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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 18.04.2002
Aktenzeichen: 4 A 3113/95.A
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 51 Abs. 1
AuslG § 53 Abs. 4
AuslG § 53 Abs. 6
Zum Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 51 Abs. 1 und § 53 Abs. 4 und 6 AuslG für Asylbewerber aus der Demokratischen Republik Kongo.
Tatbestand:

Der aus Zaire (jetzt Demokratische Republik Kongo) stammende Kläger begehrte nach Ablehnung seines Asylantrags durch das Bundesamt nur noch die Zuerkennung von Abschiebungsschutz. Zur Begründung trug er vor, er sei zur Zeit des Mobutu-Regimes in seiner Heimat durch die Garde-Civil als Mitglied der PDSC (Parti Démocrate & Social Chrétien) und Leiter einer Jugendgruppe verfolgt worden. Auch in Deutschland sei er Mitglied der PDSC und nehme parteiintern die Aufgabe eines Sicherheitsbeauftragten wahr. Das VG verpflichtete die Beklagte - unter teilweiser Aufhebung der Abschiebungsandrohung - festzustellen, dass für den Kläger das Abschiebungsverbot nach § 51 Abs. 1 AuslG vorliege, weil in der Regel bereits die bloße Mitgliedschaft in einer oppositionellen Exilorganisation genüge, um bei Rückkehr nach Zaire mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit verfolgt zu werden. Auf die Berufung des Bundesbeauftragten wies das OVG NRW die Asylklage im vollem Umfang (§§ 51 Abs. 1, 53 AuslG) ab.

Gründe:

Die Klage ist nach der gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AsylVfG maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung insgesamt abzuweisen.

Dem Kläger steht weder ein Anspruch auf Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG noch auf die hilfsweise begehrte Feststellung von Abschiebungshindernissen zu.

Ein Anspruch nach § 51 Abs. 1 AuslG scheitert nicht bereits daran, dass es in der DRK mangels einer effektiven staatlichen Gewalt an der Möglichkeit einer asylerheblichen Verfolgungsgefahr fehlen könnte (wird ausgeführt).

Nach den Grundsätzen zum inneren Zusammenhang zwischen erlittener und erneut drohender Verfolgung, vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.3.1998 - 9 B 757.97 -, <juris>, Urteil vom 18.2.1997 - 9 C 9.96 - ("Eritrea"), NVwZ 1997, 1134, Urteil vom 24.7.1999 - 9 C 78.89 -, NVwZ 1990, 1177, Urteil vom 26.3.1985 - 9 C 107.84 -, NVwZ 1985, 913 und Urteil vom 8.2.1983 - 9 C 218.81 -, Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 43, ist davon auszugehen, dass Verfolgungsmaßnahmen unter der Herrschaft Mobutus, die einer aus einer konkreten Situation erwachsenen und auf sie beschränkten Protesthaltung galten, vgl. in diesem Zusammenhang BVerwG, Urteil vom 27.4.1982 - 9 C 308.81 -, NVwZ 1983, 160, oder an Kritik an der Person Mobutus anknüpften, sich auf Grund der veränderten politischen Verhältnisse - im Sinne eines Wiederauflebens der Vorverfolgung - nicht wiederholen werden, so dass insoweit der herabgestufte Prognosemaßstab keine Anwendung findet (wird ausgeführt).

Soweit es um die Frage geht, ob politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit wegen exilpolitischer Aktivitäten gegen die Regierungen L.D. Kabila und/oder J. Kabila droht, ist zu differenzieren. Eine Gefahr besteht insoweit nach Überzeugung des Senats möglicherweise dann, wenn Asylbewerber Aktivitäten entfaltet haben, die den Regierungsstellen bekannt geworden sind und die sie als Ausdruck einer ernst zu nehmenden Gegnerschaft ansehen, weil die Aktivitäten den Bestand der Regierung gefährden könnten oder jedenfalls als geeignet erscheinen, die Regierung in der inländischen oder ausländischen Öffentlichkeit in erheblichen Misskredit zu bringen. In diesen Fällen steht zu befürchten, dass auf politische Gegner zugegriffen wird, um eine entsprechende Betätigung in der DRK zu verhindern. In allen anderen Fällen besteht keine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass exilpolitische Betätigungen zu einer politischen Verfolgung führen können.

Von einer ernst zu nehmenden Gegnerschaft kann nur ausgegangen werden, wenn die Aktivitäten einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden sind oder zumindest bekannt werden können und der Betroffene damit aus der Masse der übrigen Asylbewerber deutlich hervortritt, so dass den Regierungsstellen bewusst ist, dass mit diesen Aktivitäten nicht letztlich nur ein Bleiberecht im Ausland erreicht werden sollte. Dies kann, wobei allerdings letztlich stets die jeweiligen Umstände des Einzelfalles zu würdigen sind, etwa anzunehmen sein, wenn innerhalb einer in deutlicher Gegnerschaft zu den Kabila-Regierungen befindlichen Oppositionspartei ein Amt bekleidet bzw. eine Funktion ausgeübt wurde oder sonstige Tätigkeiten entfaltet wurden, die nachhaltig über die bloße Mitgliedschaft in der Partei oder die üblichen Parteiaktivitäten hinausgehen, wenn also, wie es das OVG Saarl. in einem kürzlich ergangenen Urteil (vom 14.1.2002 - 3 R 1/01) plastisch ausdrückt, der Asylbewerber "ein eigenes Gesicht" gezeigt hat. Eine solche exponierte Aktivität kann auch in Form von regimekritischen Auftritten in Medien wie Funk und Fernsehen oder in Pressekonferenzen, Diskussionen o.ä. gesehen werden, die einer breiten Öffentlichkeit zugänglich sind.

Dagegen führen nach Überzeugung des Senats unterhalb dieser Schwelle liegende Verhaltensweisen nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu einer Verfolgungsgefahr in der DRK. Dazu gehören zunächst die in Verbindung mit einem Auslandsaufenthalt stehende reine Asylantragstellung und die bloße Mitgliedschaft in einer Oppositionspartei ebenso wie darüber hinausgehende normale Parteiaktivitäten, etwa die Teilnahme an gegen die Kabila-Regierungen gerichteten Demonstrationen und Kundgebungen als einer unter vielen, selbst wenn dabei für die Öffentlichkeit bestimmte regimekritische Flugblätter verteilt und Resolutionen verfasst werden. Entsprechendes gilt ferner für das Verfassen von Zeitungsartikeln oder Schreiben an Regierungsstellen bzw. an den jeweiligen Präsidenten, auch wenn in diesen eine Gegnerschaft zum bestehenden Regime zum Ausdruck gebracht wird. Denn alle diese Aktivitäten werden von den kongolesischen Regierungsstellen dahin gewertet werden, dass sie in erster Linie asyltaktischen Überlegungen entspringen, indem nämlich - auch und gerade aus Gründen der noch zu beschreibenden schlechten Versorgungslage in der DRK - ein Bleiberecht im Ausland erreicht werden sollte. Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass sich viele der heutigen Regierungsmitglieder selbst jahrelang im Exil aufgehalten haben und durchaus einzuschätzen vermögen, dass ein regimekritisches Verhalten im Ausland häufig lediglich dem Ziel dient, ein Bleiberecht zu erhalten.

Vgl. in diesem Zusammenhang: Auswärtiges Amt (AA), Auskunft vom 6.10.2000 an den VGH Bad.-Württ. und Auskunft vom 13.10.1999 an das VG Stuttgart.

Dieser Einschätzung des Senats entspricht, dass auch die kongolesische Botschaft in Deutschland sich in der Vergangenheit generell nicht negativ zu in Europa Asyl beantragenden kongolesischen Staatsangehörigen geäußert hat. Vielmehr wird in der Asylanerkennung lediglich die Gestattung des Aufenthalts und die damit verbundene Gewährung von wirtschaftlichen Vorteilen, nicht jedoch die die Entscheidung tragende Feststellung gesehen, dass der jeweils anerkannte Asylbewerber in seinem Heimatland als politisch verfolgt gilt.

AA, Auskunft vom 6.10.2000 an den VGH Bad.-Württ.; vgl. in diesem Zusammenhang auch AA, Auskunft vom 13.10.1999 an das VG Stuttgart, nach der die am Flughafen NŽDjili mit Rückkehrern befassten Beamten allgemein der Auffassung seien, ihre kongolesischen Landsleute hätten lediglich ihr Glück im Ausland versucht.

Die Überzeugung, dass einfache Aktivitäten im vorstehend beschriebenen Sinne nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu einer Verfolgungsgefahr führen, hat sich der Senat anhand der Erkenntnisse gebildet, die sich mit der Verfolgungssituation in der DRK selbst und der Beobachtung des Schicksals rückkehrender Asylbewerber beschäftigen (wird ausgeführt).

Der Senat teilt die Einschätzung des Auswärtigen Amts, dass im Einzelfall zu prüfen ist, ob die exilpolitischen Aktivitäten des Asylantragstellers als ernst zu nehmender Versuch gewertet werden, die Regierung in der Öffentlichkeit zu diskreditieren bzw. zu bekämpfen. Dabei ist für die kongolesischen Regierungsstellen in diesem Zusammenhang allein entscheidend, ob die politischen Aktivitäten im Ausland in einer so diskreditierenden und exponierten Weise vorgenommen wurden, dass eine breite Öffentlichkeit im Gastland darauf aufmerksam wurde und damit negative Auswirkungen auf die bilateralen Beziehungen zur DRK gerade auch im Hinblick auf laufende oder künftige Kooperationen zu befürchten sind. Nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen ist es deshalb im Falle einfacher Mitgliedschaft beispielsweise in einem Regionalverband der UDPS in Deutschland sowie im Falle der bloßen Teilnahme an gegen die Regierung der DRK gerichteten Kundgebungen eher unwahrscheinlich, dass die betreffende Person allein schon deshalb nach Rückkehr mit Verfolgung rechnen muss.

Vgl. AA, Auskunft vom 06.10.2000 an den VGH Bad.-Württ.

Allein das Stellen eines Asylantrags oder ein Auslandsaufenthalt haben nach Kenntnis des Auswärtigen Amts und namhafter Menschenrechtsorganisationen in keinem Fall zu staatlichen Verfolgungsmaßnahmen gegen kongolesische Staatsangehörige nach deren Rückkehr geführt.

Lagebericht Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Demokratischen Republik Kongo (im Folgenden: hier vom 23.11.2001, S. 17.

Das Verhalten der amtlichen Stellen in der DRK gegenüber aus Deutschland zurückkehrenden Kongolesen lässt (ebenfalls) keine Gefahr politischer Verfolgung erkennen (wird ausgeführt).

Der Senat ist trotz der insoweit nicht sehr ergiebigen Erkenntnislage auch der Überzeugung, dass nicht die einfachen Aktivitäten im vorbeschriebenen Sinne, sondern allenfalls eine herausgehobene, breitenwirksam angelegte oppositionelle Tätigkeit in Deutschland den amtlichen Stellen in der DRK bekannt werden (wird ausgeführt).

Bei breitenwirksam vorgenommenen, herausgehobenen Aktionen gegen die Regierung in Kinshasa liegt es bereits in der Natur der Sache, dass solche Aktivitäten den Behörden in der DRK eher bekannt werden können als untergeordnete, nicht "interessante" und damit auch nicht "mitteilungswürdige" Aktionen. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass über erstere neben dem Auslandsgeheimdienst auch von in Deutschland sich aufhaltenden Privatleuten berichtet werden kann. Deshalb geht der Senat davon aus, dass allenfalls Aktionen von Personen, die in Deutschland in einer Art und Weise exilpolitisch tätig geworden sind, die sie von der Masse der übrigen Asylbewerber deutlich unterscheidet, mit anderen Worten, von denen die Behörden in der DRK befürchten müssen, dass sie der Regierung gefährlich werden oder diese jedenfalls in erheblichen Misskredit bringen könnten, den Regierungsstellen der DRK bekannt werden.

Im Ergebnis ebenso OVG Saarl., Urteil vom 14.1.2002 - 3 R 1/01 -; einschränkend Nds. OVG, Urteil vom 14.1.2000 - 1 L 3973/98.

Dem Kläger kann auch nicht in verfassungskonformer Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG - und damit über den nach Satz 2 der Vorschrift begrenzten Anwendungsbereich hinaus - Schutz vor Abschiebung gewährt werden.

Es lässt sich nicht feststellen, dass ein abgeschobener Asylbewerber im Großraum Kinshasa mangels jeglicher Lebensgrundlage in eine extreme Gefahrenlage geriete und dem baldigen vgl. zur notwendigen Unmittelbarkeit der Rechtsgutbeeinträchtigung BVerwG, Beschluss vom 26.1.1999 - 9 B 617.98 -, NVwZ 1999, 668, sicheren Hungertod ausgeliefert wäre. Diese Einschätzung gilt für den Normalfall eines im Wesentlichen gesunden Menschen, der sich nach seiner Abschiebung auf Grund seines längeren Aufenthalts in Deutschland in einem guten Ernährungszustand befindet.

Es ist nach den vorliegenden Erkenntnissen zwar nicht zweifelhaft, dass - auf das gesamte Staatsgebiet bezogen - die wirtschaftliche Lage verheerend und die Grundversorgung der Bevölkerung nicht mehr gewährleistet ist (wird ausgeführt).

Für die Region Kinshasa kann aber festgestellt werden, dass sich die Versorgungslage zwischenzeitlich deutlich gebessert hat, wie sich aus Folgendem ergibt: (wird ausgeführt)

Nach alledem ist es für den Senat nachvollziehbar - und dies ist Grundlage seiner Überzeugungsbildung - dass das Auswärtige Amt in seiner erst kürzlich ergangenen Auskunft vom 28.3.2002, insoweit noch über die Einschätzung im Lagebericht vom 23.11.2001 hinausgehend, feststellt, es bestehe auf Grund der Versorgungslage mit Nahrungsmitteln in Kinshasa und Umgebung weder für männliche noch für weibliche Personen die konkrete Gefahr, aus Mangel an Nahrungsmitteln nicht überleben zu können. Deshalb ist, und dies gilt auch für allein stehende Frauen oder sogar für Mütter mit minderjährigen Kindern - auch Kleinkindern -, von einer noch ausreichenden Versorgungslage auszugehen , die die Annahme eines mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach der Rückkehr nach Kinshasa drohenden Hungertodes verbietet. Insoweit ist auch darauf hinzuweisen, dass nach der Stellungnahme der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Kinshasa vom 24.10.2001 an das Bundesamt kirchliche Einrichtungen oder karitativ tätige Hilfsorganisationen sowie verschiedene private Einrichtungen im Notfall Hilfestellung leisten; auch verhindere eine in christlicher Verbundenheit gelebte Nachbarschaftshilfe, dass Not leidende Menschen in der Straße ihr Heil suchen müssten.

Auch die in Kinshasa bestehende medizinische Versorgungslage rechtfertigt nicht die Annahme des Bestehens einer extremen Gefährdungslage. Die daraus erwachsenden Gefahren drohen grundsätzlich der gesamten Bevölkerung bzw. bestimmten Gruppen innerhalb der Bevölkerung und unterfallen damit ebenfalls dem Anwendungsbereich des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG.

Vgl. in diesem Zusammenhang BVerwG, Urteil vom 8.12.1998 -9 C 4.98 -, NVwZ 1999, 666.

Allerdings befindet sich das Gesundheitswesen in der DRK allgemein in einem sehr schlechten Zustand. Die staatlichen Krankenhäuser sind heruntergewirtschaftet oder aber geplündert. Sie sind auf Grund ihrer geringen Anzahl, ihrer schlechten Ausstattung und in Folge der unzureichenden hygienischen Verhältnisse nicht in der Lage, im erforderlichen Umfang - insbesondere bei komplizierten Eingriffen - die Kranken im ausreichenden Maß zu versorgen. Die ärztliche Versorgung ist in Kinshasa jedoch grundsätzlich gewährleistet. In seinem Bericht vom 5.10.2001 über die medizinische Infrastruktur und Behandlung in Kinshasa berichtet das Schweizerische Bundesamt für Flüchtlinge, dass es in Kinshasa 1.500 medizinische Einrichtungen gibt. Zwar sind davon viele rein profitorientiert. Auch ist der Großteil der medizinischen Einrichtungen in Kinshasa schlecht ausgerüstet und erhält - mit Ausnahme der konfessionellen medizinischen Einrichtungen - keine Hilfe vom Ausland. Andererseits sind aber im Bereich der medizinischen Versorgung häufig Organisationen der großen Kirchen, so der Heilsarmee, der katholischen Kirche, der Kirche von Christus im Kongo und der kimbanguistischen Kirche tätig. Diesen gehören in Kinshasa mehr als 70 % der Gesundheitszentren sowie einige Spitäler. Zusammengefasst stellt der Bericht fest, die medizinische Infrastruktur in Kinshasa weise große Unterschiede auf, von rein profitorientierten Einrichtungen mit ungenügend ausgebildetem Personal bis hin zu gut geführten Spitälern mit Spezialisten. Die meisten Krankheiten können in Kinshasa behandelt werden. Das gilt zum Beispiel für Diabetes mellitus 2 mit Bluthochdruck, Asthma und Bronchialerkrankungen, Epilepsie, Geschlechtskrankheiten, Pneumopathie, Typhus und auch Röteln.

Schweizerisches Bundesamt für Flüchtlinge, Bericht vom 5.10.2001 über die medizinische Infrastruktur und Behandlung in Kinshasa (im Folgenden: Schweizerisches Bundesamt), S. 8 ff; vgl. auch Lagebericht vom 23.11.2001, S. 22, 23.

Nach den Erkenntnissen ist auch die Versorgung mit Medikamenten gesichert. In letzter Zeit sind in Kinshasa über 100 Apotheken neu eröffnet worden. Im Allgemeinen sind die Apotheken zwar relativ einfach ausgestattet. Auch wenn Mangel an gewissen Basisprodukten wie zum Beispiel HIV- und Blutgruppentests besteht, so sind Medikamente gegen Malaria-, Tuberkulose-, Rheuma-, Husten- und Durchfallerkrankungen und auch Anämiepräparate sowie Antibiotika aber einfach zu erhalten.

Schweizerisches Bundesamt, S. 6,7.

Allerdings besteht weder ein Krankenversicherungssystem noch eine freie staatliche Gesundheitsfürsorge. Bei abhängig Beschäftigten zahlen in der Regel die Arbeitgeber die Behandlungskosten. Angesichts der Arbeitslosenquote von über 90 % dürfte dies auf einen Rückkehrer jedoch nur ausnahmsweise zutreffen. In den anderen Fällen müssen die Behandlungskosten von der Großfamilie aufgebracht werden. Nur für zahlungskräftige Patienten - was ebenfalls als Ausnahmefall einzustufen ist - stehen hinreichend ausgestattete private Krankenhäuser und fachkundige Ärzte zur Verfügung.

Lagebericht vom 23.11.2001, S. 22.

Angesichts dieser Situation wird die medizinische Grundversorgung der Bevölkerung indes im Wesentlichen von so genannten Nicht-Regierungsorganisationen, u.a. den Kirchen, getragen. Wenngleich die Patienten bzw. ihre Angehörigen auch hier für die Behandlung aufkommen müssen, sind die Kosten jedoch deutlich niedriger als etwa in Deutschland, weil von den Kirchen im Wesentlichen essentielle Medikamente eingesetzt werden, Auskunft des M ärztlichen Instituts W vom 6.11.2000 an das VG München.

In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass Kranke, die über keine ausreichenden finanziellen Mittel verfügen, nach übereinstimmender Auskunft verschiedener durch die Deutsche Botschaft befragter Ärzte in Kinshasa bereits aus ethischen Gründen nicht ohne medizinische Erstversorgung entlassen werden.

Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, Auskunft vom 24.10.2001 an das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge

Zusammenfassend ist der Senat der Überzeugung, dass trotz der schlechten wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen in der DRK infolge der mangelhaften Versorgungslage sowohl hinsichtlich der Ernährung als auch der medizinischen Verhältnisse - auch unter Berücksichtigung der vom VG unter Hinweis auf Zeitungsberichte angeführten teilweise äußerst beengten Wohnungsverhältnisse - eine extreme Gefahrenlage nicht besteht.

Schließlich kann dem Kläger auch nicht wegen einer ihm nach Rückkehr in die DRK möglicherweise drohenden Erkrankung an Malaria Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zugebilligt werden.

Das Risiko an Malaria, insbesondere der gefährlichen Form der Malaria tropica, zu erkranken, ist in der DRK sehr hoch, Prof. Dr. D vom B-N-Institut für Tropenmedizin, Hamburg, Stellungnahme vom 02.4.2002 gegenüber dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (im Folgenden: Prof. Dr. D), wobei Kinshasa, auf das der Senat - wie oben dargelegt - bei der zu treffenden Entscheidung über das Vorliegen von Abschiebungshindernissen abstellt, in einem Gebiet mit hohem Malaria-Risiko liegt.

Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, Kinshasa, Auskunft vom 9.2.2001 an das Nds. OVG.

So ist Malaria eine der häufigsten und tödlichsten Krankheiten in der DRK, an der z.B. im Jahre 2000 etwa 200.000 Menschen starben, Schweizerisches Bundesamt, S. 11, wobei der Krankheitsverlauf bei kleinen Kindern häufiger zu schwereren Verläufen führt als bei Heranwachsenden und Erwachsenen.

Prof. Dr. D; vgl. auch Schweizerisches Bundesamt, wonach von den genannten Todesfällen des Jahres 2000 40.000 Kinder, also ein Fünftel, betroffen waren und im ersten Drittel des Jahres 47 % der Todesfälle in der Pädiatrie von Kinshasa auf Malaria zurückzuführen waren.

Somit ist eine größere Zahl von Menschen von der Malaria-Erkrankung betroffen mit der Folge, dass insoweit die "Sperre" des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG eingreift und Abschiebungsschutz nur gewährt werden kann, wenn jedem Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit droht, alsbald nach seiner Ankunft in der DRK an dieser Krankheit zu sterben. Das ist jedoch nicht der Fall.

Allerdings ist davon auszugehen, dass Rückkehrer nach einem längeren Aufenthalt im nicht von Malaria bedrohten Ausland die durch ihr Aufwachsen in der DRK erworbene Semi-Immunität, die einen gewissen Schutz gegen einen schweren, gegebenenfalls zum Tode führenden Verlauf der Malaria bewirkt, verloren haben bzw. hier geborene und aufgewachsene Kinder diesen Schutz erst gar nicht haben erwerben können. Während beim Erwachsenen, der einen soliden Semi-Schutz aufbauen konnte, auf Grund eines anzunehmenden "immunologischen Gedächtnisses" schwere Malaria-Attacken wahrscheinlich viel weniger als beim Kind zu befürchten sind, ist der Schweregrad der Malaria-Erkrankung bei nicht geschützten Kongolesen aller Altersgruppen mit dem von einheimischen Kindern vergleichbar, d.h. bei fehlender oder nicht früh einsetzender Behandlung besteht die nicht unbeträchtliche Gefahr eines tödlichen Ausgangs.

Gutachten Dr. med. Junghanss, Universitätsklinikum Heidelberg, vom 9.2.und 15.10.2001 an den VGH Bad.-Württ. (im Folgenden: Dr. J); Prof. Dr. D; M ärztliches Institut W, Gutachten vom 4. und 26.1.2001 an das Nds. OVG.

Kinder sind auf Grund erhöhter Vulnerabilität in Folge spezifischer Immunkonstellationen im besonderen Maße gefährdet, zumal eine Impfung gegen Malaria nicht möglich und eine Malaria-Chemoprophylaxe schon wegen der Nebenwirkungsproblematik auf Dauer nicht durchführbar ist. Schließlich genügt ein einzelner infektiöser Stich, um eine tödlich verlaufende Malaria auszulösen.

Zusammenfassend ist deshalb festzustellen, dass ein längerer Aufenthalt außerhalb der DRK und insbesondere die Geburt und das Aufwachsen in Deutschland das Risiko, bei einer Rückkehr an Malaria zu erkranken, erheblich verstärkt.

Vgl. dazu, dass die Verstärkung einer Gefahrenlage nichts an der Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG ändert, weil es sich insoweit nur um typische Auswirkungen der oben angenommenen allgemeinen Gefahrenlage handelt: BVerwG, Urteil vom 12.7.2001 - 1 C 5.01 -, NVwZ 2002, 101.

Bei einer Malaria-Erkrankung gibt es aber jedenfalls in Kinshasa hinreichende Möglichkeiten ärztlicher Hilfe und in ausreichender Menge Medikamente.

Prof. Dr. D; Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, Kinshasa, Auskünfte vom 20.4.2001 an das Nds. OVG und vom 18.5.2001 an den VGH Bad.-Württ.

Bei rechtzeitigem Erkennen der Krankheit und Behandlung mit den entsprechenden Medikamenten tendiert die Sterblichkeitsrate gegen Null.

Prof. Dr. D und Dr. J stimmen darin überein, dass ausschlaggebend für eine wirksame Bekämpfung die alsbaldige Verabreichung entsprechender Medikamente ist. Entgegen der Ansicht von Dr. J geht allerdings Prof. Dr. D davon aus, das auch bei Erkrankten, die nicht semi-immun sind, in der Regel eine frühe Diagnose und Behandlung erfolgt. In einem Land wie der DRK würden alle Krankheitszeichen als Malaria betrachtet und als solche behandelt, auch wenn es sich um ganz andere Erkrankungen handele. In der Realität sei es so, dass bei Kopfschmerzen, Frieren und anderen Erscheinungen eine Malaria - Behandlung in der Regel unverzüglich eingeleitet werde. Die Ansicht von Prof. Dr. D überzeugt, wenn man berücksichtigt, dass es sich bei der Malaria - Erkrankung, wie dargelegt, um eine der am häufigsten vorkommenden und damit "gut bekannten" Erkrankungen in der DRK handelt. Letztlich liegt es aber auch im Verantwortungsbereich der Rückkehrer bei einer notwendigen Behandlung darauf hinzuweisen, dass ein Semi - Schutz nicht mehr vorhanden bzw. noch nicht erworben ist.

Der Senat geht auch davon aus, dass die Kosten für die notwendigen Medikamente

vgl. die Übersicht der verfügbaren Medikamente unter Angabe der Preise im Bericht des Schweizerischen Bundesamtes, Seite 16; ferner Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, Kinshasa, Auskunft vom 18.5.2001 an den VGH Bad.-Württ., aufgebracht werden können oder bei einer absoluten Mittellosigkeit - insbesondere von allein stehenden Müttern (vgl. in diesem Zusammenhang ai, Auskunft vom 12.2.2001 an das VG München) - von anderen Stellen aus ethischen Gründen zur Verfügung gestellt werden (s. o.). Schließlich ist zu berücksichtigen, dass auch nach der Einschätzung von Dr. J selbst in den Fällen, in denen eine Malaria nicht sofort erkannt wird, der schwere Verlauf der Malaria innerhalb kürzester Zeit zwar eintreten kann, aber nicht muss, wobei von diesen schweren Erkrankungsfällen ca. jeder vierte tödlich verläuft. Damit ist keine extreme Gefährdungslage gegeben, bei der für jeden Rückkehrer angenommen werden muss, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit unmittelbar nach der Rückkehr in die DRK an Malaria sterben wird.

Ende der Entscheidung

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