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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 08.11.2005
Aktenzeichen: 6 A 2650/03
Rechtsgebiete: LBG NRW, MVergV, Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23.11.1993


Vorschriften:

LBG NRW § 78 a
MVergV § 2 Abs. 2 Nr. 1
MVergV § 3
MVergV § 5
Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23.11.1993
Bereitschaftsdienst, den ein Lehrer im Schulgebäude zwecks kurzfristiger Übertragung möglichen Vertretungsunterrichts zu leisten hat, ist grundsätzlich nur nach Maßgabe der Verordnung über die Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung vergütungspflichtig. Das Urteil des EuGH vom 3.10.2000 - C 300/98 - ZBR 2001, 29, rechtfertigt keine andere Beurteilung.

§ 78 a LBG NRW, § 2 Abs. 2 Nr. 1, § 3, § 5 MVergV, Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23.11.1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, Abl. Nr. L 307 vom 13.12.1993, S. 18.


Tatbestand:

Die Klägerin leistete als Oberstudienrätin Dienst im öffentlichen Schuldienst des beklagten Landes. An ihrer Schule bestand eine von der Schulleitung getroffene Regelung, nach der jeder vollzeitbeschäftigte Lehrer zusätzlich zu seinen Pflichtunterrichtsstunden in der Regel wöchentlich zwei bis drei Unterrichtsstunden als Bereitschaftsdienst für Vertretungsfälle im Schulgebäude zu verbringen hatte. Die Klägerin beantragte, diese Zeiten als Arbeitszeit anzuerkennen und als Mehrarbeit zu vergüten. Das beklagte Land lehnte dies ab. Die von der Klägerin erhobene Klage wurde vom VG abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg.

Gründe: Das beklagte Land hat es zu Recht abgelehnt, die von der Klägerin geleisteten Bereitschaftsdienste als zusätzliche Arbeitszeit zu berücksichtigen und ihr dafür über ihre Dienstbezüge hinaus eine gesonderte finanzielle Vergütung zu gewähren.

Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich ein Anspruch hierauf nicht aus der Mehrarbeitsvergütungsverordnung, hier einschlägig i.d.F. vom 13.3.1992, BGBl. I 528, sowie in der Bekanntmachung der Neufassung vom 3.12.1998, BGBl. I 3494, mit den Änderungen durch die Gesetze am 19.11.1999, BGBl. I 2198, vom 19.4.2001, BGBl. I 618, und vom 21.6.2002, BGBl. I 2138, herleiten. Die von der Klägerin geleisteten Bereitschaftsdienste beinhalteten als solche bereits keine Mehrarbeit.

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang der bereits vom VG hervorgehobene Gesichtspunkt, dass sich eine Überschreitung der für beamtete Lehrer geltenden regelmäßigen Arbeitszeit allein durch den von der Klägerin in dem Schulgebäude geleisteten Bereitschaftsdienst nicht feststellen lässt. Gemäß § 78a Abs. 1 LBG NRW ist der Beamte verpflichtet, ohne Entschädigung über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus Dienst zu tun, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse es erfordern. In diesem Falle richtet sich eine Vergütung der Mehrarbeit nach § 78 a Abs. 2 LBG NRW in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr. 6, § 3 Abs. 3 ArbZV in Verbindung mit § 3 MVergV, bei Mehrarbeit im Schuldienst unter weiterer Berücksichtigung insbesondere von § 5 Abs. 2 MVergV. Unabdingbare Voraussetzung ist aber jeweils zunächst, dass - wie schon aus dem Begriff "Mehrarbeit" hervorgeht - dem Beamten mehr als die für ihn geltende regelmäßige Arbeitszeit abverlangt wird. Das ist bei Lehrern nicht der Fall, wenn ihnen zusätzlich zu der im reinen Unterricht sowie aus sonstigen dienstlichen Anlässen, etwa Konferenzen, Dienstbesprechungen und Eltern- und Schülersprechtagen, in der Schule verbrachten Zeit eine Anwesenheit im Schulgebäude auch für regelmäßig zwei bis drei Stunden wöchentlich zwecks Bereitschaft für eventuell anfallenden Vertretungsunterricht auferlegt wird.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG ist die Pflichtstundenregelung für Lehrer und für einzelne Lehrergruppen in die allgemeine beamtenrechtliche Arbeitszeitregelung eingebettet. Sie trägt dem besonderen Umstand Rechnung, dass die Arbeitszeit der Lehrer nur zu einem Teil, nämlich hinsichtlich der eigentlichen Unterrichtsstunden, exakt messbar ist, während die Arbeitszeit im Übrigen entsprechend den pädagogischen Aufgaben des Lehrers wegen der erforderlichen Unterrichtsvorbereitung, der Korrekturen, Elternbesprechungen, Konferenzen und dergleichen nicht im Einzelnen in messbarer und überprüfbarer Form bestimmt werden kann. Vielmehr ist insoweit nur eine - grob pauschalierende - Schätzung möglich. In diesem Rahmen konkretisiert der Dienstherr durch die Pflichtstundenregelung die für Lehrer geltende durchschnittliche Wochenarbeitszeit.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 14.12.1989 - 2 NB 2.89 -, RiA 1990, 194 und vom 29. 1.1992 - 2 B 5.92 -; grundlegend Urteil vom 15.6.1971 - II C 17.70 -, BverwGE 38, 191.

Wie das BVerwG weiter ausgeführt hat, muss bei dieser groben Schätzung die den Lehrern abverlangte Arbeitsleistung unter Berücksichtigung der jährlichen Gesamtarbeitszeit im Rahmen der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der übrigen Beamten bleiben.

Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 14.12.1989 - 2 NB 2.89 -, a.a.O.

Diesen Ansatz hat sich auch der Senat zu eigen gemacht.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22.9.2003 - 6 A 4404/02 - (im Anschluss an OVG NRW, Beschlüsse vom 4.7.2003 - 6 A 2419/00 -, vom 14.7.2003 - 6 A 2040/01 - und vom 9.9.2003 - 2361/02 -); Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen durch BVerwG, Beschluss vom 12.3.2004 - 2 B 65.03 -.

Ausgehend hiervon ist nicht ersichtlich, dass die wöchentliche Regelarbeitszeit für Beamte, die durch die von der Klägerin unterrichteten 24,5 Wochenstunden für sich gesehen bei Weitem nicht ausgefüllt war, durch monatlich maximal sieben bis acht Stunden Bereitschaftsdienst im Schulgebäude überschritten worden ist. Entsprechendes gilt für die Zeit der darauf folgenden Teilzeitbeschäftigung der Klägerin, während der sie lediglich 12,25 Wochenstunden unterrichtete und wöchentlich höchstens eine Stunde Bereitschaftsdienst leistete.

Ob etwas Anderes dann anzunehmen wäre, wenn die Klägerin diese Bereitschaftsdienststunden gar nicht sinnvoll dienstlich hätte nutzen können, kann dahinstehen. Eine solche Annahme widerspräche jeder Lebenserfahrung. Aber auch auf der Grundlage des Vortrags der Klägerin liegen dafür keine stichhaltigen Anhaltspunkte vor.

Der Senat stimmt mit dem VG darin überein, dass die Klägerin ihren außerhalb des Unterrichts als solchen anfallenden dienstlichen Aufgaben, jedenfalls der Vorbereitung des Unterrichts, während der Zeiten ihrer Anwesenheit im Schulgebäude - wenn auch mit gelegentlichen Einschränkungen - durchaus nachgehen konnte. Ihre hiergegen gerichteten Einwände überzeugen nicht (wird ausgeführt). Dass ihr eine Unterrichtsvorbereitung nur zu Hause möglich und zuzumuten war und sie die Bereitschaftsdienstzeiten in der Schule nicht sinnvoll ausfüllen konnte, ist hiernach nicht ersichtlich.

Ob die angeordneten Bereitschaftsdienste sich noch im Rahmen des § 11 Abs. 3 Satz 2 ADO halten ("Sie können im Einzelfall zur Anwesenheit in der Schule verpflichtet werden ..."), ist im vorliegenden Zusammenhang nicht von rechtlicher Bedeutung.

Aus dem von der Klägerin zur Grundlage der Klage gemachten Urteil des EuGH vom 3.10.2000 - C 303/98 -, ZBR 2001, 29, lässt sich nichts zu ihren Gunsten herleiten. Allerdings ist danach der Bereitschaftsdienst, den die Ärzte des Teams zur medizinischen Grundversorgung in Form persönlicher Anwesenheit in der Gesundheitseinrichtung leisten, insgesamt als Arbeitszeit und gegebenenfalls als Überstunden im Sinne der Richtlinie 93/104 anzusehen. Dabei geht es aber um Bereitschaftsdienst außerhalb der "wöchentlichen Höchstarbeitszeit". Das Vorliegen dieser Grundvoraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erkennbar, wie ausgeführt worden ist. Außerdem betrifft das Urteil des EuGH keinen dem vorliegenden vergleichbaren Fall. Die Ärzte in den Teams zur medizinischen Grundversorgung in spanischen Gesundheitszentren hatten je nach Wochen- oder Monatsplan manchmal jeden zweiten Tag eine ununterbrochene Arbeitszeit von 31 Sunden - ohne nächtliche Ruhezeit - abzuleisten. An den gewöhnlichen Arbeitstag schloss sich der Bereitschaftsdienst an und an diesen der folgende gewöhnliche Arbeitstag. Um derartige Verhältnisse geht es hier nicht.

Schließlich folgt der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Vergütung von Mehrarbeit nicht aus § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 2 MVergV. Danach setzt ein Vergütungsanspruch u.a. voraus, dass der betreffende Lehrer über die sich aus der für Beamte geltenden regelmäßigen Arbeitszeit ergebende jeweilige monatliche Arbeitszeit (also über die individuelle Pflichtstundenzahl zuzüglich der für Lehrer zu veranschlagenden "weichen" Arbeitszeit) hinaus mehr als drei zusätzliche Unterrichtsstunden im Kalendermonat geleistet hat. Das war bei der Klägerin nicht der Fall.

Unter diesen Umständen kommt es nicht mehr darauf an, ob insbesondere im Hinblick auf § 5 Abs. 2 MVergV gemäß Nr. I. 2.2, 2.2.3 eines Runderlasses des Kultusministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 11.6.1979, 296, bei Lehrern als Mehrarbeit ohnehin nur tatsächlich geleisteter Unterricht in Betracht kommt. Im Übrigen dürfte - selbst wenn die Klägerin Mehrarbeit geleistet hätte, was nach den obigen Ausführungen nicht ersichtlich ist - § 5 Abs. 1 MVergV eine diesbezügliche Vergütung ausschließen. Das nach dieser Vorschrift zur Bemessung von Mehrarbeitsstunden anzulegende Verhältnis zwischen Zahl der Bereitschaftsdienststunden und dem Umfang des dabei tatsächlich geleisteten Unterrichts war - ausgehend von den Angaben der Klägerin - so, dass auch nach dieser Berechnung drei Unterrichtsstunden im Kalendermonat nicht erreicht wurden. Zudem fiel bei plötzlich notwendigem Vertretungsunterricht keine Unterrichtsvorbereitung an. Damit fehlte es an einer Voraussetzung für die in § 5 Abs. 2 Nr. 1 MVergV vorgesehene rechnerische Gleichsetzung von drei Unterrichtsstunden mit fünf Stunden (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 MVergV).

Ende der Entscheidung

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