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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 17.11.2008
Aktenzeichen: 6 B 1073/08
Rechtsgebiete: BRL Pol


Vorschriften:

BRL Pol Nr. 9.1 Abs. 3 Satz 2
Ist der Erstbeurteiler entgegen Nr. 9.1 Abs. 3 Satz 2 BRL Pol nicht in der Lage sich aus eigener Anschauung ein Bild über die Leistungen des Beurteilten zu machen und steht kein anderer Vorgesetzter mit hinreichenden Arbeitskontakten zum Beurteilten zur Verfügung, kann der Dienstherr zwecks Verschaffung einer möglichst vollständigen und richtigen Tatsachengrundlage auf andere geeignete Erkenntnismittel zurückgreifen. Dazu gehört die Befragung eines früheren, inzwischen in den Ruhestand getretenen Vorgesetzten.
Tatbestand:

Der Antragsteller steht als Polizeivollzugsbeamter im Dienst des Landes NRW (Antragsgegner). Er wendet sich mit seinem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen die beabsichtigte Besetzung einer Beförderungsstelle mit dem Beigeladenen. Der Antragsteller hält seine Beurteilung, die der negativen Auswahlentscheidung zu Grunde liegt, für rechtswidrig, weil der Erstbeurteiler mangels Arbeitskontakten nicht in der Lage gewesen sei, sich aus eigener Anschauung ein Urteil über ihn zu bilden. Das VG untersagte vorläufig die Stellenbesetzung mit dem Beigeladenen. Auf die Beschwerde des Antragsgegners änderte das OVG den angefochtenen Beschluss und lehnte den Antrag ab.

Gründe:

Die Auswahlentscheidung beruht auf einer rechtmäßigen Beurteilung des Antragstellers. Die dienstliche Beurteilung von Polizeivollzugsbeamten erfolgt nach den Beurteilungsrichtlinien im Bereich der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen - BRL Pol - (RdErl. d. Innenministeriums vom 25.1.1996, geändert durch Runderlass vom 19.1.1999, SMBl. NRW. 203034). Das Beurteilungsverfahren ist zweistufig ausgestaltet. Nach Nr. 9.3 Abs. 2 BRL Pol beauftragt der Endbeurteiler einen Vorgesetzten des Beamten mit der Erstellung eines Beurteilungsvorschlags. Dieser muss nach Nr. 9.1 Abs. 3 Satz 2 BRL Pol in der Lage sein, sich aus eigener Anschauung ein Urteil über den zu beurteilenden Beamten zu bilden; einzelne Arbeitskontakte oder kurzfristige Einblicke in die Arbeit reichen hierfür nicht aus. Der Endbeurteiler entscheidet abschließend über die Beurteilung (Nr. 9.2 Abs. 1 Satz 2 BRL Pol).

Der Erstbeurteiler PHK T., der für die hier in Rede stehende Beurteilung des Antragstellers vom 30.1.2008 den Beurteilungsvorschlag erstellt hat, war nicht in der Lage, sich aus eigener Anschauung ein Bild über die Leistungen des Antragstellers zu machen. Im fraglichen Beurteilungszeitraum vom 1.1.2003 bis zum 30.9.2005 war er nicht Vorgesetzter des Antragstellers und es bestanden offensichtlich auch keine anderweitigen Arbeitskontakte. Gleichwohl ist es hier entgegen Nr. 9.1 Abs. 3 Satz 2 BRL Pol rechtlich nicht zu beanstanden, dass PHK T. als Erstbeurteiler des Antragstellers tätig geworden ist. Ein anderer Vorgesetzter (vgl. Nr. 9.3 Abs. 2 BRL Pol) mit ausreichenden Arbeitskontakten zum Antragsteller im Beurteilungszeitraum stand nicht zur Verfügung. Der einzige vorgesetzte Beamte, der sich aufgrund eigener Anschauung ein Urteil über den Antragsteller bilden konnte, EPHK a. D. O., war bereits im Jahr 2006 in den Ruhestand versetzt worden und kam aus diesem Grunde nicht mehr als Erstbeurteiler in Frage.

Vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 20.8.2004 - 2 B 64.04 -, Buchholz 232.1 § 40 BLV Nr. 25.

Die fehlende Einhaltung der Vorgaben von Nr. 9.1 Abs. 3 Satz 2 BRL Pol kann unter diesen Umständen der Rechtmäßigkeit der Beurteilung nicht entgegengehalten werden. Anderenfalls wäre die Erstellung einer (rechtmäßigen) Beurteilung von vornherein ausgeschlossen. Das wäre jedoch nicht mit Nr. 3.1 Abs. 1 BRL Pol zu vereinbaren, wonach die Beamten (zwingend) alle drei Jahre zu einem Stichtag zu beurteilen sind. In einer solchen Situation genügt der Dienstherr seiner prinzipiellen Pflicht zur gleichmäßigen Anwendung der selbst aufgestellten Beurteilungsrichtlinien, wenn er eine Verfahrensweise wählt, die dem inneren Sinn der Richtlinien bestmöglich gerecht wird. Das ist hier geschehen, indem der Erstbeurteiler - wie seine im Beschwerdeverfahren vorgelegte eidesstattliche Versicherung hinreichend belegt - mit dem früheren Vorgesetzten des Antragstellers über dessen dienstliche Leistungen im Beurteilungszeitraum gesprochen, sich dadurch ein Bild gemacht und auf dieser Grundlage sich den Beurteilungsvorschlag des früheren Vorgesetzten aus dem vorangegangenen Beurteilungsverfahren zu eigen gemacht hat. Nr. 9.1 Abs. 3 Satz 2 BRL Pol verfolgt das Ziel, der Beurteilung eine möglichst vollständige und richtige Tatsachengrundlage zu verschaffen.

Vgl. Willems, NWVBl. 2001, 121 (126).

Diesem Zweck diente im Streitfall auch die Vorgehensweise des Erstbeurteilers. Dabei standen ihm eindeutig besser geeignete Alternativen nicht zur Verfügung. Rechtliche Bedenken gegen die Erstbeurteilung bestehen demgemäß nicht.

Ausgehend davon folgt der Senat dem VG auch nicht darin, der Erstbeurteiler PHK T. habe die ihm zustehende Beurteilungsermächtigung nicht hinreichend ausgeübt. Seine Anmerkung unter Ziffer V. der Beurteilung, der Vorschlag beruhe ausschließlich auf der Bewertung durch EPHK a. D. O., besagt nichts Gegenteiliges. Die dahinter stehende Vorgehensweise hat PHK T. in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 26.6.2008 dahingehend erläutert, dass die im Vorfeld der dienstlichen Beurteilung geführten Gespräche mit EPHK a. D. O. über die dienstlichen Leistungen des Antragstellers deutlich gemacht hätten, dass EPHK a. D. O. seine Bewertungen in dem früher von ihm erstellten Beurteilungsvorschlag aufrecht erhalte. Mangels eigener Arbeitskontakte habe er sich entschlossen, diese Bewertungen zu übernehmen. Eine zutreffendere Beschreibung sei ihm anders nicht möglich gewesen. Die abgegebene Bewertung sei für ihn schlüssig gewesen und habe auch dem von ihm angewandten Beurteilungsmaßstab entsprochen. Mit der in dieser Vorgehensweise zum Ausdruck kommenden eigenen Bewertung der ihm vermittelten Tatsachen hat der Erstbeurteiler PHK T. unter den hier gegebenen Umständen den Anforderungen an einen eigenständigen Beurteilungsvorschlag hinreichend genügt.

Der Endbeurteiler hat die von ihm vorgenommene Absenkung dieses Beurteilungsvorschlags hinreichend plausibilisiert. Stimmen Erst- und Endbeurteilung bei der Bewertung der Hauptmerkmale und des Gesamturteils nicht überein, hat der Schlusszeichnende nach Nr. 9.2 Abs. 2 Satz 2 BRL Pol die abweichende Beurteilung zu begründen. Die Anforderungen an die Abweichungsbegründung werden ausschlaggebend von dem Grund bestimmt, der den Endbeurteiler zu einer abweichenden Beurteilung veranlasst. Liegt dieser allein in einer anders lautenden Bewertung des individuellen Leistungs- und Befähigungsprofils des beurteilten Beamten, z. B. in Bezug auf einzelne Submerkmale, so muss dies in der Abweichungsbegründung deutlich werden. Liegt der Grund für die Abweichung vorrangig in einzelfallübergreifenden Erwägungen wie beispielsweise in einer im Vergleich mit den allgemeinen Beurteilungsmaßstäben zu wohlwollenden oder zu strengen Grundhaltung des Erstbeurteilers, muss der Schlusszeichnende diesen Aspekt in den Mittelpunkt seiner Begründung rücken. Da diese im letztgenannten Fall zwangsläufig vom Einzelfall abstrahiert, ergibt sich trotz eines eventuell entstehenden formelhaften Eindrucks kein rechtlich relevantes Begründungsdefizit.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13.12.1999 - 6 A 3593/98 -, OVGE 48, 86, Urteil vom 23.6.2006 - 6 A 1216/04 - und Beschluss vom 31.8.2007 - 6 B 993/07 -.

Die Abweichungsbegründung genügt diesen Anforderungen. Der Antragsgegner hat die Bewertungen des Erstbeurteilers sowohl mit einzelfallübergreifenden als auch mit individuellen Erwägungen geändert. In der der dienstlichen Beurteilung angefügten Begründung ist ausgeführt, dass sich durch die Zusammenfassung der Beamten der I. und II. Säule die Vergleichsgruppe stark verändert habe, so dass sich ein strengerer Maßstab ergebe. Es ist nachvollziehbar, dass sich hierdurch eine hohe Leistungsdichte ergibt und die Leistung des Antragstellers deshalb bei Betrachtung der gesamten Vergleichsgruppe weniger gut einzustufen sein kann. Zusätzlich hat sich der Endbeurteiler mit der Dienstausübung des Antragstellers auseinandergesetzt und die Absenkung vertiefend erläutert, indem er die Defizite des Antragstellers bei der Leistungskonstanz, der Innovation, der Bearbeitung komplexer Sachverhalte, der Effektivität der Arbeitsleistung und der Bewältigung von Zusatzaufgaben festgestellt hat.

Mit den dagegen erhobenen Einwänden setzt der Antragsteller letztlich nur seine eigene, insoweit nicht maßgebliche Leistungseinschätzung an die Stelle der Bewertung des Beurteilers. Dass die vom Antragsteller vorgetragenen Umstände - wie etwa das regelmäßige Einreichen von Vorschlägen, der Einsatz als Gruppenführer bei Sondereinsätzen, die Einweisung von Kollegen an Radargeräten - zwingend zu einer überdurchschnittlichen Beurteilung hätten führen müssen, ist nicht ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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