Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 29.10.2008
Aktenzeichen: 6 B 1131/08
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Dass bei einem Qualifikationsvergleich einer in einem höherwertigen Amt erteilten dienstlichen Beurteilung grundsätzlich ein größeres Gewicht zukommt als der gleichlautenden Beurteilung eines Mitbewerbers in einem niedrigeren Amt, erklärt sich aus den mit dem höherwertigen Amt regelmäßig verbundenen höheren Leistungs- und Befähigungsanforderungen. Ändert der Dienstherr seine bisherige Praxis, die um einen Punktwert besser ausgefallene Beurteilung im rangniedrigeren Amt der im ranghöheren Amt erteilten Beurteilung gleichzustellen, dahingehend, dass er dafür nun eine um zwei Punkte bessere Beurteilung verlangt, bedarf dies der Plausibilisierung (Im Anschluss an OVG NRW, Beschluss vom 26.9.2008 - 6 B 819/08 -.)
Tatbestand:

Der Antragsteller ist Kriminaloberkommissar (A 10 BBesO) im Dienst des Landes NRW (Antragsgegner). Er wandte sich mit seinem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen die beabsichtigte Stellenbesetzung einer der dem Polizeipräsidium L. zugewiesenen Beförderungsstellen der Besoldungsgruppe A 11 BBesO mit dem Beigeladenen (Polizeioberkommissar, A 10 BBesO). Die der Beförderungsentscheidung zu Grunde liegende Beurteilung des Beigeladenen erfolgte bereits im Amt eines Polizeioberkommissars und endete mit einem Gesamtergebnis von drei Punkten. Die maßgebliche Beurteilung des Antragstellers fand hingegen noch im Amt eines Kriminalkommissars (A 9 BBesO) statt und schloss mit einem Gesamtergebnis von fünf Punkten ab. Das VG untersagte im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig, die Stelle mit dem Beigeladenen zu besetzen. Die Beschwerde des Antragsgegners wies das OVG zurück.

Gründe:

Die Beschwerde ist nicht begründet. Das VG hat dem erstinstanzlich gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht stattgegeben. Dabei bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, ob die mit der Beschwerde angegriffenen Erwägungen des VG zur mangelnden Sachgerechtigkeit der angewandten Hilfskriterien letztlich durchgreifen. Denn das Beschwerdegericht kann eine Beschwerde auch dann zurückweisen, wenn sich die angegriffene Entscheidung aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist. Die Beteiligten sind dazu angehört worden.

Die in Rede stehende Auswahlentscheidung begegnet schon deshalb Bedenken, weil der Antragsgegner den Qualifikationsvergleich der für die Beförderung in Frage kommenden Beamten unter anderem auf der Grundlage der "Wertesumme" der Bewertungen der Hauptmerkmale der aktuellen Beurteilungen vorgenommen hat. Diese Vorgehensweise dürfte dem Grundanliegen aus 8.1 der Beurteilungsrichtlinien im Bereich der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen - BRL Pol - (RdErl. d. Innenministeriums vom 25.1.1996 - IV B 1 - 3034 H -, SMBL.NW. 203034) widersprechen, wonach bei der Festsetzung der Gesamtnote einer Beurteilung in Punkten die Bildung eines Punktwertes als arithmetisches Mittel aus den Bewertungen der einzelnen Hauptmerkmale wegen der unterschiedlichen Gewichtung dieser Merkmale nicht gewollt ist. Vielmehr ist die Gesamtnote aus der Bewertung der Leistungs- und Befähigungsmerkmale unter Würdigung ihrer Gewichtung und der Gesamtpersönlichkeit des Beamten zu bilden. Zwar wird bei der hier gewählten Vorgehensweise nicht das ausdrücklich ausgeschlossene arithmetische Mittel gebildet. Die von den Beurteilungsrichtlinien verlangte Würdigung der Gewichtung der Hauptmerkmale wird jedoch mit der Bildung einer Wertsumme durch einfache Addition der Punktwerte der Hauptmerkmale ebenfalls nicht erreicht. Ob der auf diese Weise angestellte Qualifikationsvergleich die Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung zur Folge hat, braucht hier allerdings nicht entschieden zu werden.

Unabhängig davon ist die Auswahlentscheidung des Antragsgegners jedenfalls deshalb fehlerhaft, weil die ihr zu Grunde liegende Gewichtung der in unterschiedlichen Statusämtern erteilten Beurteilungen nicht plausibel ist.

Dass bei einem Qualifikationsvergleich zwischen mehreren Beamten einer in einem höherwertigen Amt erteilten dienstlichen Beurteilung grundsätzlich ein größeres Gewicht zukommt als der gleichlautenden Beurteilung eines Mitbewerbers in einem niedrigeren Amt, erklärt sich aus den mit dem höherwertigen Amt regelmäßig verbundenen höheren Leistungs- und Befähigungsanforderungen. Dementsprechend muss sich die Gewichtung der in unterschiedlichen Statusämtern erteilten Beurteilungen an den abstrakten Anforderungen dieser Statusämter orientieren. Soweit im Bereich der Polizei die in unterschiedlichen Statusämtern erteilten Beurteilungen von Beförderungskonkurrenten zueinander in Beziehung gesetzt werden, entspricht es weit verbreiteter, von der Rechtsprechung gebilligter Praxis, die um einen Punktwert besser ausgefallene Beurteilung im rangniedrigeren Amt der im ranghöheren Amt erteilten Beurteilung gleichzustellen.

Abweichend von dieser Praxis hat der Antragsgegner angenommen, dass eine im Statusamt A 9 BBesO (Kommissar) mit einem Gesamtergebnis von fünf Punkten erteilte Beurteilung, bei der sämtliche Hauptmerkmale ebenfalls mit fünf Punkten bewertet sind, einer im Statusamt A 10 BBesO (Oberkommissar) erteilten Beurteilung entspreche, die mit einem Gesamtergebnis von drei Punkten abschließt und bei der die Hauptmerkmale in der Summe mit zehn Punkten bewertet sind. Diese Annahme bedarf angesichts der vorstehend beschriebenen gegenteiligen Verwaltungspraxis der Plausibilisierung. Es erschließt sich nicht von selbst, dass die abstrakten Anforderungen des Statusamtes, die an einen Oberkommissar zu stellen sind, gegenüber den an einen Kommissar zu stellenden Anforderungen derart steigen, dass nach einer Beförderung des Amtsinhabers, der zuvor die Spitzennote erreicht hatte, bei einer Beurteilung im Beförderungsamt trotz gleichgebliebener Leistung eine gegenüber der letzten Beurteilung im Amt des Kommissars um zwei Stufen niedrigere Note zu vergeben wäre.

Die erforderliche Plausibilisierung ist dem Antragsgegner auch im Beschwerdeverfahren nicht gelungen. Zu den jeweiligen abstrakten Anforderungen der betroffenen Statusämter hat er sich nicht geäußert. Die Begründung, die er für die Gewichtung der im Statusamt A 9 BBesO erteilten Spitzenbeurteilungen liefert, ist nicht vertretbar.

Der Antragsgegner stützt die von ihm vorgenommene Gewichtung auf statistische Erfahrungswerte, nach denen das Gesamtergebnis der Beurteilung im höheren Statusamt den Punktwert drei, auch nach einer vorangegangenen Spitzenbeurteilung von fünf Punkten im niedrigeren Statusamt, in den meisten Fällen nicht übertreffe. So seien von den 671 Beamten der hier interessierenden Vergleichsgruppe des Status-amtes A 10 BBesO 309 Beamte erstmals im Jahr 2005 in diesem Amt beurteilt worden. Von den 91 darunter befindlichen Beamten mit vorangegangener Spitzenbeurteilung (fünf Punkte) im niedrigeren Statusamt A 9 BBesO habe die überwiegende Mehrzahl von 68 Beamten, was einem Anteil von rund 75 % entspreche, lediglich ein Beurteilungsergebnis von drei Punkten erreicht.

Schon der Umstand, dass jedenfalls 25 % der im niedrigeren Amt mit fünf Punkten Beurteilten nach ihrer Beförderung mit mehr als drei Punkten beurteilt wurden, lässt eine generelle Gewichtung der im niedrigeren Amt erhaltenen Beurteilung mit zwei Punkten weniger als fraglich erscheinen. Abgesehen davon folgt aus diesen empirischen Befunden nicht die Sachgerechtigkeit der vom Antragsgegner vorgenommenen Gewichtung der in verschiedenen Statusämtern erteilten Beurteilungen. Sie zeigen vielmehr lediglich, dass es offensichtlich gängige Praxis des Antragsgegners ist, die Beamten bei ihrer erstmaligen Beurteilung im Beförderungsamt zumeist mit der Durchschnittsnote von drei Punkten zu beurteilen. Diese Vorgehensweise ist rechtlich zweifelhaft. Es ist nicht nachvollziehbar, dass sowohl denjenigen, die im rangniedrigeren Amt zuletzt Spitzenbeurteilungen erhalten haben, als auch denjenigen, die in diesem Amt nur durchschnittlich beurteilt worden sind, im Beförderungsamt ganz überwiegend derselbe Leistungs- und Befähigungsstand bescheinigt wird. Dass ausgerechnet die bisher weniger leistungsstarken Beamten ihre Leistungen im Beförderungsamt (erheblich) steigern und trotz der dort höheren Anforderungen erneut eine durchschnittliche Beurteilung erreichen, während ihre bisher deutlich besser eingeschätzten Kollegen keinen Leistungszuwachs zeigen und - gemessen an den höheren Anforderungen des Amtes - ebenfalls nur die Durchschnittsnote erhalten können, ist unwahrscheinlich. Ebenso wenig nachvollziehbar wäre es, nähme der Dienstherr zur Wahrung der Relationen zu den leistungsstärkeren Beamten eine entsprechende "Herabstufung" der im rangniedrigeren Amt lediglich durchschnittlich Beurteilten bei der ersten Beurteilung im Beförderungsamt vor. Denn das hieße, dass diese Beamten nach der Beförderung nicht den Anforderungen entsprechende Leistungen (ein Punkt) erbrächten. Mit dem Verweis auf die Richtsatzvorgaben der Nr. 8.2.2 BRL Pol ist die vom Antragsgegner vorgenommene Gewichtung der in verschiedenen Ämtern erteilten Beurteilungen ebenfalls nicht ausreichend plausibilisiert. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass - jedenfalls nach einer gewissen Einarbeitungsphase - die Leistungen eines im rangniedrigeren Amt mit der Spitzennote beurteilten Beamten nach der Beförderung auch im ranghöheren Amt überdurchschnittlich sind oder sogar das Spitzenniveau erreichen. Dass das Beförderungsamt höhere Anforderungen stellt, steht dem nicht entgegen, denn der Beamte hat mit seinen Spitzenleistungen im rangniedrigeren Amt sein Leistungs- und Befähigungspotenzial möglicherweise noch nicht ausgeschöpft. Hinzu kommt, dass bei den hier maßgeblichen Beförderungen von Ämtern der Besoldungsgruppe A 9 BBesO in Ämter der Besoldungsgruppe A 10 BBesO die Verleihung des höherwertigen Amtes - trotz prinzipiell höherer Leistungsanforderungen - regelmäßig gerade nicht mit einem eine (längere) Einarbeitungsphase verlangenden Aufgabenwechsel verbunden ist.

Der vom Antragsgegner angeführte Umstand, dass bei einer "Gleichstellung" einer Fünf-Punkte-Beurteilung in A 9 BBesO mit einer Vier-Punkte-Beurteilung in A 10 BBesO diejenigen Beamten ins Hintertreffen gerieten, die bei ihrer ersten Beurteilung im Statusamt A 10 mit drei Punkten bewertet würden, obwohl auch sie schon in der vorangegangenen Beurteilung im Statusamt A 9 BBesO eine Fünf-Punkte-Beurteilung erhalten hätten, trägt nicht. Vielmehr kommt darin lediglich die Fragwürdigkeit der vom Antragsgegner verfolgten Praxis zum Ausdruck, nahezu ausnahmslos auch Beamten mit Spitzenbeurteilungen nach ihrer Beförderung im höheren Statusamt lediglich mit drei Punkten zu beurteilen.

Ende der Entscheidung

Zurück