh.-Pf., Urteil vom 25.6.1985 - 6 A 54/84 -, a.a.O.

Ob bei diesen Gegebenheiten die Eintragung der Baulast durch die Untere Bauaufsichtsbehörde rechtswidrig war und deshalb hätte unterbleiben müssen, oder ob im Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht (§ 133 Abs. 2 BauGB ) die Voraussetzungen eines Verzichts im Sinne von § 78 Abs. 3 Satz 2 BauO NRW a.F./§ 83 Abs. 3 Satz 2 BauO NRW n.F. vorlagen, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn die Bauaufsichtsbehörde hätte auf die in Rede stehende Baulast - mangels baurechtlicher Bedeutsamkeit - jedenfalls von Amts wegen, zu der im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten, jedoch allgemein anerkannten Befugnis zur Löschung einer Baulast von Amts wegen vgl.: Böddinghaus/Hahn/Schulte, a.a.O., § 83 Rdn. 103, sowie Nds. OVG, Urteil vom 2.7.1991 - 6 L 132/89 - , a.a.O., zum dortigen Landesrecht, zu den genannten Zeitpunkten und jederzeit später ermessensfehlerfrei verzichten können. Dabei erscheint eine solche Verzichtsentscheidung schon deshalb nicht fernliegend, weil hierdurch das Baulastenverzeichnis um eine absehbar nicht benötigte Baulast bereinigt würde. Durch eine in dieser Weise Bestandsrisiken unterworfene, dem greifbaren Risiko jederzeitiger Löschung ausgesetzte Baulast ist die Erschließung - anders als in dem vom Senat entschiedenen Fall einer aufschiebend bedingten oder befristeten Baulast, vgl. OVG NRW, Urteil vom 23.3.2001 - 3 A 1255/99 -, n. rk. - zu keinem Zeitpunkt i.S.v. § 30 Abs. 1 BauGB, § 4 BauO NRW "gesichert" mit der Folge, dass den Anforderungen des § 133 Abs. 1 BauGB bisher nicht entsprochen ist.

2. Legt man hingegen die jetzige Sicht des Beklagten zugrunde, das Flurstück 171 sei als unselbständiger Grünstreifen Bestandteil der Anbaustraße, das Grundstück der Klägerin damit Anliegergrundstück, ändert dies an dem fehlenden Erschlossensein des Grundstücks der Klägerin i.S.v. § 133 Abs. 1 BauGB durch die G.-Straße nichts. Der Erreichbarkeit des Grundstücks der Klägerin von dieser Straße her steht in diesem Fall der auf dem Flurstück 171 dicht aufstehende Bewuchs, zugleich der aus dieser Ausgestaltung der Fläche als Grünstreifen (Straßenbegleitgrün) erkennbare Widmungsinhalt entgegen, der ein Überqueren dieses Streifens durch Fußgänger bzw. mit Fahrzeugen ohne vorherige Befestigung hindert. Solange diese tatsächlichen und rechtlichen Hindernisse nur ausräumbar, aber noch nicht ausgeräumt sind, fehlt es am Erschlossensein i.S.d. § 133 Abs. 1 BauGB mit der Folge, dass das Grundstück der Klägerin einer Beitragspflicht für die abgerechnete Anlage (noch) nicht unterliegt.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 26.9.1983 - 8 C 86.81 -, DVBl. 1984, 184, vom 20.8.1986 - 8 C 58.85 -, NVwZ 1987, 57, und vom 21.10.1988 - 8 C 56.87 -, NVwZ 1989, 570; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 6. Aufl., § 23 Rdn. 22 f.

Die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom Beklagten abgegebene Verpflichtungserklärung, dem jeweiligen Eigentümer des Flurstücks 143 auf Kosten der Stadt eine Zufahrt von der G.-Straße bis zur Grenze dieses Flurstücks an der gewünschten Stelle unter Durchbrechung des derzeitigen Gehölzstreifens anzulegen und ein unbeschränktes dauerhaftes Nutzungsrecht hinsichtlich dieser Zufahrt zu gewähren, lässt die bestehenden tatsächlichen und rechtlichen Hindernisse nicht unbeachtlich werden.

In der Rechtsprechung des BVerwG, vgl. Urteil vom 29.5.1991 - 8 C 67.89 -, NVwZ 1991, 1089, ist als Ausnahme von dem Grundsatz, dass im Rahmen des § 133 Abs. 1 BauGB ein bestehendes (ausräumbares) Erreichbarkeitshindernis auch ausgeräumt sein muss, um die Beitragspflicht entstehen zu lassen, nur der Fall anerkannt, dass ein auf dem Straßengrund bestehendes (tatsächliches) Hindernis (etwa eine Stützmauer) von der zur Beseitigung bereiten Gemeinde nicht beseitigt werden kann, weil sie dafür angesichts einer Hanglage des betreffenden Grundstücks auf die Mitwirkung des Grundstückseigentümers angewiesen ist, die dieser verweigert. Ihre Rechtfertigung findet diese Ausnahme in der Erwägung, dass es in dieser Konstellation wie auch sonst nicht im Belieben eines Anliegers stehen kann, darüber zu bestimmen, ob sein Grundstück an der Verteilung des Erschließungsaufwandes für eine Anbaustraße teilnimmt und der sachlichen Beitragspflicht unterliegt. Darum geht es hier jedoch nicht. Was die technische Überwindung des Hindernisses auf dem Flurstück 171 betrifft (jedenfalls teilweise Rodung des Gehölzbestandes, Anlage einer befestigten Zufahrt), ist die Stadt auf eine Mitwirkung der Klägerin nicht angewiesen. Gleiches gilt für die Änderung des Widmungsinhaltes, die hier an keine Form gebunden ist und mit der Durchführung der beschriebenen technischen Maßnahmen konkludent erfolgen kann. Einer Mitwirkung der Klägerin bei der Beseitigung der bestehenden Hindernisse bedarf es auch nicht, um die Position der Zufahrtsstelle einvernehmlich festzulegen und dadurch späteren Einwänden der Klägerin vorzubeugen, die Zufahrt sei für die Grundstücksnutzung untauglich oder "unzweckmäßig" angelegt.

Anders VGH Bad.-Württ., Urteil vom 1.9.1997 - 2 S 661/96 -, VGHBW-LS 1997, Beilage 12, B 2.

Eine Mitwirkung des Anliegers bei der Festlegung der Zufahrtsstelle ist nämlich nicht von Rechts wegen geboten. Es ist vielmehr der weiten Planungsbefugnis der Gemeinde überlassen, bei der Herstellung von Anbaustraßen die Details, zu denen auch die Zufahrten zu Anliegergrundstücken gehören, festzulegen. Insoweit gilt für den vorliegenden Fall nichts anders, als wenn die Gemeinde den Zufahrtbereich vor dem Grundstück der Klägerin im Wege bauleitplanerischer Festsetzungen (etwa gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB) bestimmt hätte. Auszurichten sind solche Entscheidungen an den objektiven Gegebenheiten, die die betroffenen Grundstücke mitsamt ihrer Einbindung in das Erschließungsgebiet kennzeichnen, nicht hingegen am subjektiven Interesse des derzeitigen Grundeigentümers, das wiederum von dessen etwaigen Bauabsichten abhängt.

Soweit im Fachschrifttum die vorliegende Konstellation in den Blick genommen ist, vgl. Driehaus, a.a.O., § 23 Rdn. 23 f.; derselbe in:

Die Rechtsprechung des BVerwG zum Erschließungs- und Erschließungsbeitragsrecht, 8. Aufl., Rdn. 631, ist dies in einer Weise geschehen, die nicht darauf schließen lässt, die Rechtsprechung des BVerwG zu einer verweigerten Mitwirkung des Anliegers könne auch hier Anwendung finden.

Das Ergebnis des vorliegenden Rechtsstreits, dass das Grundstück der Klägerin trotz der in der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz erklärten Verpflichtung des Beklagten nicht eher i.S.v. § 133 Abs. 1 BauGB erschlossen ist, als eine Zufahrt tatsächlich hergestellt und damit auch eine Widmungsänderung vollzogen ist, steht in Einklang mit der bisherigen Senatsrechtsprechung. So ist bereits mit Senatsurteil vom 23.3.1987 - 3 A 2346/84 - entschieden worden, dass die bloße Zusage der Stadt, "dem Kläger werde auf Antrag eine Zufahrt zu seinem Grundstück von der Straßenfläche ... aus über die jetzt bestehende Grünfläche eingerichtet werden", nicht ausreicht, um anzunehmen, das dort vorhandene Gehölz sei als Zuwegungshindernis unbeachtlich geworden und stehe einem Erschlossensein gemäß § 133 Abs. 1 BauGB nicht mehr entgegen. Das Senatsurteil vom 25.8.1997 - 3 A 4257/92 -, OVG RSE §§ 131, 133 BBauG/BauGB Erschlossensein, betraf eine Situation, in der - anders als hier - für die Dauer der Rechtswirkung eines erteilten Bauvorbescheides feststand, dass die Baugenehmigung für ein Anliegergrundstück trotz zwischenliegenden und zur Straße gehörenden Grünstreifens für die Bebauung mit einer Garage nebst Zufahrt erteilt werden musste. Dieser Sachverhalt ist nach den Entscheidungsgründen des genannten Urteils als mit den in der Rechtsprechung des BVerwG behandelten Fällen zumutbarer, aber verweigerter Mitwirkung des Anliegers vergleichbar beurteilt worden, letzteres mit Blick darauf, dass der Anlieger den Vorbescheid für die Garage nebst Zufahrt zur Straße selbst beantragt und dem entgegen im Streit um den Erschließungsbeitrag das Bestehen eines Zufahrthindernisses geltend gemacht hatte. Mit dieser Konstellation ist die vorliegende Streitsache nicht vergleichbar. Die Klägerin hat keinen ohne Weiteres realisierbaren Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung. Sie hat auch nicht die Baulastbestellung durch die Stadt durch Bekundung eines Bauwunsches mitveranlasst. Im Gegenteil hat sie seinerzeit durch Nachfrage nach der Bereitschaft der Stadt zur Bestellung einer der Baulast entsprechenden Grunddienstbarkeit Zweifel an der Ernsthaftigkeit eines Erschließungsangebots der Stadt verdeutlicht. Zu der Protokollerklärung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung II. Instanz hat sie gleichfalls keinen Anstoß gegeben.

Soweit der Senat in vergleichbaren Fällen eine gütliche Einigung des Inhalts anregt, dass der Grundstückseigentümer den geforderten Erschließungsbeitrag zahlt, während die Gemeinde die Prozesskosten übernimmt und auf Nebenforderungen (Zinsen u.ä.) verzichtet, liegen dem wirtschaftliche Überlegungen zugrunde, dass nämlich die Gemeinde die Beitragspflicht durch eigenes Handeln in Kürze zur Entstehung bringen und einen erneuten, nunmehr rechtmäßigen Beitragsbescheid erlassen kann.

Ende der Entscheidung

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