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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 23.08.2002
Aktenzeichen: 5 E 993/01
Rechtsgebiete: VereinsG, StPO


Vorschriften:

VereinsG § 4 Abs. 4
StPO § 94
Zur Rechtmäßigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses im Rahmen vereinsrechtlicher Ermittlungsverfahren.
Tatbestand:

Im Rahmen vereinsrechtlicher Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem Verbot des "Kalifatstaats" erließ das VG auf Antrag der Bezirksregierung einen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss gegen ein Mitglied der als eingetragener Verein firmierenden "Islamische Tevhid-Gemeinde Bochum-Wattenscheid e.V.". Die gegen den Beschluss des VG eingelegte, durch Herausgabe eines Teils der beschlagnahmten Gegenstände teilweise erledigte Beschwerde blieb erfolglos.

Gründe:

Soweit die Beteiligten im Umfang der Freigabe beschlagnahmter Gegenstände das Beschwerdeverfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird es in entsprechender Anwendung der §§ 92 Abs. 3 Satz 1, 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO eingestellt.

Soweit sich die Beschwerde nicht erledigt hat, ist sie gemäß § 88 VwGO hinsichtlich der bereits vollzogenen Durchsuchungsanordnung als Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Anordnung (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog) auszulegen, vgl. BVerfG, Senatsbeschluss vom 30.4.1997 - 2 BvR 817/90, 728/92, 802 u. 1065/95 -, BVerfGE 96, 27 (41), Kammerbeschluss vom 15.7.1998 - 2 BvR 446/98 -, NJW 1999, 273 f.; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 14.5.2002 - 1 S 10/02 -; Schl.-H. OVG, Beschluss vom 3.3.1994 - 4 M 142/93 -, InfAuslR 1994, 210 ff.; hinsichtlich des noch nicht erledigten Teils der Beschlagnahmeanordnung verfolgt sie deren Aufhebung.

Die mit diesem Inhalt zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung des VG ist rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für diese Anordnung ist § 4 Abs. 4 VereinsG i.V.m. §§ 94 ff. StPO. Gemäß § 4 Abs. 4 Satz 2 VereinsG kann die Durchsuchung der Räume des Vereins sowie der Räume, der Sachen und der Person eines Mitglieds oder Hintermannes des Vereins angeordnet werden, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln i.S.d. § 4 Abs. 4 Satz 1 VereinsG führen wird. Diese Ermittlungsmaßnahmen setzen weder den Erlass einer Verbotsverfügung gegen den Verein, gegen den ermittelt wird, voraus, noch steht der Erlass einer Verbotsverfügung weiterführenden Ermittlungen gegen den verbotenen Verein entgegen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9.2.2001 - 6 B 3.01 -, NJW 2001, S. 1663.

Hinreichende Anhaltspunkte i.S.d. § 4 Abs. 4 Satz 2 VereinsG waren im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung - vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 25.8.1994 - 5 E 59/94 -, NWVBl. 1995, 69, vom 29.8.1994 - 5 E 859/94 -, DÖV 1995, 339 f. und vom 29.6.1993 - 5 E 83/93 - gegeben. Ausweislich des Abschlussberichts des Polizeipräsidiums wurde seit der Gründung des "Islamische Tevhid-Gemeinde Bochum-Wattenscheid e.V." (Anlage 1 Nr. 1 des Ermittlungsersuchens des BMJ vom 6.12.2001) auf dem Vereinsgelände die Verbandszeitung des verbotenen Kalifatstaats "Ümmet-I-Muhammad" vertrieben. Darüber hinaus war an die dort befindliche Moschee ein Lebensmittelgeschäft angeschlossen. Im Schaufenster dieses Geschäfts prangte in Großlettern der Name "Kar-Bir" als Zeichen dafür, dass dort Kaplan-Anhänger zu meist überteuerten Preisen einkaufen, um so indirekt den Dachverband in Köln zu unterstützen. Über dem Eingang der Moschee hing ein großes Namensschild mit der Aufschrift "Hilafet Devleti" (Kalifatstaat), Niederlassung Bochum-Wattenscheid. Darüber hinaus galt die Anschrift der genannten Organisation (Centrumsplatz 1, 44866 Bochum) als Abfahrtsort für angemietete Busse bei bundesweiten Kaplan Demonstrationen. Schließlich besuchten sowohl der frühere Gebietsleiter Ruhr und Vorbeter des Kalifatstaates, Hüseyin "Hoca" Caglayan aus Bochum, als auch sein jetziger Nachfolger, Muammer Yesilkurt, regelmäßig die Moschee auf dem Vereinsgelände. Diese Umstände begründeten hinreichende, konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Beschwerdeführer Mitglied einer - noch nicht verbotenen - Teilorganisation des Kalifatstaats, wenn nicht sogar des verbotenen Vereins "Kalifatstaat" selbst ist und dass die angeordnete Durchsuchung bei ihm zur Auffindung von Beweismitteln führen werde, die gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 VereinsG i.V.m. § 94 Abs. 1 StPO für diejenigen vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahren von Bedeutung sein können, die gegen die bereits verbotenen Organisationen und gegen die noch nicht verbotenen, als Teilorganisationen des Kalifatstaates jedoch verdächtigten Organisationen geführt werden. Dass die beschlagnahmten Gegenstände als Beweismittel offenkundig ausscheiden, hat der Beschwerdeführer nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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