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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 27.07.2004
Aktenzeichen: 5 A 3116/03
Rechtsgebiete: FSHG NRW


Vorschriften:

FSHG NRW § 1
FSHG NRW § 2 Abs. 1
Zum Ermessen der Bezirksregierung bei Zuweisung eines zusätzlichen Einsatzbereiches auf einer autobahnähnlichen Straße an öffentliche Feuerwehren.
Tatbestand:

Der Kläger und der Beigeladene unterhalten als Gemeinden jeweils eine freiwillige Feuerwehr. Die Beklagte wies auf der Grundlage des § 2 Abs. 1 FSHG vom 10.02. 1998 (GV.NRW.S. 122) der Feuerwehr des Beigeladenen die auf dem Gemeindegebiet des Klägers liegende, zu einem Autobahnkreuz führende Strecke einer Bundesstraße als zusätzlichen Einsatzbereich zu. Das Feuerwehrhaus des Beigeladenen sei für einen möglichen Einsatz auf diesem Abschnitt günstiger gelegen als das Feuerwehrhaus des Klägers. Hiergegen wehrte sich der Kläger nach erfolglosem Vorverfahren. Die Zuweisung sei ermessensfehlerhaft erfolgt. Es bestehe kein hinreichender Grund, von der Regelzuständigkeit nach § 1 FSHG abzuweichen. Die Berufung des Beklagten und des Beigeladenen gegen das der Klage stattgebende erstinstanzliche Urteil hatte Erfolg. Das OVG NRW wies die Klage ab.

Gründe:

Die Klage ist zulässig. Insbesondere kann der Kläger zulässigerweise geltend machen, das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde sei auch durch den räumlich begrenzten Entzug der Feuerwehraufgabe, die gemäß § 4 FSHG den Gemeinden als Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung obliegt, verletzt (§ 42 Abs. 2 VwGO).

Die Klage ist indes unbegründet....Ermächtigungsgrundlage für die angefochtene Zuweisung ist § 2 Abs. 1 FSHG. Danach kann die Bezirksregierung den öffentlichen Feuerwehren zusätzliche Einsatzbereiche auch auf autobahnähnlichen Straßen zuweisen. Der streitige Abschnitt der Bundesstraße ist eine solche autobahnähnliche Straße. Die Bezirksregierung hat die Entscheidung gemäß § 2 Abs. 1 FSHG nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Das Gericht prüft insoweit nur, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 114 Satz 1 VwGO). Solche Ermessensfehler liegen nicht vor. Die der Bezirksregierung in § 2 Abs. 1 FSHG eingeräumte Befugnis, abweichend von der in § 1 FSHG normierten grundsätzlichen Zuständigkeit der jeweils örtlichen Gemeinde eine Sonderzuweisung vorzunehmen, dient der Gewährleistung einer möglichst effektiven Gefahrenabwehr. Die Sonderzuweisung an eine örtlich unzuständige Feuerwehr nach § 2 Abs. 1 FSHG darf danach nur erfolgen, wenn die nach der gesetzlichen Regel örtlich zuständige Feuerwehr nicht in gleicher Weise effektiv die in dem jeweiligen Einsatzbereich möglichen Gefahren bekämpfen kann. Die Bezirksregierung muss bei ihrer Entscheidungsfindung einen Vergleich zwischen den beiden konkurrierenden Feuerwehren vornehmen. Entgegen der insoweit missverständlich formulierten Verwaltungsvorschrift zu § 18 FSHG a.F. kommt eine Zuweisung gemäß § 2 Abs. 1 FSHG nicht nur dann in Betracht, wenn die an sich zuständige örtliche Feuerwehr die Aufgabe gar nicht, sondern bereits dann, wenn sie diese Aufgabe weniger effektiv erfüllen kann. Ergibt sich auf der Grundlage eines umfassenden Vergleichs, dass die örtliche Feuerwehr die Aufgabe der Gefahrenabwehr in einem der in § 2 Abs. 1 FSHG genannten Einsatzbereiche weniger effektiv erfüllen kann als eine an sich örtlich unzuständige Feuerwehr, so hat die Gemeinde den Zuständigkeitsverlust grundsätzlich hinzunehmen. Das gemeindliche Interesse am Erhalt der ausschließlichen örtlichen Zuständigkeit innerhalb ihres Gebietes hat grundsätzlich zurückzustehen hinter der Gewährleistung einer möglichst effektiven Abwehr von Gefahren, zumal diese bei Feuer- und Unglücksfällen oftmals besonders hochrangigen Rechtsgütern wie dem Leben und der körperlichen Unversehrtheit drohen. Die Effektivität der Gefahrenabwehr hängt bei "Schadenfeuer" sowie bei Unglücksfällen und den in § 1 Abs. 1 FSHG genannten Notständen in der Regel maßgeblich auch davon ab, wie viel Zeit bis zum Einsatz der rettenden Gegenmaßnahmen verstreicht. Es ist daher sachgerecht, wenn die Bezirksregierung im Rahmen ihres Ermessens berücksichtigt, ob die örtliche Feuerwehr auf Grund eines längeren Anfahrtsweges oder anderer Erschwernisse der Zufahrt zu dem fraglichen Einsatzbereich gegenüber der ortsfremden Feuerwehr mit zeitlicher Verzögerung gelangt. Da bei Unglücks- und Notfällen oftmals schon wenige Sekunden oder Minuten über Erfolg oder Nichterfolg einer Gefahrenabwehr bzw. Rettung entscheiden, können auch solche geringen zeitlichen Vorteile eine Zuweisung nach § 2 Abs. 1 FSHG rechtfertigen.

Nach diesen Maßstäben ist die Ermessensentscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden.... Die Anfahrtsstrecke vom Feuerwehrhaus des Klägers zum Einsatzbereich ist gegenüber der Anfahrtsstrecke vom Feuerwehrhaus des Beigeladenen nicht nur länger, sondern auch wegen der von der Beklagten angeführten und vom Kläger nicht bestrittenen besonderen Verkehrsbelastung ungünstiger. Zu Recht hat die Beklagte ihre Ermessensentscheidung schließlich an der derzeit gegebenen Straßen- und Verkehrssituation ausgerichtet. Mögliche künftige Änderungen sind für die Beurteilung der maßgeblichen gegenwärtigen Situation unerheblich. Es sind auch keine anderen Gesichtspunkte ersichtlich, die im Rahmen des maßgeblichen Effektivitätsvergleichs ein Absehen von der Zuweisung geboten hätten. Freilich hängt die Effektivität der Gefahrenabwehr nicht allein von der bis zum Erreichen des Einsatzbereiches verstrichenen Frist ab. Andere Umstände, wie insbesondere die personelle und sachliche Ausstattung der jeweiligen Feuerwehren, verlangen ebenfalls Berücksichtigung. Nicht notwendig ist indes für die Begründung der Sonderzuständigkeit einer Feuerwehr, dass diese über eine ständig besetzte Wache mit hauptamtlichen Kräften verfügt. Auch die Verwaltungsvorschrift zu § 18 FSHG a.F. sieht dies nicht als zwingend an. Eine solche Vorgabe würde überdies nicht dem Charakter der von der Bezirksregierung zu treffenden Entscheidung entsprechen, da die Bezirksregierung einen Vergleich zwischen der örtlichen Feuerwehr und der außerörtlichen auf ihre jeweilige Einsatzfähigkeit anzustellen hat. Verfügt eine Feuerwehr über eine ständig besetzte Wache mit hauptamtlichen Kräften, ist dies ein wichtiges Indiz für ihre besondere Einsatzfähigkeit. Sind aber - wie hier - weder die örtliche Feuerwehr noch die konkurrierende außerörtliche Feuerwehr derart ausgestattet, scheidet dieser Gesichtspunkt als Kriterium für die im Rahmen des § 2 Abs. 1 FSHG zu treffende Entscheidung aus. Entgegen der Ansicht des VG ist es für die Zuweisungsentscheidung unerheblich, ob es in dem fraglichen Bereich in der Vergangenheit bereits zu Einsätzen gekommen ist, da ein solcher Einsatzfall in diesem Bereich in Zukunft nicht ausgeschlossen ist und die Beklagte hierfür Vorsorge treffen muss.

Ende der Entscheidung

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