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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 27.06.2003
Aktenzeichen: 6 A 1179/02
Rechtsgebiete: BVO NRW


Vorschriften:

BVO NRW § 4 Nr. 1 Satz 2
BVO NRW § 4 Nr. 1 3
Zur Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für eine Infusionsbehandlung bei Herzkranzgefäßerkrankungen ("Chelat-Therapie").
Tatbestand:

Der Kläger erstrebte mit der Klage eine Verpflichtung des Beklagten, ihm eine Beihilfe zu den Aufwendungen für Infusionen mit EDTA-Lösung ("Chelat-Therapie") zu gewähren, die ein Arzt für Naturheilkunde wegen einer Erkrankung der Herzkranzgefäße des Klägers ambulant durchgeführt hat. Das beklagte Land hatte dem Kläger eine Beihilfe hierzu verweigert, weil diese Therapie wissenschaftlich nicht anerkannt sei. Das VG wies die hiergegen gerichtete Klage des Klägers als unbegründet ab. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung blieb ohne Erfolg.

Gründe:

Gemäß § 4 Nr. 1 BVO in der hier zugrundezulegenden Fassung der 14. Änderungsverordnung vom 25.6.1997, GV. NRW. S. 197, sind Aufwendungen für eine nicht wissenschaftlich anerkannte Heilbehandlung von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen (Satz 2). Sind wissenschaftlich anerkannte Heilbehandlungen ohne Erfolg angewendet worden, so können auf Grund des Gutachtens eines Amts- oder Vertrauensarztes (-zahnarztes) auch Aufwendungen für wissenschaftlich noch nicht anerkannte Heilbehandlungen von der obersten Dienstbehörde für beihilfefähig erklärt werden (Satz 3).

Dass die "Chelat-Therapie" eine wissenschaftlich anerkannte Heilbehandlung bei Herzkranzgefäßerkrankungen darstellt, macht der Kläger selbst nicht, jedenfalls nicht substantiiert, geltend. Sein Hinweis, im Ausland liege eine wissenschaftliche Anerkennung vor, reicht in diesem Zusammenhang nicht aus. Erst wenn jedenfalls die überwiegende Mehrheit der in dem betreffenden Fachbereich tätigen Wissenschaftler die Behandlungsmethode für wirksam und geeignet hält, lässt sich von einer wissenschaftlichen Anerkennung sprechen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 29.6.1995 - 2 C 15.94 -, DVBl. 1995, 1258 = DÖD 1996, 90; OVG NRW, Urteil vom 23.3.1995 - 6 A 3871/93 -, Schütz, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, ES/C IV 2 Nr. 91.

Das bezieht sich, auch wenn dies in den genannten Entscheidungen nicht ausdrücklich hervorgehoben wird, in erster Linie auf den hierzulande geltenden medizinischen Maßstab. Im übrigen wird bei Mohr/Sabolewski, Beihilfenrecht, Loseblattkommentar, Stand Januar 2001, B I § 4 Anm. 9, unter Hinweis auf verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung ausgeführt, dass die "Chelat-Infusions-Therapie" als Methode zur Behandlung arterieller Verschlusskrankheiten wissenschaftlich nicht anerkannt sei; sie könne zu ernsten Schäden bei den Patienten führen.

Entgegen der Auffassung des Klägers steht ihm der streitige Anspruch auch nicht gemäß Satz 3 des § 4 Nr. 1 BVO zu. Die Richtigkeit der Ausführungen des VG, es handele sich nicht um eine "noch nicht anerkannte" Heilbehandlung, weil diese Anerkennung auch in absehbarer Zeit nicht zu erwarten sei, wird durch das Vorbringen des Klägers und die von ihm hierzu eingereichten Unterlagen nicht ernstlich in Frage gestellt. Greifbare Hinweise darauf, dass bei der "Chelat-Therapie" über die - nicht genügende - bloße Möglichkeit einer Anerkennung hinaus nach dem Stand der Wissenschaft die Aussicht, d.h. die begründete Erwartung auf wissenschaftliche Anerkennung besteht, vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 18.6.1998 - 2 C 24.97 -, Schütz, a.a.O., ES/C IV 2 Nr. 120, fehlen. In der vom VG verwerteten Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Chelat-Therapie vom 22.3.1999 wird lediglich darauf verwiesen, dass sie bisher nicht wissenschaftlich anerkannt sei, der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen bisher keine Empfehlung zu dieser Therapie abgegeben habe, das Heilverfahren in Deutschland von ca. 200 Ärzten und 100 Heilpraktikern angewendet werde und eine künftige wissenschaftliche Anerkennung der Chelat-Therapie nicht ausgeschlossen sei. Das reicht nach den obigen Maßgaben nicht aus. Zudem wird zwar in derselben Stellungnahme berichtet, in den USA wendeten rund 2000 Ärzte die Chelat-Therapie an. Laut einem vom Kläger zu den Akten gereichten "aktuellen Interview" der Zeitschrift "Jatros Kardio", September 2000, war die Therapie hingegen in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts in den USA "populär"; sie sei aber dort und auch in Deutschland wegen des medizinischen Fortschritts bei Operationen am offenen Herzen, also auch bei Bypass-Operationen, mittlerweile "fast von der Bildfläche verschwunden".

Außerdem sind, anders als § 4 Nr. 1 Satz 2 BVO voraussetzt, im Falle des Klägers wissenschaftlich anerkannte Heilbehandlungen nicht ohne Erfolg angewendet worden. Der Kläger hat vielmehr die ihm sowohl von den Ärzten eines Krankenhauses als auch von seinem behandelnden Internisten empfohlene Bypass-Operation nicht durchführen lassen, sondern sich für die von ihm als schonender bevorzugte Chelat-Therapie entschieden.

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