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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 16.12.2008
Aktenzeichen: 6 A 4509/05
Rechtsgebiete: BVO NRW, LBG NRW, VwGO


Vorschriften:

BVO NRW § 4 Abs. 1 Nr. 7
LBG NRW § 85
VwGO § 86 Abs. 1
Verneinung der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Arzneimittel und Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen.

Ob ein Mittel geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, richtet sich nach seiner objektiven Eigenart und Beschaffenheit. Unerheblich ist, wie es im Einzelfall eingesetzt und ob dabei ein therapeutischer Zweck verfolgt wird.

Unmittelbar aus der Fürsorgepflicht lässt sich ein Beihilfeanspruch grundsätzlich nur herleiten, wenn die notwendigen Aufwendungen im Krankheitsfall die wirtschaftliche Lebensführung des Beamten und seiner Familie so einschränken, dass sie nicht mehr alimentationsgerecht ist.


Tatbestand:

Die Klägerin ist beihilfeberechtigte Lehrerin im Ruhestand. Zur Behandlung ihrer chronischen Polyarthritis verschrieb ihr der behandelnde Arzt das ayurvedische Präparat H 15 Gufic, die zur Behandlung von Vitaminmangelerkrankungen zugelassenen Arzneimittel Mowivit und BVK Roche sowie das nicht als Arzneimittel zugelassene Präparat Ameu. Den Antrag auf Gewährung einer Beihilfe zu den Aufwendungen für diese Mittel lehnte das beklagte Land mit der Begründung ab, sie seien wissenschaftlich nicht anerkannt bzw. geeignet, Nahrungsmittel zu ersetzen. Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das OVG lehnte den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung ab.

Gründe:

Das VG hat das ayurvedische Präparat H 15 Gufic gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 Buchstabe a) BVO NRW, hier anwendbar i. d. F. der Neunzehnten Verordnung zur Änderung der Beihilfenverordnung vom 12.12.2003 (GV.NRW. S. 756), als nicht beihilfefähig angesehen. Das Mittel sei in Bezug auf das Krankheitsbild der Klägerin wissenschaftlich nicht anerkannt. Wissenschaftlichen Standards genügende Studien zur Einschätzung der Wirksamkeit von H 15 Gufic bei der Behandlung von chronischer Polyarthritis lägen nicht vor. Eine entsprechende Überzeugungsbildung in der Wissenschaft sei nicht festzustellen. Die Beihilfefähigkeit der Präparate Ameu, Mowivit und BVK Roche hat das VG mit der Begründung verneint, es handele sich um Mittel im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 Buchstabe b) BVO NRW. Sie seien geeignet, sonst mit der Nahrung aufgenommene Omega-3-Fettsäuren (Ameu) bzw. Vitamine E und B (Mowivit und BVK Roche) zu ersetzen. Als Arzneimittel seien Ameu nicht und Mowivit und BVK Roche ausschließlich zur Behandlung von Vitaminmangelerkrankungen zugelassen. Eine derartige Erkrankung habe die Klägerin nicht nachgewiesen.

Die Richtigkeit dieser Annahmen wird durch das Zulassungsvorbringen nicht erschüttert.

Der Einwand der Klägerin, inzwischen erkenne die überwiegende Meinung in der medizinischen Wissenschaft das Präparat H 15 Gufic als wirksam für eine Behandlung chronischer Polyarthritis an, erschöpft sich in einer nicht weiter substantiierten Behauptung. Die in diesem Zusammenhang angeführte Stellungnahme des Amts-apothekers vom 22.4.2004 gibt nichts dafür her, dass sich eine derartige Überzeugung in der Wissenschaft herausgebildet hätte. Im Übrigen stützt die Klägerin ihre Behauptung ausschließlich auf Beweisangebote, ohne sich entsprechend den Darlegungsanforderungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinanderzusetzen.

Ob das Präparat H 15 Gufic, wie die Klägerin vorträgt, bei ihr zu einer erheblichen Reduzierung von Entzündungen geführt hat, ist unerheblich. § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 Buchstabe a) BVO NRW schließt die Beihilfefähigkeit wissenschaftlich nicht anerkannter Mittel unabhängig davon aus, ob sie im konkreten Fall eine Besserung des Gesundheitszustandes bewirkt haben. Die gegenteilige Behauptung der Klägerin ist mit Blick auf diese Bestimmung nicht nachvollziehbar.

Soweit sich das Zulassungsvorbringen auf die Präparate Ameu, Mowivit und BVK Roche bezieht, ist es ebenfalls nicht geeignet, die angefochtene Entscheidung in Frage zu stellen. Die Klägerin beruft sich auch in diesem Zusammenhang auf die konkret in ihrem Fall bewirkten Gesundheitsverbesserungen und macht zudem geltend, sie nehme die genannten Präparate in einer Konzentration ein, die bei einer Nahrungsaufnahme nicht zu erzielen sei. Diese Einwände greifen nicht durch, weil es auf die konkrete Verwendung der in § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 Buchstabe b) BVO NRW genannten Mittel entsprechend den zutreffenden Ausführungen des VG nicht ankommt. Ob ein Mittel geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, richtet sich nach seiner objektiven Eigenart und Beschaffenheit. Wie es im Einzelfall eingesetzt und ob dabei ein therapeutischer Zweck verfolgt wird, ist ohne Belang (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 9.9.2008 - 5 LA 329/06 -). Der nicht weiter begründeten Auffassung der Klägerin, es widerspreche der Beihilfenverordnung, die Beihilfefähigkeit eines Präparates allein aufgrund seiner Eignung zur Ersetzung von Gütern des täglichen Bedarfs zu verneinen, vermag der Senat angesichts der eindeutigen Regelung in § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 Buchstabe b) BVO NRW nicht zu folgen.

Der Einwand der Klägerin, das Präparat Mowivit sei nicht ausschließlich zur Behandlung eines Vitamin-E-Mangels geeignet, greift schon deswegen nicht durch, weil das VG Gegenteiliges nicht angenommen hat. Es hat lediglich festgestellt, dass Mowivit als Arzneimittel ausschließlich zur Behandlung eines Vitamin-E-Mangels zugelassen sei.

Soweit die Klägerin die behaupteten Beihilfeansprüche unmittelbar auf die Fürsorgepflicht stützt, zeigt sie ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung auf. Das VG hat zu Recht angenommen, dass angesichts der grundsätzlich abschließenden Konkretisierung der Fürsorgepflicht durch die Beihilfevorschriften ein Rückgriff auf die Generalklausel des § 85 LBG NRW hier nur in Betracht käme, wenn der Ausschluss der Beihilfe für die in Rede stehenden Medikamente die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern verletzen würde. Das ist nur dann anzunehmen, wenn die notwendigen Aufwendungen im Krankheitsfall die wirtschaftliche Lebensführung des Beamten und seiner Familie so einschränken, dass sie nicht mehr alimentationsgerecht ist (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16.11.2007 - 6 A 2171/05 -, NVwZ-RR 2008, 271, m. w. N.). Ein solcher Ausnahmefall ist hier schon deswegen nicht gegeben, weil die geltend gemachten Aufwendungen verhältnismäßig gering sind. Der Rechnungsbetrag beläuft sich für die streitbetroffenen Medikamente insgesamt auf 250,42 Euro, was bei einem Beihilfebemessungssatz von 70 v.H. einem erstattungsfähigen Betrag von lediglich 175,30 Euro entspricht.

Ende der Entscheidung

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