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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 03.02.2004
Aktenzeichen: 6 A 1867/02
Rechtsgebiete: BeamtVG


Vorschriften:

BeamtVG § 46 Abs. 4
BeamtVG § 52 Abs. 2
Erhält ein Versorgungsempfänger wegen des Todes des Beamten Leistungen von anderer Seite (hier: Entschädigung der Vereinten Nationen), so sind diese Leistungen im Rahmen des § 46 Abs. 4 BeamtVG unabhängig vom ihrem konkreten Zweck auf die Versorgungsbezüge anzurechnen.
Tatbestand:

Der Vater des Klägers, ein Leitender Kriminaldirektor (Besoldungsgruppe A 16) kam beim Absturz eines Hubschraubers im Rahmen der UN-Polizeimission in Bosnien-Herzegowina ums Leben. Das Landesamt für Besoldung und Versorgung NRW (im folgenden: Landesamt) setzte die Versorgungsbezüge (Waisengeld) des noch in der Berufsausbildung befindlichen Klägers letztlich gemäß §§ 39, 37 BeamtVG auf 30 % von 80 % der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge des Verstorbenen ausgehend von der Besoldungsgruppe B 3 (monatlich 2.542,31 DM) fest. Außerdem gewährte das Landesamt eine einmalige Unfallentschädigung nach §§ 46 a Satz 1, 43 Abs. 2 und 4 BeamtVG in Höhe von 75.000,-DM; der dienstbezügliche Bescheid enthielt den Hinweis, dass Schadensersatzleistungen von anderer Seite (z. B. durch den Bund, UNO und dergleichen) auf diese Leistungen anzurechnen seien, da ein Schadensausgleich nur einmal gewährt werde.

Später teilte das Auswärtige Amt mit, dass die Vereinten Nationen dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von US $ 117.316,56 bewilligt hätten. Rechtsgrundlage dafür war § 83 der "UNMIBH [United Nations Mission in Bosnia Herzegovina] Notes for the Guidance of UNCIVPOL [United Nations Civilian Police] on Assignment". Mit dem angefochtenen Bescheid forderte das Landesamt von dem Kläger die Rückzahlung zuviel gezahlter Versorgungsbezüge letztlich in Höhe von 81.862,76 DM. Dieser Betrag ergebe sich aus zuviel gezahltem Waisengeld und der einmaligen Unfallentschädigung. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage wies das VG ab. Auch die Berufung hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Nach § 52 Abs. 2 BeamtVG regelt sich die Rückforderung zuviel gezahlter Versorgungsbezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes der Zahlung steht es gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen. Von der Rückforderung kann aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ganz oder teilweise abgesehen werden.

1.) Dem Kläger sind zuviel Versorgungsbezüge gezahlt worden. Die von den Vereinten Nationen an den Kläger gezahlte Entschädigung ("Compensation") ist auf die einmalige Unfallentschädigung in Höhe von 75.000,- DM (§ 43 Abs. 2 Nr. 1 BeamtVG in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung) sowie auf das in den Monaten November 1997 bis Mai 1999 ausgezahlte erhöhte Waisengeld (§§ 37 Abs. 1, 39 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BeamtVG) anzurechnen.

Die Anrechnung ergibt sich aus § 46 Abs. 4 BeamtVG. Danach werden auf laufende und einmalige Geldleistungen, die nach dem Beamtenversorgungsgesetz wegen eines Körper-, Sach- oder Vermögensschadens im Rahmen einer besonderen Verwendung im Sinne des § 58 a Abs. 1 und 2 BBesG gewährt werden, solche Geldleistungen angerechnet, die wegen desselben Schadens von anderer Seite erbracht werden (Satz 1). Hierzu gehören insbesondere Geldleistungen, die von Drittstaaten oder von zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtungen gewährt oder veranlasst werden; ausgeschlossen ist die Anrechnung der Leistungen privater Schadensversicherungen, die auf Beiträgen der Beamten beruhen (Satz 2).

a) Für die Auslegung der Vorschrift sind neben ihrem Wortlaut die Entstehungsgeschichte sowie ihre rechtssystematische Einordnung in das Beamtenversorgungsrecht von Bedeutung:

Die Vorschrift ist durch Art. 3 Nr. 6 des Gesetzes über dienstrechtliche Regelungen für besondere Verwendungen im Ausland vom 28.7.1993 (BGBl. I S. 1394) in das Beamtenversorgungsgesetz eingefügt worden. Nach der Begründung der Bundesregierung zum Gesetzentwurf (BR-Drs. 221/93, S. 20 [zu Nr. 6], 25 [zu Nr. 8]) soll durch die Anrechnung von Drittleistungen die Möglichkeit geschaffen werden, einen mehrfachen Leistungsbezug wegen desselben Schadens auszuschließen; Zuwendungen von privater Seite wie Spenden oder auf eigenen Beiträgen beruhende Versicherungsleistungen sollen nicht angerechnet werden. Der Gesetzgeber wollte damit grundsätzlich alle Drittleistungen erfassen, die wegen desselben Schadens (Leistungsgrund) erfolgen und nicht auf eigenen Beiträgen des Beamten beruhen. Demgegenüber ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift noch aus der Begründung des Gesetzgebers, dass ein bestimmter Leistungszweck Voraussetzung für eine Anrechnung sein soll.

§ 46 Abs. 4 BeamtVG fügt sich mit dieser weiten, nicht auf den Leistungszweck abstellenden Auslegung in die Gesamtkonzeption der Beamtenversorgung ein. Das Beamtenversorgungsgesetz konkretisiert für den Bereich der Versorgung das in Art. 33 Abs. 5 GG verankerte Alimentationsprinzip. Danach hat der Beamte bzw. haben seine Hinterbliebenen einen Anspruch auf amtsangemessene Versorgung. Das Alimentationsprinzip belässt dem Dienstherrn allerdings einen weiten Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Regelung der Versorgung im Einzelnen; er darf Versorgungsbezüge kürzen, wenn dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt erscheint. So wird in ständiger Rechtsprechung - vgl. BVerfG, Beschluss vom 30.9.1987 - 2 BvR 933/82 -, BVerfGE 76, 256; BVerwG, Urteil vom 10.3.1987 - 2 C 21.85-, DVBl. 1987, 1155, mit weiteren Nachweisen - die Verfassungsmäßigkeit der Ruhensvorschriften (§§ 53 bis 56 BeamtVG) bejaht. Sinn und Zweck dieser Vorschriften ist es, die als Ganzes zu betrachtende öffentliche Hand nicht durch den Unterhalt für einen Beamten bzw. seine Hinterbliebenen doppelt zu belasten und die Überversorgung eines Beamten zu vermeiden. Ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums, dass beim Zusammentreffen von Versorgungsbezügen mit weiteren Einkünften aus einer (anderen) Kasse der öffentlichen Hand die Versorgungsbezüge ungekürzt belassen werden müssen, besteht nicht. Gleiches gilt für die Anrechnung nach § 46 Abs. 4 BeamtVG. Die nach dieser Vorschrift anzurechnenden Leistungen von dritter Seite stammen letztlich ebenfalls aus öffentlichen Kassen und werden aufgrund eines Schadensereignisses geleistet, welches im Zusammenhang mit der Dienstverrichtung des Beamten eingetreten ist. Sachlich gerechtfertigt ist diese Anrechnung auch deshalb, weil kein Grund dafür erkennbar ist, einem Beamten, der bei einer besonderen Verwendung nach § 58 a Abs. 1 und 2 BBesG einen Dienstunfall erleidet und deshalb nach § 46 a Satz 1 und 2 BeamtVG eine erhöhte laufende Versorgung (§ 37 BeamtVG) und eine einmalige Unfallentschädigung (§ 43 BeamtVG) erhält, besser zu stellen als einen Beamten, der im Inland einen Dienstunfall erleidet und daher grundsätzlich keine zusätzlichen Leistungen aus einer öffentlichen Kasse erhält (vgl. § 46 Abs. 1 und 2 BeamtVG).

Soweit der Kläger auf eine anderslautende Rechtslage bei Leistungen der Landesversicherungsanstalten im Zusammenhang mit im Ausland erlittenen Unfällen von Versicherungsnehmern verweist, ist dies für die Auslegung des § 46 Abs. 4 BeamtVG ohne Bedeutung, weil es sich um außerhalb des Systems der beamtenrechtlichen Versorgung stehende Regelungen handelt.

b) Die Vorschrift ist auf den Kläger anzuwenden:

Die von Seiten der Vereinten Nationen an den Kläger ausgezahlte Entschädigung ist "wegen desselben Schadens" erbracht worden wie die von dem beklagten Land gewährten erhöhten Versorgungsbezüge. Nach § 83 der "UNMIBH Notes for the Guidance of UNCIVPOL on Assignment" zahlen die Vereinten Nationen im Falle des Todes eine Entschädigung. Leistungsgrund ist also ebenso wie bei den versorgungsrechtlichen Ansprüchen des Klägers der tödliche Unfall des Vaters während seines (dienstlichen) Einsatzes im Rahmen der Mission der Vereinten Nationen in Bosnien-Herzegowina. Im Übrigen hat die von den Vereinten Nationen geleistete Entschädigung auch Versorgungscharakter. Dies ergibt sich bereits aus der Höhe der Entschädigungssumme, die erkennbar nicht nur die unmittelbar durch einen Todesfall entstehenden Kosten abdecken, sondern in erster Linie der Lebensführung und dem Unterhalt des Berechtigten dienen soll. Insoweit teilt der Senat die von dem Auswärtigen Amt in seinem Schreiben vom 17.3.1999 geäußerte Einschätzung. Der Versorgungscharakter fehlt auch nicht deshalb, weil der Vater des Klägers den Bezugsberechtigten selbst bestimmen konnte. Dieses Recht ändert nichts an dem Charakter der Leistung.

Entgegen der Ansicht des Klägers wurde die Geldleistung auch "von anderer Seite" gewährt. Auch wenn dem Beamten - wie hier dem Vater des Klägers - die Möglichkeit gegeben worden ist, den Bezugsberechtigten selbst zu bestimmen, verbleibt es dabei, dass die Entschädigung von den Vereinten Nationen und nicht von dem Beamten finanziert und gewährt wurde.

2.) Der Rückforderung der zuviel gezahlten Versorgungsleistungen kann ein Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) nicht entgegengehalten werden. Eine Bereicherung ist weggefallen, wenn sich weder der konkrete Bereicherungsgegenstand noch dessen Wert im Vermögen des Empfängers befinden. Zu diesem Zweck ist die Vermögenslage des Versorgungsempfängers im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung zur Rückforderung mit der Vermögenslage bei Erhalt der zuviel gezahlten Bezüge zu vergleichen.

Vgl. May in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Stand: August 2003, Rn. 27 zu § 52 BeamtVG.

Danach führte die mit Vertrag vom 7.3.1999, etwa einen Monat nach Auszahlung der Entschädigung durch die Vereinten Nationen, erfolgte Gewährung eines Darlehens in Höhe von 230.000,- DM an den Onkel des Klägers nicht zu einer Entreicherung, weil der Kläger einen Anspruch auf Rückzahlung der Darlehenssumme zuzüglich der Zinsen hat und daher eine Minderung seines Vermögens nicht eingetreten ist.

Ob demgegenüber hinsichtlich eines Teils des zuviel geleisteten Waisengelds von einem Verbrauch im Rahmen der allgemeinen Lebensführung und insoweit von einer Entreicherung auszugehen ist, kann dahingestellt bleiben. Die Festsetzung von Versorgungsbezügen steht nach ständiger Rechtsprechung - vgl. BVerwG, Urteile vom 15.5.1997 - 2 C 26.95 -, DÖD 1997, 274, und vom 24.9.1992 - 2 C 18.91 -, BVerwGE 91, 66; OVG NRW, Urteil vom 2.12.1981 - 1 A 1315/80 -, Schütz/Maiwald, a. a. O., ES/C III 3.2 Nr. 1; May in: Schütz/Maiwald, a. a. O., Rn. 38 zu § 52 BeamtVG - jedenfalls unter dem gesetzesimmanenten Vorbehalt, dass bei einer Änderung der Sachlage eine Änderung der Bezüge eintreten kann. Dabei ist es unerheblich, ob dem Leistungsempfänger dieser Vorbehalt bekannt ist; er hat sich über die versorgungsrechtlichen Regelungen von sich aus zu informieren, so dass eine Kenntnis dieses Vorbehalts vorauszusetzen ist. Der Kläger haftet daher nach § 820 Abs. 1 Satz 2, § 818 Abs. 4 BGB verschärft.

3.) Das Landesamt hat auch eine den Anforderungen des § 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG genügende Billigkeitsentscheidung getroffen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Entscheidung sachwidrige Erwägungen zugrunde gelegt oder abwägungsrelevante Gesichtspunkte außer Acht gelassen worden sind. Dies hat das VG im Einzelnen zutreffend ausgeführt. Die Berufungsbegründung gibt keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung...

Der Ansicht des Klägers, die Rückforderung bedeute deshalb eine unbillige Härte, weil hierdurch der Wille des Verstorbenen, die Entschädigung allein ihm zukommen zulassen, missachtet werde, kann nicht gefolgt werden. Sie ist bereits vom Ansatz her unzutreffend, weil von dem beklagten Land nicht die Zahlung eines Teils der Entschädigung, sondern die Rückzahlung von Versorgungsbezügen gefordert wird. Im Übrigen wird es der Regelfall sein, dass der verstorbene Beamte eine von dritter Seite geleistete Entschädigung im vollem Umfang seinen Hinterbliebenen zukommen lassen will. Die mit erheblichen finanziellen Nachteilen verbundene Anrechnung nach § 46 Abs. 4 BeamtVG entspricht in keinem Fall den Interessen des Beamten und seiner Hinterbliebenen. Der Kläger wird daher weder härter getroffen als sonstige Hinterbliebene eines Beamten in vergleichbarer Situation noch handelt es sich um eine vom Gesetzgeber nicht erkannte atypische Situation. Zwar mag dies - so die Ansicht des Innenministeriums des Landes NRW - ein "höchst unbefriedigendes Ergebnis" sein, es entspricht jedoch dem Sinn und Zweck des § 46 Abs. 4 BeamtVG und kann daher eine Unbilligkeit nicht begründen...

Ende der Entscheidung

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