Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 03.09.2009
Aktenzeichen: 6 A 3083/06
Rechtsgebiete: LBG NRW, LGG


Vorschriften:

LBG NRW § 35 Abs. 1 Satz 1 a. F.
LGG § 17 Abs. 1 Halbsatz 2
Die Entlassung einer Beamtin auf Widerruf auf der Grundlage des § 35 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW a. F. zählt zu den personellen Maßnahmen im Sinne des § 17 Abs. 1 Halbsatz 2 LGG, an denen die Gleichstellungsbeauftragte mitzuwirken hat.

Feststellungen bezüglich fachlicher Leistungsdefizite, die während einer nur halbjährigen Ausbildungs- und Erprobungsphase eines Lehramtsanwärters getroffen werden können, bieten regelmäßig kein hinreichendes tatsächliches Fundament für die Prognose, er werde das Ziel des Vorbereitungsdienstes nicht erreichen.


Tatbestand:

Die Klägerin wandte sich gegen ihre Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf. Das VG wies die Klage ab. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hatte Erfolg.

Gründe:

Die Klage ist auch begründet. Die Entlassungsverfügung vom 24.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2004 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Die Entlassung der Klägerin aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ist mangels Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten bereits formell rechtswidrig. Bei dieser Entlassung handelt sich um eine der Mitwirkungspflicht der Gleichstellungsbeauftragten unterliegende Maßnahme.

Der persönliche Geltungsbereich des Landesgleichstellungsgesetzes (LGG) erstreckt sich auch auf Beamte auf Widerruf. Beschäftigte im Sinne dieses Gesetzes (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 LGG) sind u.a. Beamte, und zwar unabhängig von der Art des Beamtenverhältnisses, in das sie berufen worden sind. Ausgenommen sind lediglich kommunale Wahlbeamte sowie Beamte, die nach § 38 LBG NRW in der bis zum 31.3.2009 geltenden Fassung (a. F.) bzw. nunmehr § 37 LBG NRW n. F. jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können.

Nach § 17 Abs. 1 Halbsatz 1 LGG unterstützt die Gleichstellungsbeauftragte die Dienststelle - hier die Bezirksregierung (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 LGG) - und wirkt bei der Ausführung des Gesetzes sowie aller Vorschriften und Maßnahmen mit, die Auswirkungen auf die Gleichstellung von Mann und Frau haben oder haben können. Dies gilt nach § 17 Abs. 1 Halbsatz 2 Nr. 1 LGG insbesondere für personelle Maßnahmen. Ausgehend vom Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des § 17 Abs. 1 LGG zählt zu den personellen Maßnahmen in diesem Sinne auch die hier streitgegenständliche Entlassung einer Beamtin auf Widerruf auf der Grundlage des § 35 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW a. F., wonach ein Beamter auf Widerruf jederzeit entlassen werden kann.

Der Wortlaut des § 17 Abs. 1 Halbsatz 2 Nr. 1 LGG legt ein weites Begriffsverständnis nahe. Dort findet sich lediglich die allgemeine Formulierung "personelle Maßnahmen" und nicht etwa eine Auflistung konkret bezeichneter personeller Maßnahmen. Ob der Kreis der mitwirkungspflichtigen personellen Maßnahmen dadurch eingegrenzt wird, dass § 17 Abs. 1 Halbsatz 1 LGG auf Maßnahmen abstellt, die Auswirkungen auf die Gleichstellung von Mann und Frau haben oder haben können, kann vorliegend dahingestellt bleiben. Gerade bei einer vom Dienstherrn initiierten Entlassung einer Beamtin handelt es sich um eine Maßnahme, die regelmäßig mit potenziellen Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frau und Mann einhergeht. Es drängt sich insbesondere die Frage auf, ob Frauen häufiger von einer solchen aus ihrer Sicht negativen Maßnahme betroffen sind als Männer und sie damit diskriminierende Wirkung hat. Dies zeigt zugleich, dass nicht lediglich die einen Einzelfall betreffende Entscheidung des Dienstherrn, sondern dessen Entscheidungspraxis in den Blick zu nehmen ist. Dies gilt umso mehr, wenn - wie auch im Rahmen des § 35 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW a. F. - eine Ermessensentscheidung des Dienstherrn in Rede steht.

Von einem eher weiten Verständnis des Begriffs "personelle Maßnahmen" ist auch der Gesetzgeber ausgegangen. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird zu § 17 LGG, vgl. LT-Drucksache 12/3959, S. 59 f., u.a. ausgeführt:

"Abs. 1 enthält eine Generalklausel für die Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten (...). Die zuständigen Gleichstellungsbeauftragten sind an den entsprechenden Maßnahmen zu beteiligen. Maßnahmen im Sinne der Nummer 1 sind analog §§ 72 ff. LPVG u. a. Versetzungen, Umsetzungen, Fortbildungen, Kündigungen, Arbeitszeitregelungen sowie die Erstellung von Beurteilungsrichtlinien (...). Die Aufzählung der Maßnahmen in Nrn. 1 und 2 LGG, an denen die Gleichstellungsbeauftragte mitwirkt, ist nicht abschließend."

Ein Hinweis darauf, dass eine vom Dienstherrn initiierte Entlassung nicht zum Kreis der personellen Maßnahmen zählt, die der Mitwirkung der Gleichstellungsbeauftragten unterliegen, findet sich in der Begründung des Gesetzentwurfs nicht. Zwar werden dort einige Maßnahmen ausdrücklich benannt, bei denen die Gleichstellungsbeauftragte mitzuwirken hat, nämlich bei "Versetzungen, Umsetzungen, Fortbildungen, Kündigungen, Arbeitszeitregelungen sowie die Erstellung von Beurteilungsrichtlinien". Es handelt sich jedoch nicht um eine abschließende, sondern um eine beispielhafte Aufzählung. Überdies spricht einiges dafür, dass der dort ausdrücklich genannte Begriff der "Kündigung" auch den bedeutungsverwandten Begriff der "Entlassung" einschließt.

Nach der Begründung des Gesetzentwurfs bestimmt sich der Kreis der mitwirkungspflichtigen "personellen Maßnahmen" im Sinne des § 17 Abs. 1 Halbsatz 2 Nr. 1 LGG in Anlehnung an die in §§ 72 ff. LPVG geregelten Angelegenheiten. Zu den Angelegenheiten, die nach §§ 72 ff. LPVG der Mitbestimmung des Personalrates unterliegen, zählte im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Landesgleichstellungsgesetzes vom 9.11.1999 (GV NRW S. 590) und gehört auch gegenwärtig die Entlassung eines Beamten auf Widerruf, wenn er die Entlassung nicht selbst beantragt hat (vgl. § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 LPVG i. V. m. Abs. 1 Satz 4 LPVG in der Fassung des Neunten Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 20.4.1999, GV NRW S. 148, 152 f., bzw. nunmehr § 74 Abs. 3 LPVG). Stellt die hier streitgegenständliche Entlassung der Klägerin aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf eine Maßnahme dar, die der Mitwirkung des Personalrates bedarf, so unterliegt sie nach der Konzeption des Gesetzgebers zugleich der Mitwirkungspflicht der Gleichstellungsbeauftragten.

Bestätigt wird dieses Gesetzesverständnis schließlich durch die in §§ 18 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 und Abs. 3 Satz 2, 19 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 und Abs. 2 Satz 2 LGG getroffenen Regelungen. Nach § 18 Abs. 2 Satz 1 LGG ist die Gleichstellungsbeauftragte frühzeitig über beabsichtigte Maßnahmen zu unterrichten und anzuhören. Ihr ist innerhalb einer angemessenen Frist, die in der Regel eine Woche nicht unterschreiten darf, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (§ 18 Abs. 2 Satz 2 LGG). Bei fristlosen Entlassungen und außerordentlichen Kündungen beträgt die Frist drei Arbeitstage (§ 18 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 LGG). Die Mitwirkung der Gleichstellungsbeauftragten bei Entlassungen, die an die Einhaltung einer Entlassungsfrist gebunden sind, wird damit als selbstverständlich vorausgesetzt.

2. Die Entlassung der Klägerin aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ist aufgrund von Ermessensfehlern auch materiell rechtswidrig.

a) Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW a. F., der vorliegend Ausgangspunkt der materiellrechtlichen Beurteilung ist, kann der Beamte auf Widerruf jederzeit entlassen werden. Die fehlerfreie Ausübung des Ermessens erfordert vor allem anderen, dass die Entlassung aus einem sachlichen Grund erfolgt. Im Rahmen des § 35 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW a. F. genügt grundsätzlich jeder sachliche Grund. Es kommen sowohl Umstände in Betracht, die in der Person des Beamten liegen (wie etwa unzureichende fachliche Leistungen oder eine sonst fehlende persönliche Eignung), als auch solche, die in der Sphäre der Verwaltung (wie etwa der Wegfall von Aufgaben) liegen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 9.6.1981 - 2 C 48.78 -, BVerwGE 62, 267, m.w.N.; Plog/Wiedow/Lemhöfer, BBG, Stand: Juli 2009, § 32 Rdnr. 5.

Ist ein sachlicher Grund für eine Entlassung gegeben, so muss auch im Übrigen das durch § 35 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW a. F. eröffnete Ermessen fehlerfrei ausgeübt werden.

Vgl. Plog/Wiedow/Lemhöfer, a.a.O., Rdnr. 7.

Im Falle des Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst ist das Ermessen des Dienstherrn durch § 35 Abs. 2 Satz 1 LBG NRW a. F. weiter eingeschränkt. Hiernach soll dem Beamten auf Widerruf Gelegenheit gegeben werden, (im Beamtenverhältnis) den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die Prüfung abzulegen. Diese Sollvorschrift bedeutet eine Einschränkung des dem Dienstherrn nach § 35 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW a. F. eingeräumten weiten Ermessens dahin, dass eine Entlassung des Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst grundsätzlich nur aus einem solchen sachlichen Grund in Betracht kommt, der mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes im Einklang steht.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 9.6.1981 - 2 C 48.78 -, a.a.O.; Plog/Wiedow/Lemhöfer, a.a.O., Rdnr. 8.

So kann eine Entlassung gerechtfertigt sein, wenn der Beamte das Ziel des Vorbereitungsdienstes, nämlich den Erwerb der Befähigung für die angestrebte Laufbahn, aufgrund nachhaltig unzureichender Leistungen auch bei wohlwollender Betrachtung aller Voraussicht nach nicht erreichen wird und die Fortsetzung der Ausbildung damit sinnlos ist oder wenn absehbar ist, dass der Beamte die persönlichen Eignungsanforderungen für die angestrebte Beamtenlaufbahn nicht erfüllen wird.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 9.6.1981 - 2 C 48.78 -, a.a.O.; Plog/Wiedow/Lemhöfer, a.a.O., Rdnrn. 8 f.

Wenn der Vorbereitungsdienst - wie hier - als allgemeine Ausbildungsstätte im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG zu qualifizieren ist, weil er auch Voraussetzung für die Ausübung eines Berufes außerhalb des öffentlichen Dienstes ist, können Befähigung und Eignung nicht - jedenfalls nicht ausschließlich - unter Berücksichtigung der Anforderungen eines dem Beamten nach Ableistung des Vorbereitungsdienstes und Ablegung der Prüfung zu übertragenden Amtes beurteilt werden. Vielmehr ist dann in erster Linie auf die Anforderungen des Vorbereitungsdienstes im Beamtenverhältnis auf Widerruf und des angestrebten Berufes abzustellen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 9.6.1981 - 2 C 48.78 -, a.a.O.; Plog/Wiedow/Lemhöfer, a.a.O., Rdnrn. 8 f.

Hiervon ausgehend hat das beklagte Land das ihm im Rahmen des § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 LBG NRW a. F. eröffnete Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Seine Erwägungen, die sowohl fachliche Leistungsdefizite als auch eine aufgrund von Dienstpflichtverletzungen verneinte persönliche Eignung betreffen, halten einer Überprüfung an den vorstehenden Maßstäben nicht stand. Sie haben im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung - hier des angegriffenen Widerspruchsbescheides - nicht die Annahme gerechtfertigt, ein sachlicher Grund für die Entlassung der Klägerin aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf sei gegeben.

b) Die Erwägungen des beklagten Landes, welche die fachlichen Leistungsdefizite betreffen, sind insbesondere durch die Einschätzung der Ausbildungslehrerinnen der Klägerin bestimmt worden, sie werde nicht in der Lage sein, ab dem zweiten Ausbildungshalbjahr selbstständig Unterricht zu erteilen. Das beklagte Land hat im Widerspruchsbescheid im Kern weiter ausgeführt, die Planung, Organisation, Durchführung und Reflexion von Unterrichtseinheiten seien mit gravierenden Mängeln behaftet gewesen, weshalb die Fortsetzung ihrer Ausbildung nicht mehr vertretbar gewesen sei. Diese Erwägungen konnten im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung die prognostische Einschätzung, die Klägerin werde das Ziel des Vorbereitungsdienstes aufgrund nachhaltig unzureichender Leistungen auch bei wohlwollender Betrachtung aller Voraussicht nach nicht erreichen, (noch) nicht zu rechtfertigen. An eine solche Prognose sind, wenn - wie hier - der Vorbereitungsdienst als allgemeine Ausbildungsstätte im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG zu qualifizieren ist, strenge Anforderungen zu stellen. Insbesondere setzt sie voraus, dass ihr eine hinreichende Tatsachengrundlage sowie Leistungsanforderungen zu Grunde gelegt werden, deren Erfüllung von dem Beamten im jeweiligen Stadium des Vorbereitungsdienstes erwartet werden durfte.

Diesen Voraussetzungen genügt die Prognose des beklagten Landes nicht.

Feststellungen bezüglich fachlicher Leistungsdefizite, die - wie hier - während einer nur halbjährigen Ausbildungs- und Erprobungsphase eines Lehramtsanwärters getroffen werden können, bieten regelmäßig kein hinreichendes tatsächliches Fundament für die Prognose, er werde das Ziel des zweijährigen Vorbereitungsdienstes nicht erreichen. Der Vorbereitungsdienst dient gerade der Ausbildung des Lehramtsanwärters. Ihm soll Gelegenheit gegeben werden, Kenntnisse und Fähigkeiten während des Vorbereitungsdienstes zu erwerben und auszubauen. Auch wenn ein Lehramtsanwärter im ersten Ausbildungshalbjahr des Vorbereitungsdienstes unzureichende fachliche Leistungen erbringt, kann im Allgemeinen erwartet werden, dass er seine Leistungen im weiteren Verlauf des Vorbereitungsdienstes mit fortschreitender Ausbildung wird steigern können.

Dies zu Grunde gelegt war auch im Falle der Klägerin die prognostische Einschätzung, sie werde das Ziel des Vorbereitungsdienstes nicht erreichen, nach nur einem Ausbildungshalbjahr (noch) nicht zu rechtfertigen. Es konnte trotz der im ersten Ausbildungshalbjahr durchgängig vorhandenen erheblichen Leistungsdefizite nicht davon ausgegangen werden, dass sie ihre Leistungen in der verbleibenden Ausbildungszeit nicht in einem solchen Maße würde steigern können, dass sie den Mindestanforderungen genügen. Insoweit darf nicht außer Acht gelassen werden, dass auch weniger qualifizierten Lehramtsanwärtern die Ableistung des Vorbereitungsdienstes und die Ablegung der Zweiten Staatsprüfung ermöglicht werden soll.

Dem steht nicht entgegen, dass die Leistungsdefizite der Klägerin in der Anfangszeit des Vorbereitungsdienstes offensichtlich auch auf einer mangelnden Einsatzbereitschaft gegründet haben. Die Stellungnahme der Schulleiterin der Ausbildungsschule vom 2.6.2004 belegt, dass es insoweit - wenn auch unter dem Druck des eingeleiteten Entlassungsverfahrens - noch während des ersten Ausbildungshalbjahres zu einer Verhaltensänderung der Klägerin gekommen ist und sie sich bemüht hat, mehr Einsatz zu zeigen.

Dass das beklagte Land sich dennoch nicht zu einer für die Klägerin günstigeren Prognose veranlasst gesehen hat, hat - von dem Vorstehenden abgesehen - seinen Grund auch darin, dass es von unzutreffenden Leistungsanforderungen ausgegangen ist. Für das hier in Rede stehende Ausbildungsverhältnis der Klägerin werden die Leistungsanforderungen durch die Ordnung des Vorbereitungsdienstes und der Zweiten Staatsprüfung für Lehrämter an Schulen (OVP) vom 11.11.2003 näher umschrieben; zugleich wird damit auch das auszuübende Entlassungsermessen gesteuert.

Nach § 1 Satz 1 OVP bereitet der Vorbereitungsdienst auf die eigenverantwortliche Unterrichts- und Erziehungstätigkeit an Schulen vor. Nach § 6 Abs. 3 Nr. 2 OVP kann ein Lehramtsanwärter entlassen werden, wenn er aus von ihm zu vertretenden ausbildungsfachlichen Gründen bis zum Ende des dritten Ausbildungshalbjahres nicht selbstständig im Unterricht eingesetzt werden kann. Diese Regelung bestätigt, dass die Bewertung der Leistungen des Lehramtswärters eine auch in zeitlicher Hinsicht hinreichende tatsächliche Grundlage erfordert. Erst die nach drei Ausbildungshalbjahren festgestellte Unfähigkeit, selbstständig Unterricht zu erteilen, stellt gemessen an dem in der OVP definierten Erwartungshorizont einen sachlichen Grund für die Beendigung des Ausbildungsverhältnisses dar. Angesichts dessen war es verfehlt, die Entlassung der Klägerin auch damit zu begründen, sie könne im zweiten Ausbildungshalbjahr nicht selbstständig im Unterricht eingesetzt werden.

Dass es der Klägerin nach der Wiederaufnahme ihres Vorbereitungsdienstes am 2.11.2006 nicht gelungen ist, ausreichende Leistungen zu erbringen, und sich die negative Prognose des beklagten Landes letztlich bestätigt hat, vermag die angefochtene Entlassung nicht im Nachhinein zu rechtfertigen. Es ist - wie dargelegt - auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung - hier des angegriffenen Widerspruchsbescheides - abzustellen. Dabei ist die prognostische Bewertung von fachlichen Leistungsdefiziten, wie auch andere Akte wertender Erkenntnis, gerichtlich nur beschränkt überprüfbar. Die inhaltliche Richtigkeit der Bewertung ist nicht Gegenstand und Maßstab der verwaltungsgerichtlichen Rechtsmäßigkeitskontrolle; dementsprechend ist es ohne Belang, ob sich eine negative Prognose im Nachhinein als inhaltlich richtig bestätigt. Die gerichtliche Kontrolle hat sich vielmehr auf die Überprüfung allgemeiner Kriterien zu beschränken. Dementsprechend war vorliegend u.a. zu prüfen, ob das beklagte Land von einer hinreichenden Tatsachengrundlage und zutreffenden Leistungsanforderungen ausgegangen ist. Das ist, wie erörtert, nicht der Fall.

c) Neben den fachlichen Leistungsdefiziten hat das beklagte Land im angegriffenen Widerspruchsbescheid die seiner Ansicht nach insbesondere aufgrund von Dienstpflichtverletzungen nicht gegebene persönliche Eignung der Klägerin "für die angestrebte Laufbahn einer Lehrerin" angeführt. Auch wenn man an dieser Stelle darüber hinwegsieht, dass das beklagte Land zu Unrecht allein die Ausübung des Lehrerberufs im öffentlichen Dienst in den Blick genommen hat (dazu im Weiteren), genügten auch diese Erwägungen nicht den gesetzlichen Anforderungen. Diesbezüglich steht zwar wiederum eine nur beschränkt gerichtlich überprüfbare prognostische Einschätzung im Raum. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle hat sich allerdings darauf zu erstrecken, ob der Dienstherr von einem unrichtigen bzw. unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Entlassung aus dem Vorbereitungsdienst mit weitreichenden Konsequenzen für die weitere berufliche Existenz des Betroffenen verbunden ist, so dass auch aus fürsorgerischen Gründen eine sorgfältige Ermittlung und Abwägung aller für und gegen ihn sprechenden Umstände unerlässlich ist.

Nach diesen Maßgaben war die dem angegriffenen Widerspruchsbescheid zu Grunde liegende prognostische Einschätzung des beklagten Landes, die Klägerin werde die persönlichen Eignungsanforderungen für die "Laufbahn einer Lehrerin" nicht erfüllen, ebenfalls fehlerhaft.

Unschädlich ist insoweit allerdings, dass der Entlassung der Klägerin aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf kein förmliches Ermittlungsverfahren nach §§ 21 ff. LDG NRW (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 34 Abs. 4 Satz 2 LBG NRW a. F.) zur Aufklärung des hier in einigen Punkten streitigen Sachverhalts vorausgegangen ist. Die Notwendigkeit, vor der Entlassung eines Beamten auf Widerruf wegen eines Dienstvergehens disziplinarrechtliche Ermittlungen durchzuführen, besteht nur, wenn die Entlassung (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 Nr. 1 LBG NRW a. F.) ausschließlich auf das Dienstvergehen gestützt werden soll. Wenn dagegen beabsichtigt ist, den Beamten auf Widerruf wegen mangelnder charakterlicher Eignung aufgrund eines Verhaltens zu entlassen, das zugleich die Merkmale eines Dienstvergehens erfüllt, sind disziplinarrechtliche Ermittlungen nicht erforderlich.

Vgl. Brockhaus, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Stand: Dezember 2007, § 35 Rdnr. 30.

Bereits nach dem Vorbringen der Klägerin ist davon auszugehen, dass sie Dienstpflichtverletzungen begangen hat, die Anlass zur Überprüfung der Frage gegeben haben, ob sie für den Lehrerberuf charakterlich geeignet ist.

Ein Lehramtsanwärter ist verpflichtet, sich der Ausbildung im Vorbereitungsdienst von Anfang an ernsthaft zu widmen. Die Teilnahme an der Ausbildung berührt nicht ausschließlich seine eigene Interessen und ist nicht in sein Belieben gestellt. Vielmehr ist die Verpflichtung, sich der Ausbildung zu unterziehen, wesentlicher Inhalt des Rechtsverhältnisses als Beamter auf Widerruf, das er freiwillig eingegangen ist.

Vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 25.9.2003 - 2 C 49.02 -, NVwZ-RR 2004, 273.

Der Vorbereitungsdienst des Lehramtswärters wird von seiner Pflicht zur Teilnahme an den von der Ausbildungsschule und vom Studienseminar festgelegten Ausbildungsveranstaltungen bestimmt. Nimmt der Lehramtsanwärter ohne Genehmigung an einer Ausbildungsveranstaltung nicht teil, bleibt er im Sinne des § 79 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW a. F. ungenehmigt dem Dienst fern und begeht damit eine Dienstpflichtverletzung.

Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW a. F. hat der Beamte seine Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Dies gilt auch für Lehramtswärter. Die Beratungs- und Unterstützungspflicht schließt die Verpflichtung ein, sich zu dienstlich relevanten Sachverhalten wahrheitsgemäß zu äußern.

Vgl. Schachel, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Stand: Juli 2008, § 58 LBG NRW, Rdnr. 6.

Die Klägerin ist nach ihrem eigenen Vorbringen in den ersten beiden Ausbildungsmonaten, mithin im Februar und März 2004, an mehreren Tagen dem Dienst ungenehmigt ferngeblieben. Sie hat den Vorbereitungsdienst offensichtlich mit der verfehlten Einstellung angetreten, sie könne mehr oder weniger eigenmächtig den restlichen Prüfungsverpflichtungen, die zum Abschluss ihres Studiums der Musikerziehung noch zu erfüllen waren, Vorrang vor den zu Beginn des Vorbereitungsdienstes anstehenden Ausbildungsveranstaltungen einräumen. Diese Einstellung hat dazu geführt, dass sie sich zunächst überhaupt nicht und später nicht zeitgerecht veranlasst gesehen hat, von den zuständigen Stellen eine Dienstbefreiung zu erbitten, wenn im Rahmen des Studiums der Musikerziehung ein Prüfungstermin bzw. dessen Vorbereitung anstand. Sie hat es zudem unterlassen, die mit ihrer Ausbildung befassten Personen sowie das Studienseminar in der gebotenen Weise, nämlich frühzeitig und umfassend über die mit dem Studium der Musikerziehung verbundenen Prüfungsverpflichtungen zu informieren. Auch in Krankheitsfällen ist sie ihren Informationspflichten nicht nachgekommen.

In welchem Umfang der Klägerin Dienstpflichtverletzungen vorzuwerfen sind, ist zwischen den Beteiligten in Teilen streitig (etwa hinsichtlich der Pflicht der Klägerin zur Anwesenheit in der Schule in der Zeit vom 9. bis 20.2.2004); das bedarf aber keiner Aufklärung. Selbst wenn zu Lasten der Klägerin unterstellt wird, ihr seien Dienstpflichtverletzungen in dem vom beklagten Land angenommenen Umfang vorzuwerfen, ist dessen maßgeblich von diesen Dienstpflichtverletzungen bestimmte prognostische Einschätzung, der Klägerin fehle die persönliche Eignung für die Lehrerlaufbahn, fehlerhaft. Die Entlassungsverfügung in der Gestalt des Widerspruchsbescheides lässt eine Abwägung auch der für die Klägerin sprechenden Aspekte vermissen und geht deshalb von einer unzureichenden Tatsachengrundlage aus.

So ist nicht in den Blick genommen worden, dass die Dienstpflichtverletzungen im Wesentlichen aufgrund einer zeitlichen Überschneidung von Ausbildungsveranstaltungen im Rahmen des Vorbereitungsdienstes und der restlichen Prüfungsverpflichtungen entstanden sind, die die Klägerin noch zu absolvieren hatte, um ihr Studium der Musikerziehung abzuschließen. Sie hat sich hierdurch um eine zusätzliche Qualifikation bemüht, die ihrer Lehrtätigkeit insbesondere im Fach Musik hätte zugute kommen können.

Außerdem ist zu ihren Lasten unberücksichtigt geblieben, dass sich das ihr vorgeworfene ungenehmigte Fernbleiben vom Dienst auf die Monate Februar und März 2004, mithin auf die ersten beiden Monate ihres Vorbereitungsdienstes bezog und sie danach ihr Verhalten geändert hat. Sie ist in der Folgezeit nicht mehr ungenehmigt dem Dienst ferngeblieben. Sie hat sogar die letzte Teilprüfung ihres Studiums der Musikerziehung, die im Juni/Juli 2004 hätte stattfinden sollen, abgesagt, um nicht ungenehmigt dem Dienst fernzubleiben.

Diese Defizite werden durch den Hinweis des beklagten Landes auf die Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen der Klägerin und der Schulleiterin sowie den Ausbildungslehrerinnen nicht beseitigt. Ein sachlicher Grund für die Entlassung der Klägerin aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ließ sich hieraus unter den konkreten Umständen des Einzelfalls nicht ableiten. Jedenfalls stand mit dem - später auch praktizierten - Wechsel der Ausbildungsschule ein milderes Mittel zur Verfügung, das mit Blick auf das Übermaßverbot Vorrang hatte.

Nach alledem hat das beklagte Land das ihm eröffnete Ermessen bereits mangels hinreichender Erwägungen zur Bejahung eines sachlichen Grundes für die Entlassung der Klägerin aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf fehlerhaft ausgeübt.

d) Die Entlassung der Klägerin ist darüber hinaus deshalb rechtswidrig, weil das durch § 35 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW a. F. im Übrigen eröffnete Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt worden ist.

Sofern dieses Ermessen aufgrund der Einzelfallumstände nicht auf Null reduziert ist, handelt der Dienstherr ermessensfehlerhaft, wenn er von dem Ermessen nicht in einer dem Zweck des § 35 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW a. F. entsprechenden Weise Gebrauch macht (vgl. § 40 VwVfG NRW). Dies kann u.a. dadurch geschehen, dass er die in den Blick zu nehmenden Interessen des betroffenen Beamten nicht oder nicht hinreichend in seine Erwägungen einstellt. Die Interessen des betroffenen Beamten werden nicht zuletzt davon bestimmt, ob die Entlassung aus einem Vorbereitungsdienst in Rede steht, der auch Voraussetzung für die Ausübung eines Berufes außerhalb des öffentlichen Dienstes ist, mithin als allgemeine Ausbildungsstätte im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG zu qualifizieren ist. Ermessensfehlerhaft ist die Entlassung, wenn der Dienstherr verkennt, dass es sich um einen solchen Vorbereitungsdienst handelt.

Eine Ermessensreduzierung in dem Sinne, dass vorliegend als einzig rechtmäßige Entscheidung nur die Entlassung der Klägerin aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf mit Ablauf des 31.7.2004 in Betracht gekommen wäre und die im Rahmen des § 35 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW a. F. ansonsten gebotenen Ermessenserwägungen entbehrlich gewesen sein könnten, kann nicht angenommen werden. Die demnach gebotene hinreichende Einbeziehung der Interessen der Klägerin ist nicht erfolgt. Das beklagte Land hat zwar erkannt, dass der Staat hinsichtlich des Vorbereitungsdienstes für das Lehramt ein Ausbildungsmonopol innehat, es hat jedoch verkannt, dass dieser als allgemeine Ausbildungsstätte im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG zu qualifizieren ist.

Ein rechtliches oder faktisches Ausbildungsmonopol des Staates ist anzunehmen, wenn der erfolgreiche Abschluss der staatlichen Ausbildung für die Berufsausübung außerhalb des Staatsdienstes rechtlich erforderlich ist oder nach der Verkehrsanschauung zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung gehört und von Arbeitgebern erwartet wird. Das ist hinsichtlich des staatlichen Vorbereitungsdienstes für das Lehramt der Fall. Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG macht die Genehmigung privater Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen davon abhängig, dass die wissenschaftliche Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurücksteht. Die Anforderungen der staatlichen Ausbildung stellen somit den Maßstab für die berufliche Qualifikation dar, die von Lehrern an Privatschulen verlangt wird. Dementsprechend gehört der staatliche Vorbereitungsdienst für das Lehramt zu den allgemeinen Standards. Mangels anderweitiger Ausbildungsmöglichkeiten sind auch solche Bewerber auf die staatliche Ausbildung angewiesen, die den Beruf nicht im Staatsdienst ausüben wollen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 26.6.2008 - 2 C 22.07 -, BVerwGE 131, 242, m.w.N.

Das beklagte Land hat im angegriffenen Widerspruchsbescheid ausgeführt, die "Ausbildung" - gemeint ist der Vorbereitungsdienst für das Lehramt - ziele "lediglich auf den Lehrerberuf mit dem Ziel der späteren Verwendung im öffentlichen Schuldienst", habe "also nicht den Charakter einer allgemeinen Ausbildung". Es hat somit nicht erkannt, dass die Klägerin auch dann den Vorbereitungsdienst absolvieren muss, wenn sie an einer privaten Schule tätig werden will. Schon damit hat es den von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Interessen der Klägerin nicht das gebotene Gewicht beigemessen.

Ende der Entscheidung

Zurück