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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 13.12.2002
Aktenzeichen: 4 B 1844/02
Rechtsgebiete: StGB, SportWG (NRW), Einigungsvertragsgesetz
Vorschriften:
StGB § 284 | |
SportWG (NRW) § 1 Abs. 1 | |
SportWG (NRW) § 1 Abs. 2 | |
Einigungsvertragsgesetz Art. 19 Satz 1 |
2. Eine in einem Bundesland erteilte Erlaubnis gilt räumlich nur für das Gebiet dieses Landes.
3. Eine vor der Wiedervereinigung in der DDR erteilte Erlaubnis zum Veranstalten von Sportwetten gilt nicht nach Art. 19 Satz 1 EV im ganzen Bundesgebiet.
Tatbestand:
Die Antragstellerin betreibt eine Wettannahmestelle in einer Stadt in Nordrhein-Westfalen, in der sie Wettangebote von Wettinteressenten entgegennimmt und an einen Wettveranstalter in der ehemaligen DDR weiterleitet. Dies wurde ihr durch Ordnungsverfügung, deren sofortige Vollziehung angeordnet war, untersagt. Das VG lehnte ihren Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ab. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.
Gründe:
Das Vorbringen der Antragstellerin rechtfertigt keine Änderung des angefochtenen Beschlusses.
Die Sportwette/Oddset-Wette ist ein Glücksspiel im Sinne von § 284 StGB. Im Gegensatz zum Geschicklichkeitsspiel, bei dem die Entscheidung über Gewinn und Verlust des Spiels nach den Spielbedingungen wesentlich von den geistigen und körperlichen Fähigkeiten, den Kenntnissen, der Übung und der Aufmerksamkeit des Spielers abhängt, ist das Glücksspiel dadurch geprägt, dass der Erfolg allein oder jedenfalls überwiegend vom Zufall abhängt.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 23.8.1994 - 1 C 18.91 -, BVerwGE 96, 293 (295), = GewArch 1995, 22, vom 28.3.2001 - 6 C 2.01 -, BVerwGE 114, 92 (97), = GewArch 2001, 334 (335), und vom 24.10.2001 - 6 C 1.01 -, GewArch 2002, 76 (78); BFH, Urteil vom 19.6.1996 - II R 29/95 -; Hess.VGH, Urteil vom 26.10.2000 - 8 UE 3924/95 -, GewArch 2001, 200.
Dies ist bei der Sportwette der Fall, wie das BVerwG im Urteil vom 28.3.2001, a.a.O., überzeugend ausgeführt hat.
Ebenso BGH, Urteil vom 14.3.2002 - I ZR 279/99 -, NJW 2002, 2175; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 24.10.1990 - 2 A 10034/90 -, GewArch 1991, 99 (100); Bay.VGH, Urteil vom 30.8.2000 - 22 B 00.1833 -, GewArch 2001, 65 (66); OVG SA, Beschluss vom 28.1. 002 - 1 M 2/02 -, GewArch 2002, 199; Fischer in GewArch 2001, 157; Tröndle/Fischer, StGB und Nebengesetze, 50. Aufl. 2001, Rn. 7 zu § 284 StGB.
Der abweichenden Auffassung des AG Karlsruhe-Durlach vgl. Urteil vom 13.7.2000 - 1 Ds 26 Js 31893/98 -, GewArch 2001, 134, folgt der Senat nicht, weil diese auf einer anderen Definition des Glücksspiels beruht.
Veranstalten im Sinne von § 284 Abs. 1 StGB bedeutet, dass jemand verantwortlich und organisatorisch den äußeren Rahmen für die Abhaltung des Glücksspiels schafft und dem Publikum Gelegenheit zur Beteiligung am Glücksspiel gibt.
Vgl. RG, Urteil vom 23.12.1901 - Rep. 4131/01 -, RGSt 35, 44 (45), zur Lotterie; BayObLG, Urteil vom 11.2.1993 - 5 StRR 170/92 -, NJW 1993, 2820 (2821); Tröndle/Fischer, a.a.O., Rn. 11 zu § 284 und Strafgesetzbuch, LK, 11. Aufl. 1998, Rn. 18 zu § 284, jeweils m.w.N.
Dies hat der in G. (Thüringen) ansässige Wettunternehmer durch Einschaltung der Antragstellerin als Vermittlerin getan; denn diese betreibt auf Grund des mit dem Wettunternehmer geschlossenen Vertrages die Wettannahmestelle.
Der Wettunternehmer veranstaltet das Glücksspiel nicht nur in G., sondern auch in Nordrhein-Westfalen; denn Ort der Begehung einer Straftat i.S.v. § 9 Abs. 1 StGB ist jeder Ort, an dem irgendein Teil des strafbaren Tatbestandes verwirklicht worden ist.
Vgl. RG, Urteil vom 2.3.1933 - II 834/32 -, RGSt 67, 130 (138).
Da die Veranstaltung eines Glücksspiels in der Schaffung aller Einrichtungen besteht, durch die dem Publikum der Abschluss der Spielverträge ermöglicht wird, kann sich die Gesamttätigkeit des Veranstalters derart verteilen, dass an verschiedenen Orten Anstalten getroffen werden, um dort den Abschluss je eines Teils der Verträge zu bewirken. Dann hat aber die Veranstaltung i.S.v. § 284 Abs. 1 StGB an jedem Ort stattgefunden, an dem Einrichtungen als Bestandteile des einheitlichen Gesamtunternehmens geschaffen wurden.
Vgl. RG, Urteil vom 18.10.1909 - I 75/09 -, RGSt 42, 431 (433).
Demnach hat der außerhalb Nordrhein-Westfalens ansässige Wettunternehmer durch Abschluss des Vermittlungsvertrages mit der Antragstellerin, der damit verbundenen Schaffung der Vermittlungsagentur in Nordrhein-Westfalen und Einladung zur Abgabe von Vertragsangeboten an die Wettinteressenten bereits den Tatbestand des öffentlichen Veranstaltens eines Glücksspiels in Nordrhein-Westfalen erfüllt.
Vgl. BGH, Urteil vom 14.3.2002, a.a.O.; OLG Braunschweig, Urteil vom 10.9.1954 - Ss 128/54 -, NJW 1954, 1777; VG Saarlouis, Urteil vom 17.1.2000 - 1 K 78/99 -, GewArch 2001, 197.
Das Glücksspiel wird auch ohne behördliche Erlaubnis in Nordrhein-Westfalen veranstaltet; denn die dem Wettunternehmer erteilte Erlaubnis gilt nicht in Nordrhein-Westfalen und über eine Erlaubnis nach §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 2 SportWG NRW verfügt dieser nicht.
Das Recht der Sportwette fällt in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder. Dabei kann offen bleiben, ob es als Recht zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder (Art. 70 GG) fällt, vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.3.1970 - 2 BvO 1/75 -, BVerfGE 28, 119 (147), zum Spielbankenrecht, oder als Recht der Wirtschaft Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung ist (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) und - da der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit insoweit keinen Gebrauch gemacht hat - auch als solches in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder gehört, so dass Nordrhein-Westfalen befugt war, das Sportwettengesetz NRW zu erlassen (vgl. Art. 72 Abs. 1 GG). Die Ausübung der sich daraus ergebenden staatlichen Befugnisse steht deshalb ebenfalls dem Lande Nordrhein-Westfalen zu (vgl. Art. 30 GG).
Eine Erlaubnis nach dem Sportwettengesetz NRW, in Nordrhein-Westfalen Sportwetten zu veranstalten, hat der Wettunternehmer, für den die Antragstellerin Sportwetten vermittelt, aber nicht und kann sie gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 SportWG NRW auch nicht erwerben, weil danach Träger des Wettunternehmens nur eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder eine juristische Person des privaten Rechts sein kann, deren Anteile überwiegend juristischen Personen des öffentlichen Rechts gehören. Hierzu zählt der auswärtige Wettunternehmer nicht. Ob dieser Ausschluss von Privaten als Veranstalter von Sportwetten verfassungsrechtlich hingenommen werden kann, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Selbst wenn das Gesetz wegen Verstoßes gegen das Grundgesetz nichtig wäre, besäße der auswärtige Wettunternehmer keine nach § 284 StGB erforderliche Erlaubnis. Die Strafbarkeit wegen Veranstaltens von unerlaubten Glücksspielen bliebe bestehen. So hielt es das BVerfG, Beschluss vom 19.7.2000 - 1 BvR 539/96 -, BVerfGE 102, 197 (223), für erforderlich, trotz Nichtigerklärung des baden-württembergischen Spielbankgesetzes im Wege einer Anordnung nach § 35 BVerfGG eine Übergangsregelung zu treffen, damit die Beschwerdeführer die Spielbanken, ohne sich nach § 284 StGB strafbar zu machen, fortführen konnten.
Vgl. auch BGH, Urteil vom 14.3.2002, a.a.O.
Grundsätzlich ist die Verwaltungshoheit eines Bundeslandes auf sein eigenes Gebiet beschränkt.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.3.1960 - 2 BvG 1/57 -, BVerfGE 11, 6 (19); Lerche in von Mangoldt/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 83 Rn. 49; Ule in JZ 1961, 622 (623) und Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 2, 6. Aufl., § 48 Rn. 48, jeweils unter Anführung des Territorialprinzips; Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, in HStR IV, § 98 Rn. 33, unter Hinweis auf das bundesstaatliche Gebietskonzept; Broß in von Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar, Band 3, 3. Aufl., Rn. 6 zu Art. 83, unter Bezugnahme auf den insoweit beschränkten Kompetenzbereich der Länder; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 4.10.1965 - VIII C 112.64 -, BVerwGE 22, 117 (125 f.).
Deshalb können von einem Bundesland erlassene Verwaltungsakte (z.B. Erlaubnisse) grundsätzlich räumlich nur in diesem Land gelten. Dies hat zur Folge, dass es z.B. für die in einem Bundesland erworbenen Schul- und Hochschulabschlüsse einer besonderen Anerkennung durch die anderen Bundesländer bedarf, wenn diese Abschlüsse auch dort gelten sollen.
Vgl. Broß, a.a.O.; Isensee, a.a.O., Rn. 41 f.
Etwas anderes, nämlich eine Erstreckung der Geltung eines Landeshoheitsakts auf das gesamte Bundesgebiet, gilt lediglich in dem hier nicht gegebenen Fall des Vollzugs eines Bundesgesetzes, BVerfG, Urteil vom 15.3.1960, a.a.O., ferner wenn die Erstreckung eines Landesakts auf das gesamte Bundesgebiet wie z.B. in § 160 GVG ausdrücklich angeordnet ist, vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 5.11.1965 - VII C 119.64 -, BVerwGE 22, 299 (307), was hier ebenfalls ausscheidet. Weiter hat das BVerwG im vorgenannten Urteil (a.a.O., S. 308) entschieden: "... dass die Länder nach dem Grundgesetz auch in der Lage sein sollen, solche für das ganze Bundesgebiet zu erfüllende Aufgaben in einer der Notwendigkeit entsprechenden Weise zu erfüllen. ... Es kommt hinzu, dass im Hinblick auf Art. 30 GG neue, nicht vorhergesehene staatliche Aufgaben nicht ausgeschlossen werden können, die nur einheitlich oder von einer zentralen Stelle für das Bundesgebiet erfüllt werden können, für die aber der Bund nicht zuständig ist und - jedenfalls in der gebotenen Zeitkürze - auch nicht zuständig gemacht werden kann. Dies nötigt zu einer Auslegung und Handhabung des Grundgesetzes, die den Ländern sowohl übereinstimmende einheitliche Regelungen wie die Einrichtung zentraler Stellen für die Erfüllung einer solchen Aufgabe ermöglicht."
Auch die letztgenannte Voraussetzung ist nicht erfüllt. Deshalb bleibt es Ländersache, diese Materie lediglich mit Wirkung für das Landesgebiet zu regeln.
Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus Art. 19 Satz 1 EV. Danach bleiben vor dem Wirksamwerden des Beitritts der DDR dort ergangene Verwaltungsakte wirksam. Bereits dem Wortlaut dieser Bestimmung ist nicht zu entnehmen, dass Verwaltungsakte der DDR nunmehr im gesamten Bundesgebiet gelten sollen. Auch Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen nicht für ein derartiges Verständnis, insbesondere gebieten weder die Rechtseinheit noch die Gleichbehandlung zwischen den alten und neuen Bundesländern eine derartige Auslegung. Sinn und Zweck der Regelung bestehen darin, DDR-Verwaltungsakte grundsätzlich ebenso zu behandeln wie Verwaltungsakte, die vor der Wiedervereinigung in den alten Bundesländern erlassen worden sind.
So Dietlein, in BayVBl 2002, 161 (167); wohl auch BVerwG, Urteil vom 15.10.1997 - 7 C 21.86 -, BVerwGE 105, 255 = NJW 1998, 253, wonach Verwaltungsakten der DDR nach Art. 19 Satz 1 EV grundsätzlich ebenso Geltung im gesamten (erweiterten) Bundesgebiet zukommt, wie dies für Verwaltungsakte zutrifft, die bis zum 3.10.1990 von der Behörde eines alten Bundeslandes erlassen worden sind.
Art. 19 Satz 1 EV soll keine räumliche Ausweitung der "Regelung" eines DDR-Verwaltungsakts bewirken, jedenfalls dann nicht, wenn bei räumlicher Teilbarkeit der Maßnahme die räumliche Beschränkung auf das Gebiet der DDR Inhalt der Maßnahme war und der Einigungsvertrag nicht ausdrücklich eine räumliche Erweiterung vorsieht.
Vgl. P.u.U. Stelkens, in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 5. Aufl., § 35 Rn. 266, sowie Sachs, a.a.O., § 43 Rn. 233b.
Gegenteiliges ist auch nicht der Entscheidung des BVerwG vom 15.10.1997, a.a.O., zu entnehmen. Zwar hat das BVerwG in dieser Entscheidung in Bezug auf einen statusbildenden Verwaltungsakt die Ansicht vertreten, Art. 19 Satz 1 EV sei keine Begrenzung des räumlichen Anwendungsbereichs von DDR-Verwaltungsakten zu entnehmen, vielmehr komme solchen Akten grundsätzlich im gesamten (erweiterten) Bundesgebiet ebenso Geltung zu, wie dies auch für Verwaltungsakte zutreffe, die bis zum 3.10.1990 von Behörden eines alten Bundeslandes erlassen worden seien. Die bundesweite Geltung des in Rede stehenden DDR-Verwaltungsakts hat es aber nicht aus Art. 19 Satz 1 EV, sondern aus dem statusbildenden Charakter des Verwaltungsakts hergeleitet. Es wäre auch nur schwer verständlich, wenn eine Sportwettenerlaubnis der DDR nunmehr im gesamten Bundesgebiet gelten sollte, während derartige von Behörden der alten Bundesländer erteilte Erlaubnisse nur im jeweiligen Bundesland gelten. Dies würde die deutsche Rechtseinheit nicht fördern.
Vgl. Dietlein, a.a.O.
Hat der Wettunternehmer aber keine in Nordrhein-Westfalen geltende Erlaubnis zur Veranstaltung von Sportwetten, erfüllt er den Straftatbestand der unerlaubten öffentlichen Veranstaltung eines Glücksspiels gemäß § 284 Abs. 1 StGB.
Zu diesem leistet die Antragstellerin nach § 27 StGB strafbare Beihilfe, weil sie die Handlung des Haupttäters tatsächlich fördert. Ob sie darüber hinaus Einrichtungen zur Veranstaltung von Glücksspielen bereitstellt, indem sie eine Annahmestelle betreibt, dort die Wettscheine annimmt sowie nach G. übermittelt und damit Täterin ist, kann daher dahinstehen.
Ende der Entscheidung
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