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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 06.11.2008
Aktenzeichen: 6 A 1054/05
Rechtsgebiete: BGB, GG, BRRG, LVO NRW


Vorschriften:

BGB § 839
GG Art. 34
BRRG § 126
BRRG § 127
LVO NRW § 6 Abs. 1 Satz 1
LVO NRW § 6 Abs. 1 Satz 1 1. Halbs.
LVO NRW § 6 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs.
Ein Schadensersatzanspruch wegen verspäteter Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe lässt sich aus einer Verletzung von Pflichten aus einer beamtenrechtlichen Sonderverbindung zwischen dem Bewerber und dem späteren Dienstherrn herleiten, ohne dass insoweit auf die Verletzung der Fürsorgepflicht zurückgegriffen werden müsste.

Ein Verschulden des Dienstherrn liegt im Falle einer pflichtwidrigen Ablehnung der Begründung eines Beamtenverhältnisses vor, wenn der verantwortliche Sachbearbeiter die Sach- und Rechtslage nicht gewissenhaft unter Zuhilfenahme der zur Verfügung stehenden Hilfsmittel prüft. Dabei sind ausschließlich die Überlegungen zu berücksichtigen, die der Sachbearbeiter seiner Entscheidung tatsächlich zugrunde gelegt hat.


Tatbestand:

Die im April 1957 geborene Klägerin bestand am 13.9.1982 die Erste Staatsprüfung und am 13.5.1985 die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt für die Sekundarstufe I in den Fächern Englisch und Kunst. Am 21.4.1986 und am 26.5.1988 wurden ihre beiden Kinder geboren, die sie bis zum 31.8.1993 betreute. In der Zeit vom 1.9.1993 bis zum 25.8.1995 war die Klägerin als Erzieherin tätig.

Auf ihre Bewerbung um die Einstellung in den Schuldienst des beklagten Landes vom 9.2.1995 wurde sie ab dem 28.8.1995 als Lehrkraft im Angestelltenverhältnis eingestellt. Ihren Antrag auf Umwandlung des Angestelltenverhältnisses in ein Beamtenverhältnis lehnte das beklagte Land mit der Begründung ab, die Kinderbetreuung könne zu einer Hinausschiebung der für die Einstellung maßgeblichen Altersgrenze von 35 Lebensjahren nur insoweit führen, als parallel dazu für das individuelle Lehramt und die konkrete Fächerkombination Einstellungschancen bestanden hätten. Deshalb seien nur die Schuljahre 1990/91, 1993/94 und 1994/95 als Kinderbetreuungszeiten zu berücksichtigen. Den Widerspruch der Klägerin wies das beklagte Land zurück, weil sie die in den Schuljahren 1993/94 und 1994/95 gegebenen Einstellungschancen aus anderen Gründen als der Betreuung ihrer Kinder verpasst habe. Im anschließenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren verpflichtete sich das beklagte Land in einem Vergleich, den Antrag der Klägerin auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe neu zu bescheiden.

Das beklagte Land lehnte den Antrag erneut ab. Zur Begründung führte es aus, dass der Kausalzusammenhang zwischen Kinderbetreuung und verspäteter Einstellung zum Einstellungstermin 1993/94 aufgrund einer für die Einstellung nicht erforderlichen Ausbildung unterbrochen worden sei. Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage führte beim VG zu einem weiteren Vergleich, in dem sich das beklagte Land verpflichtete, den Antrag auf Verbeamtung erneut zu bescheiden, ohne sich auf eine Überschreitung der Höchstaltersgrenze zu berufen.

Die darauf hin am 12.2.2002 in das Beamtenverhältnis auf Probe übernommene Klägerin beantragte den Ersatz des Schadens, der ihr durch die verspätete Verbeamtung in besoldungsrechtlicher Hinsicht entstanden sei. Das beklagte Land lehnte den Antrag mit der Begründung ab, eine eventuelle Pflichtverletzung beruhe nicht auf Fahrlässigkeit. Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage hatte in zweiter Instanz Erfolg.

Gründe:

Die Klägerin hat Anspruch darauf, besoldungsrechtlich so gestellt zu werden, als wäre sie zum 28.8.1995 in das Beamtenverhältnis auf Probe übernommen worden. Der Schadensersatzanspruch hat seine Grundlage in einer beamtenrechtlichen Sonderverbindung zwischen der Klägerin und dem beklagten Land (I.). Die in diesem Verhältnis wurzelnde Pflicht zur ermessensfehlerfreien Entscheidung über den Antrag der Klägerin auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe hat das beklagte Land verletzt (II.). Die Pflichtverletzung beruhte auf Fahrlässigkeit (III.). Hierdurch ist der Klägerin adäquat kausal der geltend gemachte Schaden erwachsen (IV.). Der Anspruch ist entgegen den Bedenken des beklagten Landes durchsetzbar (V.).

I. Die Klägerin leitet den Schadensersatzanspruch zu Recht aus einer Verletzung von Pflichten aus einer beamtenrechtlichen Sonderverbindung her. Dem steht nicht entgegen, dass sie sich auf Vorgänge vor Begründung des Beamtenverhältnisses beruft. Ob bereits in diesem Stadium eine Fürsorgepflicht des Dienstherrn (vgl. § 85 LBG NRW) besteht (verneinend: Bay. VGH, Urteil vom 16.7.1984 - 3 B 93 A. 3114 -, ZBR 1985, 167), bedarf keiner Entscheidung. Selbst wenn man dies verneint, muss sich die Klägerin nicht auf Schadensersatzansprüche aus Amtshaftung gemäß § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG verweisen lassen.

Der Dienstherr kann bei schuldhafter Verletzung einer in einer beamtenrecht-lichen Sonderverbindung wurzelnden (quasi-vertraglichen) Verbindlichkeit auf Ersatz eines hierdurch adäquat kausal herbeigeführten Schadens in Anspruch genommen werden, ohne dass insoweit auf das Rechtsinstitut der Verletzung der Fürsorgepflicht zurückgegriffen werden müsste. Das folgt aus dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass sich ein Erfüllungsanspruch in einen Schadensersatzanspruch umwandelt, wenn die Erfüllung rechtswidrig und schuldhaft vereitelt worden ist. Dieser Grundsatz gilt auch für das Beamtenrecht (vgl. BVerwG, Urteile vom 24.8.1961 - II C 165.59 -, BVerwGE 13, 17, und vom 25.8.1988 - 2 C 51.86 -, BVerwGE 80, 123).

Der Anspruch des Bewerbers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe wurzelt in einer derartigen Sonderverbindung. Das Beamtenverhältnis als enges Dauerrechtsverhältnis mit besonderem personenrechtlichem Einschlag wirkt vor auf das Stadium seiner Anbahnung. Schon in diesem Stadium treffen die Beteiligten beamtenrechtliche Sorgfalts- und Offenbarungspflichten. Dem Bewerber steht das grundrechtsgleiche Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt aus Art. 33 Abs. 2 GG zur Seite. Die Intensität der mit der Bewerbung begründeten Beziehungen zwischen ihm und dem künftigen Dienstherrn geht über diejenige hinaus, die allgemein bei Kontakten zwischen Bürger und Behörde bestehen. Dieser Nähebeziehung würde eine Beschränkung auf das Institut der Amtshaftung, die originär den handelnden Amtswalter und nicht den Dienstherrn trifft, nicht gerecht.

Die Wertung dieser Nähebeziehung als beamtenrechtliche Sonderverbindung wird dadurch gestützt, dass ein Schadensersatzanspruch eines Bewerbers wegen Verletzung einer Ernennungszusicherung als Anspruch "aus dem Beamtenverhältnis" im Sinne der §§ 126, 127 BRRG angesehen wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.1.1967 - VI C 73.64 -, BVerwGE 26, 31; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 19.2.1964 - 2 A 62/63 -, ZBR 1964, 242; Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 6. Aufl. 2005, Rdnr. 37).

Der dem zugrunde liegende Gedanke, es handele sich um einen Anspruch "vorbeamtenrechtlicher Art" mit einer "dem Beamtenrecht zugeordneten Anspruchsgrundlage" (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.1.1967, a. a. O.), bestimmt auch die materiell-rechtliche Einordnung des Schadensersatzanspruchs. Dieser Gedanke ist auf den Fall übertragbar, dass der Schadensersatzanspruch - wie hier - auf die Verletzung eines Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über einen Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe gestützt wird, der aus Art. 33 Abs. 2 GG i. V. m. den Vorschriften der Beamtengesetze über die Auswahl und Einstellung der Beamten und damit aus einer beamtenrechtlichen Anspruchsgrundlage folgt.

II. Das beklagte Land hat seine Pflicht zur ermessensfehlerfreien Entscheidung über die Bewerbung der Klägerin verletzt. Die Ablehnung ihres Einstellungsbegehrens mit der Begründung, sie habe zum Einstellungstermin 28.8.1995 die allgemeine Höchstaltersgrenze des § 6 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbs. LVO NRW in der Fassung der Neunten Verordnung zur Änderung der Laufbahnverordnung vom 24.4.1990 (GVBl.NW, S. 254) um 3 Jahre, 4 Monate und 22 Tage überschritten, war ermessensfehlerhaft. Diese Überschreitung war gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. LVO NRW für die Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe unbeachtlich.

Hatte sich die Einstellung oder Übernahme wegen der Geburt eines Kindes oder wegen der tatsächlichen Betreuung eines Kindes unter 18 Jahren verzögert, so durfte nach dieser Vorschrift die Altersgrenze im Umfang der Verzögerung höchstens um 3, bei mehreren Kindern höchstens um 6 Jahre, überschritten werden. Maßgeblich für die individuell zulässige Überschreitung der Höchstaltersgrenze ist dabei nicht der Umfang der Kinderbetreuungszeiten, sondern der Umfang der durch die Kinderbetreuung bedingten Verzögerung der Einstellung. Hat ein Laufbahnbewerber wegen der Geburt oder der tatsächlichen Betreuung eines oder mehrerer Kinder vor der Vollendung des 35. Lebensjahres eine oder mehrere Chancen zur Einstellung in das Beamtenverhältnis verpasst, erhöht sich die für ihn individuell zu berechnende Höchstaltersgrenze im Umfang der Verzögerung der Einstellung um bis zu 3 beziehungsweise um bis zu 6 Jahre, ohne dass die Gesamtdauer der Kinderbetreuung von Bedeutung ist (vgl. OVG NRW, Urteile vom 13.12.2007 - 6 A 2173/05 -, und vom 18.7.2007 - 6 A 1084/05 -, Beschluss vom 5.1.2007 - 6 A 2147/04 -).

Sollte sich ihm allerdings, nachdem er wegen der Geburt oder der Kinderbetreuung eine oder mehrere Chancen zur Einstellung in den Schuldienst verpasst hatte, vor der Vollendung des 35. Lebensjahres eine weitere Einstellungschance geboten haben, die er aus anderen als den in § 6 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. LVO NRW genannten Gründen nicht wahrgenommen hat, fehlt es an dem erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen der Geburt bzw. der Kinderbetreuung und der verzögerten Einstellung in den Schuldienst. Eine Ausdehnung der Höchstaltersgrenze nach § 6 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. LVO NRW kann er in einem solchen Fall nicht beanspruchen (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 5.1.2007 - 6 A 2147/04 -).

Nach diesen Grundsätzen durfte die Klägerin die allgemeine Höchstaltersgrenze um knapp 4 Jahre überschreiten. Sie hatte aufgrund der Geburt und Betreuung ihrer beiden Töchter eine durch den Runderlass des Kultusministers vom 1.6.1989 - ZC 5.41-0/2-283/89 - (GABl.NW, S. 298) eröffnete Einstellungschance zum 2.10.1989 verpasst. Die hierdurch eingetretene Verzögerung der Einstellung umfasst den Zeitraum bis zur Einstellungsmöglichkeit zum Schuljahr 1993/94. Dass eine Verbeamtung in den Schuljahren 1991/92 und 1992/93 an fehlenden Einstellungsmöglichkeiten gescheitert wäre, ist unerheblich. Diese ungünstigen Rahmenbedingungen konnten nur wirksam werden, weil die Klägerin wegen der Betreuung ihrer Kinder nicht schon zuvor in das Beamtenverhältnis auf Probe eingestellt worden war (vgl. OVG NRW, Urteil vom 7.9.1994 - 6 A 3377/93 -, ZBR 1995, 113).

Die Ausdehnung der Höchstaltersgrenze scheitert entgegen der vom beklagten Land im Widerspruchsbescheid vom 10.9.1996 und im zweiten Übernahmeverfahren vertretenen Auffassung nicht daran, dass die Klägerin die Einstellungsmöglichkeit zum Schuljahr 1993/94 aus anderen Gründen als der Kinderbetreuung nicht wahrgenommen hat. Schädlich sind nur Unterbrechungen des Ursachenzusammenhangs zwischen der Kinderbetreuung und der Überschreitung der Höchstaltersgrenze. Sie liegen vor, wenn nach den Zeiten der Kinderbetreuung anderweitige von dem Laufbahnbewerber zu vertretende Umstände die Einstellung über die Regelaltersgrenze hinausgeschoben haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.7.2000 - 2 C 21.99 -, ZBR 2001, 32; OVG NRW, Beschluss vom 18.8.2008 - 6 A 4588/06 -, und Urteil vom 18.7.2007 - 6 A 1084/05 -). Daran fehlt es hier, weil die Klägerin zum Einstellungstermin für das Schuljahr 1993/94 das 35. Lebensjahr bereits überschritten hatte.

III. Die Pflichtverletzung beruht auch auf einem Verschulden des beklagten Landes. Für die Haftung des Dienstherrn auf Schadensersatz wegen Verletzung von Pflichten aus einer beamtenrechtlichen Sonderverbindung gilt der allgemeine Verschuldensmaßstab des Bürgerlichen Rechts. Danach handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (vgl. § 276 BGB). Nach diesem Sorgfaltsmaßstab ist auf die Anforderungen abzustellen, deren Beachtung von dem verantwortlichen Sachbearbeiter generell erwartet werden kann. Dazu gehört, dass er die Sach- und Rechtslage unter Zuhilfenahme der zur Verfügung stehenden Hilfsmittel gewissenhaft prüfen und sich aufgrund vernünftiger Überlegungen eine Rechtsauffassung bilden muss. Stellt sich eine behördliche Maßnahme als fehlerhaft heraus, kann daraus ein Verstoß des verantwortlichen Sachbearbeiters gegen Sorgfaltspflichten nicht hergeleitet werden, wenn er die zugrunde liegende Rechtsauffassung aufgrund sorgfältiger rechtlicher und tatsächlicher Prüfung gewonnen hat und sie im Ergebnis als vertretbar angesehen werden kann. Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn die Rechtsfrage nicht einfach zu beurteilen und weder durch die Rechtsprechung geklärt noch im Schrifttum abschließend behandelt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.8.2005 - 2 C 36.04 -, m. w. N.). Dabei sind ausschließlich die Überlegungen zu berücksichtigen, die der Sachbearbeiter seiner Entscheidung tatsächlich zugrunde gelegt hat. Genügten diese nicht den genannten Anforderungen, lässt sich der Sorgfaltspflichtverstoß nicht mit der hypothetischen Erwägung bestreiten, dass er aufgrund einer anderen fehlerhaften - aber vertretbaren - Rechtsauffassung zum selben Ergebnis hätte kommen können.

Nach diesen Maßstäben hat hier der verantwortliche Sachbearbeiter fahrlässig die Pflicht zur ermessensfehlerfreien Entscheidung über die Verbeamtung der Klägerin verletzt. Es kommt insoweit auf die Erwägungen an, die zu der Ausgangsentscheidung im ersten Übernahmeverfahren geführt haben. Diese stellt für den streitbetroffenen Zeitraum ab dem 28.8.1995 die maßgebliche Pflichtverletzung dar. Mit dem Widerspruchsbescheid vom 10.9.1996 und den im zweiten Übernahmeverfahren getroffenen Entscheidungen ist lediglich versäumt worden, die Folgen dieser Pflichtverletzung für die Zukunft zu beseitigen und den Schaden dadurch zu mindern.

Die Ausgangsentscheidung im ersten Übernahmeverfahren war ausschließlich darauf gestützt, dass die Schuljahre 1986/87 bis 1988/89 und 1991/92 bis 1992/93 nicht als Kinderbetreuungszeiten angerechnet werden könnten. Die dem zugrunde liegende Rechtsauffassung, die Altersgrenze werde nur im Umfang der Schuljahre hinausgeschoben, für die parallel zur Kinderbetreuung Einstellungschancen bestanden hätten, beruhte nicht auf einer sorgfältigen rechtlichen Prüfung. Dem beklagten Land ist zuzugestehen, dass § 6 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. LVO NRW hinsichtlich des Kausalzusammenhangs zwischen Kinderbetreuung und Verzögerung der Einstellung Rechtsfragen aufwarf, die nicht einfach zu beurteilen waren. Umso mehr war der verantwortliche Sachbearbeiter jedoch gehalten, die einschlägige obergerichtliche Rechtsprechung zu sichten und auszuwerten. Aufgrund des Anfang des Jahres 1995 veröffentlichten Urteils des Senats vom 7.9.1994, a. a. O., hätte er erkennen können, dass die Schuljahre 1991/92 und 1992/93 bei der Ermittlung des Umfangs der Verzögerung einzubeziehen waren. In dieser Entscheidung war festgestellt worden, dass die Kinderbetreuung auch dann entscheidende Ursache für die Überschreitung der Altersgrenze bleibt, wenn im Anschluss an einen wegen der Kinderbetreuung nicht genutzten Einstellungstermin eine Verbeamtung in den folgenden Schuljahren an fehlenden Planstellen scheitert. Dass eine solche Fallgestaltung vorlag, war dem verantwortlichen Sachbearbeiter bekannt. Er wusste, dass die Klägerin den Einstellungstermin zum Schuljahr 1990/91 wegen der Betreuung ihrer Kinder nicht wahrgenommen hatte.

Unabhängig hiervon war seine Prüfung auch in tatsächlicher Hinsicht nicht sorgfältig. Dass er die aus dem Erlass des Kultusministeriums resultierende Einstellungschance zum 2.10.1989 außer acht ließ, war fahrlässig. Ausgehend von seinem eigenen rechtlichen Ansatz hätte er prüfen müssen, ob das Lehramt und die Fächerkombination der Klägerin für das Schuljahr 1989/90 einstellungsrelevant waren. Feststellungen hierzu traf er nicht; das Schuljahr 1989/90 findet in dem Bescheid vom 14.11.1995 keine Erwähnung. Darüber hinaus muss die Kenntnis der maßgeblichen Einstellungserlasse von dem Sachbearbeiter erwartet werden. Hätte er die Einstellungschance zum 2.10.1989 berücksichtigt, wäre er selbst auf der Grundlage seiner damaligen Rechtsauffassung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Überschreitung der Höchstaltersgrenze zulässig war. Bei Erweiterung um das Schuljahr 1989/90 hätten die in dem Bescheid vom 14.11.1995 als Kinderbetreuungszeiten angerechneten Zeiten etwa 4 Jahre betragen.

Der erst im zweiten Übernahmeverfahren erhobene Einwand der Bezirksregierung, durch die Berufstätigkeit der Klägerin in der Zeit vom 1.9.1993 bis zum 25.8.1995 sei der Kausalzusammenhang zwischen Kinderbetreuung und verzögerter Einstellung unterbrochen worden, war für die Entscheidung im ersten Übernahmeverfahren nicht ursächlich. Ansätze zu dieser Argumentation finden sich erstmals in der Stellungnahme an das Ministerium für die Gleichstellung von Mann und Frau vom 26.2.1996 und im Widerspruchsbescheid vom 10.9.1996. In dem Ausgangsbescheid vom 14.11.1995 ist sie nicht dokumentiert.

IV. Der Klägerin ist der geltend gemachte Schaden entstanden. Ihre Nettoeinkünfte als Angestellte waren geringer als die Nettobesoldung, die sie als Beamtin in dem streitbetroffenen Zeitraum bezogen hätte. Für diesen Schaden war die Pflichtverletzung des beklagten Landes adäquat kausal. Das beklagte Land hätte die Klägerin zum 28.8.1995 statt in das Angestelltenverhältnis in das Beamtenverhältnis auf Probe übernommen, wenn es nicht zu Unrecht eine Überschreitung der Höchstaltersgrenze des § 6 Abs. 1 Satz 1 LVO NRW als Hinderungsgrund angenommen hätte. Die Klägerin erfüllte die hierfür maßgeblichen laufbahn- und dienstrechtlichen Voraussetzungen. Insbesondere war ihre gesundheitliche Eignung für die Verbeamtung auf Lebenszeit im Schuldienst mit dem Gesundheitszeugnis der Amtsärztin vom 26.6.1995 festgestellt worden.

V. Entgegen den Bedenken des beklagten Landes ist der Schadensersatzanspruch fällig und durchsetzbar. Die in diesem Zusammenhang geltend gemachte Vorteilsausgleichung stellt keine Zug um Zug zu befriedigende Gegenforderung dar, sondern nur einen vom Klagebegehren umfassten Rechnungsposten. Wird die Klägerin besoldungsrechtlich so gestellt, als wäre sie am 28.8.1995 verbeamtet worden, schließt dies die Anrechnung entsprechender Vorteile ein, die ihr aus ihrer Beschäftigung als Angestellte erwachsen sind.

Ende der Entscheidung

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