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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 05.08.2004
Aktenzeichen: 6 B 1158/04
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 123 Abs. 1 Satz 1
Zu den Anforderungen einer Abweichungsbegründung bei einer Abweichung der Endbeurteilung von der Erstbeurteilung um zwei Notenstufen.

Zur Berücksichtigung eines durch Disziplinarverfügung geahndeten Dienstvergehens im Rahmen des Quervergleichs und einer hierauf gestützten Abweichung der Endbeurteilung von der Erstbeurteilung.


Tatbestand:

Der Antragsteller und die Beigeladenen, die als Polizeiobermeister im Dienst des Antragsgegners stehen, konkurrieren um eine Beförderungsstelle nach der Besoldungsgruppe A 9 BBesO (Polizeihauptmeister) beim Polizeipräsidium A. Während die Beigeladenen in ihren letzten Regelbeurteilungen im Gesamturteil 4 Punkte erhielten, schloss die Beurteilung des Antragstellers mit 2 Punkten ab. Der Endbeurteiler war von der auf 4 Punkte lautenden Erstbeurteilung unter Hinweis auf einen Quervergleich zu den anderen Mitgliedern der Vergleichsgruppe um 2 Notenstufen abgewichen. Der Antragsteller, der in einem Klageverfahren die Abänderung seiner Beurteilung im Sinne der Erstbeurteilung erstrebt, stellte beim VG den Antrag, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, eine der zugewiesenen Stellen der Besoldungsgruppe A 9 BBesO - mittlerer Dienst - nicht mit einem Konkurrenten zu besetzen, bis über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist. Das VG lehnte den Antrag ab. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Bei der Entscheidung darüber, welchem von mehreren in Betracht kommenden Beamten eine Beförderungsstelle übertragen wird, ist das Prinzip der Bestenauslese zu beachten. Der Dienstherr hat Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber zu bewerten und zu vergleichen (Art. 33 Abs. 2 GG, § 7 Abs. 1 LBG). Ist ein Bewerber besser qualifiziert, darf er nicht übergegangen werden. Bei im Wesentlichen gleicher Qualifikation der Konkurrenten liegt die Auswahl im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn. Der einzelne Bewerber hat insoweit ein Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Stellenbesetzung (sogenannter Bewerber- bzw. Bewerbungsverfahrensanspruch). Dieses Recht ist nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO sicherungsfähig.

Der Erlass einer entsprechenden Sicherungsanordnung setzt voraus, dass die Verletzung des Rechts des betroffenen Beamten auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über sein Beförderungsbegehren glaubhaft ist und die Möglichkeit besteht, dass eine fehlerfreie Wiederholung der Auswahlentscheidung zur Beförderung des Antragstellers führt. Mit anderen Worten: Jeder Fehler im Auswahlverfahren einschließlich etwaiger Fehler der dabei zugrunde gelegten Beurteilungen vermag den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu rechtfertigen; vorausgesetzt werden dabei die Berücksichtigungsfähigkeit des Fehlers und dessen potentielle Kausalität für das Auswahlergebnis.

Vgl. im Einzelnen: OVG NRW, Beschluss vom 13.9.2001 - 6 B 1776/00 -, NWVBl. 2002, 111.

Daran fehlt es hier. Es ist - bei summarischer Betrachtung - nicht glaubhaft gemacht, dass die Auswahlentscheidung des Antragsgegners, die streitbefangene Beförderungsstelle nicht mit dem Antragsteller zu besetzen, dessen Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über sein Beförderungsbegehren verletzt. Der Antragsgegner stützt diese Entscheidung auf die aktuellen dienstlichen Regelbeurteilungen, welche bei den Beigeladenen mit dem Beurteilungsergebnis "Die Leistung und Befähigung ... übertreffen die Anforderungen" (4 Punkte) und beim Antragsteller mit dem Ergebnis "Die Leistung und Befähigung ... entsprechen im Allgemeinen den Anforderungen" (2 Punkte) abschließen. Die Beigeladenen sind damit um zwei Notenstufen besser beurteilt als der Antragsteller.

Die Einwendungen des Antragstellers gegen seine dienstliche Beurteilung hält der Senat jedenfalls im Rahmen der hier vorzunehmenden summarischen Überprüfung für unbegründet. Da im vorliegenden Fall Erst- und Endbeurteilung nicht übereinstimmen, war die abweichende Beurteilung zu begründen (Nr. 9.2 Abs. 2 Satz 2 der Beurteilungsrichtlinien im Bereich der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen vom 25.1.1996, MBl. NRW S. 278). Diesem Begründungserfordernis ist hier Genüge getan.

In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass sich Umfang und Intensität der Abweichungsbegründung daran auszurichten haben, was insoweit angesichts des vorgesehenen Beurteilungsverfahrens überhaupt möglich und zulässig ist. Beruht die anders lautende Endbeurteilung nicht auf einer abweichenden Bewertung des individuellen Leistungs- und Befähigungsprofils, sondern auf einzelfallübergreifenden Erwägungen, z.B. der Korrektur einer zu wohlwollenden oder zu strengen, vom allgemeinen Beurteilungsmaßstab abweichenden Grundhaltung des Erstbeurteilers und/oder auf einem allgemeinen Quervergleich mit den Beurteilungen der weiteren zur Vergleichsgruppe gehörenden Personen unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Richtsätze, muss die Abweichungsbegründung diese Gesichtspunkte in den Mittelpunkt stellen. Die dabei maßgeblichen allgemeinen Erwägungen führen zwangsläufig zu einer Abstrahierung vom Einzelfall und finden sich wegen ihrer fallübergreifenden Bedeutung ebenso zwangsläufig in ähnlicher oder gleicher Wortwahl auch in den Beurteilungen anderer Beamter wieder. Auch wenn die Begründung in derartigen Fällen möglicherweise formelhaft wirkt, ergibt sich daraus kein zur Rechtswidrigkeit führendes Begründungsdefizit.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 13.2.2001 - 6 A 2966/00 -.

Die Abweichungsbegründung ist der Sache nach eine Ausprägung der Plausibilisierungspflicht, der dienstliche Beurteilungen allgemein unterliegen. Führt eine Abweichung von der Erstbeurteilung zu Unterschieden zwischen der Benotung des geänderten Hauptmerkmals und der Benotung der zugehörigen Submerkmale, so macht dies die Beurteilung widersprüchlich und erfordert daher unter Umständen eine besondere Plausibilisierung. Wenn zwischen den Bewertungen der Submerkmale und der Beurteilung des entsprechenden Hauptmerkmals überwiegend mehr als eine Notenstufe liegt, lässt sich dies nicht mit einer denkbaren unterschiedlichen Gewichtung von Einzelmerkmalen erklären, so dass es dem Endbeurteiler obliegt, die Abweichungen - soweit möglich - vertretbar zu begründen oder die Widersprüche sonst aufzulösen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 29.8.2001 - 6 A 2967/00 -.

Daran gemessen mag zweifelhaft sein, ob die allein auf den Quervergleich abstellende Begründung unter VI. der Beurteilung vom 17.3.2003 ausreicht, um die Abweichung um zwei Notenstufen plausibel zu machen. Ein mögliches Defizit in der Plausibilisierung konnte aber auch nachträglich in dem die Beurteilung betreffenden Klageverfahren sowie im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeglichen werden. Der Antragsgegner hat insoweit bedenkenfrei das gegen den Antragsteller durchgeführte Disziplinarverfahren ins Spiel gebracht. Er hat in der Beschwerdeerwiderung nähere Einzelheiten zu dem Disziplinarverfahren dargelegt und zur Erläuterung ausgeführt, die Bewertung des Antragstellers habe im Quervergleich zu den anderen Mitgliedern der Vergleichsgruppe derart herabgesetzt werden müssen, dass ein deutlicher Unterschied in der Bewertung eines Beamten, der sich pflichtgemäß verhalte und einem Beamten, der massiv gegen seine Dienstpflichten verstoße, sichtbar werde. Diese Erwägung ist als solche rechtlich nicht zu beanstanden.

Dass der Endbeurteiler dem durch die Disziplinarverfügung vom 8.4.2003 geahndeten Dienstvergehen des Antragstellers Aussagekraft beigemessen hat, ist sachgerecht und nachvollziehbar. Das gegenteilige Beschwerdevorbringen ist unbegründet. Es handelte sich im vorliegenden Fall keineswegs nur um ein geringfügiges Fehlverhalten, welches in Bezug auf den gesamten Beurteilungszeitraum zu vernachlässigen sein könnte. Da sich der Antragsteller seinerzeit noch im Beamtenverhältnis auf Probe befand, war die Geldbuße die höchstmögliche Disziplinarmaßnahme, die gegen den Antragsteller verhängt werden konnte (§ 5 Abs. 3 DO NW). Auch die Höhe der Geldbuße lag mit 1.000 Euro im oberen Bereich des Zulässigen und indiziert daher ebenfalls ein erhebliches Gewicht des vom Antragsteller begangenen Dienstvergehens. Bei dieser Sachlage erübrigt sich ein näheres Eingehen auf die in der Beschwerdeerwiderung dargelegten Einzelheiten des betreffenden Vorfalles und die hierzu erfolgte Einlassung des Antragstellers, der den Tatvorwurf jedenfalls im Kern nicht in Abrede stellt.

Der Antragsteller kann sich im vorliegenden Zusammenhang nicht mit Erfolg darauf berufen, bei dem Dienstvergehen handele es einen einmaligen Vorfall, der nur einen punktuellen Ausschnitt aus seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung darstelle. Er übersieht hierbei, dass selbst ein einmaliges Fehlverhalten je nach Art und Intensität vorhandene Persönlichkeitsdefizite sowie Mängel hinsichtlich der Dienstauffassung oder anderer beurteilungsrelevanter Merkmale offenbaren kann. Damit kann auch ein einmaliges disziplinarisch relevantes Fehlverhalten innerhalb eines längeren Beurteilungszeitraums Aussagekraft für die auf den gesamten Zeitraum bezogene Beurteilung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung des Beamten gewinnen. Eine Vergleichbarkeit mit der Berücksichtigung von Auswahlgesprächen im Rahmen von Beförderungsentscheidungen, wie sie der Antragsteller sieht, vermag der Senat nicht zu erkennen.

Selbst wenn die vom Antragsgegner gegebene Abweichungsbegründung eine Abweichung von der Erstbeurteilung nicht um zwei, sondern nur um eine Notenstufe rechtfertigen würde, könnte der Antragsteller hieraus nichts für sein Antragsbegehren herleiten, weil er bei einer auf 3 Punkte lautenden Regelbeurteilung immer noch schlechter beurteilt wäre als die Beigeladenen, deren Regelbeurteilungen mit dem Beurteilungsergebnis 4 Punkte abschließen.

Ende der Entscheidung

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