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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 29.04.2009
Aktenzeichen: 3 A 627/07.A
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 60 Abs. 1
1. In Sri Lanka sind tamilische Volkszugehörige im allgemeinen oder Untergruppen hiervon, wie etwa zurückkehrende Asylbewerber, männliche Tamilen jüngeren bzw. mittleren Alters oder Tamilen aus dem Norden und Osten allein aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit landesweit oder regional weder einer staatlichen noch einer von der Karuna-Gruppe/TMVP oder der LTTE ausgehenden Gruppenverfolgung ausgesetzt.

2. Hinsichtlich eines unverfolgt ausgereisten tamilischen Volkszugehörigen kann sich im Falle seiner Rückkehr nach Sri Lanka je nach den Umständen des Einzelfalles die Gefahr einer staatlichen Verfolgung bis zur beachtlichen Wahrscheinlichkeit verdichten, wenn in seiner Person noch weitere individuell ausgeprägte Risikomerkmale hinzutreten.


Tatbestand:

Der Kläger, ein srilankischer Staatsangehöriger tamilischer Volkszugehörigkeit, berief sich in seinem Asylverfahren darauf, dass ihm in seiner Heimat sowohl durch die staatlichen Sicherheitskräfte als auch durch die Karuna-Gruppe politische Verfolgung drohe. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte den Asylantrag des Klägers ab. Die hiergegen vom Kläger erhobene Klage wies das VG ab. Die allein auf Feststellung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG zugelassene Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG, in der Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Aufenthaltsgesetzes vom 25.2.2008, BGBl. I S. 162 (A.). Auch die Abschiebungsandrohung unter Ziffer 4 des angefochtenen Bescheides ist rechtmäßig (B.).

A. Das Begehren des Klägers auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG ist unbegründet.

Nach § 60 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28.7.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Dem Kläger kann der begehrte Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG nicht gewährt werden, weil er unverfolgt aus Sri Lanka ausgereist ist (I.) und im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit befürchten muss, bei einer Rückkehr dorthin relevanten Verfolgungsmaßnahmen i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt zu sein (II.).

I. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG unterliegt im Wesentlichen den gleichen Anforderungen, nach denen auch eine Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG erfolgt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 29.5.2008 - 10 C 11.07 -, DVBl. 2008, 1251, zur Vorgängerregelung des § 51 Abs. 1 AuslG: BVerwG, Urteil vom 18. 2.1992 - 9 C 59.91 -, DVBl 1992, 843; zur Deckungsgleichheit von Art. 16a Abs. 1 GG und § 51 Abs. 1 AuslG mit dem Flüchtlingsbegriff der Genfer Konvention: BVerwG, Urteile vom 26. 10.1993 - 9 C 50.92 u. a. -, NVwZ 1994, 500 (503), und vom 18.1.1994 - 9 C 48.92 -, NVwZ 1994, 497 (498 ff.), Treiber, in: GK-AufenthG, Band 2, § 60 Rdnr. 63 f.

Der Anwendungsbereich des § 60 Abs. 1 AufenthG geht aber hierüber insofern hinaus, als gemäß § 28 Abs. 1 a AsylVfG auch selbst geschaffene Nachfluchtgründe ein Abschiebungsverbot begründen können. § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG stellt zudem klar, dass eine Verfolgung ausgehen kann von a) dem Staat, b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, oder c) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die zu a) und b) genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative. Überdies stellt § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG klar, dass eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe auch dann vorliegen kann, wenn die Bedrohung des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit oder der Freiheit allein an das Geschlecht anknüpft. (...)

Die Annahme eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 1 AufenthG setzt ferner voraus, dass dem Betroffenen in eigener Person eine abschiebungsschutzrelevante Verfolgung droht. Diese Gefahr eigener Verfolgung des Schutzsuchenden kann sich auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen ergeben, wenn diese Dritten wegen eines relevanten Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gruppenverfolgung).

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.1.1991 - 2 BvR 902/85 u. a. -, BVerfGE 83, 216 (231); BVerwG, Urteil vom 8.2.1989 - 9 C 33.87 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 105, und vom 5.7.1994 - 9 C 158.94 -, BVerwGE 96, 200 (202 f.).

Die Annahme einer solchen Gruppenverfolgung setzt zunächst voraus, dass die festgestellten Maßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an das die verfolgte Gruppe kennzeichnende relevante Merkmal treffen. (...)

Die Annahme einer Gruppenverfolgung setzt darüber hinaus eine bestimmte Verfolgungsdichte oder jedenfalls sichere Anhaltspunkte für das Vorliegen eines staatlichen Verfolgungsprogramms voraus.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 15.5.1990 - 9 C 17.89 -, BVerwGE 85, 139 (142 f.), vom 5.7.1994 - 9 C 158.94 -, a. a. O., und vom 30.4.1996 - 9 C 170.95 -, a. a. O.

Für die Feststellung der erforderlichen Verfolgungsdichte ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in asylrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne Weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Die Voraussetzungen einer Gruppenverfolgung, die von Dritten ausgeht, und einer unmittelbar staatlichen Gruppenverfolgung sind hinsichtlich der erforderlichen "Verfolgungsdichte" im Grundsatz gleich.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 18.7.2006 - 1 C 15.05 -, BVerwGE 126, 243, vom 5. 7.1994 - 9 C 158.94 -, a. a. O., und vom 19.4.1994 - 9 C 462.93 -, Buchholz 402.25 AsylVfG § 1 Nr. 169; BVerfG, Beschluss vom 11.5.1993 - 2 BvR 2245/92 -, InfAuslR 1993, 304 (306).

Für die Beurteilung, ob die Verfolgungsdichte die Annahme einer Gruppenverfolgung rechtfertigt, müssen Intensität und Anzahl aller Verfolgungshandlungen zur Größe der Gruppe in Beziehung gesetzt werden. Allein die Feststellung "zahlreicher" oder "häufiger" Eingriffe reicht nicht aus. Denn eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten möglicherweise bereits als bedrohlich erweist, kann bei einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen, weil sie in Bezug auf die Zahl der Gruppenmitglieder nicht ins Gewicht fällt und sich deshalb nicht als Bedrohung der Gruppe darstellt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 5.7.1994 - 9 C 158.94 -, a. a. O.

Wegen der prinzipiellen Überlegenheit staatlicher Machtmittel und ihres effektiven Einsatzes zur Durchsetzung der jeweiligen Politikziele kann allerdings eine unmittelbar staatliche Gruppenverfolgung schon dann anzunehmen sein, wenn zwar Referenz- oder Vergleichsfälle durchgeführter Verfolgungsmaßnahmen zum Nachweis einer jedem Gruppenmitglied drohenden Wiederholungsgefahr nicht im erforderlichen Umfang oder überhaupt noch nicht festgestellt werden können, aber hinreichend sichere Anhaltspunkte für ein staatliches Verfolgungsprogramm vorliegen, dessen Umsetzung bereits eingeleitet ist oder alsbald bevorsteht.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 5.7.1994 - 9 C 158.94 -, a. a. O.

Aus dem § 60 Abs. 1 AufenthG zu Grunde liegenden Zufluchtgedanken folgt, dass ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach dieser Norm nur dann besteht, wenn der Schutzsuchende in seinem Heimatstaat landesweit von politischer Verfolgung bedroht ist. An dieser Voraussetzung fehlt es (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG), wenn der Betroffene zwar in Teilgebieten seines Heimatstaates mit politischer Verfolgung in Form individueller oder gruppengerichteter Verfolgung rechnen muss, wenn er aber in anderen Regionen vor derartiger Verfolgung hinreichend sicher ist (inländische Fluchtalternative). Anlass zu näherer Prüfung dieser Frage besteht immer dann, wenn der Heimatstaat des Betroffenen als ein so genannter "mehrgesichtiger Staat" nur in Teilen seines Staatsgebiets zu dem Mittel der politischen Verfolgung greift, etwa weil er nur dort seine Integrität bedroht sieht.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 10.7.1989 - 2 BvR 502,/86 -, a. a. O., und vom 22.12.1994 - 2 BvR 168/94 -, NVwZ 1995, 1096 f.; BVerwG, Urteil vom 10.5.1995 - 9 C 434.93 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 170.

Ein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 1 AufenthG besteht nur dann, wenn der Schutzsuchende geltend machen kann, dass er im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung - § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG - bei einer Rückkehr in sein Heimatland von abschiebungsschutzrelevanter Verfolgung bedroht wäre, wenn ihm also zu diesem Zeitpunkt die Rückkehr in die Heimat nicht zugemutet werden kann. Für die danach anzustellende Prognose gelten unterschiedliche Maßstäbe je nach dem, ob der Betroffene seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender landesweiter politischer Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt in die Bundesrepublik Deutschland gekommen ist. Im erstgenannten Fall ist Schutz schon dann zu gewähren, wenn der Betroffene bei einer Rückkehr vor erneuter Verfolgung nicht hinreichend sicher sein kann (sog. herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab). Hat der Schutzsuchende sein Heimatland jedoch unverfolgt verlassen, so kann sein Begehren nur Erfolg haben, wenn ihm aufgrund von beachtlichen Nachfluchttatbeständen politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 2.7.1980 - 1 BvR 147/80 u. a. -, BVerfGE 54, 341 (360), und vom 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 - a. a. O.; BVerwG, Urteil vom 5.7.1994 - 9 C 1.94 -, NVwZ 1995, 391.

(...)

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall im Hinblick auf den Kläger der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu Grunde zu legen. Der Kläger ist im Mai 2006 nicht als politisch Verfolgter aus Sri Lanka ausgereist. Er war vor seiner Ausreise aus Sri Lanka weder in der Gefahr, Opfer einer Gruppenverfolgung zu werden (1.), noch war er von individueller politischer Verfolgung betroffen oder unmittelbar bedroht (2.).

1. Der Kläger war in Sri Lanka im Zeitpunkt seiner Ausreise im Mai 2006 als Tamile weder einer vom srilankischen Staat (a.) noch einer von Dritten (b.) ausgehenden Gruppenverfolgung ausgesetzt.

a. Der Kläger gehört keiner Gruppe an, deren Mitgliedern im Zeitpunkt seiner Ausreise eine vom srilankischen Staat ausgehende politische Verfolgung drohte.

Das Gericht hat die allgemeinen Verhältnisse in Sri Lanka in seinem rechtskräftig gewordenen Urteil vom 24.5.2006 - 21 A 3940/04.A - unter anderem auch für das Jahr 2006 - und damit auch für den Zeitraum der Ausreise des Klägers im Mai 2006 - dahingehend bewertet, dass zu diesem Zeitpunkt jedenfalls in dem von der Regierung beherrschten Gebiet im Großraum Colombo sowie in den südwestlichen Landesteilen der Insel eine Gruppenverfolgung von Tamilen allgemein oder von nach Alter oder Geschlecht bestimmten Untergruppen nicht stattgefunden hat. (...) Das Gericht hat in der vorbezeichneten Entscheidung festgestellt, dass sich nach dem Waffenstillstandsabkommen im Februar 2002 die Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und der LTTE zunächst entspannt hatten. Im November 2004 rüsteten sich Regierung und LTTE wieder für neue Kämpfe. Die Tsunami-Katastrophe vom 26.12.2004 ließ die Auseinandersetzungen zunächst in den Hintergrund geraten, aber bereits im Jahr 2005 kam es zu einer drastischen Zunahme von Waffenstillstandsverletzungen durch beide Bürgerkriegsparteien. In der Folgezeit kam es vermehrt zu Verhaftungen von Tamilen und Durchsuchungen einzelner Dörfer, insbesondere im Jaffna-Distrikt. Die damit einhergehende angespanntere Situation zwischen Sicherheitskräften und der tamilischen Bevölkerung war aber nach Einschätzung des Gerichts mit Blick auf die Verfolgungsintensität, ihre lokale Begrenzung und ihre geringe Quantität nicht ansatzweise geeignet, eine Situation zu belegen, die auf eine allgemeine vom Staat ausgehende Verfolgungssituation aller tamilischer Volkszugehörigen in Sri Lanka hindeutet. Auch ergaben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die srilankische Polizei in Colombo oder an anderen Orten in den südlichen Landesteilen "systematisch", also nach einem bestimmten "System" oder gar generell Folterungen an verhafteten oder sonst aufgegriffenen und inhaftierten Tamilen vorgenommen hätte. Soweit tamilische Volkszugehörige von Verhaftungen betroffen waren, dienten die Maßnahmen der Sicherheitskräfte der Abklärung von LTTE-Verbindungen und der Verhinderung weiterer Straftaten und betrafen nicht die Schlechterstellung dieser Volksgruppe als solche.

b. Der Kläger war im Zeitpunkt seiner Ausreise aus Sri Lanka als Tamile auch keiner Gruppenverfolgung durch die Karuna-Gruppe ausgesetzt.

Die Verfolgung durch Organisationen, die wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, und nichtstaatliche Akteure ist durch das Zuwanderungsgesetz in § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG nunmehr ausdrücklich als schutzbegründend geregelt. Die unter A.I. dargestellten Grundsätze für die unmittelbare und die mittelbare staatliche Gruppenverfolgung sind prinzipiell auch auf die Verfolgung durch solche Akteure übertragbar.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.7.2006 - 1 C 15.05 -, a. a. O.

In Anwendung dieser Grundsätze war der Kläger als tamilischer Volkszugehöriger im Zeitpunkt seiner Ausreise aus seinem Heimatland keiner Gruppenverfolgung durch die Karuna-Gruppe ausgesetzt.

Der ehemalige LTTE-Führer Karuna setzte sich im März 2004 von der LTTE ab und gründete die sog. Karuna-Gruppe, die im Osten Sri Lankas, in der Region um Batticaloa, aktiv ist. In der Folgezeit entwickelte sich ein blutiger inner-tamilischer Machtkampf zwischen LTTE und der Karuna-Gruppe, welcher sich 2006 drastisch intensivierte. Dabei benutzten sowohl die Karuna-Fraktion als auch die LTTE Selbstmordattentäter und schreckten vor Morden an Zivilpersonen nicht zurück (SFH, Sri Lanka - aktuelle Situation v. November 2006). Die LTTE warf der Regierung vor, die Attentate der Karuna-Gruppe stillschweigend zu billigen oder sogar zu unterstützen (AA, Lagebericht v. 27.7.2006). Wie die LTTE war die Karuna-Gruppe im Jahr 2006 für politische Morde, Verschleppungen und Folter verantwortlich. Genaue Zahlen konnten nicht ermittelt werden, da sich die Karuna-Gruppe - wie auch die LTTE - nur selten zu ihren Aktionen bekannte. Besonders aktiv war die Karuna-Gruppe bei der Rekrutierung von Kindersoldaten. In der Region Batticaloa kam es wöchentlich zu Entführungen von Minderjährigen, die aber kaum angezeigt wurden. Die SLMM (= Sri Lanka Monitoring Mission) berichtete von mehreren hundert zwangsrekrutierten Jugendlichen. Als Gegenleistung zum Verzicht auf eine Anzeige bei den Behörden erhielten die betroffenen Familien Geld und teilweise ein Besuchsrecht in den Militärcamps der Gruppe (SFH, Sri Lanka - aktuelle Situation v. November 2006). Die Auskunftslage zeigt damit auf, dass die Zivilbevölkerung im Osten Sri Lankas zum Zeitpunkt der Ausreise des Klägers im Mai 2006 zwar in nicht unerheblicher Weise menschenrechtswidrigen Repressionen durch die Karuna-Gruppe ausgesetzt war. Es lässt sich jedoch anhand der Auskünfte (AA, Lageberichte v. 11.12.2006 u. 27.7.2006; SFH, Sri Lanka - aktuelle Situation v. November 2006) nicht feststellen, dass die Karuna-Gruppe gezielt alle dort lebenden tamilischen Volkszugehörigen oder Tamilen jüngeren bis mittleren Alters in Anknüpfung an unverfügbare Gruppenmerkmale verfolgte oder deren physische Vernichtung anstrebte. Diese Auskünfte zeigen insbesondere auch nicht auf, dass es sich bei den berichteten Zwangsrekrutierungen der Karuna-Gruppe in den östlichen Landesteilen um Aktionen handelte, die in ihrer objektiv erkennbaren Gerichtetheit auf asyl- bzw. abschiebungsschutzerhebliche - namentlich ethnische - Persönlichkeitsmerkmale der Opfer abzielten. Dass von solchen Zwangsrekrutierungen häufig Tamilen betroffen waren, sagt insoweit nichts über die Gerichtetheit der Maßnahmen aus. Mit Blick auf die Sicherheitslage in der Ostprovinz im Mai 2006, die durch gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen der Karuna-Gruppe und der LTTE geprägt war (AA, Lagebericht v. 27.7.2006), verfolgte die Karuna-Gruppe mit den Zwangsrekrutierungsmaßnahmen das Ziel, Kämpfer für die Auseinandersetzung mit der LTTE zu beschaffen. Anknüpfungspunkt für solche Zwangsrekrutierungen war die Anwesenheit der Betroffenen im umkämpften Gebiet. Eine zielgerichtete Anknüpfung an die ethnische Zugehörigkeit der Betroffenen lässt sich diesen Auskünften nicht entnehmen. Soweit die SLMM von mehreren hundert zwangsrekrutierten Personen berichtet hat (SFH, Sri Lanka - aktuelle Situation v. 11.2006), zeigen diese Angaben in Relation zur tamilischen Gesamtbevölkerung in der Ostprovinz mit einem Bevölkerungsanteil von mehr als 40 % (SFH, "Sri Lanka: Aktuelle Situation Update" v. 11.12.2008) im Übrigen auch nicht die für die Annahme einer Gruppenverfolgung unerlässliche Dichte von derartigen Übergriffen auf. Es ist nicht ersichtlich, dass quasi jeder tamilische Volkszugehörige oder jeder Tamile jüngeren bis mittleren Alters in der Ostprovinz aktuell gefährdet war, von abschiebungsschutzrelevanten Übergriffen i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG seitens der Karuna-Gruppe betroffen zu werden. Abgesehen davon wäre es den Betroffenen - wie hier dem Kläger - möglich gewesen, vor etwaigen einzelnen Übergriffen der Karuna-Gruppe in das von der Regierung verwaltete Gebiet im Großraum Colombo oder in die südwestlichen Provinzen auszuweichen (AA, Lagebericht v. 27.7.2006).

2. Der Kläger war im Zeitpunkt seiner Ausreise im Mai 2006 auch keiner individuellen politischen Verfolgung ausgesetzt.

Der Senat hat auch unter Berücksichtigung der Beweisnot, in der sich der Kläger befindet, und der daraus folgenden besonderen Bedeutung der eigenen Schilderung der persönlichen Verhältnisse und Erlebnisse des Klägers vor seiner Ausreise nicht die Überzeugung gewinnen können, dass er Sri Lanka unter dem Druck einer erlittenen oder ihm unmittelbar drohenden politischen Verfolgung verlassen hat. (...)

II. Der mithin unverfolgt ausgereiste Kläger muss nach derzeitigem Sachstand nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit befürchten, bei einer Rückkehr nach Sri Lanka einer Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt zu sein.

Die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsmaßnahme ist anzunehmen, wenn bei der vorzunehmenden zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 23.2.1988 - 9 C 32.87 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 80, vom 15.3.1988 - 9 C 278.86 -, BVerwGE 79, 143 (150, 151) = NVwZ 1988, 538, und vom 5.11.1991 - 9 C 118.90 -, BVerwGE 89, 162 = NVwZ 1992, 582 (584) m. w. N.

Maßgebend ist in dieser Hinsicht letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Die Zumutbarkeit bildet das vorrangige qualitative Kriterium, das bei der Beurteilung anzulegen ist, ob die Wahrscheinlichkeit einer Gefahr "beachtlich" ist. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint. Unzumutbar kann eine Rückkehr in den Heimatstaat auch dann sein, wenn nur ein Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 v.H. für Verfolgungsmaßnahmen gegeben ist.

Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 5.11.1991 - 9 C 118.90 -, a. a. O., 584.

In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit von Verfolgungsmaßnahmen nicht aus.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.1990 - 9 C 60.89 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 134, S. 262, insoweit in BVerwGE 87, 52 nicht abgedruckt.

Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben aber die Gesamtumstände des Falles die "reale Möglichkeit" einer politischen Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen.

Vgl. BVerwG. Urteil vom 5.11.1991 - 9 C 118.90 -, a. a. O.,584, unter Berufung auf U.S. Supreme Court vom 9.3.1987, zitiert bei Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, B 1, Art. 16a GG Rdnr. 263.

Dabei muss freilich beachtet werden, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an die Bejahung einer "beachtlichen" Wahrscheinlichkeit einer drohenden Verfolgungsmaßnahme höhere Anforderungen zu stellen sind, als sie nach dem so genannten herabgesetzten Wahrscheinlichkeitsmaßstab für die Verneinung einer "hinreichenden Sicherheit" vor politischer Verfolgung erfüllt sein müssen.

Vgl. einerseits zum Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit u. a. BVerwG, Urteile vom 26.10.1993 - 9 C 50.92 u.a. -, a. a. O., 501 m. w. N., und vom 18.1.1994 - 9 C 48.92 -, a. a. O., 500; Beschluss vom 17.4.2008 - 10 B 28.08 -, juris, und andererseits zum Maßstab der "hinreichenden Sicherheit" u.a. BVerwG, Urteile vom 25.9.1984 - 9 C 17.84 -, BVerwGE 70, 169 (171), und vom 26.3.1985 - 9 C 107.84 -, BVerwGE 71, 175 (178 f.) m. w. N.; Beschluss vom 27.1.2009 - 10 B 56.08 -, juris.

Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine geringe Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, macht es auch aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen erheblichen Unterschied, ob er z.B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber die Todesstrafe riskiert.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 5.11.1991 - 9 C 118.90 -, a. a. O., 584.

In Anwendung dieser Grundsätze droht dem Kläger im Falle der Rückkehr nach Sri Lanka nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG. In Sri Lanka ist zwischenzeitlich keine Situation eingetreten, in Folge derer Heimkehrern bei der Einreise oder in absehbarer Zukunft während des nachfolgenden Aufenthalts in Sri Lanka in Anknüpfung an die tamilische Volkszugehörigkeit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine politische Gruppenverfolgung droht (1.). Dem Kläger droht nach diesem Maßstab in Sri Lanka gegenwärtig auch aufgrund individueller Umstände keine Verfolgungssituation i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG (2.).

1. Dem Kläger droht bei der Rückkehr nach Sri Lanka in Anknüpfung an seine tamilische Volkszugehörigkeit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit keine politische Gruppenverfolgung durch den srilankischen Staat (a.) oder durch Dritte (b.).

a. Die Situation in Sri Lanka - insbesondere die Sicherheitslage - hat sich seit der Ausreise des Klägers im Mai 2006 zwischenzeitlich zwar verschärft, rechtfertigt aber zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) nicht die Annahme, dass Tamilen im allgemeinen oder Untergruppen hiervon, wie etwa zurückkehrende Asylbewerber, männliche Tamilen jüngeren bzw. mittleren Alters oder Tamilen aus dem Norden und Osten - wie der Kläger - in Sri Lanka allein aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit landesweit oder regional einer staatlichen Gruppenverfolgung ausgesetzt sind.

aa. Die allgemeine Sicherheitslage in Sri Lanka stellt sich nach Auswertung der dem erkennenden Senat zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen derzeit wie folgt dar:

Das Auswärtige Amt hat bereits Ende Januar 2007 (AA, Ad-hoc-Information v. 31.1.2007) ausgeführt, aufgrund der jüngsten politischen Entwicklungen, insbesondere der teilweisen Wiedereinführung der repressiven Anti-Terrorgesetze im Dezember 2006 und der Einnahme der Vakarai/Ost-Provinz durch srilankische Regierungstruppen am 22.1.2007 habe sich die im Asyllagebericht v. 11.12.2006 dargestellte Situation verschärft.

Aus Sicht des Auswärtigen Amtes (AA, Lageberichte v. 7.4.2009 u. 6.10.2008) stellt sich gegenwärtig die Situation in Sri Lanka wie folgt dar: Nachdem mit dem Waffenstillstandsabkommen aus dem Jahr 2002 die LTTE zunächst legalisiert worden war, habe auch die Mitgliedschaft oder Nähe zur LTTE für in Sri Lanka lebende Tamilen keinen Straftatbestand mehr dargestellt. Nach der Ermordung des tamilischen Außenministers Lakshman Kadirgamar im August 2005 sei der Staatsnotstand ausgerufen worden. In der Folgezeit sei das Land faktisch in den Kriegszustand gefallen, mit gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Regierungsstreitkräften und der LTTE im Osten und Nordosten des Landes. Nach den Vorstößen der Armee im Norden seien UNHCR und NRO davon ausgegangen, dass dort bis zu 300.000 Personen von ihren Wohnorten vertrieben wurden und unter schwierigen humanitären Verhältnissen leben. Am 25.11.2006 und 6.12.2006 seien weitere Verschärfungen des Notstandsrechts in Kraft getreten. Mit dem verschärften Notstandsrecht hätten die Vorwürfe über Folterungen durch die Sicherheitskräfte wieder erheblich zugenommen. Nach einer Aussage des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen würde in Sri Lanka Folter als gängige Praxis im Rahmen der Terrorismusbekämpfung angewendet. Nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes gebe es für eine systematische Verfolgung bestimmter Personen und Personengruppen in Sri Lanka seit der Aufkündigung des Waffenstillstandsabkommens immer mehr Anzeichen. Tamilen würden jedoch nicht allein aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit systematisch verfolgt, seien aber - durch ihre tamilische Sprache und die entsprechenden Einträge in Ausweiskarten für die Sicherheitskräfte leicht identifizierbar - in eine Art Generalverdacht der Sicherheitskräfte geraten. Die ständigen Razzien, PKW-Kontrollen und Verhaftungen schon bei Vorliegen geringster Verdachtsmomente richteten sich vor allem gegen Tamilen. Durch die Wiedereinführung des "Terrorism Prevention Act" sei die richterliche Kontrolle solcher Verhaftungen kaum mehr gewährleistet. Wer verhaftet werde, müsse mit längerer Inhaftierung rechnen, ohne dass es zu weiteren Verfahrensschritten oder gar einer Anklageerhebung kommen müsse. Die zulässige Haftdauer bis zur Anklageerhebung betrage jetzt 18 Monate. Die Unterstützung der LTTE sei mit dem Terrorism Prevention Act erneut strafbar, auch wenn die LTTE in diesem Gesetz nicht ausdrücklich genannt wird. Jeder, der in den Augen der Sicherheitsbehörden der Nähe zur LTTE verdächtig sei, müsse damit rechnen, verhaftet zu werden. Srilanker, die in der Vergangenheit seitens der Sicherheitsbehörden oder der LTTE verfolgt worden seien, müssten seit Ende Dezember 2006 mit erneuter Verfolgung und Beeinträchtigung ihrer Sicherheit rechnen. Dies treffe auch auf Personen zu, die sich in den vom Bürgerkrieg bislang verschonten Gebieten - im Süden und Westen - der Insel aufhielten. Auch in diesen "friedlichen" Regionen gehörten Razzien und nächtliche Verhaftungsaktionen seit Anfang 2007 zur Tagesordnung. 90 % der Verhafteten im Zusammenhang mit Terrorismusbekämpfung und Sicherheitsprävention seien Tamilen. Diese seien weit überproportional von Festnahmen und längeren Haftzeiten betroffen als andere Bevölkerungsgruppen. Bei Strafverfahren im Zusammenhang mit der Unterstützung der LTTE drohten auch bei relativ geringfügigen Delikten drakonische Haftstrafen. In Verfahren unter dem "Terrorism Prevention Act" müssten Angeklagte beweisen, dass Geständnisse unter Zwang oder Folter erpresst worden seien. Innerhalb Sri Lankas gebe es keine Gebiete mehr, in denen die beschriebenen Verfolgungshandlungen nicht ausgeübt werden, auch wenn die Intensität der Bedrohung sich in den einzelnen Landesteilen unterscheide. Die nach dem Waffenstillstand 2002 bestehende Möglichkeit, sich im ganzen Land ohne große Einschränkungen zu bewegen und niederzulassen, existiere nicht mehr. Der de-facto Wiederausbruch des Bürgerkriegs habe zu einer wesentlichen Verschlechterung der demokratischen Kultur Sri Lankas geführt. Es gebe zunehmenden Druck auf regierungskritische Medien und massive Versuche, oppositionelle Politiker und kritische Journalisten einzuschüchtern. Im Sommer 2007 hätten Regierungstruppen und die mit der Regierung kollaborierenden paramilitärischen Einheiten (insbesondere die sog. Karuna-Gruppe oder TMVP - Thamil Makal Viduthalai Pullikal = Tamil People Liberation Tigers -, eine Abspaltung der LTTE unter Führung von Oberst Karuna - richtiger Name: Muralitharan Vinayagamurthi -) die LTTE aus ihren östlichen Stellungen vertrieben und in den Norden Sri Lankas zurückgedrängt. Nach dem Abzug der LTTE im Osten habe die Karuna-Gruppe in kleineren Gebieten des Ostens faktisch die Regierungsgewalt übernommen. Sie übe dort eine Gewalt- und Willkürherrschaft aus und würde von den staatlichen Sicherheitskräften nicht kontrolliert. Der TMVP seien zahlreiche Ermordungen von LTTE-Kadern und von tamilischen Politikern, die Rekrutierung von Kindersoldaten und viele Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung zur Last gelegt worden. Die damalige VN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Louise Arbour, habe nach ihrem Besuch in Sri Lanka im Oktober 2007 festgestellt, dass dort keine glaubwürdige staatliche Institution mehr existiere, die sich noch um Menschenrechte bemühe. Menschenrechtsverletzungen würden kaum untersucht oder gar strafrechtlich verfolgt. Die Sicherheitslage verschärfe sich weiterhin. Insbesondere komme es zu Bombenanschlägen mit zahlreichen Todesopfern, die von der Regierung der LTTE zugeschrieben würden. Eine Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen sei den Sicherheitskräften und den mit der Regierung zusammenarbeitenden paramilitärischen Gruppen zuzuschreiben. Auch die LTTE und die TMVP würden Repressionen bis hin zu Mordanschlägen verüben. Die LTTE sei im ganzen Land zu Erpressungen und Anschlägen in der Lage. Selbst in Colombo sei es der Regierung trotz umfangreichster Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen nicht gelungen, dies zu verhindern. Kein Gegner der Organisation könne vor Anschlägen sicher sein. Es lägen Informationen darüber vor, dass abgeschobene Tamilen aus Deutschland und anderen westlichen Staaten nach ihrer Rückkehr nach Colombo von der LTTE gefoltert und mit Mord bedroht worden seien, weil sie nicht mit ihr kooperiert hätten. Das bereits seit langem nicht mehr eingehaltene Waffenstillstandsabkommen vom Februar 2002 sei zum 16.1.2008 vom srilankischen Präsidenten Mahinda Rajapakse aufgekündigt worden. Am 10.5.2008 sei es der TMVP mit Hilfe der Regierung gelungen, bei den Provinzwahlen in der Ostprovinz einen Sieg zu erringen. Ihre Weigerung, die Waffen niederzulegen, lasse nicht darauf schließen, dass sie sich nunmehr demokratisch verhalten und der Gewalt entsagen wolle. Bei der Einreise am Flughafen von Colombo, über den allein eine Abschiebung möglich sei, würden die Einreiseformalitäten mit gültigem srilankischen Reisepass zumeist zügig erledigt. Anders verhalte es sich bei Rückkehrern, die keinen srilankischen Reisepass vorlegen könnten. Dies betreffe vor allem Rückkehrer, die allein mit einem von einer srilankischen Auslandsvertretung ausgestellten Reisedokument zur einmaligen Rückkehr nach Sri Lanka (Identity Certificate Overseas Missions, ICOM, auch Emergency-Pass genannt) einreisen. Hierbei komme es regelmäßig zu Personenüberprüfungen, wobei die Rückkehrer sowohl von der srilankischen Einreisebehörde als auch von der Kriminalpolizei am Flughafen zu Identität, persönlichem Hintergrund und Reiseziel befragt würden. Ein Asylantrag im Ausland begründe in aller Regel noch keinen Verdacht, der LTTE nahe zu stehen. Ein Anfangsverdacht treffe aber Rückkehrer, die aus den nördlichen oder östlichen Landesteilen stammen und sich nun erstmals in Colombo oder dem Süden niederlassen wollen. Ebenso stehe unter Verdacht, wer bereits früher als Anhänger der LTTE auffällig geworden sei.

Diese Einschätzung der Lage in Sri Lanka wird durch die Auskünfte und Stellungnahmen anderer Organisationen und Gruppen bestätigt.

Der UNHCR hatte bereits in seiner Stellungnahme von Januar 2007 darauf hingewiesen, dass sich seit Veröffentlichung des Background Papers vom April 2004 die Menschenrechtslage für die srilankische Bevölkerung als Folge des wieder aufgeflammten Bürgerkrieges dramatisch verschlechtert habe. Im April bzw. Dezember 2006 seien die Sicherheitsbestimmungen in Sri Lanka drastisch verschärft worden. Tamilen, die im Verdacht stünden, Verbindungen zur LTTE zu unterhalten, drohten Menschenrechtsverletzungen durch die staatlichen Behörden oder mutmaßlich von der Regierung gestützte Paramilitärs. Im Bericht des UNHCR "UNHCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Sri Lanka" vom April 2009 wird ausgeführt, dass die Regierung im Norden Sri Lankas Anfang 2009 den militärischen Druck auf die LTTE erhöht und erhebliche territoriale Gewinne gemacht habe. Unter anderem habe die Regierung die Kontrolle über die strategisch wichtigen Bezirke Kilinochchi und Mullaittivu sowie den Elephant Pass erlangt. Zum Teil seien die Routen im Norden aber noch unsicher. Die LTTE habe im Rahmen der militärischen Auseinandersetzungen verstärkt damit begonnen, junge tamilische Männer, Frauen und Kinder zwangsweise für die Kämpfe und andere gefährliche Tätigkeiten zu rekrutieren. Zwischenzeitlich sei die LTTE auf einen schmalen Steifen der nördlichen Küste des Mullaittivu-Bezirks zurückgedrängt worden. Die Sicherheits- und Menschenrechtslage sei in der gesamten Nordprovinz nach wie vor schlecht. Es gebe Berichte von Vergewaltigungen tamilischer Frauen in Polizei- oder militärischem Gewahrsam. Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet würden in sog. "Sicherheitszonen" untergebracht und dort festgehalten. Seit dem 20.1.2009 seien mehr als 2.800 Zivilisten ums Leben gekommen und über 7.000 verletzt worden. Mehr als zwei Drittel dieser Fälle hätten sich in den "Sicherheitszonen" zugetragen. Gegen die militärischen Attacken der Sicherheitskräfte setze die LTTE bewusst Zivilisten als menschliche Puffer ein. In der Ostprovinz habe die Regierung zusammen mit kooperierenden paramilitärischen Gruppierungen im Juli 2007 die letzte östliche Basis der LTTE eingenommen. Die allgemeine Sicherheitslage sei im Osten aber nach wie vor angespannt. Es würde von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Regierung und nichtstaatlichen Akteuren berichtet. Viele der gemeldeten Vorfälle stünden im Zusammenhang mit den Antiterrormaßnahmen. Von Festnahmen seien in erster Linie Tamilen betroffen. Die TMVP kontrolliere die Stadt Batticaloa und andere Teile des Ostens und sei mit Zustimmung der Regierung an Entführungen, Tötungen und Zwangsrekrutierungen beteiligt. Im Bezirk Batticaloa sei von einer Serie von Entführungen junger Frauen berichtet worden. Im September und Oktober 2008 habe es 30 Entführungen in Ampara und anderen Orten gegeben. Zeugen hätten berichtet, dass es sich bei den Entführern um bewaffnete Männer in Zivilkleidung gehandelt habe, die tamilisch gesprochen hätten, was auf die TMVP oder andere tamilische paramilitärische Gruppierungen schließen lasse. In Colombo und den anderen Provinzen habe die LTTE verstärkt Terroranschläge sowohl auf militärische als auch zivile Ziele verübt. Beobachter gingen davon aus, dass die LTTE im Falle einer militärischen Niederlage ihre Taktik ändern und sich auf die Verübung einzelner Anschläge durch Selbstmordattentäter konzentrieren werde. Aufgrund der verübten Terroranschläge würden in Colombo und Umgebung verstärkt Sicherheitsüberprüfungen durchgeführt. Tamilen, die ohne entsprechende Ausweispapiere angetroffen würden, würden festgenommen und inhaftiert. Im Herbst 2008 seien viele Personen aus den vom Krieg betroffenen Regionen nach Colombo gekommen. Die Polizei habe angekündigt, dass sich alle Einwohner, die sich in den letzten fünf Jahren in Colombo niedergelassen hätten, registrieren lassen müssten. Der Regierung werde vorgeworfen, dass sie mit Hilfe der Informationen aus den Registrierungen Verhaftungen vornehme. Es werde von Beobachtern berichtet, dass mehr als 1.000 Tamilen bereits in Haft seien. Der Supreme Court habe mit Blick auf die unannehmbar hohe Zahl an verhafteten tamilischen Zivilisten die Regierung wiederholt aufgefordert, diese Praktiken zu beenden. Von Verhaftungen seien überwiegend junge männliche Tamilen betroffen. Obwohl in Sri Lanka die Anwendung von Folter verboten sei, gebe es Berichte von Folterung durch die Polizei sowie durch die Sicherheits- und Streitkräfte. Der UNHCR geht davon aus, dass für Tamilen aus dem Norden und Osten im Zusammenhang mit den Anti-Terrormaßnahmen ein erhöhtes Risiko bestehe, Opfer von Menschenrechtsverletzungen zu werden, und empfiehlt, jedenfalls Tamilen aus dem Norden als Flüchtlinge anzuerkennen.

Auch amnesty international (vgl. Auskunft an das VG Hannover v. 18.4.2007 - ASA 37-06.034 -; Jahresbericht 2007 Sri Lanka; AI-Länderinformationen, Katja Köhne, Menschenrechts- und Sicherheitslage in Sri Lanka, asyl-info 7-8/2007; Bericht "Sri Lanka, Silencing Dissent" von Februar 2008; AI-Report v. Mai 2008, S. 385 ff.;) ist der Auffassung, dass sich die aktuelle Lage in Sri Lanka insbesondere seit Mitte 2006 so sehr verschlechtert habe, dass in dem Land wieder ein de-facto Bürgerkrieg herrsche. Amnesty international dokumentiert eine massive Verschlechterung der Sicherheits- und Menschenrechtslage und beobachtet, dass es wieder zu ähnlichen Mustern von Menschenrechtsverletzungen komme wie vor dem Abschluss des Waffenstillstandsabkommens im Jahr 2002: Fälle von gewaltsamem Verschwindenlassen und Entführungen, willkürliche Festnahmen vor allem von tamilischen jungen Männern, Folter und Misshandlung im Polizeigewahrsam, politische Morde durch die LTTE und die Karuna-Gruppe sowie Rekrutierung von Kindersoldaten. Diese Menschenrechtsverletzungen geschähen in einer Atmosphäre der Straflosigkeit; keine Seite bemühe sich, die an den Kämpfen unbeteiligten Zivilisten zu schützen. Nach einem Anschlag der LTTE auf den srilankischen Außenminister im August 2005 seien vom Parlament "Emergency Regulations", also Notstandsregelungen, erlassen worden, die den Behörden einen breiten Handlungsspielraum einräumten und auf Grundlage derer Personen auf bloße Verdachtsmomente hin verhaftet und bis zu einem Jahr ohne Prozess festgehalten werden könnten. Zuletzt seien am 6.12.2006 die Emergency (Prevention and Prohibition of Terrorism and Specified Terrorist Activities) Regulations No. 07 erlassen worden. Diese neuen Sicherheitsbestimmungen ließen offenbar die Anwendung des umstrittenen Anti-Terrorgesetzes Prevention of Terrorism Act No. 48 (PTA) durch die Hintertür wieder zu. Die Vorschriften sähen in einem sehr ausgedehnten Anwendungsbereich generelle Verbote jeglicher Teilnahme an und Förderung von terroristischen Aktivitäten vor. Ferner enthielten diese Vorschriften eine Definition des Terrorismus, die so breit angelegt sei, dass auch regierungskritische Aktivitäten darunter fallen könnten. Zusätzlich führe der alleinige Verdacht, dass eine Person gegen das PTA verstoßen habe, zu der Erfüllung der jeweiligen Tatbestände. Amnesty international ist der Auffassung, dass aufgrund der desolaten Sicherheits- und Menschenrechtslage zur Zeit niemand nach Sri Lanka abgeschoben werden solle. In besonderem Maße gefährdet, Opfer von Menschenrechtsverletzungen zu werden, seien Personen, die in irgendeiner Form mit der LTTE in Verbindung gebracht werden könnten. Es komme Berichten zufolge bei der Einreise regelmäßig zu Befragungen am Flughafen und amnesty international seien mehrere Fälle bekannt, in denen abgelehnte Asylbewerber am Flughafen festgehalten worden seien. Es habe in letzter Zeit in Colombo und anderen Städten viele Razzien und willkürliche Straßenkontrollen gegeben. Erstmalig seit Abschluss des Waffenstillstandsabkommens sei dies in großem Rahmen wieder Ende Dezember 2005 der Fall gewesen, als bei einer Polizeiaktion mindestens 1.798 Personen, der überwiegende Teil Tamilen, verhaftet worden seien. Seit 2006 sei die Anzahl der Polizei- und Militär-Checkpoints im ganzen Land drastisch erhöht worden und die Polizei führe regelmäßig Kontrollen und Razzien in Wohnungen, auf Straßen und zum Teil in ganzen Stadtgebieten durch. In Colombo sei die Situation besonders angespannt, da die Bewohner von tamilisch besiedelten Gegenden aufgefordert worden seien, sich bei der Polizei zu registrieren. Bei darauf folgenden Großrazzien würden anhand der so erstellten Listen nicht registrierte Bewohner sofort festgenommen. Bei solchen Operationen komme es häufig zu mehreren hundert Festnahmen. In Colombo seien Berichten zufolge auch wieder paramilitärische sogenannte "white vans" unterwegs, mit denen vor allem Tamilen entführt und verschleppt würden. Das Risiko, im Polizeigewahrsam Opfer von Folter und Misshandlung zu werden, sei in Sri Lanka sehr hoch. Amnesty international lägen viele Meldungen über Folterungen sowie Todesfälle infolge von Folterhandlungen vor. Auch der UN-Ausschuss gegen Folter berichte von anhaltenden, gut dokumentierten Vorwürfen über weit verbreitete Folter und Misshandlung sowie Fälle von Verschwindenlassen.

Nach der Einschätzung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BA, Aktuelle Erkenntnisse des Bundesamtes zu Sri Lanka v. 4.5.2007; BA, Briefing Notes v. 23.3.2009 und 6.4.2009) seien Tamilen in Gefahr, bei Kontrollen, den relativ häufigen Hausdurchsuchungen und auf meist haltlose Denunziationen hin verhaftet und ohne Anklage auf Grundlage der Notstandsgesetze Monate oder sogar Jahre lang inhaftiert zu werden. Eine spätere Verurteilung durch die ohnehin langsame Justiz erfolge nur selten. Derzeit sollen rund 1.000 Tamilen nach den Notstandsgesetzen in längerer (Untersuchungs-) Haft sein. Ihre Haftbedingungen seien aber nicht menschenrechtswidrig. Über Folterungen während der Inhaftierung sei nichts bekannt geworden. Folterungen seien aber unmittelbar nach der Festnahme beim Verhör durch die Polizei nicht auszuschließen. Abgeschobene Asylbewerber tamilischer Volkszugehörigkeit würden bei der Einreisekontrolle ebenso wie auch andere aus dem Ausland zurückkehrende Tamilen gründlich überprüft und über den Grund ihres Auslandsaufenthalts befragt, da sie in den Augen der Sicherheitsbeamten Terroristen sein könnten. Bei widersprüchlichen Angaben oder dem Mitführen verdächtiger Gegenstände drohe Inhaftierung. Ansonsten sei zu unterscheiden, ob es sich um aus dem Norden oder Osten - dem von der LTTE beherrschten oder umkämpften Gebiet - oder aus dem von der Regierung kontrollierten Gebiet stammende Personen handele. Für Erstere wäre es sehr schwer möglich, in ihr Heimatgebiet zu gelangen und sie wären dabei erheblichen Gefahren ausgesetzt (Zwangsrekrutierung durch LTTE, Opfer von Kampfhandlungen). Inwieweit sie in Colombo oder anderen von der Regierung kontrollierten Gebieten leben könnten, hänge von ihrer finanziellen Situation, einem qualifizierten Beruf oder eventueller Unterstützung durch dortige Freunde oder Verwandte ab. Aus dem Regierungsgebiet stammende Rückkehrer könnten dagegen in der Regel dort auf familiäre Unterstützung zurückgreifen und so wieder Fuß fassen. Aufgrund der in der letzten Zeit im Osten errungenen militärischen Erfolge und Gebietsgewinne der Regierungstruppen und der mit ihnen verbündeten Karuna-Miliz gegenüber der LTTE könne die Regierung ermuntert werden, demnächst die von der LTTE gehaltenen Gebiete im Norden zu erobern und die LTTE zu zerschlagen. Die Armee habe eigenen Angaben zufolge die LTTE im April 2009 auf ein kleines Gebiet im Norden zurückgedrängt. In diesem Kampfgebiet sollen sich zwischen 70.000 und 200.000 tamilische Zivilisten befinden. Tausende sollen in den vergangenen Wochen ums Leben gekommen sein. Es werde berichtet, dass die Streitkräfte ein Lager errichten, in dem 100.000 bis 200.000 Tamilen interniert werden sollten, die noch im Kampfgebiet eingeschlossen seien. Der Regierung werde unterstellt, sie wolle mit der Internierung verhindern, dass sich die LTTE nach einer militärischen Niederlage wieder neu organisieren und neue Kämpfer rekrutieren könne. Demgegenüber werde von offizieller Seite erklärt, dass man den Vertriebenen Schutz bieten wolle.

Nach Ansicht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH, "Asylsuchende aus Sri Lanka" v. 1.2.2007; SFH, "Sri Lanka: Aktivitäten für die TELO" v. 20.9.2007; SFH, "Sri Lanka: Identitätsausweise" v. 15.10.2007; SFH. "Sri Lanka unter Notstandsrecht" v. Dezember 2007; SFH, "Sri Lanka: Aktuelle Situation Update" v. 11.12.2008) stellt sich die aktuelle Lage in Sri Lanka wie folgt dar: Die Sicherheitssituation sei seit Jahresbeginn 2007 insbesondere in den überwiegend von Tamilen bewohnten Regionen des Nordens und Ostens der Insel nach Wiederausbruch der Kampfhandlungen extrem schlecht und die Menschenrechtslage in Sri Lanka sei besorgniserregend. Neben den eklatanten Menschenrechtsverletzungen im Norden und Osten Sri Lankas gebe es eine dauernde Bedrohung durch terroristische Attacken auch im Großraum Colombo und in anderen Provinzen. Diese würden von der Regierung mit Methoden bekämpft, die für die tamilische Minderheit bedrohlich seien und ihre Sicherheit in Frage stellten. Es gebe eine signifikante Zunahme extralegaler Tötungen auch von Regierungsseite. Viele solcher Taten würden an gewöhnlichen Personen begangen, die kaum erkennbar in Verbindung zum Konflikt stünden. Teilweise seien Entführungen und Tötungen Teil eines Musters, die LTTE anzugreifen, teilweise geschähen sie aus politischen Motiven und könnten zudem einen kriminellen Hintergrund haben. Die Zahl des Verschwindenlassens, der extralegalen Hinrichtungen und der Entführungen vor allem von Tamilen habe auch in der Hauptstadt Colombo zugenommen. Auch die LTTE oder die Unterwelt mit Verbindungen zur LTTE seien verantwortlich für Entführungen und Ermordungen in Colombo. Die srilankischen Institutionen seien nicht willens oder in der Lage, die Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen und zu verfolgen (SFH, "Asylsuchende aus Sri Lanka" v. 1.2.2007; SFH, "Sri Lanka: Aktivitäten für die TELO" v. 20.9.2007). Die Emergency Regulations (ER) seien wesentlichster Teil der Antiterrorstrategie der Regierung, sie müssten monatlich im Parlament verabschiedet werden, was auch routinemäßig geschehe. Am 6.12.2006 seien, kurz nach einem fehlgeschlagenen Selbstmordanschlag auf den Präsidentenbruder und Chef des Verteidigungsministeriums, Gothabaya Rajapakse, die Emergency Regulations No. 7 (ER 2006) erlassen worden. Diese Regelungen enthielten einen sehr ausgedehnten Anwendungsbereich, vage Rechtsbegriffe und außerordentlich problematische Bestimmungen, indem sie Verbote jeglicher Teilnahme an terroristischen Aktivitäten und deren Förderung aussprächen. Die Umschreibung des Begriffs Terror sei so breit, dass sich auch regierungskritische Aktivitäten darunter subsumieren ließen. Schließlich sei in den Regulations 19 eine Immunitätsklausel enthalten, die Polizei, Militär und andere Personen straflos stelle, die in "gutem Glauben" handeln. Das vorgesehene Strafmaß sei drakonisch (Freiheitsstrafen zwischen 5 und 20 Jahren). Jede Person (insbesondere tamilischer Zugehörigkeit), die der Nähe zur LTTE verdächtigt werde, müsse damit rechnen, verhaftet zu werden. Das Fehlen einer valid reason (Dienstausweis, Schüler- oder Studentenausweis) reiche dafür aus. Mitunter reiche es schon aus, tamilisch zu sprechen, um verdächtig zu sein. Personen, die in der Vergangenheit im Verdacht einer Kooperation mit der LTTE gestanden hätten, müssten seit Dezember 2006 erneute Verfolgung und Beeinträchtigung ihrer Sicherheit befürchten. Das treffe auch auf solche zu, die sich in den vom Bürgerkrieg bislang verschonten Gebieten der Insel, einschließlich der Hauptstadt Colombo, aufhielten. Auch in den so genannten "friedlichen" Regionen gehörten Razzien und nächtliche Verhaftungsaktionen inzwischen zur Tagesordnung. Am häufigsten seien Verhaftungswellen nach Anschlägen, die der LTTE zugerechnet werden. Häufigstes Ziel der Kontrollen seien Tamilen. Kämen sie aus dem Norden oder Osten Sri Lankas, insbesondere aus den LTTE-dominierten Gebieten, oder wollten sie sich erstmals in den von der Regierung kontrollierten Gebieten niederlassen, bestünde für sie ein erhöhtes Risiko, festgenommen, misshandelt und gefoltert zu werden. In Sri Lanka komme es zunehmend zu Entführungen und extralegalen Tötungen, deren Urheberschaft sich oft nicht klären lasse. Es stehe jedoch fest, dass in den Gebieten unter Regierungskontrolle Todesschwadronen aus den Kreisen der Sicherheitskräfte und den mit ihnen verbündeten Milizen unterwegs seien. Die Zunahme extralegaler Tötungen sei besonders in Jaffna, aber auch in Vavuniya und Batticaloa besorgniserregend. Nach der Eroberung der Ostprovinz Mitte 2007 setze die Regierung ihre militärischen Kräfte dazu ein, den administrativ und militärisch von der LTTE kontrollierten Norden der Insel zu erobern und die Führungsspitze der LTTE zu eliminieren (SFH, "Sri Lanka: Identitätsausweise" v. 15.10.2007; SFH, "Sri Lanka unter Notstandsrecht" v. Dezember 2007; SFH, "Sri Lanka: Aktuelle Situation Update" v. 11.12.2008). Im Jahr 2008 sei das von den Rebellen im Norden der Insel kontrollierte Gebiet auf ein Drittel der ursprünglichen Fläche reduziert worden. Im Juni 2008 habe die Armee die strategisch wichtige Halbinsel Mannar erobert und im Juli 2008 habe sie die Kontrolle über mehrere Marinebasen der Sea Tigers gewonnen. Daraufhin habe die LTTE angefangen, in aggressiver Art und großer Anzahl sehr junge Personen zu rekrutieren. Seit September 2008 habe sie 9.000 Personen rekrutiert. Viele versuchten, zu desertieren, sich im Dschungel zu verstecken oder Wege zu den regierungskontrollierten Gebieten zu finden. Im September 2008 sei die srilankische Armee bis zu dem Hauptquartier der LTTE in Kilinochchi vorgedrungen. Hierbei habe es sich um die bis dahin blutigsten Kämpfe gehandelt. Aus Sicht der Regierung sei der Osten gewonnen. Nach der Vertreibung der LTTE aus diesen Gebieten habe die Regierung am 10.5.2008 die Wahlen für den Provinzrat im Osten gewonnen. Es bestehe eine Koalition aus der SLFP (Sri Lanka Freedom Party), der TMVP des früheren LTTE Kommandeurs Karuna und regierungsfreundlichen Muslim-Politikern. Sivanesathurai Chandrakanthan (alias Pilleyan), Stellvertreter und zugleich parteiinterner Gegenspieler Karunas, sei Chiefminister der Ostprovinz geworden. In der Ostprovinz bestehe weiterhin ein Klima der Angst. Fast täglich würden Menschen verschwinden oder erschossen. Die Armee suche gezielt nach jungen Personen aus den ehemaligen LTTE-Gebieten. Im August und September 2008 habe es verstärkt LTTE-Attacken auf Sicherheitskräfte und TMVP gegeben. Die LTTE verübe Attentate auf staatliche Repräsentanten, Bombenanschläge, durch die besonders stark die Zivilbevölkerung betroffen sei, und führe auch im Regierungsgebiet - insbesondere in Colombo - Angriffe aus der Luft durch. Mit jeder Attacke werde von den srilankischen Sicherheitskräften das komplexe Netz von Checkpoints, Straßenschließungen und Razzien enger zusammengezogen. Personen tamilischer Ethnie, die aus dem Norden und Osten in die Hauptstadt eingewandert sind, würden generell als Sicherheitsrisiko angesehen, und es würde mit verschiedensten Maßnahmen versucht, sie zu kontrollieren. Die Polizei habe am 19.9.2008 bekannt gegeben, dass sich alle Personen, die in den vergangenen fünf Jahren aus der Nordprovinz (Distrikte Kilinochchi, Mullaithivu, Vavuniya, Jaffna und Mannar) in die Westprovinz gezogen sind, sich am 21.9.2008 polizeilich registrieren lassen müssten. Um in andere Teile des Landes reisen zu können, benötigten Tamilen Bewilligungen. Ihnen würde aufgegeben, einen Brief ihres Grama Sevakar (Beamter auf Dorfebene) mit sich zu führen, in denen der Grund für ihren Aufenthalt in Colombo genannt ist (SFH, "Sri Lanka: Aktuelle Situation Update" v. 11.12.2008).

Auch die Organisation Human Rights Watch (Pressemitteilung "Sri Lanka: Verschwindenlassen durch Sicherheitskräfte eine nationale Krise" v. 6.3.2008; Bericht "Recurring Nightmare, State Responsibility für ,Disappearances' and Abductions in Sri Lanka" v. März 2008) macht die srilankische Regierung für zahlreiche Entführungen und das Verschwindenlassen von Personen verantwortlich. Nach dem Bericht sollen in der Zeit von Dezember 2005 bis Dezember 2007 mehr als 1.500 Personen als vermisst gemeldet worden sein, von denen die meisten weiterhin verschwunden seien. Human Rights Watch dokumentiert im einzelnen 99 Fälle verschwundener Personen und verweist darüber hinaus auf eine von Menschenrechtsgruppierungen zusammengestellte Liste mit weiteren 498 verschwundenen Personen. Die große Mehrheit der Opfer seien nach Human Rights Watch (S. 63 ff. des Berichtes) junge männliche Tamilen. Einige der Opfer, insbesondere in Jaffna, seien offensichtlich wegen ihrer vermeintlichen Zugehörigkeit zur LTTE zum Ziel der Übergriffe geworden, wobei der Begriff der Zugehörigkeit alles umfasse, von einem - auch erzwungenen - Aufenthalt in Trainingcamps der LTTE bis zum Betrieb eines Ladens, zu dessen Kundschaft auch LTTE-Kader gehören. Zu den Opfern gehörten auch Studenten, religiöse Führer, humanitäre Helfer und Journalisten. In Colombo und in geringerem Umfang auch in anderen Gebieten seien viele der Opfer Geschäftsinhaber. Diesen Entführungen folgten zumeist Lösegeldforderungen. Während die Opfer zunächst überwiegend Tamilen gewesen seien, sollen im Laufe des Jahres 2007 auch muslimische Geschäftsleute entführt worden sein. Im Mai 2007 seien mehr als ein Dutzend muslimische Geschäftsleute entführt worden, von denen einige nach Lösegeldzahlungen freigelassen worden seien.

Die International Crisis Group, eine international tätige Nichtregierungsorganisation, stellt in ihrem Bericht vom 20.2.2008 (Asia Report N°146, Sri Lanka's Return to War: Limiting the Damage) fest, dass mit dem Zusammenbruch des Waffenstillstandes, mit der Rückkehr der LTTE zu Terroranschlägen und mit den Anti-Terror-Maßnahmen der Regierung die Angst und die zwischenethnischen Spannungen deutlich angestiegen seien. Die Entscheidung, ca. 375 Tamilen aus Hotels und Pensionen in Colombo mit Bussen "nach Hause" in den Norden und Osten und das zentrale Bergland zu bringen, hätten einen deutlichen Vertrauensverlust bewirkt. Danach sei es Anfang Dezember 2007 nach Bombenanschlägen, die der LTTE zugeschrieben worden seien, zu Massenverhaftungen von mehr als 2.500 Personen gekommen. Die Verhaftungen seien unorganisiert und unterschiedslos erfolgt und hätten auch viele seit langem in der Hauptstadt ansässige Personen mit einwandfreien Ausweisen betroffen. Mehr als 400 Personen seien zu Gefangenenlagern in den Süden gebracht worden. Die meisten seien innerhalb einer Woche entlassen worden. Von vielen seien diese sog. "Sicherheitsmaßnahmen" als Botschaft verstanden worden, dass alle Tamilen eine Gefahr für die Sicherheit darstellten und in Colombo oder anderen singhalesischen Gebieten nicht willkommen seien. Besonders verletzlich seien Tamilen aus dem Norden und Osten. Die Menschenrechtskrise bestehe fort. Die Verletzung bürgerlicher und politischer Rechte sei weit verbreitet, vor allem im Norden und Osten, wo politische Morde und das Verschwindenlassen von Menschen an der Tagesordnung seien, insbesondere in Jaffna.

Das Department of State der Vereinigten Staaten von Amerika vertritt in seinem Bericht vom 11.3.2008 (2007 Country Reports on Human Rights Practices - Sri Lanka) die Auffassung, der Respekt der srilankischen Regierung gegenüber den Menschenrechten nehme zum Teil aufgrund der Eskalation des bewaffneten Konflikts ab. Die überwältigende Mehrheit der Opfer von Menschenrechtsverletzungen seien junge männliche Tamilen. Die Lage habe sich insbesondere auf der von der Regierung kontrollierten Jaffna-Halbinsel verschlechtert. Im Laufe des Jahres 2007 seien geschätzt 3.200 Personen im Zusammenhang mit den Feindseligkeiten zwischen den srilankischen Sicherheitskräften und der LTTE getötet worden, darunter etwa 1.000 Zivilpersonen. Die meisten der zivilen Opfer seien nach Auffassung internationaler Organisationen nicht bei militärischen Aktionen, sondern durch individuelle Vorfälle, d.h. insbesondere durch extralegale Tötungen ums Leben gekommen. Diese Vorfälle ereigneten sich nach Mitteilung des "Consortium of Humanitarian Organizations" (CHA), einer Schirmorganisation einheimischer Nichtregierungsorganisationen, überproportional häufig in überwiegend von Tamilen bewohnten Gebieten. Während in Colombo etwa 35 Zivilpersonen in Zusammenhang mit dem Konflikt ums Leben gekommen seien, hätten sich in Jaffna geschätzte 200 Todesfälle dieser Art ereignet. Unter den Notstandsgesetzen seien mehrere tausend Personen zumindest zeitweilig inhaftiert worden, wobei die Mehrheit innerhalb von 24 Stunden wieder entlassen worden sei. Zwischen dem 30.11. und dem 3.12.2007 seien nach zwei Bombenanschlägen der LTTE in und bei Colombo fast 2.500 Tamilen in der Hauptstadt und geschätzt 3.500 landesweit verhaftet worden. Es habe sich zumeist um männliche Tamilen gehandelt, die nach den Berichten allein aufgrund ihrer tamilischen Zunamen verhaftet worden seien. Die große Mehrheit der Verhafteten sei bald wieder freigelassen worden. Zum Ende des Jahres seien in dem Gefangenenlager Boossa noch 12 von 372 Verhafteten in Haft geblieben.

Dem Senat liegen ferner folgende Pressemeldungen vor, aus denen sich die aktuelle Situation in Sri Lanka (ab Januar 2009) wie folgt darstellt:

Nach dem Bericht der SZ v. 2.1.2009 "Offensive in Sri Lanka" habe die Armee im Januar eine Großoffensive im Norden der Insel gestartet, um die LTTE militärisch zu zerschlagen. Dabei sei von den Regierungstruppen die nordwestlich von Colombo gelegene Stadt Paranthan eingenommen worden. In der FAZ v. 5.1.2009 "Offensive in Sri Lanka" wird berichtet, dass die Regierungstruppen die Rebellen-Hochburg Kilinochchi sowie die strategisch wichtige Stadt Oddududdan im Distrikt Mullaittivu eingenommen haben. Nach dem Bericht der FAZ v. 23.1.2009 "Letzte Schlacht der Tiger ?" stehe die LTTE und deren Führer Prabhakaran kurz vor einer militärischen Niederlage, nachdem die Armee auch das bisherige Operationszentrum der LTTE im Distrikt Mullaittivu eingenommen habe. Die taz berichtet in ihrem Artikel v. 27.1.2009 "Tamil Tigers wieder Guerillaarmee", dass sich die LTTE westlich von Mullaittivu in den Dschungel zurückgezogen habe. Die Rückeroberung von Mullaittivu sei eine der blutigsten Schlachten der vergangenen 12 Monate gewesen. Die verbliebenen geschätzten 3.000 Kader um Rebellenchef Velupillai Prabhakaran würden jedoch als disziplinierte, fanatische und erbarmungslose Kämpfer gelten. Daher habe selbst Armeechef Fonseka eingeräumt, die LTTE könne nach einer Niederlage auf dem Schlachtfeld ihren Kampf im Untergrund noch ein oder zwei Jahrzehnte fortsetzen. Bisher seien bei dem Konflikt rund 80.000 Menschen gestorben. Die SZ berichtet in ihrem Artikel v. 5.2.2009 "Ankündigung eines Sieges", dass Sri Lankas Präsident Mahinda Rajapakse in seiner Rede zum 61. Jahrestag der nationalen Unabhängigkeit versprochen habe, dass der Krieg gegen die LTTE nach 25 Jahren kurz vor dem Ende stehe. Er habe an die Bewohner Sri Lankas, die das Land wegen des Krieges verlassen haben, appelliert, in ihre Heimat zurückzukehren. In dem Bericht des Spiegel v. 9.2.2009 "Trauriges Paradies" wird geschildert, dass die Regierungstruppen auch den Elefanten-Pass eingenommen hätten und dass die Stadt Jaffna nun wieder auf dem Landweg erreichbar sei. Die LTTE sei dazu übergegangen, ihre Artillerie in der Nähe von Zivilisten zu postieren. Nach dem Bericht der FAZ v. 21.2.2009 "Luftangriff auf Colombo" habe die LTTE mit zwei Leichtflugzeugen einen Luftangriff auf Colombo geflogen. Dabei seien mindestens zwei Bomben abgeworfen worden, die direkt neben dem Hauptquartier der Luftwaffe und im Finanzamt eingeschlagen seien. Es seien mindestens 2 Personen getötet und 53 verletzt worden. Eines der beiden angreifenden Flugzeuge sei nahe dem internationalen Flughafen abgeschossen worden. Die SZ berichtet am 24.2.2009 "Rebellen wollen Waffenruhe", dass die LTTE eine Waffenruhe angeboten habe, dies aber seitens der Regierung nicht akzeptiert worden sei. Spiegel Online berichtet am 10.3.2003 "Minister schwebt in Lebensgefahr", dass ein Selbstmordattentäter im Süden Sri Lankas mindestens 10 Menschen mit in den Tod gerissen habe, 20 weitere seien ins Krankenhaus eingeliefert worden, darunter auch der Postminister Mahinda Wijesekara, der lebensgefährliche Verletzungen erlitten haben soll. Obwohl die Tiger militärisch fast besiegt seien, seien sie weiter in der Lage Sri Lanka durch Selbstmordanschläge zu destabilisieren (NZZ v. 12.3.2009 "Im Norden Sri Lankas droht eine Hungersnot"). Die taz berichtet am 19.3.2009 "Tödliches Zerren um 200.000 Flüchtlinge", dass die LTTE Kinder zwangsrekrutiere und in die Kämpfe schicke. Nach dem Bericht in der FR v. 6.4.2009 " Sri Lankas Armee meldet Erfolg" habe die Armee mehr als 250 Tamilen-Rebellen getötet und den Ort Putukudirrippu rund 390 Kilometer nordöstlich von Colombo eingenommen. In der SZ v. 14.4.2009 "Präsident ordnet Waffenruhe in Sri Lanka an" wird berichtet, dass Präsident Rajapakse anlässlich des lokalen Neujahrsfestes eine zweitägige Waffenruhe angeordnet habe. Die Streitkräfte hätten den tamilischen Rebellen eine Frist von 24 Stunden zur Kapitulation gesetzt (FAZ v. 21.4.2009 "Ultimatum an Tamilen-Tiger"). In der SZ v. 22.4.2009 "Unbeugsame Tamilen-Tiger" wird berichtet, dass die Rebellen eine Kapitulation abgelehnt hätten. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen seien noch tausende von Zivilisten zwischen den Fronten eingeschlossen. Die Tamil-Tigers würden der Armee vorwerfen, dass sie selbst "No-Fire-Zones" und zivile Ziele bombardiere und fliehende Tamilen in "Konzentrationslagern" interniere. Die Regierung wiederum bezichtige die Rebellen, sie würden sich unter die Zivilisten mischen und diese als Geiseln und Schutzschilde missbrauchen (SZ v. 21.4.2009 "Massenflucht in Sri Lanka"). In der FR v. 24.4.2009 "Angst vor einem Massaker unter Palmen" wird berichtet, dass seit Montag, den 20.4.2009, bis zu 120.000 Tamilen aus der Kampfzone geflohen seien, nachdem ihnen das Militär einen Fluchtweg freigesprengt habe. Die Vereinten Nationen gingen davon aus, dass noch rund 50.000 Zivilisten zwischen den Fronten der Kriegsparteien eingeschlossen seien (NDR-Weltspiegel, Bericht v. 26.4.2009 "Sri Lanka - Bürgerkrieg im Endstadium). Die Rebellen hätten am Sonntag, den 26.4.2009 einen einseitigen Waffenstillstand verkündet, dieser sei aber seitens der Regierung zurückgewiesen worden. Die verbleibenden tamilischen Rebellen seien auf einem rund acht Kilometer langen Küstenstreifen im Nordosten der Insel von Truppen umstellt (SZ v. 27.4.2009 " Rebellen in Sri Lanka rufen einseitige Waffenruhe aus"; Deutsche Welle, Bericht v. 27.4.2009 "Regierung will auf schwere Waffen verzichten"; FR v. 27.4.2009 "Tamilische Rebellen lassen Waffen ruhen"). In der SZ v. 28.4.2009 "Rücksicht auf Zivilisten" wird berichtet, dass die Regierung den Einsatz schwerer Waffen gegen die tamilischen Rebellen beendet habe. Die Kampfhandlungen würden nur noch mit Handfeuerwaffen fortgesetzt, damit die restlichen noch eingeschlossen Zivilisten das Kampfgebiet verlassen könnten. Die LTTE habe eine Aufgabe abgelehnt.

Zusammenfassend ist den aktuellen Auskünften verschiedenster Institutionen und Organisationen zu entnehmen, dass sich die Sicherheitslage in Sri Lanka seit Dezember 2006 erheblich verschärft und die Menschenrechtslage verschlechtert hat. Die militärischen Auseinandersetzungen zwischen der Armee und der LTTE konzentrieren sich zwar inzwischen auf ein kleines Gebiet im nordöstlichen Landesteil der Insel, jedoch ist landesweit mit Terroranschlägen der LTTE zu rechnen. Tamilen stehen bei den Sicherheitskräften unter einer Art Generalverdacht einer Verbindung zur LTTE und müssen landesweit mit ständigen Kontrollen und Überprüfungen rechnen. Schon geringste Verdachtsmomente reichen für eine Verhaftung aus. Erfolgt die Festnahme auf der Basis der Antiterrorgesetze, muss der Betroffene mit einer längeren Inhaftierung rechnen, ohne dass eine richterliche Kontrolle gewährleistet ist. Inhaltlich stimmen die Auskünfte dahingehend überein, dass Tamilen weit überproportional von Festnahmen und längeren Haftzeiten betroffen sind, als andere Bevölkerungsgruppen.

bb. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse, insbesondere in Anbetracht der Anzahl der in Sri Lanka lebenden tamilischen Volkszugehörigen und der dokumentierten Anzahl von Festnahmen und berichteter Repressalien gegenüber Tamilen, lässt sich aber nach wie vor nicht feststellen, dass Tamilen im allgemeinen oder entsprechende Untergruppen hiervon, wie zurückkehrende tamilische Asylbewerber, männliche Tamilen jüngeren bzw. mittleren Alters oder Tamilen aus dem Norden und Osten in Sri Lanka allein aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit landesweit oder regional einer Gruppenverfolgung ausgesetzt sind. Es fehlt insoweit an der für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderlichen Verfolgungsdichte (1). Auch ist nicht ersichtlich, dass ein insoweit allein an die Ethnie anknüpfendes staatliches Verfolgungsprogramm vorliegt, dessen Umsetzung durch den srilankischen Staat bereits eingeleitet ist oder alsbald bevorsteht (2).

(1) Nach den Erkenntnissen lässt sich nicht feststellen, dass tamilischen Volkszugehörigen in dem von der Regierung kontrollierten Raum Colombo mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG drohen. Dies gilt sowohl für aus dem Ausland zurückkehrende tamilische Volkszugehörige als auch für Tamilen, die in dem Großraum Colombo leben und sich dort niedergelassen haben.

Die Einreise zurückkehrender Asylbewerber nach Sri Lanka ist nur über den internationalen Flughafen von Colombo (Bandaranaike-International Airport) möglich. Allein die Tatsache des Auslandsaufenthalts und die Stellung eines Asylantrags im Ausland stellen bei der Einreise keinen Anknüpfungspunkt für Übergriffe der Sicherheitskräfte dar. Ein Asylantrag im Ausland wird von vielen in Sri Lanka als legitimer Versuch angesehen, sich einen Aufenthaltsstatus im Ausland zu verschaffen (AA, Lagebericht v. 7.4.2009). Für Rückkehrer, die im Besitz eines gültigen srilankischen Reisepasses sind, werden die Einreiseformalitäten zumeist zügig erledigt. Dies gilt im Grundsatz auch für Zurückgeführte (AA, Lageberichte v. 7.4.2009 und 6.10.2008).

Mit einer eingehenderen Überprüfung müssen Rückkehrer rechnen, die keinen srilankischen Reisepass bei der Einreisekontrolle vorlegen können. Dies ist unter anderem der Fall, wenn die Einreise allein mit einem von einer srilankischen Auslandsvertretung ausgestellten Reisedokument zur einmaligen Rückkehr nach Sri Lanka (Identity Certificate Overseas Mission, ICOM, auch Emergency-Pass genannt) erfolgt. Angehörige dieses Personenkreises werden regelmäßig einer Personenüberprüfung unterzogen, wobei die Rückkehrer sowohl von der srilankischen Einreisebehörde (Immigration Departement) als auch von der Kriminalpolizei (Criminal Investigation Departement - CID) am Flughafen zu Identität, persönlichem Hintergrund und Reiseziel befragt werden (AA, Lagebericht v. 7.4.2009).

Die Maßnahmen der Sicherheitskräfte sind allerdings vor dem Hintergrund der Terrorismusbekämpfung zu sehen. Die Sicherheitskräfte wollen insoweit abklären, ob es sich bei der zurückgeführten Person um jemanden handelt, der der LTTE nahe steht oder ob von dieser Person aus sonstigen Gründen eine Gefahr für die innere Sicherheit des Staates ausgeht. Der Staat darf grundsätzlich zur Selbstverteidigung und zum Schutz von Rechtsgütern im Bereich der Terrorismusabwehr präventive und repressive Sicherheitsmaßnahmen ergreifen, wenn und soweit er sich dabei auf die Terrorismusbekämpfung beschränkt und nicht unter dem Deckmantel behaupteter Terrorismusbekämpfung politische Verfolgung betreibt. Maßnahmen der Terrorismusbekämpfung können allerdings dann als asylerhebliche Verfolgung zu bewerten sein, wenn zusätzliche Umstände - z.B. eine gesteigerte Verfolgungsintensität in Form einer unüblichen oder vergleichsweise härteren Bestrafung oder Behandlung - darauf schließen lassen, dass der Betroffene jedenfalls auch wegen eines asyl- bzw. abschiebungsschutzerheblichen Merkmals verfolgt wird. Nicht asylbegründend sind staatliche Maßnahmen nur dann, wenn sie nach Art und Intensität Abwehrcharakter haben und den Bereich der Bekämpfung des Terrorismus und der damit zusammenhängenden Straftaten nicht verlassen. Wird darüber hinaus der politische Gegner - in Anknüpfung an ein asylerhebliches Merkmal - verfolgt, kommt den dabei eingesetzten staatlichen Maßnahmen asyl- bzw. abschiebungsschutzbegründende Wirkung zu. So vermag die an sich legitime Bekämpfung des Terrorismus staatlichen Gegenterror nicht zu rechtfertigen, der etwa darauf gerichtet ist, die unbeteiligte zivile Bevölkerung in Erwiderung des Terrorismus unter den Druck brutaler staatlicher Gewalt zu setzen. Extralegale Maßnahmen und gravierende Menschenrechtsverletzungen werfen auch im Rahmen einer unnachsichtigen Bekämpfung des Terrors durch den Staat stets die Frage auf, ob damit nicht zumindest auch asylerhebliche Ziele verfolgt werden. Ein derartiges Umschlagen in eine asylerhebliche Verfolgung liegt dementsprechend dann nahe, wenn die staatlichen Maßnahmen das der reinen Terrorismusbekämpfung angemessene Maß überschreiten, insbesondere wenn sie mit erheblichen körperlichen Misshandlungen einhergehen; aber auch bei einer übermäßig langen Freiheitsentziehung kann dies anzunehmen sein. In diesen Fällen spricht eine Vermutung dafür, dass sie den Einzelnen zumindest auch wegen seiner asyl- bzw. abschiebungsschutzerheblichen Merkmale treffen und deshalb politische Verfolgung darstellen. Wird Folter angewandt, gilt diese Vermutung in erhöhtem Maße.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.7.2000 - 9 C 28.99 -, a. a. O.

Maßnahmen zur Identitätsfeststellung sind jedoch dem Grunde nach herkömmlicher und üblicher Bestandteil der präventiven und repressiven Tätigkeit staatlicher Sicherheitskräfte im Rahmen der Kriminalitäts- und Terrorismusbekämpfung. Diesen Identitätsfeststellungen fehlt es im Gegensatz zu Akten der politischen Verfolgung in der Regel schon an der erforderlichen Eingriffsintensität, und zwar auch dann noch, wenn sie - wie in der weit überwiegenden Zahl - in kurzzeitige Inhaftierungen münden und es dabei zu keinen anderweitigen asylerheblichen Rechtsgutverletzungen kommt.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.1.2000 - 9 B 576.99 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 225.

Sofern eine sofortige Identifizierung nicht möglich ist und Widersprüchlichkeiten im Rahmen der Befragung auftreten, sind auch kurzfristige Festnahmen zu diesem Zweck in der Staatenpraxis geläufig, so dass in solchem Zusammenhang stehenden Beeinträchtigungen der Bewegungsfreiheit der die politische Verfolgung ausmachende Charakter einer Ausgrenzung des Betroffenen aus der staatlichen Friedensordnung fehlt. Dies gilt auch für die Befragung von Personen zum Zwecke der Terrorismusabwehr und zwar auch dann, wenn kein konkreter Tatverdacht gegen diese Personen besteht. Ab welcher Dauer kurzfristige Inhaftierungen zum Zwecke der Identitätsfeststellung eine asyl- bzw. abschiebungsrelevante Intensität erreichen, hängt maßgeblich von den im betrachteten Staat herrschenden Verhältnissen ab, insbesondere von der Verwaltungsstruktur, den vorhandenen Kommunikationsmöglichkeiten und der jeweiligen Sicherheitslage. In einem Land wie Sri Lanka, in dem seit Jahrzehnten Bürgerkrieg herrscht und die Sicherheitskräfte landesweit mit einer Vielzahl gemeingefährlicher Terroranschläge konfrontiert sind (NDR-Weltspiegel, Bericht v. 26.4.2009 "Sri Lanka - Bürgerkrieg im Endstadium"; SZ v. 11.3.2009 "Anschlag in Sri Lanka"; Spiegel Online v. 10.3.2009 "Minister schwebt in Lebensgefahr"; FR v. 23.2.2009 "Die Rückkehr der Tiger"; FR v. 21.2.2009 "Kamikaze-Angriff auf Colombo"; Spiegel Online v. 20.2.2009 "Sri Lanka fürchtet die schwarzen Tiger"; FAZ v. 10.2.2009 "Anschlag in Sri Lanka"; AA, Lageberichte v. 6.10.2008 u. 7.4.2009; SFH, "Sri Lanka: Aktuelle Situation Update" v. 11.12.2008), ist Inhaftierungen mit einer überschaubaren Dauer von jedenfalls nicht mehr als zwei Tagen ohne zusätzliche Rechtsgutverletzungen eine die Ausgrenzung aus der staatlichen Friedensordnung bewirkende Intensität und Schwere abzusprechen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.1.2000 - 9 B 576.99 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 225.; OVG NRW, Urteile vom 24.5.2006 - 21 A 3940/04.A, juris, vom 15.11.2002 - 21 A 1329/00.A -, juris, vom 29.11.2001 - 21 A 3853/99.A -.

Den Auskünften ist nicht zu entnehmen, dass Rückkehrer im allgemeinen oder insbesondere diejenigen, die ohne srilankischen Reisepass einreisen, von den Sicherheitskräften am Flughafen generell festgenommen, länger als zwei Tage festgehalten werden und in der Haft der Gefahr von schweren körperlichen Misshandlungen und Folter ausgesetzt sind. Es kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass zurückgeführte Asylbewerber zum Zwecke der Überprüfung ihres Einreisegrundes und ihrer Identität im Einzelfall länger als zwei Tage festgehalten und im Falle eines konkreten Terrorismusverdachts auch Folterungshandlungen durch die srilankischen Sicherheitskräfte ausgesetzt sein können (AA, Lagebericht v. 7.4.2009; SFH, "Sri Lanka: Aktuelle Situation Update" v. 11.12.2008). So sind dem Auswärtigen Amt im Frühjahr 2007 Fälle bekannt geworden, in denen im Jahr 2005 nach Sri Lanka abgeschobene Tamilen u.a. auch von den Sicherheitskräften gefoltert worden seien (AA, Lagebericht v. 7.4.2009). Auf der Grundlage des vorliegenden Erkenntnismaterials lässt sich jedoch, gemessen an dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, nicht die für die Annahme einer Gruppenverfolgung notwendige Dichte von Übergriffen auf aus Europa zurückkehrende Asylbewerber feststellen, zumal auch die in der Vergangenheit übliche obligatorische Vorführung der Rückkehrer vor den "Magistrate Court" (Untersuchungsrichter) nicht mehr erfolgt (AA, Lagebericht v. 7.4.2009). Unter welchen Voraussetzungen eine aus dem Ausland zurückkehrende Person tamilischer Volkszugehörigkeit bei ihrer Einreise - begründet oder unbegründet - bei den dortigen Sicherheitskräften konkret in den Terrorismusverdacht bzw. einer Nähe zur LTTE gerät und damit rechnen muss, nicht nur kurzfristig für ein bis zwei Tage zur Identifizierung, sondern längerfristig mit asyl- bzw. abschiebungsschutzerheblichen Misshandlungen inhaftiert zu werden, lässt sich angesichts der derzeitigen Erkenntnislage nicht generalisierend und fallübergreifend beantworten. Es bedarf insoweit vielmehr einer Würdigung des Einzelfalls unter Berücksichtigung der individuellen Gegebenheiten (vgl. hierzu im Einzelnen: A.II.2.).

Aus Deutschland zurückgeführte Asylbewerber haben in Sri Lanka grundsätzlich auch keine Repressionen wegen Verstoßes gegen Passbestimmungen zu befürchten, denn zu Passvergehen kommt es bei der Einreise schon deshalb nicht, weil alle Asylbewerber aus Deutschland zumindest mit einem Emergency-Pass zurückgeführt werden (AA, Lageberichte v. 7.4.2009 u. 6.10.2008). Unbeschadet dessen wäre eine strafrechtliche Verurteilung wegen Verstoßes gegen die Passbestimmungen auch nicht als politische Verfolgung zu qualifizieren. Denn die Ahndung solcher Delikte - wie sie im Übrigen auch in der Bundesrepublik Deutschland vorgesehen ist - stellt keine Rechtsgutverletzung in Anknüpfung an asylrelevante Merkmale dar und gilt überdies für alle srilankischen Staatsangehörigen und nicht nur für tamilische Volkszugehörige.

Auch im Übrigen tragen die Verhältnisse in Colombo und Umgebung nicht die Schlussfolgerung auf eine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Gruppenverfolgung der Bevölkerungsgruppe der Tamilen oder einer vorliegend möglicherweise relevanten Untergruppe der Tamilen durch den srilankischen Staat.

Eine allein ethnisch begründete und diesem Charakter entsprechende staatliche Gruppenverfolgung von allen Tamilen findet in Colombo nicht statt.

Zwar ist festzustellen, dass tamilische Volkszugehörige in Sri Lanka - insbesondere auch in Colombo - weit überproportional von Festnahmen und längeren Haftzeiten betroffen sind als andere Bevölkerungsgruppen und dass die tamilische Bevölkerung häufig unter den Generalverdacht gestellt wird, die LTTE-Rebellen zu unterstützen (AA, Lageberichte v. 7.4.2009 u. 6.10.2008). So berichtet die Schweizerische Flüchtlingshilfe für den Raum Colombo, dass dort Ende 2005/Anfang 2006 mindestens 1798 Personen von der Polizei und der Armee auf der Grundlage der Emergency Regulations festgenommen worden seien. Die meisten Verhafteten seien nach Befragungen und Aufnahme der Personalien nach knapp 12 Stunden wieder freigelassen worden. Einen Monat später sollen noch 87 Personen in Haft gewesen sein (SFH, "Sri Lanka: Aktuelle Situation Update" v. November 2006). Amnesty international (AI-Länderinformationen, Katja Köhne, Menschenrechts- und Sicherheitslage in Sri Lanka, asyl-info 7-8/2007, S. 51 f.) berichtet davon, dass Razzien vor allem in den von Tamilen bewohnten Stadtteilen Colombo 4 und 6 seit 2006 verstärkt stattfänden. Dabei sei es zu Festnahmen von teilweise Hunderten von Menschen gekommen, die zumeist nach ein bis zwei Tagen freigelassen worden seien. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe berichtet in diesem Zusammenhang, dass am 28.8.2006 76 Tamilen und am 10.9.2006 193 Personen festgenommen worden seien, wobei die Polizei aber keine Angaben zu den Inhaftierten gemacht habe. Zwei Tage später seien in Colombo 33 tamilische Jugendliche festgenommen worden (SFH, "Sri Lanka: Aktuelle Situation Update" v. November 2006). Die Deportation von rund 300 Tamilen aus Colombo am 7.6.2007 wurden vom Supreme Court als illegal und die Grundrechte der deportierten Personen verletzend beurteilt (SFH, "Sri Lanka: Aktuelle Situation Update" v. 11.12.2008, AA, Lagebericht v. 7.4.2009). Das Department of State der Vereinigten Staaten von Amerika hat in seinem Bericht vom 11.3.2008 (2007 Country Reports on Human Rights Practices - Sri Lanka) geschildert, dass Ende November/Anfang Dezember 2007 in Colombo fast 2.500 zumeist männliche Tamilen verhaftet worden seien. Dies sei eine Reaktion auf zwei Bombenanschläge in und rund um Colombo gewesen. Die überwiegende Mehrheit sei bald freigelassen worden. Der Supreme Court habe gegenüber der Regierung angeordnet, dass die restlichen Gefangenen gegen Kaution freizulassen seien, wenn sie nicht mehr für Befragungen benötigt würden. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe berichtet, dass sich Anfang September 2008 ca. 1200 junge Tamilen in den Haftzentren der Hauptstadt aufgehalten hätten, nachdem sie in Colombo und den Vororten verhaftet worden seien. Am 11.9.2008 habe die Polizei in Colombo 56 Tamilen festgenommen und im November 2008 seien bei separaten Razzien in Colombo und Kandy 80 tamilische Zivilpersonen von der srilankischen Armee festgenommen worden (SFH, "Sri Lanka: Aktuelle Situation Update" v. 11.12.2008).

Aus dem überwiegenden Teil dieser Auskünfte ergeben sich schon keine konkreten Anhaltspunkte zu dem jeweiligen Anlass, dem Hintergrund sowie der konkreten Haftdauer der einzelnen Verhaftungen. Aber selbst wenn man unterstellt, dass diese Verhaftungen ausschließlich oder insbesondere in Anknüpfung an die tamilische Volkszugehörigkeit erfolgten, fehlt es den vorbezeichneten Maßnahmen zum großen Teil schon an der erforderlichen Eingriffsintensität von Akten der politischen Verfolgung, denn in den meisten Fällen sind die verhafteten Personen binnen 48 Stunden freigelassen worden und die Berichte enthalten keine konkreten Angaben über zusätzliche Rechtsgutverletzungen, wie z.B. Folter. So sind nach der Auskunftslage (SFH, "Sri Lanka: Aktuelle Situation Update" v. November 2006) die meisten der Ende 2005/Anfang 2006 verhafteten 1798 Personen bereits nach knapp 12 Stunden wieder freigelassen worden. Soweit berichtet wird, dass im Jahr 2006 in den von Tamilen bewohnten Stadtgebieten Hunderte von Menschen festgenommen wurden, sind diese zumeist nach ein bis zwei Tagen freigelassen worden (AI-Länderinformationen, Katja Köhne, Menschenrechts- und Sicherheitslage in Sri Lanka, asyl-info 7-8/2007, S. 52). Auch von den Ende November/Anfang Dezember 2007 in Colombo festgenommenen 2.500 Tamilen sei die überwiegende Mehrheit bald wieder freigelassen worden (Department of State, Bericht vom 11.3.2008 - 2007 Country Reports on Human Rights Practices - Sri Lanka). Überdies ist zu berücksichtigen, dass insbesondere die im Jahr 2007 berichteten Festnahmen eine Reaktion auf zwei Bombenanschläge in und rund um Colombo gewesen sind, so dass diese Verhaftungsaktionen jedenfalls in prägender Weise auf die Aufklärung von Terrorakten gerichtet waren und keinen substantiierten Anhaltspunkt für eine generelle Verfolgung aller Tamilen in und rund um Colombo bieten.

Darüber hinaus zeigen die dokumentierten Zahlen inhaftierter Tamilen nicht auf, dass im Raum Colombo die für die Annahme einer Gruppenverfolgung notwendige Verfolgungsdichte gegeben ist. Denn allein die Feststellung zahlreicher oder häufiger Eingriffe reicht für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung nicht aus. Für die Beurteilung, ob eine entsprechende Verfolgungsdichte für die Annahme einer Gruppenverfolgung gegeben ist, ist die Anzahl aller Verfolgungshandlungen zu der Größe der Gruppe in Relation zu setzen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 5.7.1994 - 9 C 158.94 -, a. a. O.

Nach einer Studie aus dem Jahr 2005 bilden die Tamilen mit rund 300.000 Personen die Mehrheit in der ursprünglich singhalesisch dominierten Hauptstadt (AI-Länderinformationen, Katja Köhne, Menschenrechts- und Sicherheitslage in Sri Lanka, asyl-info 7-8/2007, S. 52). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Anteil der Tamilen in Colombo noch weiter angestiegen sein dürfte, da zahlreiche Tamilen aus den Kriegsgebieten in die Hauptstadt geflüchtet sind. Allein im August 2008 sind nach Angaben der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH, "Sri Lanka: Aktuelle Situation Update" v. 11.12.2008) weitere 6.950 Personen nach Colombo gekommen.

Der Anteil der in Colombo lebenden Tamilen ist damit so hoch, dass sich die aktuelle Gefahr eigener Verfolgungsbetroffenheit für quasi jeden Angehörigen dieser Gruppe nicht feststellen lässt. Soweit der UNHCR in seinem Bericht vom April 2009 unter Berufung auf den Deputy Minister of Vocational and Technical Training Radhakrishnan von täglich 5 bis 10 Festnahmen tamilischer Volkszugehöriger in Colombo und im Oktober 2008 von insgesamt 1.000 inhaftierten Tamilen und die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH, "Sri Lanka: Aktuelle Situation Update" v. 11.12.2008) unter Berufung auf die gleiche Quelle Anfang September 2008 von 1.200 inhaftierten Tamilen in der Hauptstadt berichtet, handelt es sich bei der dokumentierten Anzahl von Tamilen um weniger als 1 % der in Colombo lebenden tamilischen Bevölkerung. Die Relation zwischen inhaftierten Tamilen und der Gesamtheit der in Colombo lebenden Tamilen zeigt insoweit nicht auf, dass quasi jeder Tamile in Colombo einer Gruppenverfolgung ausgesetzt ist.

Das gleiche gilt für die Untergruppe der männlichen Tamilen jüngeren bzw. mittleren Alters. Nach Schätzungen des Auswärtigen Amtes auf der Grundlage der Volkszählung von 1981 (der letzten, die im gesamten Staatsgebiet durchgeführt werden konnte) beträgt der Anteil der 14- bis 40-jährigen in Sri Lanka etwa 60 % (AA an Bayer. VGH v. 10.1.1996). Verlässliche Zahlen aus neuerer Zeit stehen nicht zur Verfügung, doch dürfte sich an der sehr jungen Altersstruktur der srilankischen Bevölkerung und der Bewohner Colombos nichts Wesentliches geändert haben. Dies bedeutet, dass der Anteil der Tamilen jüngeren und mittleren Alters in Colombo schätzungsweise 180.000 Personen beträgt und rund die Hälfte davon männlich ist, so dass hier von rund 90.000 Personen ausgegangen werden kann. Soweit sich aus den Auskünften ergibt, dass sich Anfang September 2008 ca. 1.200 junge Tamilen in den Haftzentren der Hauptstadt aufgehalten haben, handelt es sich hier gerade einmal um 1,3 % der jungen tamilischen Bevölkerung in Colombo. In Anbetracht der Anzahl der verhafteten und inhaftierten Tamilen in Relation zur Bevölkerungszahl kann insoweit nicht festgestellt werden, dass alle Tamilen jüngeren oder mittleren Alters in Colombo ohne Weiteres aktuell Gefahr liefen, allein wegen ihrer gruppenspezifischen Merkmale von den srilankischen Sicherheitskräften verhaftet und länger inhaftiert oder anderen schwerwiegenden Rechtsschutzverletzungen ausgesetzt zu werden.

Anhand der Erkenntnislage kann auch nicht festgestellt werden, dass alle Tamilen, die aus den nördlichen und östlichen Landesteilen stammen, in Colombo einer Gruppenverfolgung ausgesetzt sind. Zwar besteht nach den Auskünften bei den Sicherheitskräften ein Anfangsverdacht der Unterstützung der LTTE besonders gegenüber denjenigen Tamilen, die aus dem Norden und Osten der Insel stammen und sich nun erstmals in Colombo niederlassen wollen (AA, Lageberichte v. 7.4.2009 und v. 6.10.2008). Allerdings gaben die Sicherheitskräfte am 19.9.2008 bekannt, dass sich alle Personen, die in den vergangenen fünf Jahren aus der Nordprovinz (Distrikte Kilinochchi, Mullaithivu, Vavuniya, Jaffna und Mannar) in die Westprovinz gezogen sind, sich am 21.9.2008 polizeilich registrieren lassen müssten (SFH, "Sri Lanka: Aktuelle Situation Update" v. 11.12.2008; UNHCR, Bericht v. April 2009). Hieraus lässt sich zunächst der Schluss ziehen, dass jedenfalls Personen, die schon länger in den von der Regierung beherrschten südwestlichen Provinzen leben oder gelebt haben, in den Augen der Sicherheitskräfte nicht von vornherein einer Nähe zur LTTE verdächtigt werden. Im Übrigen lässt sich mit Blick auf den hohen Bevölkerungsanteil der Tamilen in Colombo, die zu einem großen Teil aus den nördlichen und östlichen Landesteilen stammen, und unter Berücksichtigung der hohen Zuwanderungszahlen von tamilischen Neuankömmlingen, allein im August 2008 sind weitere 6.950 Personen nach Colombo gekommen (SFH, "Sri Lanka: Aktuelle Situation Update" v. 11.12.2008), die aktuelle Gefahr eigener Verfolgungsbetroffenheit für jeden Angehörigen dieser Gruppe nicht feststellen. Abgesehen davon sind die nordöstlichen Provinzen, insbesondere auch die Jaffna-Halbinsel nach Einnahme des Elefanten-Passes durch die Regierungstruppen (UNHCR, Bericht v. April 2009; Der Spiegel v. 9.2.2009 "Trauriges Paradies") wieder erreichbar, so dass den aus dem Norden und Osten stammenden Tamilen ein Ausweichen in ihre Herkunftsgebiete grundsätzlich möglich und zuzumuten ist.

Den Auskünften ist zwar zu entnehmen, dass insbesondere nach der Verschärfung der Antiterrorgesetze im Dezember 2006 Tamilen, die von den Sicherheitskräften in Colombo ohne Ausweispapiere angetroffen werden, Gefahr laufen verhaftet zu werden (AA, Lagebericht v. 7.4.2009; SFH, "Sri Lanka: Aktuelle Situation Update" v. 11.12.2008). Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dieser Personenkreis - mit Blick auf die Eingriffsintensität staatlichen Handelns - generell länger als 48 Stunden (verbunden mit asyl- und abschiebungsschutzrelevanten Repressionen) festgehalten wird, ergeben sich aus den Auskünften nicht. Darüber hinaus werden Asylbewerber aus Deutschland zumindest mit einem Emergency-Pass zurückgeführt (AA, Lagebericht v. 7.4.2009), so dass sich diese im Rahmen einer Personenüberprüfung in Colombo in jedem Fall ausweisen können. Beobachtungen des Auswärtigen Amts im Jahr 2006 hatten zwar ergeben, dass in einzelnen Fällen Mitarbeiter der srilankischen Einwanderungsbehörde versucht haben, das zur einmaligen Einreise gültige Ausweisdokument von den Rückgeführten einzuziehen und nur gegen den Austausch von Geld zurückzugeben. Tatsächlich dürfen Pässe dieser Art nicht eingezogen werden, da die Pässe bei Bestätigung der Personalien durch die Einwanderungsbehörde in Colombo als normale Reisepässe gültig werden (AA, Lagebericht v. 11.12.2006). Abgesehen davon, dass es sich hierbei nicht um eine generelle Vorgehensweise der srilankischen Einwanderungsbehörde gehandelt hatte, sondern das Vorgehen auf Einzelfälle beschränkt war, ergeben sich aus dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 7.4.2009 keine Anhaltspunkte für eine derartige Praxis.

Auch im Hinblick auf die übrigen Landesteile Sri Lankas lässt sich nicht feststellen, dass staatliche Maßnahmen asylerheblichen Gewichts gegen tamilische Volkszugehörige ergriffen werden, die die für eine Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte erreichen. Ausgehend von einer Bevölkerungszahl von 21,1 Millionen Menschen (AI-Report v. Mai 2008, S. 385) und einem Anteil der tamilischen Volkszugehörigen von 18 % (AA, Lagebericht v. 7.4.2009) verbleiben nach Abzug der in Colombo lebenden Tamilen rund 3,5 Millionen Tamilen, davon schätzungsweise 2,1 Millionen jüngeren oder mittleren Alters (60 % der Bevölkerung), die im Westen und Süden sowie in den Nord- und Ostprovinzen des Landes leben. Mit Blick auf diesen tamilischen Bevölkerungsanteil rechtfertigen die Berichte in den aktuellen Auskünfte auch hier nicht die Feststellung, dass für jeden Tamilen bzw. Tamilen aus dem Norden und Osten oder jeden Tamilen jüngeren oder mittleren Alters ohne Weiteres die Gefahr besteht, von ethnisch motivierten Verfolgungshandlungen in eigener Person betroffen zu sein.

Nach den vorliegenden Auskünften kommt es auch in den "friedlichen" Regionen des Landes, in dem von der Regierung kontrollierten Süden und Westen, vermehrt zu Terrorakten und Selbstmordanschlägen (SFH, "Sri Lanka: Aktuelle Situation Update" v. 11.12.2008). Die Organisation Human Rights Watch (Bericht "Recurring Nightmare, State Responsibility für ,Disappearances' and Abductions in Sri Lanka" v. März 2008) hat 49 Fälle von Personen dokumentiert, die in den Jahren 2006 bis 2007 aus den westlichen Landesteilen verschwunden seien. Auch nach Einschätzung von amnesty international (AI-Länderinformationen, Katja Köhne, Menschenrechts- und Sicherheitslage in Sri Lanka, asyl-info 7-8/2007, S. 51) habe sich die Menschenrechts- und Sicherheitslage im Westen und Süden des Landes bedenklich verschlechtert. Zuletzt ist in Pressemitteilungen (Spiegel Online, "Minister schwebt nach Anschlag in Lebensgefahr" v. 10.3.2009; SZ, "Anschlag in Sri Lanka" v. 11.3.2009) und vom Auswärtigen Amt (AA, Lagebericht v. 7.4.2009) berichtet worden, dass ein Selbstmordattentäter vor einer Moschee in der Stadt Akuressa, etwa 150 Kilometer südlich von Colombo, mindestens 15 Menschen mit in den Tod gerissen und rund 40 Personen verletzt habe. Unter den Opfern sei auch der Postminister Mahinda Wijesekara, er soll lebensgefährliche Verletzungen erlitten haben. Die Armee vermute, dass es sich bei dem Attentäter um einen der "Black Tiger" der LTTE gehandelt habe. Vor dem Hintergrund der angespannten Sicherheitslage wird nunmehr auch von dieser Region des Landes berichtet, dass Razzien und nächtliche Verhaftungsaktionen seit Anfang 2007 zur Tagesordnung gehören. Auch hier sind Tamilen weit überproportional von Festnahmen und längeren Haftzeiten betroffen (AA, Lagebericht v. 6.10.2008). Die sehr allgemein gehaltenen Aussagen in den Auskünften und die wenig konkreten Zahlen lassen insoweit zwar den Schluss zu, dass es auch in den westlichen und südlichen Landesteilen zu asyl- bzw. abschiebungsschutzrelevanten Menschenrechtsverletzungen in erheblichem Ausmaß kommt, bieten aber keine hinreichende Grundlage für die Feststellung, dass die Zahl der von Übergriffen Betroffenen angesichts der großen Anzahl tamilischer Volkszugehöriger für jeden Tamilen oder diejenigen, die aus dem Norden oder Osten stammen, oder zumindest für jeden männlichen Tamilen jüngeren bzw. mittleren Alters die aktuelle Gefahr eigener Verfolgungsbetroffenheit - verbunden mit Festnahme, langer Haftzeit und Folter - begründet.

Von den östlichen Landesteilen hat Human Rights Watch (Bericht "Recurring Nightmare, State Responsibility für ,Disappearances' and Abductions in Sri Lanka" v. März 2008) 6 Fälle von Personen dokumentiert, die in den Jahren 2006 bis 2007 verschwunden seien. Ferner verweist die Organisation auf eine von Menschenrechtsgruppierungen zusammengestellte Liste mit weiteren 498 verschwundenen Personen, davon 51 Fälle aus den östlichen Landesteilen. Die International Crisis Group (Asia Report N°146 v. 20.2.2008) berichtet, dass die Verletzung bürgerlicher und politischer Rechte vor allem auch im Osten verbreitet sei, wo politische Morde und das Verschwindenlassen von Menschen an der Tagesordnung seien. Nach Einschätzung des Auswärtigen Amts (AA, Lagebericht v. 7.4.2009) habe sich die Lage dort zwischenzeitlich etwas entspannt. Im Juli 2007 hätten die Streitkräfte mit Unterstützung der Karuna-Gruppe die letzten dort von der LTTE gehaltenen Stellungen einnehmen können. Danach hätten die großflächigen Kampfhandlungen im Osten zunächst aufgehört. Die Karuna-Gruppe verstehe sich als Vertretung der Ost-Tamilen. Wie die LTTE sei sie eine paramilitärische Organisation autokratischer Prägung. Nach dem Abzug der LTTE aus dem Osten habe die Karuna-Gruppe in kleineren Gebieten des Ostens faktisch die Regierungsgewalt übernommen und damit begonnen, unabhängige Herrschaftsstrukturen aufzubauen. Sie übe dort eine Gewalt- und Willkürherrschaft aus und werde seitens der staatlichen Sicherheitskräfte nicht kontrolliert. Der TMVP, der politische Arm der Karuna-Gruppe, würden zahlreiche Ermordungen von LTTE-Kadern und von tamilischen Politikern, die Rekrutierung von Kindersoldaten und viele Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung zur Last gelegt (AA, Lagebericht v. 7.4.2009; UNHCR, Bericht v. April 2009). Die Regierung sei nicht in der Lage, die von der TMVP und möglicherweise auch von ihren eigenen Sicherheitskräften verübten Attentate zu unterbinden. Mit Hilfe der Regierung und aufgrund von massiven Wahlfälschungen sei es der TMVP gelungen am 10.5.2008 bei den Provinzwahlen in der Ostprovinz den Sieg zu erringen. Seitdem stelle sie mit Sivanesathurai Chandrakanthan - alias Pilleyan - den Chief Minister (Ministerpräsident) der Provinz. Die Karuna-Gruppe habe sich auch nach den Wahlen geweigert, die Waffen abzugeben. Das Auswärtige Amt (AA, Lageberichte v. 7.4.2009 u. 6.10.2008) schließt daraus, dass die TMVP nicht beabsichtige, sich demokratisch zu verhalten und der Gewalt zu entsagen. Die TMVP gehe gegen Gegner oder Personen, die sich ihr in den Weg stellten (z.B. Personen, die der Nähe zur LTTE verdächtig sind), in ähnlich brutaler Weise vor wie die LTTE. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH, "Sri Lanka: Aktuelle Situation Update" v. 11.12.2008) berichtet zur Sicherheitssituation in der Ostprovinz, dass dort - obwohl der Krieg nunmehr im Norden der Insel stattfinde - weiterhin ein Klima der Angst herrsche. Die Armee suche dort gezielt nach jungen Personen aus den ehemaligen LTTE-Gebieten. LTTE-Kämpfer seien immer noch im Osten tätig und hätten auch noch Unterstützung in der Zivilbevölkerung. Die Zahl der Tötungen und Entführungen im Osten sei immer noch immens hoch. Seit September 2008 seien in der Ostprovinz mindestens 30 extralegale Tötungen begangen worden. Am 6.10.2008 seien die Leichen von zwei jungen Tamilen, die Tage zuvor von der Polizei festgenommen worden seien, mit gefesselten Händen und Folterspuren gefunden worden. Die Polizei habe eine Tatbeteiligung abgestritten. Am 16.10.2008 seien 4 Bauern, 2 Tamilen und 2 Muslime, in der Nähe ihrer Grundstücke und am 20.10.2008 3 singhalesische Arbeiter in Batticaloa erschossen worden. Am 2.5.2008 seien 5 tamilische Jugendliche am Kalmunai-Strand im Ampara-Distrikt von nicht identifizierten Tätern erschossen worden. Zudem habe Human Rights Watch von mindestens 30 Entführungen im Ampara-Distrikt im September und Oktober 2008 erfahren. Die Entführungen seien von Bewaffneten in ziviler Kleidung durchgeführt worden (UNHCR v. April 2009).

Die Sicherheitslage ist nach Auswertung der Auskunftslage mithin auch in den östlichen Landesteilen sehr angespannt. Zwar ließen sich in vielen Fällen Täter im Einzelnen nicht immer feststellen, gleichwohl muss davon ausgegangen werden, dass auch in der Ostprovinz die Sicherheitskräfte und die mit ihr kooperierende Karuna-Gruppe/TMVP Aktionen zur Identifizierung und Verhaftung von LTTE-Angehörigen durchführen, die zu Gefährdungen von Leib und Leben dort lebender Tamilen führen bzw. führen können. Nach Auswertung der Auskunftslage kann aber nicht festgestellt werden, dass in der Ostprovinz Tamilen insgesamt oder eine relevante Untergruppe, wie Tamilen jüngeren bzw. mittleren Alters, von einer an ihre Ethnie anknüpfende Gruppenverfolgung betroffen sind. Insbesondere kann insoweit die für die Annahme einer Gruppenverfolgung unerlässliche Dichte von derartigen Übergriffen nicht festgestellt werden, zumal in der Ostprovinz der Anteil der Bevölkerung zu mehr als 40 % tamilisch, zu knapp 40 % muslimisch und zu 20 % singhalesisch ist (SFH, "Sri Lanka: Aktuelle Situation Update" v. 11.12.2008; UNHCR, Bericht v. April 2009). Die Auskünfte zeigen auf, dass Tamilen auch in der Ostprovinz häufig von Übergriffen betroffen sind, allerdings ergibt sich hieraus auch, dass andere Volksgruppen wie Muslime und Singhalesen Opfer von Gewalttaten im Osten geworden sind. Dies deutet für vergleichbare Übergriffe auf Tamilen gegen eine Anknüpfung an die Ethnie. Mit Blick auf diese Sachlage kann nicht festgestellt werden, dass für alle in der Ostprovinz lebenden Tamilen oder eine Untergruppe von ihnen ohne Weiteres die aktuelle Gefahr besteht, in eigener Person relevanten Verfolgungshandlungen i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt zu sein.

In Teilen des Nordens Sri Lankas ist die Lage seit Jahrzehnten durch den Bürgerkrieg gekennzeichnet. Im Zusammenhang mit den ethnischen Spannungen kommt es im Norden des Landes nach Auswertung der Auskünfte zu gezielten extralegalen Tötungen (AA, Lagebericht v. 7.4.2009). Bei den von Human Rights Watch (Bericht "Recurring Nightmare, State Responsibility für ,Disappearances' and Abductions in Sri Lanka" v. März 2008) dokumentierten 99 Fällen verschwundener Personen in den Jahren 2006 und 2007 handelt es sich um 43 Fälle aus den nördlichen Landesteilen. Die Organisation verweist darüber hinaus auf eine von Menschenrechtsgruppierungen zusammengestellte Liste mit weiteren 498 verschwundenen Personen, davon wiederum 412 Fälle aus der Nordprovinz. Die International Crisis Group (Asia Report N°146 v. 20.2.2008) berichtet, dass die Verletzung bürgerlicher und politischer Rechte vor allem im Norden verbreitet sei. Diese Einschätzung wird von dem Department of State der Vereinigten Staaten von Amerika in seinem Bericht v. 11.3.2008 (2007 Country Reports on Human Rights Practices - Sri Lanka) und dem UNHCR (Bericht v. April 2009) bestätigt, wonach die Menschenrechtslage im Norden der Insel sehr angespannt sei. Die Sicherheitslage im Norden Sri Lankas hat sich nach der Auskunftslage überdies verschärft, da die Regierungsarmee seit Januar 2009 eine Großoffensive im Norden der Insel gestartet hat, um die LTTE militärisch zu zerschlagen (AA, Lagebericht v. 7.4.2009; SZ v. 2.1.2009 "Offensive in Sri Lanka"). Nach der Einnahme der Rebellen-Hochburg Kilinochchi (FAZ v. 5.1.2009 "Offensive in Sri Lanka"), dem Operationszentrum der LTTE im Distrikt Mullaittivu (FAZ v. 23.1.2009 "Letzte Schlacht der Tiger ?"), der Rückeroberung von Mullaittivu (taz v. 27.1.2009 "Tamil Tigers wieder Guerillaarmee"), der Einnahme des strategisch wichtigen Elefanten-Passes (Spiegel v. 9.2.2009 "Trauriges Paradies") ist die LTTE dort mittlerweile auf einen rund 8 km langen Streifen nordöstlich von Mullaittivu zurückgedrängt worden (Deutsche Welle, Bericht v. 27.4.2009 "Regierung will auf schwere Waffen verzichten"), wobei nach der Auskunftslage ca. 50.000 tamilische Zivilisten zwischen den Bürgerkriegsfronten eingeschlossen sind und von der LTTE teils als Schutzschild benutzt werden (Deutsche Welle, Bericht v. 27.4.2009 "Regierung will auf schwere Waffen verzichten"; NDR-Weltspiegel, Bericht v. 26.4.2009 "Sri Lanka - Bürgerkrieg im Endstadium"). Die Erkenntnisse lassen aber nicht erkennen, dass das Vorgehen der staatlichen Sicherheitskräfte die Merkmale einer Gruppenverfolgung tamilischer Volkszugehöriger aufweist. Die berichteten staatlichen Aktionen in der Nordprovinz zeigen nicht auf, dass mit Blick auf den hohen Bevölkerungsanteil der Tamilen in dieser Region die für eine Gruppenverfolgung notwendige Verfolgungsdichte erreicht ist. Es kann trotz der Auswirkungen des Bürgerkriegs in dieser Provinz Sri Lankas und der bevorstehenden Endphase der militärischen Auseinandersetzungen (AA, Lagebericht v. 7.4.2009) zwischen der Regierungstruppen und der LTTE nicht festgestellt werden, dass die Zahl der Übergriffe angesichts der großen Anzahl tamilischer Volkszugehöriger in dieser Region quasi für jeden Tamilen oder eine relevante Untergruppe, wie männliche Tamilen jüngeren bzw. mittleren Alters, die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit von staatlichen politischen Verfolgungshandlungen begründet. Soweit in den Presseartikeln (Deutsche Welle, Bericht v. 27.4.2009 "Regierung will auf schwere Waffen verzichten"; NDR-Weltspiegel, Bericht v. 26.4.2009 "Sri Lanka - Bürgerkrieg im Endstadium") von rund 50.000 tamilischen Flüchtlingen berichtet wird, die zwischen den Fronten der Bürgerkriegsparteien im Nordosten der Insel eingeschlossen seien, ergibt sich bezogen auf diese Personen keine andere Bewertung. Die Geschehnisse während der derzeitigen Bürgerkriegshandlungen bieten insoweit keine Anhaltspunkte dafür, dass das Vorgehen der staatlichen Sicherheitskräfte die Merkmale einer politischen Verfolgung im Rahmen des Handelns des Staates als Partei im Bürgerkrieg aufweist.

Vgl. hierzu: BVerfG, Beschluss v. 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 - u. a., a. a. O.

Denn es spricht nichts dafür, dass das Vorgehen der Regierung und ihres Militärs bei objektiver Bewertung auf eine physische Vernichtung der eingeschlossenen tamilischen Zivilbevölkerung zielen könnte. Vielmehr stimmen die Auskünfte darin überein, dass es Triebfeder des Handelns der Regierungstruppen ist, die von der LTTE beherrschten Restgebiete zurückzuerobern bzw. zurückeroberte Gebiete zu sichern. Die fehlende asyl- bzw. abschiebungsschutzerhebliche Gerichtetheit der Maßnahmen zeigt sich daran, dass die Regierung einen rund 14 Quadratkilometer großen Küstenstreifen zwischen Vellamullivaykkal und Puttumattalan zur "Sicherheitszone" für die Flüchtlinge erklärt hat (NZZ v. 12.3.2009 "Im Norden Sri Lankas droht eine Hungersnot"; Spiegel v. 9.2.2009 "Trauriges Paradies"; AA, Lagebericht v. 7.4.2009; UNHCR, Bericht v. April 2009), rund 120.000 tamilischen Zivilisten die Flucht aus der Kampfzone ermöglicht hat (FR v. 24.4.2009 "Angst vor einem Massaker unter Palmen") und die Kampfhandlungen nunmehr ohne den Einsatz schwerer Waffen fortsetzt (SZ v. 28.4.2009 "Rücksicht auf Zivilisten"). Soweit in den vergangenen Monaten auch die "Sicherheitszone" nach Angaben von Hilfsorganisationen mitunter unter Beschuss des Militärs geraten ist, da die LTTE Artilleriestellungen in deren Nähe gebracht hat, ist - abgesehen davon, dass die srilankische Armee in der Vergangenheit zumeist zu "punktgenauen" Angriffen nicht in der Lage war (vgl. AA an VG Düsseldorf v. 16.1.1996) - jedenfalls die Beeinträchtigung der tamilischen Zivilbevölkerung durch die Kampfhandlungen allein kein tragfähiger Hinweis auf eine über die Bekämpfung der LTTE hinausgehende Gerichtetheit der Kampfhandlungen gegen tamilische Volkszugehörige oder eine hierauf zielende Willensrichtung. Der Umstand, dass die Sicherheitskräfte bei ihren Kampfmaßnahmen nur wenig Rücksicht auf eventuell mitbetroffene Zivilisten nehmen, mag diese zwar als menschenrechtswidrig prägen, stellt allein jedoch keinen Grund dar, sie als objektiv gezielt an asyl- bzw. abschiebungsschutzerhebliche Merkmale anknüpfende staatliche Verfolgungsmaßnahmen zu qualifizieren.

Vgl. hierzu: BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 - u. a., a. a. O., OVG NRW, Urteil vom 24.5.2006 - 21 A 3940/04.A - u. vom 17.12.1999 - 21 A 4263/96.A -.

(2) Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass in Sri Lanka ein staatliches Verfolgungsprogramm in Bezug auf alle Tamilen oder eine relevante Untergruppe wie Tamilen aus dem Norden und Osten oder Tamilen jüngeren bzw. mittleren Alters besteht, dessen Umsetzung bereits eingeleitet ist oder alsbald bevorsteht.

Nach der vorliegenden Erkenntnislage (AA, Lagebericht v. 7.4.2009, UNHCR, Bericht v. April 2009; SFH, "Sri Lanka: Aktuelle Situation Update" v. 11.12.2008) hat die srilankische Regierung die Absicht einer Verfolgung der tamilischen Bevölkerung im allgemeinen oder einer Untergruppe hiervon zu keinem Zeitpunkt verlautbart. Die Auswertung der Auskünfte ergibt zwar, dass Tamilen bei den Sicherheitskräften unter einer Art Generalverdacht stehen, die LTTE zu unterstützen und im Zusammenhang mit der Terrorbekämpfung wird zum Teil auch von längeren Haftzeiten von Tamilen berichtet (AA, Lageberichte v. 7.4.2009 u. 6.10.2008), jedoch ist - wie unter A.II.1.bb.(1) dargestellt - nicht ersichtlich, dass die Dauer der Inhaftierungen in einer nennenswerten Zahl von Fällen über das für die Identitätsfeststellungen (jeweils) Erforderliche hinausgeht oder in ihrer Summe ein solches Ausmaß erreicht, dass im Hinblick auf tamilische Volkszugehörige generell oder die Situation prägend ein "Umschlagen" in asyl- bzw. abschiebungsschutzerhebliche Verfolgung festzustellen wäre.

Vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 25.7.2000 - 9 C 28.99 -, BVerwGE 111, 334 (337) = NVwZ 2000, 1426 (1427).

Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht mit Blick auf die am 6.12.2006 erlassenen Emergency Regulations No. 07, die monatlich vom Parlament verlängert werden und durch die die Anwendung des umstrittenen Anti-Terrorgesetzes Prevention of Terrorism Act No. 48 (PTA) "durch die Hintertür" wieder eingeführt worden sei (vgl. amnesty international, Auskunft an das VG Hannover v. 18.4.2007). Wer auf der Grundlage dieser Regelungen verhaftet wird, muss mit längerer Inhaftierung rechnen, ohne dass es zu weiteren Verfahrensschritten oder gar einer Anklageerhebung kommen muss. Die richterliche Kontrolle solcher Verhaftungen ist kaum mehr gewährleistet (AA, Lagebericht v. 7.4.2009).

Ob jedoch eine an asyl- bzw. abschiebungsschutzerhebliche Merkmale anknüpfende, zielgerichtete Gruppenverfolgung vorliegt, die Verfolgung mithin "wegen" eines Asylmerkmals erfolgt, ist anhand des inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme zu bestimmen. Auch wenn anhand der vorbeschriebenen Auskünfte festzustellen ist, dass Tamilen gegenüber anderen Bevölkerungsgruppen in Sri Lanka weit überproportional von Festnahmen betroffen sind, so ist festzuhalten, dass sich die Anti-Terrorgesetzgebung nicht ausschließlich gegen die Volksgruppe der Tamilen richtet, sondern gegenüber Jedermann in Sri Lanka, bei dem der Verdacht der Mitgliedschaft oder Nähe zur LTTE besteht. Hiervon können auch andere Bevölkerungsgruppen in Sri Lanka, wie z.B. Singhalesen, Muslime etc. betroffen sein. Zwar sind nach den Auskünften besonders häufig tamilische Volkszugehörige verhaftet worden, die Antiterrorregelungen und die darauf gestützten Maßnahmen bezwecken bei objektiver Bewertung aber nicht die Schlechterstellung dieser Volksgruppe als solche, sondern dienen ihrer Zielsetzung nach der Abklärung von LTTE-Verbindungen und der Verhinderung weiterer Straftaten. Dass der staatliche Zugriff zu einem sehr hohen Anteil Tamilen betrifft, ist rein faktischer Natur ohne Aussagegehalt für die objektive Gerichtetheit im Sinne einer politischen Verfolgung. Auch die in jüngster Zeit dokumentierte Anzahl von Verhaftungen von tamilischen Volkszugehörigen (AA, Lageberichte v. 7.4.2009 u. 6.10.2008, UNHCR, Bericht v. April 2009 u. Januar 2007; SFH, "Sri Lanka: Aktuelle Situation Update" v. 11.12.2008; Department of State, Bericht vom 11.3.2008; Human Rights Watch, Bericht v. 6.3.2008) - wobei aus den Auskünften zum Teil nicht hinreichend deutlich wird, ob die Verhaftungen auch auf der Grundlage der Antiterrorgesetze erfolgten - zeigt nicht auf, dass der srilankische Staat gezielt die Verfolgung von Tamilen im allgemeinen oder einer relevanten Untergruppe wie Tamilen aus dem Norden und Osten oder Tamilen jüngeren bzw. mittleren Alters in Form eines Verfolgungsprogramms eingeleitet hat oder anstrebt. Human Rights Watch (Bericht "Recurring Nightmare, State Responsibility für ,Disappearances' and Abductions in Sri Lanka" v. März 2008) hat für die Jahre 2006 und 2007 insgesamt 99 Fälle verschwundener Personen dokumentiert und verweist darüber hinaus auf eine von Menschenrechtsgruppierungen zusammengestellte Liste mit weiteren 498 verschwundenen Personen. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH, "Sri Lanka: Aktuelle Situation Update" v. 11.12.2008) hat für das Jahr 2008 insgesamt 446 Festnahmen dokumentiert. In dieser Auflistung ist unter anderem auch eine im Juli 2008 erfolgte Festnahme von 30 Zivilpersonen, darunter 10 Tamilen, in der Katunayake-Hochsicherheitsregion dokumentiert. Die Festgenommenen seien anschließend von der Terrorist Intelligence Division (TID) befragt worden. 56 Tamilen, die im September 2008 in Colombo festgenommen worden sein sollen, seien von der Antiterrorismus-Abteilung der Polizei verhört worden. Nach den Feststellungen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe befanden sich Anfang September 2008 ca. 1.200 junge Tamilen in den Haftzentren der Hauptstadt. Auch wenn aus diesem Zahlenmaterial der Hintergrund der Verhaftung und die Dauer der Inhaftierung nicht im Einzelnen ersichtlich ist, so zeigt auch die allgemein dokumentierte Anzahl von Festnahmen und Inhaftierungen nicht auf, dass die Regierung die in Sri Lanka insgesamt lebenden 3,8 Millionen Tamilen, von denen allein über 300.000 in Colombo leben bzw. Tamilen aus dem Norden und Osten oder auch die rund 2,3 Millionen Tamilen jüngeren bzw. mittleren Alters zielgerichtet verfolgt und deren systematische Ausgrenzung aus der staatlichen Friedensordnung anstrebt.

Mithin ist festzuhalten, dass weder zurückkehrende tamilische Asylbewerber oder tamilische Volkszugehörige im allgemeinen noch eine Untergruppe hiervon, wie Tamilen aus dem Norden und Osten der Insel bzw. Tamilen jüngeren bis mittleren Alters der aktuellen Gefahr einer regionalen oder landesweiten staatlichen Gruppenverfolgung in Sri Lanka ausgesetzt sind.

b. Tamilische Volkszugehörige sind in Sri Lanka auch seitens der Karuna-Gruppe/TMVP (aa.) und der LTTE (bb.) keiner an ihre Ethnie anknüpfenden regionalen oder landesweiten Gruppenverfolgung ausgesetzt.

aa. Nach der Auskunftslage bestehen keine Anhaltspunkte für eine Gruppenverfolgung tamilischer Volkszugehöriger oder einer relevanten Untergruppe hiervon, wie Tamilen jüngeren bis mittleren Alters durch die Karuna-Gruppe/TMVP.

Nachdem die LTTE im Zuge der militärischen Auseinandersetzungen im Juli 2007 in der Ostprovinz ihre letzten Stellungen aufgeben musste, hat die Karuna-Gruppe mit Unterstützung der srilankischen Regierung begonnen, dort unabhängige Herrschaftsstrukturen aufzubauen. Die TMVP, der politische Arm der Karuna-Gruppe, hat am 10.5.2008 die Provinzwahlen in der Ostprovinz gewonnen und stellt seitdem den Chief Minister (Ministerpräsident) der Provinz. Nach den Auskünften (AA, Lagebericht v. 7.4.2009; UNHCR, Bericht v. April 2009; SFH, "Sri Lanka: Aktuelle Situation Update" v. 11.12.2008) übe die Karuna-Gruppe/TMVP in der Ostprovinz eine Gewalt- und Willkürherrschaft aus und werde seitens der staatlichen Sicherheitskräfte nicht kontrolliert. Den vorbezeichneten Auskünften lässt sich insoweit zwar entnehmen, dass die Karuna-Gruppe/TMVP brutal und rücksichtslos gegen Gegner (insbesondere Personen, die einer Nähe zur LTTE verdächtig sind) vorgeht, jedoch ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Maßnahmen an die tamilische Volkszugehörigkeit geknüpft sind. Soweit in der Ostprovinz von Zwangsrekrutierungen durch die Karuna-Gruppe/TMVP berichtet wird - von der auch Tamilen jüngeren und mittleren Alters betroffen waren - handelt es sich hierbei um Maßnahmen die jedenfalls nicht an die in § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG genannten Merkmale anknüpfen. Die Personen wurden bzw. werden nicht wegen ihrer tamilischen Volkszugehörigkeit mitgenommen, sondern deshalb, weil die Karuna-Gruppe/TMVP Kämpfer für die Auseinandersetzung mit der LTTE benötigt hat bzw. benötigt. Die Zwangsrekrutierungen knüpften und knüpfen insoweit nicht an die Eigenschaft der tamilischen Volkszugehörigkeit der betroffenen Personen an, sondern ist allein in der faktischen Anwesenheit der Personen im Zugriffsbereich der Karuna-Gruppe/TMVP begründet. Der Umstand, dass die LTTE zwischenzeitlich auf einen 8 km langen Streifen nordöstlich von Mullaittivu zurückgedrängt worden ist (Deutsche Welle, Bericht v. 27.4.2009 "Regierung will auf schwere Waffen verzichten"), rechtfertigt im Übrigen die Annahme, dass derartige Zwangsrekrutierungsmaßnahmen im Osten zurückgehen werden. Die LTTE hat dort im Wesentlichen keinen Zugriff mehr auf die Bevölkerung und die Karuna-Gruppe benötigt vor diesem Hintergrund im Osten keine weiteren Kämpfer für eine militärische Auseinandersetzung mit der LTTE. Überdies lässt sich auch anhand der Auskunftslage nicht feststellen, dass in der Ostprovinz Sri Lankas alle Tamilen - die immerhin einen Anteil von 40 % der Bevölkerung ausmachen (SFH, "Sri Lanka: Aktuelle Situation Update" v. 11.12.2008) - oder einer relevanten Untergruppe hiervon, wie Tamilen jüngeren bis mittleren Alters einer Gruppenverfolgung durch die Karuna-Gruppe/TMVP ausgesetzt sind. Im Übrigen ist der Herrschaftsbereich der Karuna-Gruppe/TMVP auf die Ostprovinz begrenzt (AA, Lagebericht v. 7.4.2009), so dass sich tamilische Volkszugehörige etwaigen einzelnen Repressionen durch die Aufenthaltsnahme in anderen Landesteilen, namentlich dem Großraum Colombo und den südwestlichen Provinzen, entziehen können.

bb. Auch lässt sich anhand der Erkenntnisse nicht feststellen, dass Tamilen in Sri Lanka mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer regionalen oder landesweiten Gruppenverfolgung durch die LTTE ausgesetzt sind.

Die LTTE hat sich als Folge der Kriegshandlungen auf einen lediglich 8 km langen Streifen nordöstlich von Mullaittivu zurückziehen müssen (Deutsche Welle, Bericht v. 27.4.2009 "Regierung will auf schwere Waffen verzichten") und ist von daher schon rein faktisch nicht mehr in der Lage generelle Verfolgungshandlungen gegenüber der ganzen tamilischen Bevölkerung in Sri Lanka - auch nicht in der Nordprovinz - auszuführen. Soweit berichtet wird, dass die LTTE in der Nordprovinz die zwischen den Kriegsfronten eingekesselte tamilische Zivilbevölkerung, rund 50.000 Personen, als Schutzschild missbrauche (Deutsche Welle, Bericht v. 27.4.2009 "Regierung will auf schwere Waffen verzichten"; NDR-Weltspiegel, Bericht v. 26.4.2009 "Sri Lanka - Bürgerkrieg im Endstadium"; Deutsche Welle, Bericht v. 24.4.2009 "Eine Tragödie ungeahnten Ausmaßes"; FAZ v. 21.4.2009 "Ultimatum an Tamilen-Tiger"; taz v. 19.3.2009 "Tödliches Zerren um 200.000 Flüchtlinge"), handelt es sich um menschenrechtswidrige Maßnahmen in der Kampfsituation, die nicht an die Eigenschaft der tamilischen Volkszugehörigkeit der betroffenen Personen anknüpften, sondern in der faktischen Anwesenheit der Personen im Kriegsgebiet begründet sind. Eine generelle allein an die Volkszugehörigkeit anknüpfende Verfolgung der eingekesselten tamilischen Zivilbevölkerung durch die LTTE lässt sich nach der Auskunftslage nicht feststellen. Das gleiche gilt für Berichte, wonach die LTTE - selbst Kinder - zwangsrekrutiert und in die Kämpfe schicke (UNHCR, Bericht v. April 2009; AA Lageberichte v. 7.4.2009 u. 6.10.2008; FR v. 24.4.2009 "Angst vor einem Massaker unter Palmen"; taz v. 19.3.2009 "Tödliches Zerren um 200.000 Flüchtlinge"). Die Zwangsrekrutierungen erfolgen nicht in Anknüpfung an die tamilische Volkszugehörigkeit, sondern sind allein darin begründet, dass die LTTE - unabhängig von der Volkszugehörigkeit und sonstigen unverfügbaren Merkmalen i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG - Kämpfer für den Kampf gegen die srilankischen Sicherheitskräfte benötigte bzw. benötigt. Eine generelle Verfolgungssituation aller Tamilen in Sri Lanka oder einer relevanten Untergruppe hiervon, wie Tamilen aus der Nordprovinz oder jüngeren bzw. mittleren Alters durch die LTTE lässt sich mithin anhand der aktuellen Auskunftslage nicht feststellen.

2. Im Hinblick auf den Kläger sind auch keine besonderen in seiner Person begründeten und in seinem Einzelfall zu würdigenden Anknüpfungspunkte für eine bis zum Maß einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit gesteigerte Gefahr politischer Verfolgung durch die srilankischen Sicherheitskräfte (a.) oder die Karuna-Gruppe/TMVP (b.) gegeben.

a. Bei der Rückkehr nach Sri Lanka kann sich je nach den Umständen des Einzelfalles die Gefahr einer staatlichen politischen Verfolgung eines - auch unverfolgt ausgereisten - Tamilen bis zur beachtlichen Wahrscheinlichkeit verdichten, wenn in seiner Person noch weitere individuell ausgeprägte Risikomerkmale hinzutreten (aa.), und diese zu Maßnahmen der srilankischen Sicherheitskräfte führen, die über das durch die die allgemeine Terrorismusbekämpfung gerechtfertigte Maß hinausgehen (bb.). Die Frage, ob der einzelne Ausländer bei seiner Rückkehr nach Sri Lanka dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgungshandlungen zu befürchten hat, kann aber auch anhand der Risikomerkmale nicht generalisierend und fallübergreifend beantwortet werden. Im Rahmen der tatrichterlichen Feststellungen muss anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles unter Abwägung der in der Person des jeweiligen Ausländers konkret verwirklichten Risikomerkmale die individuelle Gefährdungssituation bewertet werden. Hiervon ausgehend droht dem nicht verfolgten Kläger bei der Rückkehr nach Sri Lanka nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine staatliche politische Verfolgung (cc.). Auch sonstige objektive oder subjektive Nachfluchtgründe liegen in der Person des Klägers nicht vor (dd.).

In Anwendung dieser Grundsätze hat der unverfolgt ausgereiste Kläger bei seiner Rückkehr in seine Heimat nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine individuelle politische Verfolgung durch die Sicherheitskräfte zu befürchten.

aa. Die Gefahr einer Inhaftierung, die nach der Auskunftslage das Risiko auch längerer Inhaftierung birgt, ohne dass Rechtsschutz zu erlangen wäre, ist im Einzelfall grundsätzlich dann gegeben, wenn die zurückkehrende Person bei den Sicherheitskräften in den Verdacht gerät, der LTTE anzugehören bzw. dieser Organisation nahe zu stehen (AA, Lagebericht v. 7.4.2009; SFH, "Sri Lanka: Aktuelle Situation Update" v. 11.12.2008).

(1) Dies gilt unabhängig von den zwischenzeitlich errungenen militärischen Erfolgen der srilankischen Sicherheitskräfte, die die LTTE nunmehr aus ihren Herrschaftsgebieten im Norden und Osten der Insel verdrängt haben, so dass die militärische Auseinandersetzung im Wesentlichen nur noch auf einen 8 km langen Küstenstreifen im Nordosten Sri Lankas begrenzt ist, in den sich die LTTE zurückgezogen hat (taz v. 19.3.2009 "Tödliches Zerren um 200.000 Flüchtlinge; FR v. 6.4.2009 " Sri Lankas Armee meldet Erfolg"; Deutsche Welle, Bericht v. 27.4.2009 "Regierung will auf schwere Waffen verzichten"). Denn selbst der srilankische Armeechef Fonseka soll eingeräumt haben, dass die LTTE auch nach einer Niederlage auf dem Schlachtfeld ihren Kampf - wie früher als Guerillaarmee - aus dem Untergrund noch ein oder zwei Jahrzehnte fortsetzen könnte (Spiegel Online v. 20.2.2009 "Sri Lanka fürchtet die schwarzen Tiger"; taz v. 27.1.2009 "Tamil Tigers wieder Guerillaarmee"). Auch der UNHCR teilt in seinem Bericht v. April 2009 diese Einschätzung und geht davon aus, das die LTTE auf eine Guerillataktik ausweichen wird. Dass die Gefährdungssituation durch die LTTE aus der Sicht des Staates noch lange nicht beendet ist, zeigt sich auch daran, dass die LTTE trotz ihrer unterlegenen militärischen Situation in der Lage ist, weiterhin Terroranschläge selbst in der Hauptstadt Colombo und im Süden des Landes zu verüben (AA, Lagebericht v. 7.4.2009; UNHCR, Bericht v. April 2009; SZ v. 11.3.2009 "Anschlag in Sri Lanka"; Spiegel Online v. 10.3.2009 "Minister schwebt nach Anschlag in Lebensgefahr"; FR v. 23.2.2009 "Die Rückkehr der Tiger"; FR v. 21.2.2009 "Kamikaze-Angriff auf Colombo"; FAZ v. 21.2.2009 "Luftangriff auf Colombo"; Spiegel Online v. 20.2.2009 "Sri Lanka fürchtet die schwarzen Tiger"; FAZ v. 10.2.2009 "Anschlag in Sri Lanka") und hierdurch die Sicherheitslage im gesamten Land weiterhin destabilisiert.

(2) Mit dem Terrorism Prevention Act vom Dezember 2006 wurde die Unterstützung der LTTE erneut strafbar, auch wenn die LTTE in diesem Gesetz nicht ausdrücklich genannt wird. Jeder, der in den Augen der Sicherheitsorgane der Nähe zur LTTE verdächtig ist, muss damit rechnen, verhaftet zu werden (AA, Lagebericht v. 7.4.2009).

Dies gilt nach der Auskunftslage in erster Linie für Personen, die bereits in der Vergangenheit im Verdacht einer Kooperation mit der LTTE standen und von den Sicherheitskräften deshalb verfolgt wurden. Diese Personen müssen sowohl nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes (AA, Lageberichte v. 7.4.2009 u. 6.10.2008) als auch der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH, "Sri Lanka: Aktuelle Situation Update" v. 11.12.2008, SFH, "Asylsuchende aus Sri Lanka" v. 1.2.2007) seit Ende Dezember 2006 wieder mit erneuter Verfolgung und Beeinträchtigung ihrer Sicherheit rechnen. Dies trifft auch auf Personen zu, die sich in den vom Bürgerkrieg bislang verschonten Gebieten der Insel (d.h. allen anderen Gebieten als der Jaffna-Halbinsel, dem LTTE-Gebiet sowie den seit Mitte 2006 umkämpften Regionen im äußersten Osten der Insel nördlich von Ampara, einschließlich der Hauptstadt Colombo) aufhalten.

In den Verdacht der Nähe zur LTTE können im Einzelfall auch Tamilen geraten, die aus den nördlichen oder östlichen Landesteilen stammen, insbesondere aus den von der LTTE dominierten Gebieten, und sich erstmals in Colombo oder dem Süden Sri Lankas niederlassen wollen (AA, Lageberichte v. 6.10.2008 u. 7.4.2009). Hiervon ausgenommen sind Tamilen, die nicht von der Registrierungspflicht erfasst sind, weil sie bereits länger als fünf Jahre in Colombo und Umgebung leben, vgl. hierzu im Einzelnen unter A.II.1.a.bb.(1).

Nach Auswertung der Erkenntnisse (AA, Lageberichte v. 7.4.2009 u. 6.10.2008.; SFH, "Sri Lanka: Aktuelle Situation Update" v. 11.12.2008; SFH, "Asylsuchende in Sri Lanka" v. 1.2.2007) kann aber auch derjenige in den Verdacht einer Nähe der LTTE geraten, der Verwandtschaft im ehemaligen LTTE-Gebiet hat, insbesondere wenn Familienmitglieder im Zusammenhang mit der LTTE auffällig geworden sind, oder wenn der Betreffende während der Zeit des Waffenstillstandes häufiger in das ehemalige LTTE-Gebiet gereist ist.

Auch Journalisten, die der Verbreitung von LTTE-, Oppositions- und staatsfeindlichen Publikationen bezichtigt werden bzw. werden können, müssen im Einzelfall mit gezielten Belästigungen, Angriffen, Todesdrohungen, Entführungen bis hin zu Bombenattentaten rechnen (AA, Lagebericht v. 7.4.2009). Dies gilt auch für andere tamilische Personen in allen Teilen des Landes, auch im Süden der Insel, die sich öffentlich für die Sache der Tamilen einsetzen (SFH, "Asylsuchende in Sri Lanka" v. 1.2.2007).

Mitunter können im Einzelfall selbst mehrere deutlich sichtbare Narben am Körper, die tamilische Sprache bzw. das Fehlen von Identitätspapieren (SFH, "Sri Lanka: Aktuelle Situation Update" v. 11.12.2008) das Interesse der srilankischen Sicherheitskräfte wecken und in ihren Augen zumindest einen Anfangsverdacht für die Mitgliedschaft oder Nähe zur LTTE begründen (AA, Lageberichte v. 7.4.2009 u. 6.10.2008).

Vgl. mit ähnlicher Einschätzung im Hinblick auf deutlich sichtbare Narben auch: EGMR, Urteil v. 17.7.2008 - 25904/07 -, juris; VG Bremen, Urteil v. 21.1.2008 - 4 K 1327/07.A -, juris,

Die hier aufgezählten Risikofaktoren sind allerdings angesichts der Bandbreite möglicher Kriterien, die in den Augen der srilankischen Sicherheitskräfte hinsichtlich einer Person den Verdacht einer Mitgliedschaft oder Nähe zur LTTE begrünen können, nicht abschließend. Der Senat hat sich angesichts der Mannigfaltigkeit möglicher Kombinationen und im Einzelfall zu prüfendender Konstellationen darauf beschränkt, auf der Grundlage der aktuellen Auskunftssituation die wichtigsten Risikomerkmale darzustellen.

bb. Angesichts der verschärften Sicherheitslage in Sri Lanka kann derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass die srilankischen Sicherheitsbehörden im einzelnen Fall gegenüber Personen, die der Nähe zur LTTE verdächtig sind, Maßnahmen ergreifen, die über Personenkontrollen, Durchsuchungsmaßnahmen, kurzzeitige Inhaftierungen insbesondere zum Zwecke der Befragung und Identitätsprüfung hinausgehen und keine legitimen Mittel der Terrorismusabwehr mehr darstellen. Dies gilt insbesondere mit Blick darauf, dass nach Wiedereinführung des Terrorism Prevention Act Ende 2006 die richterliche Kontrolle solcher Verhaftungen kaum mehr gewährleistet ist. Wer auf der Grundlage der Antiterrorgesetze verhaftet wird, muss unter Umständen mit längerer Inhaftierung rechnen, ohne dass es zu weiteren Verfahrensschritten oder gar einer Anklageerhebung kommt. Auch die Vorwürfe über Folterungen durch die Sicherheitskräfte haben zwischenzeitlich wieder zugenommen. Der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen hat sogar festgestellt, dass Folter in Sri Lanka als gängige Praxis im Rahmen der Terrorismusbekämpfung angewendet wird. Überdies drohen bei dem Verdacht einer Unterstützung der LTTE auch bei relativ geringfügigen Delikten drakonische Haftstrafen und in Verfahren unter dem Terrorism Prevention Act müssen Angeklagte beweisen, dass Geständnisse unter Zwang oder Folter erpresst worden sind (AA, Lageberichte v. 7.4.2009 u. 6.10.2008.; SFH, "Sri Lanka: Aktuelle Situation Update" v. 11.12.2008; Department of State der Vereinigten Staaten von Amerika, Bericht vom 11.3.2008 - 2007 Country Reports on Human Rights Practices - Sri Lanka).

cc. Die Frage, ob der einzelne Ausländer bei seiner Rückkehr nach Sri Lanka dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG zu befürchten hat, lässt sich aber auch anhand der genannten Risikomerkmale nicht generalisierend und fallübergreifend beantworten. Denn der Senat vermag den ihm vorliegenden Auskünften auch bei einer Gesamtschau keine Informationen dazu zu entnehmen, dass bestimmte Risikomerkmale - allein oder in Kombination - unabhängig von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles mit gewisser Zwangsläufigkeit als politische Verfolgung zu qualifizierende Repressalien gegenüber den Betroffenen auslösen. Im Rahmen der tatrichterlichen Feststellungen muss vielmehr anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles unter Würdigung der in der Person des jeweiligen Ausländers konkret verwirklichten Risikomerkmale die individuelle Gefährdungssituation bewertet werden.

Hiervon ausgehend droht dem Kläger bei der Rückkehr nach Sri Lanka nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine individuelle staatliche politische Verfolgung.

Zwar verfügt der Kläger derzeit nicht über einen gültigen srilankischen Reisepass. Von daher wird - sofern ein solcher Reisepass nicht von der srilankischen Botschaft in Deutschland ausgestellt wird - seine Rückkehr nach Sri Lanka mit einem von einer srilankischen Auslandsvertretung ausgestellten Reisedokument zur einmaligen Rückkehr nach Sri Lanka (Identity Certificate Overseas Missions, ICOM, auch Emergency-Pass genannt) erfolgen. Insoweit ist davon auszugehen, dass der Kläger am Flughafen von Colombo einer Personenüberprüfung unterzogen wird, wobei er sowohl von der srilankischen Einreisebehörde als auch von der Kriminalpolizei zu Identität, persönlichem Hintergrund und Reiseziel befragt wird (AA, Lagebericht v. 7.4.2009). Bei dieser Personenüberprüfung werden die Sicherheitskräfte feststellen, dass der Kläger in Batticaloa geboren, in der Ostprovinz - dem ehemaligen LTTE Gebiet - gelebt hat und tamilisch spricht, so dass der Kläger einige Risikofaktoren aufweist, die bei den Sicherheitskräften einen ersten Anfangsverdacht für eine etwaige Nähe zur LTTE begründen könnten.

Unter Würdigung aller Umstände ist aber davon auszugehen, dass sich das Risiko einer politischen Verfolgung in Sri Lanka in Form einer Festnahme verbunden mit einer längeren Inhaftierung und Folter in der Person des Klägers nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit realisieren wird.

Zum einen werden Personen, die mit einem Emergency-Pass nach Sri Lanka einreisen, nicht mehr, wie in der Vergangenheit üblich, dem Magistrate Court vorgeführt (AA, Lagebericht v. 7.4.2009). Zum anderen ist davon auszugehen, dass der Kläger bei seiner Befragung am Flughafen den etwaigen Verdacht einer Nähe zur LTTE ausräumen kann, so dass er mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit keine staatliche Verfolgung zu befürchten hat. Schon nach seinen eigenen Angaben war der Kläger niemals Anhänger oder Mitglied in der LTTE und hat sich auch nie an Aktionen oder Anschlägen der LTTE beteiligt. Bei der Anhörung vor dem Bundesamt hat er vorgetragen, dass er in Sri Lanka nie vor Gericht gestellt und zu einer Strafe verurteilt wurde (S. 5 der Niederschrift). Zur Überzeugung des Senats war der Kläger auch im Zeitpunkt seiner Ausreise aus Sri Lanka nicht in den Verdacht geraten, der LTTE nahe zu stehen. Das Vorbringen des Klägers zum Aufenthalt in einem TMVP-Lager hat der Senat als unglaubhaft bewertet. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf seine Ausführungen zu A.I.2. Konkreter Anlass den Kläger in diesem Zusammenhang der Nähe zur LTTE zu verdächtigen besteht von daher nicht. Abgesehen davon ergibt sich auch aus dem eigenen Vorbringen des Klägers nicht, dass er sich in Sri Lanka dem Gewahrsam der Sicherheitskräfte durch Flucht entzogen hätte oder sonst im Sinne einer Nähe zur LTTE auffällig geworden sei. Denn der Kläger hat selbst vorgetragen, dass er bei seiner angeblichen Verhaftung durch die Sicherheitskräfte am 5.5.2006 in Colombo eher zufällig in eine Großrazzia am Hauptbahnhof geraten sei und bereits nach 1 1/2 Stunden und Zahlung eines Entgelts offiziell wieder freigelassen worden sei. Selbst wenn man das Vorbringen des Klägers zugrunde legen würde, ergeben sich hieraus keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in Sri Lanka im Zusammenhang mit der LTTE in Protokollen der Sicherheitskräfte geführt wird oder gar auf einer Fahndungsliste steht. Der Kläger hat ferner zu keinem Zeitpunkt vorgetragen, dass sein in Batticaloa lebender Vater, seine Schwester oder sonst ein Familienmitglied seitens der Sicherheitskräfte der Nähe zur LTTE verdächtigt worden oder gar als Anhänger der LTTE auffällig geworden wäre. Schließlich ist der Kläger schon im Mai 2006 aus Sri Lanka ausgereist und kann daher mit der seit Dezember 2006 verschärften Sicherheitslage auch nicht persönlich in Zusammenhang gebracht werden. Ferner wird sich der Kläger auch nach der Einreisekontrolle im Raum Colombo und im weiteren Landesinneren mit Hilfe des Emergency-Passes ausweisen können, da dieser bei Bestätigung der Personalien durch die Einwanderungsbehörde in Colombo als normaler Reisepass gültig wird (AA, Lagebericht v. 11.12.2006) bis es ihm möglich sein wird, bei den Behörden seines Heimatortes reguläre Ausweispapiere zu erlangen; Hindernisse, die dem entgegenstünden, sind nicht ersichtlich. Unter Würdigung aller Einzelumstände beschränken sich die beim Kläger zu konstatierenden Risikomerkmale mithin auf Umstände, die eine Vielzahl von Tamilen in Sri Lanka aufweisen - Herkunft und Sprache - bzw. die nur vorübergehende Passlosigkeit. Bei einer Gesamtschau vermag der Senat im vorliegenden Fall nicht festzustellen, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Sri Lanka mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine politische Verfolgung in Form einer längeren Inhaftierung mit der Gefahr von Folter durch die Sicherheitskräfte zu befürchten hätte.

dd. Auch sonstige objektive oder subjektive Nachfluchtgründe liegen in der Person des Klägers nicht vor. Insbesondere begründet die Stellung eines Asylantrags im Ausland bei den srilankischen Sicherheitskräften noch keinen Verdacht, der LTTE nahe zu stehen. Die Durchführung eines Asylverfahrens im Ausland wird in Sri Lanka vielmehr als legitimer Versuch angesehen, sich einen Aufenthaltsstatus im Ausland zu verschaffen, ohne dass damit zwangsläufig die Äußerung einer regimekritische Einstellung gegenüber dem srilankischen Staat verbunden ist (AA, Lagebericht v. 7.4.2009).

b. In der Person des Klägers sind auch keine individuellen Anknüpfungspunkte gegeben, die es als beachtlich wahrscheinlich erscheinen lassen, dass er in Sri Lanka durch die Karuna-Gruppe/TMVP - die in der Ostprovinz mit Regierungsverantwortung ausgestattet ist (AA, Lagebericht v. 7.4.2009) - eine politische Verfolgung zu befürchten hat.

Zum einen hat der Senat die vom Kläger behauptete Festnahme am 9.1.2006 und Inhaftierung bis zum 22.4.2006 durch die Karuna-Gruppe/TMVP als nicht glaubhaft bewertet. Insoweit verweist der Senat auf seine Ausführungen zu A.I.2.a. Damit fehlt jeder Ansatz für ein besonderes Interesse der TMVP an dem Kläger. Zum anderen wäre dem Kläger bei etwaigen Repressionen durch die Karuna-Gruppe/TMVP jedenfalls ein Ausweichen in die anderen Landesteile, insbesondere den Großraum Colombo - über dessen Flughafen allein eine Abschiebung durchführbar ist - oder die südwestlichen Provinzen möglich und zumutbar.

B. Die Ausreiseaufforderung und die Abschiebungsandrohung in Ziffer 4 des angefochtenen Bescheides sind rechtlich nicht zu beanstanden. Sie finden ihre Rechtsgrundlage in §§ 34, 38 Abs.1 AsylVfG i.V.m. § 59 AufenthG.

Ende der Entscheidung

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