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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 15.02.2007
Aktenzeichen: 5 A 636/05.A
Rechtsgebiete: AuslG, AsylVfG, VwGO, AufenthG


Vorschriften:

AuslG § 51 Abs. 1
AuslG § 53
AsylVfG § 73 Abs. 1 Satz 1
AsylVfG § 73 Abs. 2 a
AsylVfG § 73 Abs. 2 a Satz 1
VwGO § 125 Abs. 2 Satz 3
VwGO § 130 a Satz 1
VwGO § 130 a Satz 2
AufenthG § 60 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchstabe c
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
5 A 636/05.A

Beschluss

In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren

wegen Asylrecht (Serbien und Montenegro)

hier: Berufung

hat der 5. Senat des

OBERVERWALTUNGSGERICHTS FÜR DAS LAND NORDRHEIN-WESTFALEN

am 15. Februar 2007

durch

den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Bertrams, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Herkelmann-Mrowka, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann

beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Instanzen.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der am 1. März 1957 geborene Kläger ist ehemaliger jugoslawischer Staatsangehöriger moslemischer Religionszugehörigkeit und stammt aus dem Sandzak. Er reiste im Oktober 1994 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 5. Juni 1997 seine Anerkennung als Asylberechtigter. Zur Begründung gab er an, er sei wegen seiner Mitgliedschaft in der SDA und seiner Tätigkeit für diese Partei politisch verfolgt worden. Mit Bescheid vom 16. Oktober 1997 stellte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (heute: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, im Folgenden: Bundesamt) unter Ablehnung des Antrags auf Anerkennung als Asylberechtigter fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich Jugoslawien vorlägen.

Am 13. Oktober 2003 leitete das Bundesamt unter Berufung auf eine geänderte Sachlage im ehemaligen Jugoslawien ein Widerrufsverfahren ein: Weder Moslems noch SDA-Mitglieder seien im Sandzak oder anderen Landesteilen von Serbien und Montenegro staatlichen Repressionen ausgesetzt. Mit Anschreiben vom 12. November 2003 teilte das Bundesamt dem Kläger seine Absicht mit, den Bescheid vom 16. Oktober 1997 zu widerrufen, und gab Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb eines Monats. Hierauf antwortete der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Telefax vom 15. Dezember 2003, in dem er um Fristverlängerung für eine Stellungnahme bat, die aber auch in der Folgezeit nicht erfolgte. Mit Bescheid vom 28. Januar 2004 widerrief das Bundesamt die Feststellung zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und verneinte zugleich das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG.

Der Kläger hat am 13. Februar 2004 die vorliegende Klage erhoben, zu deren Begründung er geltend gemacht hat: Entgegen den Ausführungen im Bescheid müsse er bei Rückkehr in seinen Heimatstaat mit politischer Verfolgung rechnen. Zwar seien seit dem Regierungswechsel im Oktober 2000 die Freiheitsrechte der unterdrückten Minderheiten erweitert worden, jedoch habe sich seit der Ermordung des serbischen Ministerpräsidenten Djindjic die Lage in Serbien wieder zunehmend verschärft. Nach dem Sieg der nationalistischen serbischen Kräfte bei der letzten Parlamentswahl seien wieder politische Verhältnisse wie zur Zeit des Präsidenten Milosevic eingetreten. Rückfragen in seinem Heimatland hätten ergeben, dass ihm nach wie vor politische Verfolgung wegen der seinerzeit gemachten Vorwürfe drohe. Dies sei ihm durch einen Cousin seiner Ehefrau zugetragen worden, der Richter am Kreisgericht in O. Q. sei. Auch sein Schwager, der 2002 freiwillig in den Sandzak zurückgekehrt sei, habe erneut fliehen müssen. Dieser sei nach der letzten Parlamentswahl als Angehöriger der moslemischen Volksgruppe von serbischen Mitbürgern und Sicherheitskräften unter Okkupation seines gesamten Besitzes bedroht worden.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 28. Januar 2004 aufzuheben.

Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch das angefochtene Urteil stattgegeben, weil das Asylverfahrensgesetz in der ab 1. Januar 2005 geltenden Fassung anzuwenden sei und danach die Voraussetzungen für einen Widerruf nicht vorlägen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der zugelassenen Berufung, zu deren Begründung sie sich auf ihre Ausführungen im Zulassungsantrag bezieht. Danach finde § 73 Abs. 2 a Satz 1 AsylVfG 2005 keine Anwendung auf Widerrufssachverhalte, deren Prüfung vor Inkrafttreten der neuen Normen des AsylVfG 2005 stattgefunden habe.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

II.

Der Senat kann gemäß § 130 a Satz 1 VwGO über die Berufung durch Beschluss entscheiden, weil er sie einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu gemäß §§ 130 a Satz 2, 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO gehört worden.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klage, die allein auf die Aufhebung des Widerrufsbescheides des Bundesamtes gerichtet ist, ist abzuweisen. Der Widerrufsbescheid des Bundesamtes vom 28. Januar 2004 erweist sich im maßgeblichen Zeitpunkt der obergerichtlichen Entscheidung als rechtmäßig. Dabei ist das Klagebegehren nach der durch das Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar 2005 geltenden Rechtslage zu beurteilen. Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist die Asyl- und Flüchtlingsanerkennung insbesondere zu widerrufen, wenn sich die zum Zeitpunkt der Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse nachträglich erheblich und nicht nur vorübergehend so verändert haben, dass bei einer Rückkehr des Ausländers in seinen Herkunftsstaat eine Wiederholung der für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist und nicht aus anderen Gründen erneut Verfolgung droht.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. November 2005 - 1 C 21.04 -, Rdnr. 17, Juris.

Im maßgeblichen Zeitpunkt der obergerichtlichen Entscheidung liegen die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 AufenthG (früher: Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG) nicht (mehr) vor. Die Verhältnisse im Sandzak haben sich im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG seit dem Ergehen des Bescheides des Bundesamtes im Oktober 1997 erheblich und nicht nur vorübergehend verändert. Der Senat kann mit hinreichender Sicherheit ausschließen, dass dem Kläger erneut Verfolgungsmaßnahmen drohen. Es fehlen objektive Anhaltspunkte, dass der Kläger bei Rückkehr mit einem Wiederaufleben der ursprünglichen Verfolgung zu rechnen hat oder nach den gesamten Umständen typischerweise das erhöhte Risiko einer gleichartigen Verfolgung wegen seiner Religionszugehörigkeit und/oder seiner Mitgliedschaft und früheren Betätigung für die SDA besteht. Es deutet nichts darauf hin, dass in absehbarer Zeit eine Änderung der Lage wieder hin zu den Verhaltensmustern in der Milosevic-Ära eintreten wird. Dem Kläger droht ferner keine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure i.S.d. § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchstabe c AufenthG. Dahingehende systematische Übergriffe können mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Im Übrigen bietet weder das Vorbringen des Klägers tragfähige Anhaltspunkte noch hat der Senat im Übrigen greifbare Ansätze, dass es im Sandzak am Willen des Staates fehlt, den nötigen Verfolgungsschutz zu bieten.

Vgl. näher zur Entwicklung der Lage im Sandzak OVG NRW, Beschluss vom 11. Februar 2003 - 5 A 526/02.A - mit weiteren Nachweisen; zur Lage der Moslems und von Mitgliedern der SDA im Sandzak vgl. auch Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 24. Oktober 2005 - 7 UE 1365/05.A -, Juris; VG Regensburg, Urteil vom 26. August 2004 - RO 7 K 04.30507 -, Juris; VG Oldenburg, Urteil vom 20. Februar 2003 - 12 A 4604/99 -, Juris; Auswärtiges Amt, Lagebericht Serbien und Montenegro (ohne Kosovo), Stand: Ende Januar 2006, insbesondere S. 7 bis 14.

Aus dem am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen § 73 Abs. 2 a AsylVfG kann der Kläger nichts zu seinen Gunsten herleiten. Diese Vorschrift ist nicht anwendbar, wenn der Widerrufsbescheid - wie hier - vor dem 1. Januar 2005 ergangen ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. November 2005 - 1 C 21.04 -, Rdnr. 42, Juris.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG, ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Ende der Entscheidung

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