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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 23.02.2006
Aktenzeichen: 4 A 4451/03
Rechtsgebiete: GG, IHKG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
IHKG § 3 Abs. 2 Satz 1
IHKG § 3 Abs. 3 Satz 1
IHKG § 3 Abs. 3 Satz 2
IHKG § 3 Abs. 4 Satz 1
IHKG § 3 Abs. 4 Satz 2
IHKG § 3 Abs. 4 Satz 3
Die Veranlagung von Freiberuflern zu einem reduzierten Grundbeitrag nach § 3 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Satz 2 IHKG setzt voraus, dass die Kammer die Bemessungsgrundlage dafür nach Gewerbeertrag bzw. Gewinn aus Gewerbebetrieb gestaffelt hat.
Tatbestand:

Die Klägerin - eine Steuerberatungsgesellschaft - wendet sich gegen die Erhebung von Kammerbeiträgen mit der Begründung, sie werde zu der Industrie- und Handelskammer und zu der Steuerberaterkammer im vollem Umfang zum Beitrag herangezogen und sei deshalb - unter Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz - gegenüber Handwerkerkaufleuten schlechter gestellt, die jeweils nur zu Teilbeträgen herangezogen würden. Das VG (GewArch 2004, 486 = NWVBl. 2004, 486) gab der Klage mit der Begründung statt, die Haushaltssatzungen der Beklagten verstießen gegen das Äquivalenzprinzip, weil für Freiberufler i.S.d. § 3 Abs. 4 Satz 3 IHKG hinsichtlich des Grundbeitrags keine Staffelungsregelungen bezüglich Gewerbeertrag bzw. Gewinn aus Gewerbebetrieb vorgesehen seien. Auf die Berufung der Beklagten wies der Senat die Klage ab.

Gründe:

Die Berufung hat Erfolg. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Beitragsbescheid der Beklagten und der Widerspruchsbescheid sind rechtmäßig.

Dass die Klägerin als Steuerberatungsgesellschaft neben ihrer Mitgliedschaft in der Steuerberaterkammer zulässigerweise auch Mitglied der Beklagten ist, vgl. dazu § 2 Abs. 1 und 2 IHKG; ferner: BVerwG, Beschlüsse vom 21.10.2004 - 6 B 60.04 -, GewArch 2005, 24, und vom 14.11.2001 - 6 B 60.01 -, GewArch 2002, 69; OVG NRW, Urteil vom 24.2.1997 - 25 A 2531/94 -, GewArch 1997, 200; Jahn, GewArch 2004, 410, ist zwischen den Beteiligten nicht streitig und bedarf deshalb keiner Vertiefung. Streit besteht allein hinsichtlich der Veranlagung zum Grundbeitrag.

Der angefochtene Beitragsbescheid (Abrechnung für 1999 und Vorauszahlung für 2002; jeweils nur hinsichtlich des Grundbeitrags) findet seine Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG i. V. m. der Beitragsordnung und den jeweiligen Haushaltssatzungen der Beklagten. Da die Beitragsjahre 1999 und 2002 erfasst sind, ist das Gesetz in der Fassung der Novelle 1998 (IHKG-Änderungsgesetz vom 23.7.1998, BGBl. I S. 1887, ber. S. 3158) und damit die an die sog. "Apothekerregelung" (§ 3 Abs. 4 Satz 2 IHKG) anknüpfende Privilegierung für eine "Freiberufler-GmbH" (§ 3 Abs. 4 Satz 3 IHKG) anzuwenden. Nach § 3 Abs. 4 Satz 3 IHKG findet § 3 Abs. 4 Satz 2 IHKG auf bestimmte Kammerzugehörige, zu denen auch die Klägerin gehört, mit der Maßgabe Anwendung, dass statt eines Viertels ein Zehntel der dort (Satz 2) genannten Bemessungsgrundlagen bei der Veranlagung zugrunde gelegt werden. Als Bemessungsgrundlagen für die Veranlagung zum Grundbeitrag und zur Umlage nennt Satz 2 den Gewerbeertrag hilfsweise den Gewinn aus Gewerbebetrieb.

Aus dieser Privilegierungsregelung folgt weder eine Einschränkung des einer Industrie- und Handelskammer - IHK - zustehenden weiten Ermessens, ob und ggfs. wie der Grundbeitrag gestaffelt wird, noch ist sie im Falle einer Grundbeitragsstaffelung gehalten, für Freiberufler i.S.v. § 3 Abs. 4 Satz 3 IHKG wegen der Privilegierungsregelung als Staffelungskriterium allein Gewerbeertrag/Gewinn aus Gewerbebetrieb zu verwenden. Eine derartige Beschränkung des Ermessens einer IHK ist der Regelung in § 3 Abs. 4 Satz 3 IHKG nicht zu entnehmen.

Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG ist eine IHK berechtigt, die Kammerzugehörigen zu Beiträgen heranzuziehen, wobei nach § 3 Abs. 3 Satz 2 IHKG der Grundbeitrag insbesondere unter Berücksichtigung von Art, Umfang und Leistungskraft des Gewerbebetriebes gestaffelt werden kann. Damit liegt es im Ermessen einer IHK, ob überhaupt eine Staffelung erfolgen soll. Wird der Grundbeitrag gestaffelt, so kann er nach unterschiedlichen Kriterien gestaffelt werden. Eine allein an Gewerbeertrag/Gewinn aus Gewerbebetrieb ausgerichtete Staffelungsregelung schreibt das Gesetz nicht vor.

Vgl. dazu OVG NRW, Beschlüsse vom 5.2.1999 - 4 A 1168/96 -, GewArch 1999, 205, und vom 14.2.2000 - 4 A 93/99 -, GewArch 2000, 255; BT-Drucks. 13/9975, S. 7; ferner Jahn, GewArch 2005, 169 (173) und 221 (223).

Aus dem Wortlaut der Privilegierungsregelung des § 3 Abs. 4 Satz 3 IHKG folgt nicht, dass diese grundsätzliche Aussage des § 3 Abs. 3 Satz 2 IHKG eingeschränkt werden soll.

Hätte der Gesetzgeber für Freiberufler im Sinne von § 3 Abs. 4 Satz 3 IHKG zwingend eine Privilegierung auch für den Grundbeitrag vorsehen wollen, so hätte er dies - und insoweit unter Einschränkung des in § 3 Abs. 3 Satz 2 IHKG verankerten weiten Ermessens einer IHK für die Regelung des Grundbeitrags - ausdrücklich anordnen müssen. Aus dem Wortlaut von § 3 Abs. 4 Satz 3 IHKG ergibt sich dies jedenfalls nicht. Diese Regelung gilt für den Grundbeitrag und die Umlage gleichermaßen. Da die Umlage immer am Gewerbeertrag/Gewinn orientiert ist (vgl. § 3 Abs. 3 Satz 6 IHKG), muss die Privilegierungsregelung bezogen auf die Umlage immer "greifen" und erklärt insoweit den Wortlaut. Was für die Umlage gilt, kann allerdings nicht undifferenziert auf den Grundbeitrag übertragen werden.

Der Grundbeitrag war ursprünglich eine allgemeine "Grundlast", die alle Kammerzugehörige - oder zumindest die Vollkaufleute unter ihnen - traf. Er ist nach dem gesetzgeberischen Willen ein eigenständiges Finanzierungsinstrument (vgl. § 3 Abs. 3 Satz 1 IHKG).

Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 14.2.2000 - 4 A 93/99 -, GewArch 2000, 255; BT-Drucks. 13/9975 S. 7; Frentzel/Jäkel/Junge, IHKG, 6. Aufl., § 3 Rn. 48, 52 u. 55.

Dafür, dass mit der Regelung in § 3 Abs. 4 Satz 3 IHKG der Gesetzgeber die Differenzierung zwischen Grundbeitrag und Umlage - wenn auch nur bezogen auf eine bestimmte Gruppe von Mitgliedern - zwingend aufgeben wollte, ist nichts ersichtlich.

So auch VG Berlin, Urteil vom 3.3.2005 - VG 11 A 48.05 -, GewArch 2005, 345; vgl. dazu auch BT-Drucks. 13/9975, S. 7.

Die Privilegierungsregelung setzt nicht unmittelbar bei dem Grundbeitrag an, sondern sie bezieht sich allein auf ein bestimmtes Bemessungskriterium, nämlich auf den Gewerbeertrag bzw. den Gewinn aus Gewerbebetrieb. Es erfolgt damit keine direkte Reduzierung des Grundbeitrags, sondern eine der möglichen Bemessungsgrundlagen wird reduziert. Dies kann dann, muss allerdings nicht - entscheidend ist die "Breite" der jeweiligen Beitragsgruppe und die konkrete Höhe der zu reduzierenden Bemessungsgrundlage -, zu einer Reduzierung des Grundbeitrags führen. Damit kann die Privilegierung in Bezug auf den Grundbeitrag immer dann nicht greifen, wenn die Haushaltssatzung entweder überhaupt keine Grundbeitragsstaffelung oder aber eine, die sich nicht am Gewerbeertrag bzw. Gewinn aus Gewerbebetrieb orientiert, vorsieht.

So auch VG Leipzig, Urteil vom 14.11.2002 - 5 K 1320/01 -; VG Freiburg, Urteil vom 7.10.2004 - 7 K 1559/04 -, GewArch 2005, 343; VG Berlin, Urteil vom 3.3.2005 - VG 11 A 48.05 -, GewArch 2005, 345; vgl. dazu ferner Drexler/König, GewArch 2004, 461 (465 f.), und GewArch 2005, 320 f; Frentzel/Jäkel/Junge, a.a.O., § 3 Rn. 98 (zu § 3 Abs. 4 Satz 2 IHKG); Jahn, GewArch 2005, 221 (224, Fn. 225).

Bedenken, eine IHK könnte nicht berechtigt sein, über die Ausgestaltung der Beitragsregelung zum Grundbeitrag für Kammermitglieder i. S. v. § 3 Abs. 4 Satz 3 IHKG Einfluss auf die Einräumung einer Privilegierung zu nehmen, bestehen somit nicht.

Vgl. dazu Jahn, GewArch 2005, 221 (224).

Der Beitragsfreistellungsregelung in § 3 Abs. 3 Satz 3 Hs. 2 IHKG ist jedenfalls zu entnehmen, dass Kammerzugehörige, die im Handelsregister eingetragen sind, grundsätzlich auch beitragspflichtig sein sollen.

Vgl. dazu auch Frentzel/Jäkel/Junge, a.a.O., § 3 Rn. 74.

Die Beklagte hat von der ihr eingeräumten Staffelungsbefugnis für diejenigen Kammerzugehörigen, die im Handelsregister eingetragen sind, dahingehend Gebrauch gemacht, dass sie für diese in den jeweiligen Haushaltssatzungen (1999 und 2002) zwei Grundbeitragsgruppen vorsieht, die wiederum je nach der Anzahl der Beschäftigten und der Bilanzsumme bzw. der Umsatzerlöse des Mitglieds zur Anwendung kommen. Da sie also von einer Staffelung des Grundbeitrags nach Gewerbeertrag, hilfsweise Gewinn aus Gewerbebetrieb, abgesehen hat, fehlt es an dieser Bemessungsgrundlage, auf die sich allein § 3 Abs. 4 Satz 3 IHKG bezieht.

Eine Grundbeitragsregelung, die für in das Handelsregister eingetragene Kammerzugehörige nur noch eine weitere Beitragsstufe ab einer bestimmten Anzahl von Beschäftigten vorsieht, wenn zugleich die Bilanzsumme oder aber die Umsatzerlöse einen bestimmten Wert erreicht haben (Haushaltssatzungen der Beklagten für das Rechnungsjahr 1999 unter III. 2. und 3.; für das Haushaltsjahr 2002 unter III. 2. und 3.), ist danach zulässig.

Vgl. dazu Jahn, GewArch 2005, 221 (224); vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 14.2.2000 - 4 A 93/99 -, GewArch 2000, 255.

Ein Verstoß dieser Regelung gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG in Bezug auf solche Freiberufler, die zwar nicht im Handelsregister eingetragen sind, auf die aber die nach Gewerbeertrag/Gewinn orientierte Beitragsregelung (Haushaltssatzung der Beklagten unter Ziff. II. und III. 1.) mit der Folge einer dann zwingend vorgeschriebenen Privilegierung anzuwenden sei - wie das VG meint -, kann bereits deshalb nicht vorliegen, weil es diese Vergleichsgruppe nicht geben kann. Denn nach § 2 Abs. 2 IHKG gehören Freiberufler nur dann zur IHK, soweit sie in das Handelsregister eingetragen sind.

So auch VG Freiburg, Urteil vom 7.10.2004 - 7 K 1559/04 -, GewArch 2005, 343; Drexler/König, GewArch 2004, 461 (465).

Deshalb trifft auch der auf dieser (unzutreffenden) Annahme beruhende weitere Schluss des VG nicht zu, dass deshalb das Merkmal der Handelsregistereintragung bei Kammerzugehörigen im Sinne von § 3 Abs. 4 Satz 3 IHKG kein zulässiger Gradmesser für die Leistungskraft sein kann.

Vgl. dazu Jahn, GewArch 2005, 221 (224 Fn. 225).

Nicht das Kriterium der Leistungskraft war Grund für die Privilegierung, sondern es sollte der Doppelbelastung der Freiberufler aufgrund der gewählten Rechtsform Rechnung getragen werden.

Vgl. BT-Drucks. 13/9975, S.9

Der angefochtene Bescheid ist auch im Übrigen rechtmäßig.

Soweit die Klägerin (erstinstanzlich) geltend gemacht hat, sie habe keine Vorteile aus der Tätigkeit der Beklagten, ist darauf hinzuweisen, dass als Folge der Wahrnehmung eines am Gemeinwohl orientierten Gesamtinteresses der gewerblichen Wirtschaft durch eine IHK ein messbarer wirtschaftlicher Vorteil des einzelnen Kammermitgliedes nicht verlangt werden kann. Vielmehr liegt es in der Natur der Sache, dass sich aufgrund einer Tätigkeit im Interesse aller Mitglieder ein Vorteil für das einzelne Mitglied regelmäßig nur mittelbar ergeben wird bzw. auch nur vermutet werden kann.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.7.1998, - 1 C 32.97 -, GewArch 1998, 410 = NJW 1998, 3510; OVG NRW, Beschluss vom 17.9.1997 - 4 A 2104/97 -, Ez GewR § 2 I IHKG Nr. 16.

Auch der weitere Einwand der Klägerin, dass ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vorliege, weil - anders als bei gemischtgewerblichen Betrieben, die sowohl Pflichtmitglied einer Handwerkskammer als auch einer IHK seien - die Beklagte nichts unternommen habe, um mit der Steuerberaterkammer eine Regelung zur Vermeidung von "Beitragsmehrfacherhebungen" zu treffen, greift nicht durch. Die von der Klägerin angesprochene Praxis bei der Veranlagung von Handwerkerkaufleuten beruht auf der Regelung in § 3 Abs. 4 Satz 1 IHKG. Für die durch diese Regelung vorgegebene unterschiedliche Behandlung von Handwerkerkaufleuten einerseits und den in handelsrechtlicher Form tätigen Freiberuflern andererseits bestehen aber sachliche Gründe. Der Gesetzgeber hat nämlich zu Recht die überbetriebliche Organisation und Interessenwahrnehmung der Handwerker, soweit sie handwerklich tätig sind, generell, d. h. auch in Bezug auf die in handelsrechtlicher Form tätigen Handwerker, als durch Handwerkskammer (und Innung) in ausreichendem Umfang gewahrt angesehen, hinsichtlich der Kammern der sogenannten Freien Berufe aber insofern eine abweichende Bewertung vornehmen dürfen. Denn die berufsständischen Kammern haben in der Regel ihren Schwerpunkt in der berufsbezogenen Betreuung ihrer Mitglieder, wie § 76 StBerG hinsichtlich der Steuerberaterkammern zeigt (vgl. etwa auch § 6 Abs. 1 HeilBerG für die Ärzte-, Apotheker-, Tierärzte-, Psychotherapeuten- und Zahnärztekammern). Demgegenüber handelt es sich bei Handwerkskammern und Industrie- und Handelskammern jeweils um Kammern der gewerblichen Wirtschaft mit weitgehend deckungsgleichen Aufgaben, wie ein Vergleich der maßgeblichen Regelungen in § 91 HwO und § 1 IHKG ergibt.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24.2.1997 - 25 A 2531/94 -, NVwZ-RR 1997, 473 = GewArch 1997, 200; Drexler/König, GewArch 2004, 461(463); vgl. zur "Doppelmitgliedschaft" ferner Jahn, GewArch 2005, 169 (171 f.).

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