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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 22.09.2006
Aktenzeichen: 6 A 1755/04
Rechtsgebiete: LBG
Vorschriften:
LBG § 7 Abs. 1 |
Zur Bedeutsamkeit nachträglicher Änderungen der Ermessenspraxis bei der Prüfung eines Neubescheidungsanspruchs.
Zur bevorzugten Übernahme von Erziehungsurlaubsvertretungen (sog. "EZU-Kräften") in das Beamtenverhältnis auf Probe gemäß Nr. 2.1 i.V.m. Nr. 1.1 des Runderlasses des Kultusministeriums NRW vom 5.8.1992 - Z C 5.41-0/2-0 Nr. 88/92 -.
Tatbestand:
Die im Jahre 1967 geborene Klägerin ist seit Januar 1996 als Lehrerin im Angestelltenverhältnis tätig. Zunächst arbeitete sie auf der Grundlage befristeter Verträge. Seit dem Schuljahr 1998/99 steht sie in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis. Im Februar 1999 beantragte sie ihre Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe. Das beklagte Land lehnte dies mit der Begründung ab, die Klägerin habe nicht - jedenfalls nicht mit Erfolg - an einem landesweiten Lehrerauswahlverfahren teilgenommen. Klage und Berufung blieben für die Klägerin erfolglos.
Gründe:
Der Hauptantrag, mit dem die Klägerin die Verpflichtung des beklagten Landes begehrt, sie in das Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen, hat keinen Erfolg, weil die Sache nicht spruchreif ist. Die Übernahme eines Bewerbers in das Beamtenverhältnis steht im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn. Im Rahmen des dem Dienstherrn bei der Übernahme in das Beamtenverhältnis zustehenden Entscheidungsspielraums ist neben anderen Erfordernissen beispielsweise auch die gesundheitliche Eignung des Bewerbers von Bedeutung. Die gesundheitliche Eignung der Klägerin, die zu keiner Zeit Gegenstand des vorliegenden Verfahrens war, hat zunächst der Dienstherr in eigener Verantwortung zu beurteilen. Diese Beurteilung ist gerichtlich nur eingeschränkt zu überprüfen. Ein Verpflichtungsurteil muss schon aus diesem Grunde ausscheiden.
Der Hilfsantrag, das beklagte Land zur Neubescheidung des Antrags vom 8.2.1999 auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe zu verpflichten, ist unbegründet. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin keinen Anspruch auf eine derartige Neubescheidung.
Die Ermessensausübung bei der Übernahme eines Bewerbers in das Beamtenverhältnis auf Probe hat sich vorrangig am Prinzip der Bestenauslese zu orientieren (Art. 33 Abs. 2 GG, § 7 Abs. 1 LBG). Die Beurteilung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ist ein Akt wertender Erkenntnis. Die gerichtliche Überprüfung der Entscheidung des Dienstherrn muss den ihm insoweit zustehenden Spielraum respektieren und beschränkt sich darauf, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff verkannt, der Beurteilung einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt hat.
Nach diesen Grundsätzen ist die Entscheidung über den Antrag der Klägerin auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe nicht zu beanstanden. Die Bezirksregierung hat diesen Antrag mit der Begründung abgelehnt, die Klägerin habe nicht an einem landesweiten Auswahlverfahren im Sinne des Erlasses des Ministeriums für Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung NRW vom 11.9.1997 (GABl. NRW. 1 S. 230) teilgenommen. Das ist - nimmt man die Begründung wörtlich - unzutreffend, weil die Klägerin an einem solchen landesweiten Auswahlverfahren für das Schuljahr 1998/99 tatsächlich teilgenommen hatte. Es kann letztlich offen bleiben, ob die Begründung dahingehend verstanden werden muss, dass eine erfolgreiche Teilnahme an einem landesweiten Auswahlverfahren gemeint war. Jedenfalls hat die Bezirksregierung im Klageverfahren klargestellt, sie habe sich darauf stützen wollen, dass die Klägerin in diesem Auswahlverfahren keinen für ein Einstellungsangebot ausreichenden Rangplatz erreicht habe. Gegen diese Erwägung ist nichts einzuwenden. Das landesweite Auswahlverfahren stellt ein probates Mittel der Bestenauslese dar.
Zusätzliche Grundlage einer ermessensgerechten Entscheidung über die Verbeamtung können auch Erwägungen personalwirtschaftlicher und organisatorischer Art sein. Bedeutung können solche Gesichtspunkte etwa gewinnen, wenn es darum geht, einen bestehenden personellen Engpass durch kurzfristige Einstellungen zu beseitigen oder bereits bestehende Rechtsverhältnisse zu bereinigen oder zu vereinheitlichen.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.4.2005 - 6 A 138/04 -, NVwZ-RR 2006, 194; a.A. BAG, Urteil vom 19.2.2003 - 7 AZR 67/02 -, BAGE 105, 161.
Das beklagte Land hat sich bei seiner Einstellungspraxis nicht selten auch von derartigen Erwägungen leiten lassen. So hat es zeitweise unter bestimmten Voraussetzungen solche Lehrer bevorzugt in das Beamtenverhältnis auf Probe übernommen, die im sog. Vertretungspool tätig waren, vgl. hierzu OVG NRW, Urteile vom 21.4.2005 - 6 A 138/04 -, a.a.O., und vom 23.6.2006 - 6 A 77/04 -, deren befristete Angestelltenverhältnisse im Zuge arbeitsgerichtlicher Verfahren in unbefristete Angestelltenverhältnisse umgewandelt - "entfristet" - worden waren, vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 6.7.2001 - 6 A 196/01 -, oder die in befristeten Angestelltenverhältnissen solche Lehrer vertreten hatten, die im Erziehungsurlaub waren (so genannte EZU-Kräfte).
Auch unter diesem Gesichtspunkt ergibt sich jedoch kein Neubescheidungsanspruch der Klägerin. Maßgeblich ist insoweit die Ermessenspraxis des beklagten Landes zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung. Für eine Verpflichtung des beklagten Landes zur Neubescheidung wäre nur dann Raum, wenn dessen Weigerung, dem Begehren der Klägerin zu entsprechen, gemessen an den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen im Zeitpunkt der Senatsentscheidung zu beanstanden wäre.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.1.1992 - 1 C 49.88 -, NVwZ 1992, 1211.
Ausgehend davon kann die Klägerin eine erneute Entscheidung über ihre Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe nicht beanspruchen:
Auf eine bevorzugte Verbeamtung von Vertretungspool-Lehrern kann sich die Klägerin nicht berufen, weil sie selbst im Vertretungspool nicht tätig war. Der Vertretungspool wurde erst im Oktober 1999 und - so der übereinstimmende Vortrag der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung - auch nur für Lehrer der Primarstufe eingerichtet.
Auch auf eine bevorzugte Verbeamtung "entfristeter" Lehrer, d.h. solcher Lehrkräfte, die zunächst in einem befristeten Angestelltenverhältnis beschäftigt, später aber aufgrund oder unter dem Eindruck arbeitsgerichtlicher Entscheidungen unbefristet weiterbeschäftigt wurden, kann ein Neubescheidungsanspruch der Klägerin nicht gestützt werden. Zum einen trägt die Klägerin selbst vor, sie sei gar nicht "entfristet" worden. Zum anderen ist auch nicht ersichtlich, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung eine derartige Verwaltungspraxis, die allein an der Tatsache der tatsächlichen oder erwarteten arbeitsgerichtlichen "Entfristung" anknüpft, landesweit oder im Bereich einzelner Bezirksregierungen (noch) existiert. Im Einzelnen kann dies jedoch dahinstehen. Denn die Klägerin beruft sich auf eine derartige Verwaltungspraxis nicht (mehr), wie ihr Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat. Er hat hierzu ausdrücklich erklärt, sein diesbezüglicher schriftsätzlicher Vortrag solle allein seine Rechtsauffassung zum Ausdruck bringen, dass die Verbeamtung nicht deshalb abgelehnt werden dürfe, weil der betreffende Lehrer den Dienstherrn mit Hilfe der Arbeitsgerichte (unbotmäßigerweise) gezwungen habe, ihn unbefristet weiterzubeschäftigen. Dem ist zuzustimmen. Für eine der Klägerin günstige Verwaltungspraxis im Sinne der schriftsätzlichen Tatsachenbehauptungen, nämlich einer bevorzugten Verbeamtung "entfristeter" Lehrer, folgt daraus jedoch nichts. Einen dahingehenden tatsächlichen Aufklärungsbedarf hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf entsprechende Fragen ausdrücklich verneint.
Ein Neubescheidungsanspruch ergibt sich für die Klägerin schließlich auch nicht im Hinblick auf die bevorzugte Verbeamtung von EZU-Kräften.
Nach Nr. 2.1 i.V.m. Nr. 1.1 des Runderlasses des Kultusministeriums NRW vom 5.8.1992 - Z C 5.41-0/2-0 Nr. 88/92 - in Verbindung mit dem Runderlass des Kultusministeriums NRW vom 30.11.1993 - Z B 6.41-0/2-0 Nr. 1335/93 - waren EZU-Kräfte mit einem Beschäftigungsumfang von mindestens der Hälfte der Pflichtstunden eines vergleichbaren Vollbeschäftigten und mindestens einem Jahr Beschäftigungsdauer (sog. "großer" EZU-Vertrag) nach Ablauf ihres Vertrages bei der Besetzung von Dauerarbeitsplätzen im unmittelbar anschließenden Einstellungstermin bevorzugt zu berücksichtigen. Diese Bewerber wurden dann - wie dem Schriftsatz der Bezirksregierung vom 25.8.2006 zu entnehmen ist - regelmäßig auch verbeamtet. Die Klägerin kann sich auf diesen Runderlass jedoch nicht berufen. Ihre EZU-Verträge hatten jeweils eine Laufzeit von weniger als einem Jahr und gingen dem hier in Rede stehenden Einstellungstermin 10.8.1998 auch nicht unmittelbar voran; zudem galt der Erlass vom 5.8.1992 nur bis zum 31.12.1997.
Allerdings wurden auch noch im landesweiten Auswahlverfahren für das Schuljahr 1998/99 EZU-Kräfte bevorzugt eingestellt. Das beklagte Land hatte hierzu eine - bis heute nicht aufgehobene - Altfallregelung getroffen. Auch auf diese Altfallregelung kann sich die Klägerin indes nicht berufen, denn danach wurden nur solche Lehrer bevorzugt eingestellt, die in dem vorangegangenen Schuljahr, also dem Schuljahr 1997/98, durchgängig als EZU-Kraft tätig waren.
Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht. Ihre EZU-Verträge bezogen sich nicht auf das Schuljahr 1997/98, sondern auf die Schuljahre 1995/96 und 1996/97. Sie hatten zudem - auch in der Summe - eine Laufzeit von weniger als einem Schuljahr, so dass selbst die von den Arbeitsgerichten befürwortete Bevorzugung von Lehrkräften mit mehreren kurzzeitigen, in der Summe jedoch ein Schuljahr umfassenden Anstellungsverhältnissen in Bezug auf eine unbefristete Beschäftigung, vgl. hierzu ArbG Münster, Urteil vom 23.7.1998 - 2 Ga 24/98 -, keine Grundlage gehabt hätte. Erst recht gilt dies für die nach anderen Maßstäben zu beurteilende Frage der bevorzugten Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe, die hier Streitgegenstand ist.
Die Behauptung der Klägerin, dass im Rahmen der Altfallregelung auch Inhaber von Geld-statt-Stellen-Verträgen bevorzugt eingestellt worden seien, sofern sich ihre Verträge zusammengenommen über den gesamten Zeitraum des vorangegangenen Schuljahres erstreckt hätten, ist unsubstantiiert und durch nichts belegt. Ihr ist nicht weiter nachzugehen. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt, eine weitere Aufklärung sei in keiner Richtung erforderlich, d.h. auch insoweit nicht angezeigt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass - entsprechend seiner in der mündlichen Verhandlung erneut bekräftigten Rechtsauffassung - Geld-statt-Stellen-Kräfte mit EZU-Kräften gleichbehandelt werden müssten. Es gibt unter dem Gesichtspunkt der Bestenauslese sachliche Gründe für die Bevorzugung der auf Grundlage von EZU-Verträgen beschäftigten Lehrer: EZU-Kräfte mit "großem" EZU-Vertrag im Sinne der Nr. 1.1 des o.a. Runderlasses vom 5.8.1992 wurden von den Bezirksregierungen nach Abschluss des jeweiligen Auswahlverfahrens aus den restlichen Bewerbern nach dem jeweiligen Rangplatz ausgewählt. Geld-statt-Stellen-Verträge wurden hingegen vom jeweiligen Schulamt aufgrund einer bloß schulamtsinternen Liste ausgewählt; die Möglichkeiten einer Auslese waren hier also besonders beschränkt.
Die Klägerin hat schließlich auch nicht deswegen einen Anspruch auf Neubescheidung ihres Verbeamtungsantrags, weil sie seit ihrer unbefristeten Einstellung von der Teilnahme an landesweiten Auswahlverfahren ausgeschlossen ist. Es ist weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Klägerin bei einer Teilnahme an späteren landesweiten Auswahlverfahren - bis zum Erreichen der sich aus der Laufbahnverordnung ergebenden Höchstaltersgrenze - erfolgreich gewesen wäre.
Ende der Entscheidung
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