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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 15.11.2006
Aktenzeichen: 6 A 1127/05
Rechtsgebiete: ErzUV


Vorschriften:

ErzUV § 3 Abs. 1 Satz 4
Die Bewilligung von Erziehungsurlaub nach der Erziehungsurlaubsverordnung (heute: Elternzeit nach der Elternzeitverordnung) ist ein mitwirkungsbedürftiger bzw. antragsbedürftiger Verwaltungsakt. Das Fehlen eines Antrags führt zur Rechtswidrigkeit der gleichwohl ausgesprochenen Bewilligung.

§ 3 Abs. 1 Satz 4 ErzUV (heute: § 4 Abs. 2 Satz 3 EZVO), wonach bei Beamten mit Lehraufgaben im Schul- und Hochschuldienst Unterbrechungen des Erziehungsurlaubs (heute: der Elternzeit), die überwiegend auf die Schulferien oder die vorlesungsfreie Zeit entfallen, nicht zulässig sind und bei der Wahl von Beginn und Ende des Erziehungsurlaubs (heute: der Elternzeit) Schulferien oder die vorlesungsfreie Zeit nicht ausgespart werden dürfen, ist mit höherrangigem Recht vereinbar (im Anschluss an OVG NRW, Urteil vom 28.5.2003 - 6 A 648/01 -).


Tatbestand:

Die Klägerin steht als Studienrätin im Dienst des beklagten Landes. Unter dem 10.1.2002 beantragte sie Erziehungsurlaub für die Zeit vom 8.2.2002 bis 12.7.2002. Abweichend hiervon bewilligte ihr das beklagte Land Erziehungsurlaub für die Zeit vom 8.2.2002 bis zum 31.8.2002 . Zur Begründung wies es auf § 3 Abs. 1 Satz 4 ErzUV (heute: § 4 Abs. 2 Satz 3 EZVO) hin, nach dem Lehrer bei der Wahl von Beginn und Ende eines Erziehungsurlaubs (heute: einer Elternzeit) Schulferien nicht aussparen dürften. Das VG wies die gegen die Bewilligung von Erziehungsurlaub für die Zeit vom 13.7.2002 bis zum 31.8.2002 gerichtete Klage ab. Im Berufungsverfahren beantragte die Klägerin, den Bewilligungsbescheid für den Zeitraum vom 13.7.2002 bis zum 31.8.2002 aufzuheben, hilfsweise das beklagte Land unter Aufhebung des Bewilligungsbescheides und des zugehörigen Widerspruchsbescheides zu verpflichten, ihr antragsgemäß Erziehungsurlaub vom 8.2.2002 bis zum 12.7.2002 zu gewähren. Die Berufung hatte in der Sache im Wesentlichen keinen Erfolg.

Gründe:

Der Hauptantrag der Klägerin ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid unterliegt nicht der von der Klägerin beantragten Teilaufhebung. Voraussetzung für die teilweise Aufhebung eines Verwaltungsakts nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist, dass dieser teilbar ist.

Vgl. hierzu und zum Folgenden OVG NRW, Urteil vom 28.5.2003 - 6 A 648/01 -, NVwZ-RR 2004, 126, m.w.N.

In tatsächlicher Hinsicht ist der angefochtene Bewilligungsbescheid zwar ohne weiteres teilbar; ein auf den Zeitraum vom 8.2.2002 bis zum 12.7.2002 beschränkter Bewilligungsbescheid verlöre nicht seine Sinnhaftigkeit. Es fehlt hier jedoch an einer Teilbarkeit im Rechtssinne. Im Rechtssinne ist ein Verwaltungsakt nur teilbar, wenn er auch ohne den aufzuhebenden Teil eine rechtmäßige, von der erlassenden Behörde so gewollte selbständige Regelung zum Inhalt hat.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 14.3.1997 - 8 C 1.97 -, NVwZ-RR 1998, 45, m.w.N.; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 113, Rn. 159 ff.

Für eine auf den Zeitraum vom 8.2.2002 bis zum 12.7.2002 beschränkte Bewilligung von Erziehungsurlaub mangelt es bereits erkennbar an einem entsprechenden Willen des beklagten Landes. Hielte man hier einen entgegenstehenden Willen der Behörde für unerheblich, wie es für die Teilaufhebbarkeit von gebundenen Verwaltungsakten vertreten wird, vgl. Wolff, a.a.O., § 113, Rn. 161, käme es darauf an, ob der verbleibende Teil des Verwaltungsakts als rechtmäßige Regelung überhaupt hätte erlassen werden können. Daran fehlt es hier. Eine Bewilligung von Erziehungsurlaub nur für den von der Klägerin beantragten Zeitraum wäre nicht rechtmäßig:

Für den hier in Rede stehenden Bewilligungszeitraum sind die Vorschriften der Erziehungsurlaubsverordnung maßgeblich. Die die Erziehungsurlaubsverordnung ersetzende Elternzeitverordnung ist erst durch Art. II der Verordnung vom 22.6.2004 (GV. NRW. S. 377) am 21.7.2004, also nach Ende des Bewilligungszeitraums in Kraft getreten. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 ErzUV bestimmt der Beamte selbst, für welchen Zeitraum er Erziehungsurlaub nimmt. Nach § 3 Abs. 1 Satz 4 ErzUV sind jedoch bei Beamten mit Lehraufgaben im Schul- und Hochschuldienst Unterbrechungen des Erziehungsurlaubs, die überwiegend auf die Schulferien oder die vorlesungsfreie Zeit entfallen, nicht zulässig; bei der Wahl von Beginn und Ende des Erziehungsurlaubs dürfen Schulferien oder die vorlesungsfreie Zeit nicht ausgespart werden. Diesen Vorgaben entspricht der Antrag der Klägerin vom 10.1.2002 nicht. Bei einer Zusammenschau mit ihrem Antrag vom 2.8.2002 wird deutlich, dass die Klägerin im Sinne des Halbsatzes 1 der genannten Vorschrift eine Unterbrechung ihres Erziehungsurlaubs für die Dauer der Sommerferien 2002 begehrt. Unabhängig davon hat sie im Sinne des Halbsatzes 2 der genannten Vorschrift das Ende des Erziehungsurlaubs in ihrem Antrag vom 10.1.2002 so festgelegt, dass die Sommerferien 2002 ausgespart werden.

Der Senat hat bereits in seinem o.a. Urteil vom 28.5.2003 - 6 A 648/01 - festgestellt, dass § 3 Abs. 1 Satz 4 ErzUV nicht gegen höherrangiges Recht verstößt. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Klägerin ist hierzu ergänzend anzumerken:

Die §§ 15 und 16 BErzGG stellen gegenüber § 3 Abs. 1 Satz 4 ErzUV kein höherrangiges Recht dar. Wie bereits das VG zutreffend ausgeführt hat, sind die Vorschriften des Zweiten Abschnitts des Bundeserziehungsgeldgesetzes, zu denen auch die §§ 15 und 16 gehören, arbeitsrechtlicher Art. Auf Beamte sind sie nicht anwendbar.

§ 3 Abs. 1 Satz 4 ErzUV hält sich in dem von der Verordnungsermächtigung des § 86 Abs. 2 LBG gesetzten Rahmen. Nach § 86 Abs. 2 LBG regelt die Landesregierung durch Rechtsverordnung die der Eigenart des öffentlichen Dienstes entsprechende Anwendung der Vorschriften des Bundeserziehungsgeldgesetzes über die Elternzeit (früher: Erziehungsurlaub) auf Beamte. Der Vortrag der Klägerin, § 3 Abs. 1 Satz 4 ErzUV gehe über die Vorschriften des Bundeserziehungsgeldgesetzes hinaus, ohne dass dies durch die Eigenart des öffentlichen Dienstes gerechtfertigt sei, trifft nicht zu. Zwar enthält das Bundeserziehungsgeldgesetz keine ausdrückliche Regelung, die Arbeitnehmern bei der Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub die Aussparung von Ferienzeiten verwehrt, doch ist auch ohne eine solche ausdrückliche Regelung die Aussparung von Ferienzeiten bei der Festlegung des Zeitraums für den Erziehungsurlaub nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht uneingeschränkt zulässig. Auch ein Arbeitnehmer darf bei der Festlegung von Beginn und Ende des Erziehungsurlaubs nicht rechtsmissbräuchlich handeln. Dieses generelle Verbot rechtsmissbräuchlichen Handelns wird durch § 3 Abs. 1 Satz 4 ErzUV lediglich konkretisiert.

§ 3 Abs. 1 Satz 4 ErzUV verstößt nicht gegen die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG. Insbesondere steht diese Vorschrift mit der Fürsorge- und Treuepflicht des Dienstherrn in Einklang. Diese Pflichten schließen den Erlass von Regelungen nicht aus, die eine missbräuchliche Rechtsausübung des Beamten - hier durch Aussparen unterrichtsfreier Zeiten aus dem Erziehungsurlaub - vermeiden sollen.

§ 3 Abs. 1 Satz 4 ErzUV verstößt auch nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Zwar gilt § 3 Abs. 1 Satz 4 ErzUV nur für beamtete Lehrer, doch ist auch angestellten Lehrern - wie bereits angesprochen - die Aussparung von Ferienzeiten aus dem Erziehungsurlaub im Ergebnis verwehrt. Maßgeblich ist hierfür die besondere Ausgestaltung der Arbeitszeit von Lehrern. Die Arbeitszeit eines Lehrers, gleichviel ob er im Beamten- oder im Angestelltenverhältnis beschäftigt wird, entspricht im Ergebnis der anderer Beschäftigter des öffentlichen Dienstes, ist aber über das Jahr ungleichmäßig verteilt. Höhere Wochenarbeitszeiten während des laufenden Schulbetriebs werden durch geringere Wochenarbeitszeiten während der Schulferien ausgeglichen.

Vgl. hierzu OVG NRW, Beschlüsse vom 14.7.2003 - 6 A 2040/01 - und vom 24.2.2005 - 6 A 4527/02 -.

Es wäre rechtsmissbräuchlich, wenn ein Lehrer bei der Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub nur die aus dieser ungleichmäßigen Arbeitszeitverteilung resultierenden Vorteile in Anspruch nähme. Soweit in Teilen der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung ohne nähere Begründung die Auffassung vertreten wird, dass ein angestellter Lehrer regelmäßig nicht gegen Treu und Glauben verstoße, wenn er Ferienzeiten beim Erziehungsurlaub ausspare, vgl. in diesem Sinne LAG Düsseldorf, Urteil vom 11.10.2001 - 5 Sa 965/01 -; ArbG Wuppertal, Urteil vom 23.10.2002 - 3 Ca 3470/02 -; a.A. offenbar Saarl. LAG, Urteil vom 17.5.1995 - 2 Sa 7/95 -, folgt der Senat dem nicht. Dass § 3 Abs. 1 Satz 4 ErzUV nur für die dort genannten Beamtengruppen, nicht aber für alle Beamten gilt, stellt ebenfalls keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar. Die hierin liegende Ungleichbehandlung lässt sich mit den für diese Beamtengruppen geltenden Besonderheiten bei der Arbeitszeitverteilung sachlich rechtfertigen.

Der Hilfsantrag der Klägerin ist nur zum Teil begründet.

Der Bewilligungsbescheid und der zugehörige Widerspruchsbescheid sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Sie sind vollständig aufzuheben. Die Klägerin hat hingegen keinen Anspruch darauf, dass der Senat das beklagte Land verpflichtet, ihr gemäß ihrem Antrag vom 10.1.2002 Erziehungsurlaub für den darin genannten Zeitraum zu gewähren.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 ErzUV wird Erziehungsurlaub auf Antrag bewilligt. Für die mit den angefochtenen Bescheiden vorgenommene Bewilligung des Erziehungsurlaubs vom 8.2.2002 bis 31.8.2002 fehlte es an einem entsprechenden Antrag der Klägerin. Der Antrag der Klägerin vom 10.1.2002 bezog sich auf die Zeit vom 8.2.2002 bis zum 12.7.2002. Er konnte nicht in einen Antrag umgedeutet werden, ihr vom 8.2.2002 bis zum 31.8.2002 Erziehungsurlaub zu gewähren. Eine derartige Umdeutung ist unzulässig. Nach dem Willen der Klägerin, wie er sich unter Berücksichtigung des Antragsinhalts und sonstiger Umstände ergab, war eindeutig, dass die Klägerin Erziehungsurlaub über den 12.7.2002 hinaus nicht beantragen wollte.

Beantragt ein Beamter oder eine Beamtin in unzulässigem Umfang Erziehungsurlaub, hat die Bewilligungsbehörde diesen Antrag abzulehnen. Sie darf in einem solchen Fall den Urlaub nicht etwa in anderem Umfang bewilligen, als er beantragt ist. Wenn sie gleichwohl so verfährt, ist der Bewilligungsbescheid rechtswidrig.

Vgl. auch hierzu OVG NRW, Urteil vom 28.5.2003 - 6 A 648/01 -, a.a.O.

Die Bewilligung von Erziehungsurlaub für Zeiten, die die Klägerin nicht beantragt hat, verletzt diese auch in ihren Rechten, denn die Klägerin erhält in dem Bewilligungszeitraum keine Besoldung.

Da der Bewilligungsbescheid - wie ausgeführt - nicht teilbar ist, ist er nach alledem insgesamt aufzuheben.

Das in dem Hilfsantrag enthaltene Verpflichtungsbegehren der Klägerin ist hingegen unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Verpflichtung des beklagten Landes, ihr in dem von ihr beantragten Zeitraum Erziehungsurlaub zu bewilligen. Denn diesem Anspruch steht - wie ausgeführt - § 3 Abs. 1 Satz 4 ErzUV entgegen.

Ende der Entscheidung

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