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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 18.07.2007
Aktenzeichen: 6 A 4680/04
Rechtsgebiete: LVO NRW


Vorschriften:

LVO NRW § 6 Abs. 1
LVO NRW § 6 Abs. 1 Satz 6
LVO NRW § 52 Abs. 1
Die in den §§ 6 Abs. 1, 52 Abs. 1 LVO NRW festgelegte Höchstaltersgrenze von 35 Jahren für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe ist mit dem Verbot der Altersdiskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sowie der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 vereinbar.

Dem Gesetz- beziehungsweise Verordnungsgeber steht bei der Bestimmung der Ausnahmen von dem Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 10 AGG, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 2000/78/EG) im Zusammenhang mit der Beurteilung der Angemessenheit des gewählten Mittels in Relation zu dem damit verfolgten Zweck ein Gestaltungsspielraum zu.

Behinderte Menschen, die schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind, werden vom Anwendungsbereich der in § 6 Abs. 1 Satz 6 LVO NRW vorgesehenen Höchstaltersgrenze von 43 Jahren für schwerbehinderte Laufbahnerwerber nicht erfasst.


Tatbestand:

Der am 4.5.1960 geborene Kläger ist als Lehrer im Angestelltenverhältnis im Dienst des beklagten Landes beschäftigt und begehrte seine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe. Am 25.5.1993 bestand er die Erste Staatsprüfung für die Lehrämter für die Sekundarstufe II und für die Sekundarstufe I und am 24.11.1995 die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt für die Sekundarstufe II und für das Lehramt für die Sekundarstufe I, jeweils in den Fächern Deutsch und Französisch.

Mit Wirkung vom 18.8.1997 wurde der Kläger auf unbestimmte Zeit als Lehrer im Angestelltenverhältnis mit voller Pflichtstundenzahl eingestellt.

Unter dem 5.11.2001 beantragte der Kläger seine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe. Er berief sich auf den seinem Antrag beigefügten Bescheid der Bundesanstalt für Arbeit (Arbeitsamt Köln) vom 10.10.2001, mit dem er nach § 2 Abs. 3 SGB IX den schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sei. Da nach Ziffer 2 der sogenannten Schwerbehindertenrichtlinie des Landes Nordrhein-Westfalen diese auch auf Gleichgestellte anzuwenden sei und Ziffer 4.4 auf die Erleichterungen des § 6 Abs. 1 Satz 6 LVO NRW verweise, sei er, der das 43. Lebensjahr noch nicht vollendet habe, noch zu verbeamten.

Mit Bescheid vom 8.3.2002 lehnte die Bezirksregierung den Antrag ab. Der Kläger sei nicht als Schwerbehinderter anerkannt. Im Übrigen könne die in § 6 Abs. 1 Satz 6 LVO NRW vorgesehene Ausnahme von der Höchstaltersgrenze nur bei der erstmaligen Einstellung in ein Dauerbeschäftigungsverhältnis Anwendung finden. Bei Lehrkräften, deren Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung erst nach der Einstellung festgestellt worden sei, fehle es hingegen an einer auf der Behinderung beruhenden Ausbildungsverzögerung, die mit der Regelung aufgefangen werden solle.

Der dagegen eingelegte Widerspruch sowie die anschließend vor dem VG erhobene Klage blieben erfolglos.

Zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung trug der Kläger vor, die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 6 LVO NRW seien aufgrund des Gleichstellungsbescheides der Bundesanstalt für Arbeit gegeben. Unabhängig davon verstoße die Festlegung der laufbahnrechtlichen Höchstaltersgrenze auf 35 Jahre gegen das in Art. 2 EU-Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 enthaltene Diskriminierungsverbot wegen Alters. Eine sachliche Rechtfertigung im Sinne des Art. 6 Satz 2 Buchstabe c) der Richtlinie 2000/78/EG gebe es nicht.

Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Gründe:

I. Gemäß den §§ 6 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 LVO NRW darf als Laufbahnbewerber nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a) LVO NRW in das Beamtenverhältnis auf Probe nur eingestellt oder übernommen werden, wer das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Eine Übernahme des Klägers in das Beamtenverhältnis auf Probe ist ausgeschlossen, weil er bereits am 4.5.1995 und damit über zwei Jahre vor seiner Einstellung als Lehrkraft im Dauerbeschäftigungsverhältnis mit Wirkung vom 18.8.1997 das Höchstalter von 35 Jahren überschritten hatte.

Soweit die Bundesanstalt für Arbeit (Arbeitsamt Bonn) mit Bescheid vom 10.10.2001 den Kläger gem. § 2 Abs. 3 SGB IX rückwirkend ab dem 15.6.2001 und befristet bis zum 31.12.2006 den schwerbehinderten Menschen gleichgestellt hat, führt dies zu keiner anderen Entscheidung. Nach § 6 Abs. 1 Satz 6 LVO NRW dürfen schwerbehinderte Laufbahnbewerber vor vollendetem 43. Lebensjahr eingestellt oder übernommen werden. Entgegen der Auffassung des beklagten Landes sind Laufbahnbewerber allerdings noch nicht allein deswegen vom Anwendungsbereich dieser Regelung ausgeschlossen, weil sie sich - wie der Kläger - bereits als Lehrkraft in einem unbefristeten Angestelltenverhältnis im Dienst des beklagten Landes befinden. Die Ausnahmeregelung mag zwar von dem Gedanken getragen sein, einen Ausgleich für schwerbehinderte Laufbahnbewerber zu schaffen, weil sich deren schulische oder berufliche Ausbildung häufig aufgrund der mit der Behinderung verbundenen Erschwernisse verzögert hat. Eine dementsprechende Beschränkung allein auf die Fälle, in denen die Schwerbehinderung zu konkreten Verzögerungen geführt hat, oder auch nur abstrakt geeignet war, die Ausbildung zu verlängern, lässt sich jedoch mit dem eindeutigen Wortlaut der Norm nicht in Einklang bringen. Anders als etwa der in § 6 Abs. 1 Satz 3 LVO NRW vorgesehene Nachteilsausgleich für Zeiten der Geburt oder der Betreuung von Kindern sieht Satz 6 ein Kausalitätserfordernis gerade nicht vor.

Vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 4.12.2002 - 6 A 728/00 -, NWVBl. 2003, 229.

Es kann auch nicht angenommen werden, dass mit dem in § 6 Abs. 1 Satz 6 LVO NRW verwendeten Begriff der Einstellung die erstmalige Aufnahme der Tätigkeit als Lehrkraft im Dienst des beklagten Landes in einem übergreifenden Sinn gemeint ist, das heißt unabhängig davon, ob diese im Beamtenverhältnis oder im unbefristeten Angestelltenverhältnis erfolgt ist. Dass die Regelung allein die Einstellung in das Beamtenverhältnis betrifft, folgt - unabhängig davon, dass nach § 3 Abs. 1 LVO NRW die Einstellung eine Ernennung unter Begründung eines Beamtenverhältnisses ist - schon daraus, dass die Begründung eines unbefristeten Angestelltenverhältnisses gerade nicht an die Einhaltung der in § 6 Abs. 1 Satz 1 beziehungsweise Satz 6 LVO NRW festgelegten Höchstaltersgrenzen geknüpft ist.

Der Kläger kann sich auf die höhere Altersgrenze des § 6 Abs. 1 Satz 6 LVO NRW jedoch nicht berufen, weil er kein schwerbehinderter Laufbahnbewerber im Sinne dieser Regelung ist. Eine Schwerbehinderung ist erst dann anzunehmen, wenn ein Grad der Behinderung von mindestens 50 vorliegt (vgl. § 2 Abs. 2 SGB IX). Der beim Kläger ausweislich des Bescheides des Versorgungsamtes Köln vom 7.5.2001 festgestellte Grad der Behinderung beträgt hingegen lediglich 30. Für eine Ausdehnung des persönlichen Anwendungsbereiches auf Laufbahnbewerber, die - wie der Kläger aufgrund des Bescheides der Bundesanstalt für Arbeit vom 10.10.2001 - schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind (vgl. § 2 Abs. 3 SGB IX), ist angesichts der eindeutigen Beschränkung des Wortlauts auf "schwerbehinderte" Laufbahnbewerber kein Raum. Die Gleichstellungsregelung des § 2 Abs. 3 SGB IX steht dem nicht entgegen. Danach sollen schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen oder behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen). Zweck der durch Bescheid der Bundesanstalt für Arbeit erklärten Gleichstellung ist es demnach, der Erlangung und Erhaltung eines Arbeitsplatzes zu dienen und nicht eine Gleichstellung oder Gleichbehandlung bei sämtlichen anderen Begünstigungen - gegebenenfalls auch in anderen Bereichen - zu bewirken.

Vgl. dazu auch Bay. VerfGH, Entscheidung vom 25.7.2006 - Vf. 44-VI-04 -, NVwZ 2007, 116.

Die hier interessierende Übernahme einer bereits in einem unbefristeten Angestelltenverhältnis im Dienst des beklagten Landes beschäftigten Lehrkraft in das Beamtenverhältnis wird demzufolge schon von der Zielrichtung der Gleichstellungsregelung nicht erfasst, da weder die Erlangung noch die Erhaltung des Arbeitsplatzes in Frage steht. Im Übrigen kommt der Höchstaltersgrenze sowie der Ausnahmeregelung für schwerbehinderte Bewerber auch allgemein keine Bedeutung im Hinblick auf die Erlangung oder die Erhaltung des Arbeitsplatzes zu; sie bestimmen vielmehr lediglich, ob eine Beschäftigung im Beamtenverhältnis oder im Angestelltenverhältnis in Betracht kommt.

Soweit die Richtlinie zur Durchführung der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) im öffentlichen Dienst im Lande Nordrhein-Westfalen vom 14.11.2003 (GV. NRW, S. 1498) unter Ziffer 4.4 auf die Einstellungserleichterungen für schwerbehinderte Menschen hinsichtlich der Höchstaltersgrenze des § 6 Abs. 1 Satz 6 LVO NRW verweist und zudem als schwerbehinderte Menschen im Sinne der Richtlinie auch gleichgestellte Menschen ansieht (vgl. Ziffer 2.1 Satz 1), kommt dieser Einschätzung keine den Senat bindende Wirkung zu. Die Beantwortung der Frage, ob eine Schwerbehinderung im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 6 LVO anzunehmen ist, steht als Tatbestandsvoraussetzung nicht im Ermessen der Behörde, sondern ist vom Gericht, gegebenenfalls im Wege der Auslegung, zu ermitteln.

Der Kläger kann sich hinsichtlich der Einstellung gleichgestellter Menschen schließlich nicht auf die Verwaltungspraxis des beklagten Landes in Verbindung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG berufen. In der mündlichen Verhandlung vor dem VG hat das beklagte Land dargelegt, die "Ermessensentscheidung im Rahmen des § 6 LVO NRW" werde nach Anweisung des Ministeriums dahingehend ausgeübt, dass nur die Bewerber, die vor einer unbefristeten Anstellung einem Schwerbehinderten gleichgestellt worden seien, verbeamtet würden. Dieser Gruppe unterfällt der erst nach der Begründung eines Dauerbeschäftigungsverhältnisses einem Schwerbehinderten gleichgestellte Kläger nicht. Wird die Ermessenspraxis als rechtmäßig unterstellt, verstößt die Differenzierung nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, da die Anknüpfung an den Zeitpunkt der Gleichstellung ein sachliches Differenzierungskriterium darstellt. Lehrkräfte, die erst nach ihrer Anstellung in ein bereits unbefristetes Angestelltenverhältnis den schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, sind in geringerem Maße fürsorgebedürftig. Sie hatten keine durch die Behinderung bedingten Verzögerungen der Ausbildung hinzunehmen und haben im Übrigen bereits einen Arbeitplatz inne.

II. Es bestehen keine Bedenken gegen die Anwendung der vorstehend genannten laufbahnrechtlichen Vorschriften. Sie sind mit dem höherrangigen nationalen (1.) und europäischen (2.) Recht vereinbar.

1. Die in den §§ 6 Abs. 1, 52 Abs. 1 LVO NRW vorgesehene Höchstaltersgrenze steht im Einklang mit dem Verfassungsrecht; insbesondere ist sie mit dem Grundgesetz vereinbar. Eine derartige an das Alter des Bewerbers anknüpfende Beschränkung soll die Dienstzeit mit dem Anspruch auf Versorgung während des Ruhestandes in ein angemessenes Verhältnis bringen und eine ausgewogene Altersstruktur in den jeweiligen Laufbahnen gewährleisten.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 18.6.1998 - 2 C 20.97 -, DÖD 1999, 139 = DVBl. 1999, 315 = NVwZ-RR 1999, 133, m.w.N., vom 13.7.2000 - 2 C 21.99 -, ZBR 2001, 32; vgl. auch die ständige Rechtsprechung des OVG NRW, Beschlüsse vom 17.6.2002 - 6 A 3230/01 -, vom 22.10.2003 - 6 A 176/03 -, vom 17.11.2003 - 6 A 665/03 -, vom 18.11.2003 - 6 A 1596/03 -, und vom 30.9.2005 - 6 A 1458/04 -.

Die Bestimmung der Höchstaltersgrenze durch Rechtsverordnung auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 LBG NRW ist auch mit dem sonstigen Bundesrecht vereinbar. Sie verstößt nicht gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vom 14.8.2006 (BGBl. I S. 1897), das in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bereits in Kraft getreten war und damit grundsätzlich Anwendung findet.

Die streitentscheidenden Normen der Laufbahnverordnung unterfallen dem Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (a) und stehen im Einklang mit den dort getroffenen Vorgaben (b).

a) Der Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes erfasst in personeller Hinsicht auch Beamte, die - wie der Kläger - den laufbahnrechtlichen Vorschriften des beklagten Landes unterliegen. Nach § 24 AGG gelten die Vorschriften des Gesetzes unter Berücksichtigung ihrer besonderen Rechtsstellung entsprechend unter anderem für Beamte der Länder. Darin eingeschlossen sind künftige Beamte, das heißt Bewerber für das Beamtenverhältnis (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG).

Auch in sachlicher Hinsicht unterfallen die streitentscheidenden Regelungen der §§ 6 Abs. 1, 52 Abs. 1 LVO NRW dem Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Allerdings wird mit der Höchstaltersgrenze nicht der Zugang zur Lehrtätigkeit an öffentlichen Schulen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG beschränkt. Denn Laufbahnbewerber haben nach Überschreitung der Höchstaltersgrenze die Möglichkeit, im Angestelltenverhältnis als Lehrkraft im öffentlichen Schuldienst eingestellt zu werden. Die laufbahnrechtliche Höchstaltersgrenze hat jedoch eine nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG ebenfalls vom Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes erfasste unterschiedliche Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses zur Folge. Die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis unterscheiden sich unter anderem im Hinblick auf das Arbeitsentgelt, die Versorgungsleistungen und die Beendigungsmöglichkeiten maßgeblich von den entsprechenden Regelungen für Lehrkräfte im Beamtenverhältnis.

b) Die in den §§ 6 Abs. 1, 52 Abs. 1 LVO NRW festgelegte Höchstaltersgrenze für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe ist mit den Vorgaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vereinbar. Sie enthält keine unzulässige Diskriminierung wegen Alters im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.

Nach § 3 Abs. 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes - darunter das Alter - eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation, erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Die unmittelbar an das Alter anknüpfende Höchstaltersgrenze von 35 Jahren für die Einstellung oder Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe stellt für Bewerber, die diese Höchstaltersgrenze überschritten haben, eine Benachteiligung wegen des Alters in diesem Sinne dar.

Für diese Ungleichbehandlung liegt jedoch ein Rechtfertigungsgrund vor. Nach § 10 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist (Satz 1). Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein (Satz 2).

Mit der Höchstaltersregelung verfolgt der Verordnungsgeber des beklagten Landes ein legitimes, das heißt nicht auf unsachliche Gründe zurückzuführendes Ziel aus dem Bereich der Beschäftigungspolitik beziehungsweise des Arbeitsmarktes. Sie dient - wie bereits dargestellt - dem Zweck, ein angemessenes Verhältnis zwischen der Beschäftigungszeit als Beamter und dem Anspruch auf Versorgung im Ruhestand herzustellen sowie eine ausgewogene Altersstruktur in den jeweiligen Laufbahnen zu gewährleisten.

Die Sicherstellung eines angemessenen Verhältnisses zwischen aktiver Dienstzeit und dem Versorgungsanspruch im Ruhestand ist wesentliche Grundlage für die Funktionsfähigkeit des beamtenrechtlichen Versorgungssystems. Dessen Erhaltung liegt im wohlverstandenen Interesse der Allgemeinheit. Die Legitimität darauf zielender Sicherungsmaßnahmen wird - soweit erkennbar - von keiner Seite ernstlich in Frage gestellt. Auch das Gesetz selbst bringt dies an anderer Stelle nochmals besonders zum Ausdruck: § 10 Satz 3 AGG führt Beispiele für eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters an, die nach der Überschrift der Norm "zulässig" sind. Hierzu gehört die in Nr. 3 aufgeführte "Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung (...) auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand". Dem liegt nach den Gesetzesmaterialien, vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 16/1780, S. 36, zwar vor allem die Überlegung zugrunde, dass bei älteren Beschäftigten, deren Rentenalter bereits absehbar ist, einer aufwändigen Einarbeitung am Arbeitsplatz auch eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Mindestdauer einer produktiven Arbeitsleistung gegenüberstehen muss. Der Wortlaut der Vorschrift ist aber weiter gefasst und schließt auch das mit der laufbahnrechtlichen Altersgrenze verfolgte Ziel ein. Ausgehend davon ist dieses Ziel im Sinne des Gesetzes legitim.

Dies vorausgesetzt muss die altersbedingte unterschiedliche Behandlung von Laufbahnbewerbern auch als objektiv und angemessen betrachtet werden.

Vgl. dazu auch EuGH, Urteil vom 22.11.2005, Rechtssache C-144/04, Mangold, Slg. 2005, S. I-09981, Rdnrn. 60 f.

Das gilt insbesondere für das Kriterium der Angemessenheit. Die Funktionsfähigkeit der beamtenrechtlichen Altersversorgung stellt - wie ausgeführt - ein so gewichtiges Anliegen dar, dass die Notwendigkeit ihrer Sicherstellung im Wesentlichen unbestritten ist. Vor diesem Hintergrund halten sich die Einschränkungen, die der Gleichbehandlungsgrundsatz durch die laufbahnrechtliche Altersgrenze erleidet, in einem unbedenklichen, insbesondere verhältnismäßigen Rahmen.

Das vom Verordnungsgeber gewählte Mittel der Höchstaltersgrenze von 35 Jahren ist auch im Sinne von § 10 Satz 2 AGG zur Erreichung des angestrebten Ziels angemessen und erforderlich.

Das Mittel ist erforderlich, weil das angestrebte Ziel sonst nicht erreicht werden könnte. Für die Herstellung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen der Zeit des aktiven Dienstes und den Versorgungszeiten im Ruhestand ist eine Höchstaltersgrenze für die Einstellung unvermeidbar. Allein auf diese Weise ist angesichts des nicht beliebig hinausschiebbaren Beschäftigungsendes, die Versetzung in den Ruhestand, eine Mindestdienstzeit gewährleistet.

Mit der in den §§ 6 Abs. 1, 52 Abs. 1 LVO NRW festgelegten Höchstaltersgrenze für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe geht der Verordnungsgeber nicht über das hinaus, was zur Erreichung des legitimen Ziels angemessen ist.

Bei der Beurteilung der Angemessenheit des gewählten Mittels in Relation zu dem damit verfolgten Zweck steht dem Gesetz- beziehungsweise Verordnungsgeber ein Gestaltungsspielraum zu:

Mit dem Begriff der Angemessenheit übernimmt § 10 Satz 2 AGG wortgleich die europarechtliche Vorgabe des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 2000/78/EG. Sowohl der nationale als auch der europäische Normgeber haben sich damit für einen unbestimmten Rechtsbegriff entschieden, der eine weitere Konkretisierung zulässt und erfordert. Der Rat der Europäischen Gemeinschaft wollte damit dem Umstand Rechnung tragen, dass der in der Richtlinie enthaltene Gestaltungsauftrag einer Umsetzung in den Mitgliedstaaten bedarf, die keiner einheitlichen Regelung zugänglich ist. Gerade Ungleichbehandlungen wegen Alters können aus verschiedensten Gründen gerechtfertigt sein, die zudem aufgrund der unterschiedlichen Situation in den jeweiligen Mitgliedstaaten erheblich voneinander abweichen können.

So ausdrücklich die Begründungserwägung Nr. 25 zur Richtlinie 2000/78/EG, ABl EG vom 2.12.2000, L 303/17.

Von wesentlicher Bedeutung ist dabei, dass mit dem prinzipiellen Verbot der Altersdiskriminierung ein europarechtlicher Ausgangspunkt gewählt worden ist, der ohne weitreichende, den natürlichen Gegebenheiten Rechnung tragende Ausnahmen in der Lebenswirklichkeit nicht praktiziert werden kann. Die notwendigen Ausnahmen lassen sich nicht in einem Katalog umfassend und abschließend, sondern allenfalls beispielhaft festlegen; dementsprechend ist auch eine Auffangklausel, die die Ausnahmevoraussetzungen nur allgemein umschreibt, nicht verzichtbar. Hieraus erklären sich Normgebungstechnik und Inhalt des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 Buchstaben a) bis c) Richtlinie 2000/78/EG auf der einen und Satz 1 der Vorschrift auf der anderen Seite. In Bezug auf das hier interessierende Merkmal der Angemessenheit hat das zur Folge, dass die Mitgliedstaaten insoweit über einen weiten Ermessensspielraum bei der Wahl der Maßnahmen zur Erreichung der Ziele im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik verfügen müssen.

Ausdrücklich so EuGH, Urteil vom 22.11.2005, a.a.O., Rdnrn. 62 f.

Der Bundesgesetzgeber hat diese Überlegungen bei der nationalstaatlichen Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz aufgegriffen. Mit der Beschränkung des Gesetzestextes auf allgemeine, durch unbestimmte Begriffe umschriebene Grundsätze sollte im Hinblick auf die gerade beim Alter bestehenden komplexen, keiner allgemein gültigen Lösung zugänglichen Zusammenhänge eine flexible Handhabung der Ausnahmemöglichkeiten von dem grundsätzlichen Gleichbehandlungsgebot gewährleistet werden. Begründet wurde dies damit, dass das Merkmal Alter sich gegenüber allen anderen in § 1 des Gesetzes genannten Gründen durch eine besondere Situation auszeichnet. Alle Beschäftigten könnten während ihres Berufslebens ein "kritisches" Alter durchlaufen. Dies könne z. B. sowohl der Zugang zum Beruf nach der Ausbildung für 20-jährige als auch die Verdrängung aus dem Arbeitsmarkt für 55-jährige Beschäftigte sein. In einem Berufszweig könne die höhere "Belastbarkeit" jüngerer Beschäftigter im Vordergrund stehen, in anderen Berufszweigen die größere Lebens- und Berufserfahrung. Deshalb belasse es die Vorschrift bei den europarechtlich vorgegebenen allgemeinen Grundsätzen.

Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zum AGG, BT-Drucks. 16/1780, S. 36.

Auch bei der Beurteilung der Angemessenheit der streitgegenständlichen laufbahnrechtlichen Höchstaltersgrenze sind verschiedene Sach- und Wertungsfragen zu beantworten. Die Vielzahl und Interdependenz der dabei zu berücksichtigen Entscheidungskriterien schließt die Annahme nur einer zutreffenden Antwort aus.

Zu nennen sind in diesem Zusammenhang zunächst das öffentliche Interesse, mit einer niedrigen Altersgrenze eine möglichst lange aktive Dienstzeit der Beamten sicherzustellen, und das gegenläufige private Interesse der Laufbahnbewerber, auch noch in fortgeschrittenem Alter in das Beamtenverhältnis eintreten zu können. Daneben sind aber auch weitere, ebenfalls im Allgemeininteresse liegende Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die diesen Ausgangspunkt relativieren können. So kann das Interesse, qualifizierte Lehrkräfte zu gewinnen, etwa um entstandene Defizite bei der Unterrichtsversorgung zu decken, für eine weniger strenge Altersgrenze streiten.

Vgl. den Runderlass des Ministeriums für Schule, Wissenschaft und Forschung - 121-22/03 Nr. 1050/00 - vom 22.12.2000, zuletzt verlängert durch Runderlass des Ministeriums für Schule, Jugend und Kinder vom 16.11.2004 - 211-1.12.03.03-973 -; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31.1.1980 - 2 C 15.78 -, juris, Rdnr. 27.

Ebenso stellen die Konkurrenz mit anderen Bundesländern und möglicherweise auch mit anderen Arbeitgebern sowie die damit verbundene Gefahr der Abwanderung qualifizierter Lehrkräfte einen Gesichtspunkt bei der Wahl der Altersgrenze dar. Auch in tatsächlicher Hinsicht wird die Angemessenheit durch verschiedene Entwicklungen beeinflusst, die sich allenfalls grob vorhersagen lassen. Das betrifft etwa die Entwicklung des zahlenmäßigen Verhältnisses zwischen aktiven Beamten und Versorgungsempfängern, die unter Umständen durch vorzeitige Zurruhesetzungen (erheblich) verkürzte durchschnittliche Dauer der aktiven Dienstzeit oder die von der individuellen Lebenserwartung abhängige durchschnittliche Bezugsdauer der beamtenrechtlichen Versorgung.

Die Vielzahl dieser Gesichtspunkte lässt - wie bereits hervorgehoben - nicht nur eine richtige Entscheidung zu. Es ist deshalb Aufgabe des demokratisch legitimierten Gesetzgebers beziehungsweise hier der gemäß § 15 Abs. 1 LBG NRW zur Regelung des Laufbahnrechts ermächtigten Landesregierung, den bestehenden Spielraum auszufüllen. Die vom Normgeber getroffene Entscheidung ist infolgedessen im gerichtlichen Verfahren nicht uneingeschränkt überprüfbar, sondern lediglich darauf, ob die Grenzen des legislativen Gestaltungsspielraums eingehalten worden sind.

Der Umfang des jeweiligen Gestaltungsspielraums hängt von verschiedenen Faktoren ab, insbesondere von der Eigenart des Sachbereichs, den Möglichkeiten, eine hinreichend sichere Zukunftsprognose zu treffen, und der Bedeutung der betroffenen Interessen. Demgemäß können auch der gerichtlichen Kontrolldichte unterschiedliche Maßstäbe zugrunde liegen.

Vgl. zu Gestaltungsspielraum und Umfang gerichtlicher Überprüfung BVerfG, Urteil vom 1.8.1953 - 1 BvR 281/53 -, BVerfGE 3, 19 (24), Beschlüsse vom 11.6.1958 - 1 BvR 1/52, 46/52 -, BVerfGE 8, 1 (16, 22), vom 7.7.1982 - 2 BvL 14/78, 2/79, 7/82 -, BVerfGE 61, 43 (62 f.), und vom 6.5.2004 - 2 BvL 16/02 -, BVerfGE 110, 353 (364).

Gemessen an alledem ist die Festlegung der Altersgrenze auf 35 Jahre rechtlich nicht zu beanstanden. Der Verordnungsgeber hat den sich aus dem Verbot der Altersdiskriminierung ergebenden Anforderungen bei der Wahl der Altersgrenze hinreichend Rechnung getragen. Die gewählte Altersgrenze findet einen sachlichen Grund in dem Erfordernis eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen Dienstzeit und Versorgungsanspruch. Die damit verbundene Einschränkung des Prinzips der Gleichbehandlung stellt sich als hinnehmbar, weil im Verhältnis dazu als weniger gewichtig dar. Die berufliche Ausbildung für den höheren Dienst im Allgemeinen (vgl. § 39 Abs. 1 LVO NRW) und das hier interessierende Lehramt an öffentlichen Schulen im Besonderen (vgl. § 52 Abs. 1 LVO NRW) kann in aller Regel ohne Weiteres bis zum 35. Lebensjahr abgeschlossen werden. So schließt sich an eine Regelstudienzeit von neun Semestern für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen (vgl. § 8 LABG NRW) beziehungsweise sieben Semestern für das Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen (vgl. § 7 LABG NRW) jeweils ein 24monatiger Vorbereitungsdienst an (vgl. § 7, 8 LABG NRW). Ohne Hinzutreten wesentlicher Verzögerungen kann die Ausbildung demnach etwa bis zur Vollendung des 27. Lebensjahrs absolviert werden. Die Höchstaltersgrenze erfährt zudem eine Abmilderung durch die Möglichkeiten, verschiedene Verzögerungszeiten zu berücksichtigen, die auf den persönlichen Lebensumständen des jeweiligen Laufbahnbewerbers beruhen, wie beispielsweise die Geburt eines Kindes, die tatsächliche Betreuung eines minderjährigen Kindes, eines sonstigen nahen Angehörigen oder das Vorliegen einer Schwerbehinderung (vgl. § 6 Abs. 1 LVO NRW). Über die Ausnahmeregelung des § 84 LVO NRW kann zudem besonderen Fallgestaltungen Rechnung getragen werden.

Eine Überschreitung des Gestaltungsspielraums durch den Verordnungsgeber folgt nicht daraus, dass für die "Erdienung" einer Mindestversorgung eine Dienstzeit von etwa 19,5 Jahren ausreichend ist (vgl. § 14 Abs. 4 und 1 BeamtVG). Die zur Erlangung der Mindestversorgung erforderliche Dienstzeit vermag allenfalls einen von mehreren Anhaltspunkten für die Ausgewogenheit zwischen Dienstzeit und Versorgungsanspruch zu bieten. Sie zwingt jedoch nicht zu dem Schluss, die Altersgrenze könne allein rechtmäßig bei 45 Jahren gezogen werden. Denn neben den oben beschriebenen Einflussfaktoren, wäre der Dienstherr bei einer Heraufsetzung der Altersgrenze auf 45 Jahre unter Umständen gezwungen, mehr Beamte einzustellen als bei der niedriger angesetzten Altersgrenze von 35 Jahren. Der größere Personalbestand hätte höhere Beihilfeaufwendungen und sonstige einzelfallbezogene Sonderaufwendungen, beispielsweise im Rahmen der Unfallfürsorge (vgl. §§ 30 ff. BeamtVG), sowie einen erhöhten Personalverwaltungsaufwand zur Folge.

Der Umstand, dass in anderen Bundesländern für Laufbahnbewerber des höheren Dienstes im Hinblick auf die Einstellung oder Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe überhaupt keine oder jedenfalls eine deutlich höhere Altersgrenze gilt, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Nach den eingangs dargestellten Grundsätzen hängt die Beurteilung der Angemessenheit im Sinne des § 10 Satz 2 AGG und des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 2000/78/EG von einer Vielzahl von Gesichtspunkten ab, die zudem einer unterschiedlichen Gewichtung zugänglich sind und sich je nach der Situation im jeweiligen Mitgliedstaat voneinander abweichend darstellen können. Nichts anderes gilt, wenn die Umsetzung des in der Richtlinie enthaltenen Gestaltungsauftrags wegen der föderalen Struktur des jeweiligen Mitgliedstaats auf der Ebene einzelner Bundesländer oder sonstiger Gliedstaaten erfolgt. Die länderspezifischen Besonderheiten können insoweit durchaus zu voneinander abweichenden Entscheidungen führen, deren jede - wie auch hier die streitige Regelung - sich im Rahmen des Zulässigen hält.

2. Die laufbahnrechtliche Altersgrenze nach dem Recht des beklagten Landes steht auch im Einklang mit europäischem Recht. Soweit nach Art. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, 2 und Art. 3 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG eine Benachteiligung wegen des Alters grundsätzlich unzulässig ist, ergibt sich eine Rechtfertigung der streitigen Altersgrenze aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Richtlinie 2000/78/EG. Die betreffenden Vorschriften stimmen mit der nahezu wortgleichen Regelung des § 10 Sätze 1 und 2 AGG - jedenfalls soweit hier von Interesse - inhaltlich überein und rechtfertigen deshalb keine abweichende Beurteilung.

Ende der Entscheidung

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