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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 18.12.2006
Aktenzeichen: 4 B 1019/06
Rechtsgebiete: GewO, SpielV, OBG


Vorschriften:

GewO § 15 Abs. 2
GewO § 33 i
SpielV § 9 Abs. 2
OBG § 14 Abs. 1
OBG § 17 Abs. 1
1. Die Ordnungsbehörde kann dem Betreiber einer Spielhalle die Durchführung einer sog. Jackpot-Verlosung untersagen.

2. Dies gilt auch dann, wenn die Verlosung von einem Dritten durchgeführt wird und jedermann unentgeltlich dran teilnehmen kann.


Tatbestand:

Die Antragstellerin betreibt eine Spielhalle, in der durch eine andere Firma, die X-GmbH, eine Verlosung von Geldgewinnen durchgeführt wird (sog. Jackpot-Verlosung). Die Teilnahme an der Verlosung ist unentgeltlich. Beteiligen kann sich jeder, der sich in der Spielhalle aufhält, unabhängig davon, ob er die dort aufgestellten Spielgeräte nutzt. Eine technische Koppelung zwischen der Jackpot-Verlosung und anderen Spielgeräten besteht ebenfalls nicht. Die Antragsgegnerin untersagte der Antragstellerin unter Anordnung der sofortigen Vollziehung, die fragliche Verlosung durchzuführen. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das VG ab. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das OVG zurück.

Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe - nur diese hat der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO zu prüfen - rechtfertigen keine für sie günstige Entscheidung.

Die Antragsgegnerin hat in ihrer Ordnungsverfügung, auf die das VG Bezug genommen hat, als Rechtsgrundlage sowohl § 15 Abs. 2 GewO als auch § 14 Abs. 1 OBG angeführt. § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO, der auch eine Teilschließung zulässt, vgl. BVerwG, Urteil vom 21.6.2006 - 6 C 19.06 -, NVwZ 2006, 1175, 1177 Rdnr. 39, käme als Ermächtigungsgrundlage allerdings nur dann in Betracht, wenn die Durchführung der Jackpot-Verlosung der vorherigen Zulassung bedarf und diese nicht erfolgt ist. Ob diese Voraussetzungen hier vorliegen, bedarf keiner Entscheidung, weil die Antragsgegnerin jedenfalls nach § 14 Abs. 1 OBG die Verlosung unterbinden durfte; die Gewerbeordnung selbst enthält - abgesehen von der Möglichkeit, nachträglich Auflagen zur Spielhallenerlaubnis zu erteilen - keine Ermächtigung zum Einschreiten.

Zur ergänzenden Heranziehung landesrechtlichen Ordnungsrechts vgl.: BVerwG, Urteil vom 21.6.2006 - 6 C 19.06 -, aaO, S. 1176 Rdnr. 32 f., sowie Beschluss vom 17.3.1993 - 1 B 33.93 -, GewArch 1995, 111; OVG NRW, Beschluss vom 13.2.1997 - 4 A 762/96 -, NWVBl. 1998, 64 = NVwZ-RR 1998, 102; Hahn, in: Friauf, GewO, § 33 i Rdnr. 46 (Stand: April 2006).

§ 9 Abs. 2 SpielV i. d. F. vom 27.1.2006 (BGBl. I S. 280), auf den die Antragsgegnerin im Tenor ihrer Ordnungsverfügung verweist, kann hingegen nicht Rechtsgrundlage für ein Einschreiten sein. Es handelt sich um eine reine Verbotsnorm, die selbst nicht bestimmt, dass und ggfls. welche Maßnahmen bei Verstößen ergriffen werden dürfen.

Werden in einer Spielhalle sonstige Gewinnchancen in Aussicht gestellt bzw. Zahlungen oder sonstige finanziellen Vergünstigungen gewährt, so liegt eine Störung der öffentlichen Sicherheit im Sinne des § 14 Abs. 1 OBG vor, wenn dadurch eine übermäßige Ausnutzung des Spieltriebs im Sinne des § 33 i Abs. 2 Nr. 3 GewO zu befürchten ist. § 9 Abs. 2 SpielV richtet sich zwar nicht an den Spielhallenbetreiber, sondern u.a. an denjenigen, der Spielgeräte aufstellt. Das muss nicht zugleich der Spielhallenbetreiber sein.

Vgl. auch Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO, § 33c Rdnr. 7 und 8 (Stand: November 2005).

Werden aber in einer Spielhalle Gewinnchancen in Aussicht gestellt bzw. Zahlungen oder sonstige finanziellen Vergünstigungen gewährt, so handelt es sich auch um ein Element der Betriebsführung.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. 11.2005 - 6 C 8.05 -, NVwZ 2006, 600 zu einer ähnlichen Problematik bei Auflagen zur Spielhallenerlaubnis.

Ob unter diesem Gesichtspunkt eine Störung der öffentlichen Sicherheit vorliegt, hat das VG nicht geprüft. Das Beschwerdevorbringen verhält sich dazu ebenfalls nicht. Deshalb besteht auch für den Senat kein Anlass, dieser Frage weiter nachzugehen

Unabhängig davon stört die erwähnte Art der Betriebsführung in jedem Falle die öffentliche Ordnung im Sinne des § 14 Abs. 1 OBG. Ungeachtet der Tatsache, dass sich das Verbot in § 9 Abs. 2 SpielV u.a. nur an den Aufsteller von Spielgeräten richtet, ist der Vorschrift eine allgemeine Wertentscheidung dahingehend zu entnehmen, dass diese Form der Betriebsführung mit den Regeln über ein geordnetes menschliches Zusammenleben nicht zu vereinbaren ist. Denn das Verbot in § 9 Abs. 2 SpielV verfolgt letztlich nur einen Zweck, nämlich einen Spielbetrieb zu verhindern, bei dem sonstige Gewinnchancen in Aussicht gestellt bzw. Zahlungen oder sonstige finanziellen Vergünstigungen gewährt werden.

Die Durchführung der Jackpot-Verlosung in der Spielhalle der Antragstellerin durch die X-GmbH ist mit § 9 Abs. 2 SpielV nicht zu vereinbaren und stellt deshalb eine Störung der öffentlichen Ordnung dar.

Nach dieser Vorschrift darf der Aufsteller eines Spielgerätes oder der Veranstalter eines anderen Spieles dem Spieler neben der Ausgabe von Gewinnen über gemäß den §§ 33c und 33d GewO zugelassene Spielgeräte oder andere Spiele keine sonstigen Gewinnchancen in Aussicht stellen und keine Zahlungen oder sonstige finanziellen Vergünstigungen gewähren.

Die Antragstellerin meint, § 9 Abs. 2 SpielV sei schon deshalb nicht betroffen, weil jedermann unentgeltlich an der Verlosung teilnehmen könne, während die Vorschrift nur "Spieler" in den Blick nehme. Der Senat teilt diese Auffassung nicht.

Die Unentgeltlichkeit der Teilnahme mag zur Folge haben, dass die Verlosung als solche keiner Erlaubnis bedarf und auch keinen Straftatbestand verwirklicht. Sie ändert aber nichts daran, dass im Sinne des § 9 Abs. 2 SpielV sonstige Gewinnchancen in Aussicht gestellt werden. Ebenso unergiebig ist der Hinweis, die Jackpot-Verlosung als solche führe wegen der Unentgeltlichkeit der Teilnahme nicht zu einer Vermögensgefährdung; denn dies wird in § 9 Abs. 2 SpielV auch nicht verlangt.

Spieler im Sinne des § 9 Abs. 2 SpielV ist nicht nur derjenige, der gerade an einem Spielgerät im Sinne des § 33 c GewO spielt oder an einem anderen Spiel im Sinne des § 33 d GewO teilnimmt, sondern jede Person, die sich in der Spielhalle aufhält und deshalb als potentieller Spieler in Betracht kommt. § 9 Abs. 2 SpielV verwendet den Begriff des Spielers im Zusammenhang mit den §§ 33 c und 33 d GewO. Dies schließt es nach Auffassung des Senats aus, eine Person allein deshalb als Spieler zu qualifizieren, weil sie an der Jackpot-Verlosung teilnimmt.

So aber LG Osnabrück, Urteil vom 10.3.2006 - 15 O 180/06 -, (www.gluecksspiel-und-recht.de).

Die Spielereigenschaft muss vielmehr in Bezug auf die in den §§ 33 c und 33 d GewO genannten Geräte bzw. anderen Spiele vorliegen. Dass ist allerdings auch dann der Fall, wenn die betreffende Person gerade nicht aktiv mit dem Spielgeschehen befasst ist, sich aber in der Spielhalle aufhält und damit als potentieller Spieler gelten muss. Nur dieses Verständnis entspricht dem mit der Regelung verfolgten Zweck, wie er sich aus den zu Grunde liegenden Materialien erschließt.

§ 9 Abs. 2 SpielV war im ursprünglichen Entwurf, den das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit erstellt hatte, nicht enthalten.

Vgl. BR-Drucks. 655/05 vom 30.8.2005.

Die Vorschrift geht auf eine Empfehlung des Wirtschaftsausschusses, des Ausschusses für Arbeit und Sozialpolitik, des Finanzausschusses und des Ausschusses für Innere Angelegenheiten vom 4.10.2005, BR-Drucks. 655/1/05, und auf einen Antrag des Freistaats Bayern vom 12.10.2005, BR-Drucks. 655/2/05, zurück. Ausweislich der Begründungen dient die Regelung dem Spielerschutz (Eindämmung des Spieltriebs) und soll sicherstellen, dass insbesondere die Gewinn- und Verlustgrenzen des § 13 SpielV nicht umgangen werden. Das Verbot gilt zudem unabhängig vom einzelnen Spiel. Weiter heißt es in der Begründung: "Das Verbot betrifft vor allem die sogenannten Jackpots, die in jüngster Zeit verstärkt Verbreitung finden. Jackpots und ähnliche Sonderzahlungen sind unabhängig von der jeweiligen formal-rechtlichen Ausgestaltung - im Hinblick auf die gesteigerten Spielanreize und das damit verbundene erhöhte Suchtpotenzial - höchst bedenklich. Sie sind insbesondere geeignet, bei den Spielern den Eindruck zu erwecken, dass für die Geldspielgeräte die Gewinn- und Verlustbegrenzungen der SpielV nicht mehr gelten."

Deshalb kann es nicht darauf ankommen, ob die sonstigen Gewinnchancen vor, während oder nach dem Spiel an einem Spielgerät im Sinne des § 33 c GewO bzw. der Teilnahme an einem anderen Spiel im Sinne des § 33 d GewO in Aussicht gestellt werden. Denn die in der Begründung angeführten Gesichtspunkte sind in allen diesen Fällen gleichermaßen von Bedeutung. Soll die Regelung des § 9 Abs. 2 SpielV nicht praktisch ins Leere gehen, so muss sie zum Beispiel auch solche Personen als Spieler erfassen, die sich zunächst (nur) an der Jackpot-Verlosung beteiligen; es muss nämlich damit gerechnet werden, dass sie - dies ist gerade der Zweck des Spielhallenbetriebs - anschließend an Spielgeräten spielen werden (potentielle Spieler). Bei der Jackpot-Verlosung handelt es sich nämlich, wie auch die Antragstellerin einräumt, um eine Werbemaßnahme, die nach Überzeugung des Senats nur dazu dient, neue Kunden zu werben bzw. alte Kunden zu binden und diese an die in der Spielhalle vorhandenen Geräte heranzuführen. Aus den vorstehenden Überlegungen folgt zugleich, dass eine Jackpot-Verlosung auch dann nicht mit § 9 Abs. 2 SpielV zu vereinbaren ist, wenn sie allein nach dem Grundsatz der zufälligen Entscheidung durchgeführt wird, insbesondere also mit anderen Spielgeräten technisch nicht gekoppelt ist.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist § 9 Abs. 2 SpielV, so wie die Vorschrift nach Ansicht des Senats auszulegen ist, durch eine gesetzliche Ermächtigung gedeckt. Die Regelung beruht, soweit vorliegend von Bedeutung, auf § 33 f Abs. 1 Nr. 2 GewO; denn sie regelt den Umfang der Befugnisse und Verpflichtungen bei der Ausübung des Gewerbes.

Zweifel an der ordnungsrechtlichen Verantwortlichkeit der Antragstellerin, die die Durchführung der Jackpot-Verlosung durch einen Dritten veranlasst hat, bestehen nicht (§ 17 Abs. 1 OBG).

Ende der Entscheidung

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