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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 31.07.2008
Aktenzeichen: 6 A 4922/05
Rechtsgebiete: LRKG NRW, VwGO


Vorschriften:

LRKG NRW § 6 Abs. 1
LRKG NRW § 6 Abs. 1 Satz 2
LRKG NRW § 6 Abs. 1 Satz 3
LBG NRW § 91
LBG NRW § 91 Abs. 1 Satz 1
VwGO § 91
VwGO § 91 Abs. 1
VwGO § 91 Abs. 2
VwGO § 125 Abs. 1 Satz 1
Erfolglose Klage einer Polizeibeamtin auf Erstattung des ihr durch den Verlust des Schadensfreiheitsrabatts bei der Vollkaskoversicherung entstandenen Schadens infolge eines selbstverschuldeten Unfalls bei einer aus triftigen Gründen mit dem privaten Kraftfahrzeug vorgenommenen Dienstfahrt.

Mit der Gewährung einer (erhöhten) Wegstreckenentschädigung hat das beklagte Land einen hinreichenden anderweitigen Ausgleich für den infolge des Verlustes des Schadensfreiheitsrabatts bei der Fahrzeugvollversicherung eingetretenen Schadens geschaffen.


Tatbestand:

Die Klägerin steht als Polizeivollzugsbeamtin im Dienst des beklagten Landes und war bei einer Kreispolizeibehörde tätig.

Am 14.7.2003 sollte sie um 8.30 Uhr an einem Fortbildungsseminar teilnehmen und um 11.20 Uhr einen Gerichtstermin beim Landgericht als Zeugin wahrnehmen. Obwohl die Benutzung eines Dienstwagens vorgesehen war, stand an dem Morgen weder ein Streifenwagen noch ein Zivilwagen zur Verfügung. Daraufhin erklärte der Dienstvorgesetzte der Klägerin sein Einverständnis mit der Nutzung des privateigenen Kraftfahrzeugs der Klägerin zu dienstlichen Zwecken. Auf dem Weg von der Fortbildung zum Gerichtstermin verursachte die Klägerin einen Auffahrunfall. Auf Antrag der Klägerin vom 14.7.2003 wurde unter dem 15.7.2003 die Dienstreise unter Gewährung von Wegstreckenentschädigung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 LRKG NRW - Benutzung des Kfz aus zwingenden dienstlichen Gründen notwendig - genehmigt.

Die Klägerin legte daraufhin bei der Kreispolizeibehörde eine Bescheinigung ihrer Versicherung vom 5.8.2003 vor, nach der der durch den Vollkasko-Schaden entstandene Verlust 906,00 Euro beträgt, und bat um Prüfung möglicher Ansprüche. Die Kreispolizeibehörde teilte mit, dass die Kosten der Selbstbeteiligung in Höhe von 300,00 Euro erstattet würden. Die Übernahme der mit der Höherstufung in der Vollkaskoversicherung angefallenen Kosten lehnte sie ab.

Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch macht die Klägerin geltend, dass eine Beschränkung des Schadensersatzes auf die Selbstbeteiligung nicht zulässig sei, wenn die Verwendung des privateigenen Kraftfahrzeugs für dienstliche Zwecke ausdrücklich anerkannt worden beziehungsweise im dienstlichen Interesse veranlasst sei. Die Bezirksregierung wies den Widerspruch mit der Begründung zurück, dass § 91 LBG NRW die Ersatzleistung für im Dienst beschädigte Gegenstände in das Ermessen der Behörde stelle. Die nach den Verwaltungsvorschriften auf den Selbstbehalt begrenzte Ersatzleistung sei angemessen, da das Schadensrisiko bereits durch die Pauschalsätze der Wegstreckenentschädigung nach § 6 Abs. 1 Satz 3 LRKG NRW abgegolten sei, die einen anteiligen Betrag für die Aufwendungen für eine Vollkaskoversicherung enthielten.

Das VG wies die Klage ab. Zur Begründung der vom VG zugelassenen Berufung berief sich die Klägerin im Wesentlichen darauf, dass sie ihr Kraftfahrzeug nur einmalig eingesetzt habe und deswegen mit der gewährten Wegstreckenentschädigung von 11,00 Euro der durch die Höherstufung bei der Vollkaskoversicherung eingetretene Schaden nicht hinreichend ausgeglichen sei. Darüber hinaus macht sie im Berufungsverfahren den durch die Höherstufung bei der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung entstandenen Verlust geltend. Das OVG wies die Berufung zurück.

Gründe:

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ersatz des durch den Verlust des Schadensfreiheitsrabatts bei der Vollkaskoversicherung erlittenen Schadens, den sie im Berufungsverfahren nur noch in verminderter Höhe geltend macht. Der ablehnende Bescheid des Landrates als Kreispolizeibehörde in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW kann für Kleidungsstücke oder sonstige Gegen-stände, die üblicherweise im Dienst mitgeführt werden, Ersatz geleistet werden, wenn diese Gegenstände in Ausübung des Dienstes beschädigt oder zerstört worden oder abhanden gekommen sind.

Der Verlust des Schadensfreiheitsrabatts bei der Kraftfahrzeugvollversicherung stellt als Sachfolgeschaden einen in diesem Sinne grundsätzlich erstattungsfähigen Schaden dar.

Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 27.1.1994 - 2 C 6.93 -, BVerwGE 95, 98; BGH, Urteil vom 14.6.1976 - III ZR 35/74 -, BGHZ 66, 398.

Ob und in welchem Umfang für einen solchen Schaden Ersatz geleistet wird, steht im durch § 91 LBG NRW nicht näher eingegrenzten Ermessen des Dienstherrn. Dieses hat das beklagte Land in den Verwaltungsvorschriften und Runderlassen zu § 91 LBG NRW näher konkretisiert. Angesichts der dem Dienstherrn dabei zustehenden Gestaltungsfreiheit ist das Gericht darauf beschränkt, zu prüfen ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wird (vgl. § 114 Satz 1 VwGO).

Das ist für den hier vorliegenden Sachverhalt hinsichtlich der insoweit einschlägigen Verwaltungsvorschriften zu § 91 LBG NRW sowie der dazu ergangenen Runderlasse des Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen nicht der Fall. Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass der schadensauslösende Unfall am 14. Juli 2003 ein Dienstunfall war und der Einsatz des privaten Kraftfahrzeugs bei der Dienstfahrt beziehungsweise Dienstreise aus triftigen Gründen erfolgte. Im Erlass des Finanzministeriums vom 7.1.1999 (- B 3010 - 32.2 -IV B 4 -) ist dazu vorgesehen, dass zu Unfallschäden an privaten Kraftfahrzeugen, die aus triftigen Gründen bei Dienstfahrten eingesetzt worden sind, Schadensersatz grundsätzlich nur noch im Rahmen der Höchstgrenze der Tz. 32.1.9 BeamtVGVwV (650,00 DM) - Höhe der Selbstbeteiligung für eine entsprechende Fahrzeugvollversicherung - gewährt wird. Unberührt bleibt die Härtefallregelung in Tz. 32.1.3.3 der Durchführungshinweise vom 6.2.1981 (SMBl. NRW. 20323). Mit Runderlass vom 14.1.2002 ist im Zusammenhang mit der Währungsumstellung und der damit verbundenen Umstellung der Selbstbeteiligung in der Versicherungswirtschaft die Höchstgrenze, bis zu der Schadensersatz für nicht anderweitig gedeckte Kfz-Schäden zu gewähren ist, auf 300,00 Euro festgelegt worden.

Die auf diese Weise vorgenommene Begrenzung des Schadensersatzes auf die Höhe der Selbstbeteiligung einer Fahrzeugvollversicherung ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Wird ein Kraftfahrzeug, dessen Benutzung - wie hier mit der Dienstreisegenehmigung vom 15.7.2003 - ausdrücklich zur Erledigung von Dienstgeschäften anerkannt worden ist, für dienstliche Zwecke verwendet und entsteht hierbei ein Sachschaden, hat der Dienstherr grundsätzlich das Schadensrisiko zu tragen. Es obliegt dem Dienstherrn, die von ihm selbst für notwendig gehaltenen Arbeitsmittel, gegebenenfalls auch ein Fahrzeug für Dienstreisen und Dienstgänge dem Beamten zur Verfügung zu stellen und hierfür auch das Risiko der Beschädigung oder des Verlustes, soweit der Beamte sie nicht selbst zu vertreten hat, zu übernehmen. Veranlasst statt dessen der Dienstherr den Beamten, sein eigenes Fahrzeug für dienstliche Zwecke zu nutzen, weil - aus welchen Gründen auch immer - kein Dienstfahrzeug zur Verfügung steht, so besteht kein Grund, dem Beamten insoweit auch das Risiko nicht von ihm zu vertretender Schäden aufzubürden.

BVerwG, Urteile vom 6.3.1986 - 2 C 37.84 -, DÖD 1985, 245, und vom 22.9.1988 - 2 C 2.87 -, DÖD 1989, 240.

Ungeachtet dessen, inwieweit diese Grundsätze auch auf von dem Beamten verschuldete Schäden Anwendung finden können, wird durch sie eine Beschränkung der Ersatzleistungen auf einen angemessenen Umfang jedoch nicht von vornherein ausgeschlossen. Insbesondere ist es unter Ermessensgesichtspunkten grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn bei der Festlegung des Umfangs etwaiger Ersatzleistungen auch Pauschalierungen vorgenommen werden.

Für den hier in Rede stehenden Schaden infolge des Verlustes des Schadensfreiheitsrabatts bei der Fahrzeugvollversicherung hat der Dienstherr mit der Gewährung einer (erhöhten) Wegstreckenentschädigung einen hinreichenden anderweitigen Ausgleich geschaffen.

Vgl. zur Möglichkeit einer angemessenen Ersatzleistung durch Wegstreckenentschädigung: BVerwG, Urteile vom 6.3.1986, vom 22.9.1988 und vom 27.1.1994, jeweils a. a. O.

Mit der Neuregelung des Landesreisekostenrechts mit Wirkung vom 1.1.1999 durch Gesetz vom 16.12.1998 (GV. NRW.S. 738) beteiligt sich das beklagte Land mit einem anteiligen Betrag an den Kosten der Fahrzeugvollversicherung. Nach § 6 Abs. 1 LRKG sind - bei Vorliegen triftiger Gründe für die Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs - die Kosten der Fahrzeugvollversicherung mit den Pauschalsätzen der Wegstreckenentschädigung abgegolten. In diesem Zusammenhang wurde die Wegstreckenentschädigung von 0,38 DM auf 0,48 DM je Kilometer angehoben. Seit dem 1.7.2002 wird eine Wegstreckenentschädigung von 0,30 Euro je Kilometer gewährt.

Die Ermessensgerechtigkeit der auf diese Weise beschränkten Ersatzleistung steht nicht deswegen in Frage, weil der eingetretene Schaden - hier die erhöhte Versicherungsprämie durch den Verlust des Schadensfreiheitsrabatts - im Einzelfall nicht vollständig durch die erhöhte Wegstreckenentschädigung ausgeglichen wird. Das beklagte Land hat für den Schadensausgleich an privaten Kraftfahrzeugen mit dem grundsätzlich sachgerechten Ziel der Verwaltungsvereinfachung ein pauschalierendes System eingeführt. Mit der Abgeltung über die Wegstreckenentschädigung werden die für die Kraftfahrzeugvollversicherung benötigten Aufwendungen entsprechend der aus dienstlichen Gründen zurückgelegten Strecke berücksichtigt. Darin liegt ein sachgerechter Anknüpfungspunkt, denn der Umfang der Fahrleistung hat maßgeblichen Einfluss auf das Schadensrisiko. Zugleich beteiligt sich der Dienstherr auf diese Weise bezogen auf das Gesamtsystem angemessen am Schadensrisiko der für den Dienstbetrieb eingesetzten Fahrzeuge. Dass es dadurch im Einzelfall zu nicht vollständig abdeckten Schäden kommen kann, führt nicht zu einer unangemessenen einseitigen Besserstellung des Dienstherrn und ist als systemgerecht hinzunehmen. Die anteilig über die Wegstreckenentschädigung gewährten Kosten der Kraftfahrzeugvollversicherung werden stets gewährt, das heißt auch dann, wenn es überhaupt nicht zum Eintritt eines Schadensfalles am Fahrzeug des Beamten gekommen ist. Ebenso ist nicht etwa eine Herabsetzung der Wegstreckenentschädigung vorgesehen, wenn der erlittene Sachschaden beziehungsweise der dadurch verursachte Verlust des Schadensfreiheitsrabatts geringer als die gewährte Wegstreckenentschädigung ist.

Soweit dieses System gleichwohl in Einzelfällen zu Härten führt, kann dem hinreichend durch die vorhandene Härtefallregelung Rechnung getragen werden. Der Runderlass des Finanzministeriums vom 7.1.1999 sieht vor, dass die Härtefallregelung in Tz. 32.1.3.3 der Durchführungshinweise vom 6.2.1981 (SMBl. NRW.20323) unberührt bleibt. Danach kann über den Höchstbetrag hinausgegangen werden, wenn die Beschränkung der Ersatzleistung für den Beamten eine besondere Härte bedeuten würde. Dafür ist angesichts der sich für das Jahr 2004 aus dem von der Klägerin vorgelegten aktuellen Beleg ergebenden Erhöhung des Beitrags für die Kaskoversicherung infolge der Höherstufung in der Schadensfreiheitsklasse von 41,46 Euro nichts ersichtlich.

Der mit der Berufung erstmals geltend gemachte Anspruch auf Ersatz des durch den Verlust des Schadensfreiheitsrabatts bei der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung entstandenen Schadens hat ebenfalls keinen Erfolg.

Darin liegt eine teilweise Klageänderung gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 91 VwGO. Es handelt sich um einen neuen Streitgegenstand. Gegenstand des Klageverfahrens sowie des vorausgegangenen Verwaltungsverfahrens war lediglich der durch den Verlust des Schadensfreiheitsrabatts bei der Kraftfahrzeugvollversicherung entstandene Schaden. In der Klagebegründung ist ausdrücklich nur von der Höherstufung in der Vollkaskoversicherung aufgrund des am Kraftfahrzeug der Klägerin entstandenen Sachschadens die Rede. Auch in der zum Nachweis der Schadenshöhe vorgelegten Versicherungsbescheinigung vom 5.8.2003 ist der durch einen Vollkasko-Schaden eingetretene Verlust beziffert. Die Klageänderung ist zulässig. Die nach § 91 Abs. 1 VwGO erforderliche Einwilligung der Beteiligten liegt vor, da sich das beklagte Land mit seinen Ausführungen zum Schadensfreiheitsrabatt bei der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung im Sinne des § 91 Abs. 2 VwGO auf die geänderte Klage eingelassen hat.

Die Klage ist unbegründet.

Als reiner Vermögensschaden kann der Rabattverlust bei der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung nur auf der Grundlage der allgemeinen Fürsorgepflicht des Dienstherrn für den Beamten geltend gemacht werden. Es ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung hinreichend geklärt, dass das in diesem Zusammenhang ebenfalls bestehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt ist, wenn in der Wegstreckenentschädigung auch eine anteilige Beteiligung des Dienstherrn an den Kosten der Haftpflichtversicherung, die zu den notwendigen Betriebskosten des Kraftfahrzeugs zählen, in pauschalierter Form enthalten ist.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 22.9.1988 und vom 27.1.1994, jeweils a. a. O.

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