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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 18.12.2001
Aktenzeichen: 6 B 1326/01
Rechtsgebiete: LBG NRW, StGB


Vorschriften:

LBG NRW § 34 Abs. 1 Nr. 1
LBG NRW § 34 Abs. 4
StGB § 315 c
StGB § 316
Entlassung einer Polizeimeisterin aus dem Beamtenverhältnis auf Probe wegen einer außerdienstlichen, fahrlässig begangenen Gefährdung des Straßenverkehrs bei alkoholbedingter absoluter Fahruntüchtigkeit.

Erfolgreicher Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die unter Anordnung der sofortigen Vollziehung verfügte Entlassung.


Gründe:

Nach der in Verfahren der vorliegenden Art vorzunehmenden summarischen Prüfung ist die Entlassungsverfügung rechtswidrig. Sie ist auf § 34 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 LBG NRW gestützt. Danach kann der Beamte auf Probe bei einem Verhalten, das bei einem Beamten auf Lebenszeit eine Disziplinarmaßnahme zur Folge hätte, die nur im förmlichen Disziplinarverfahren verhängt werden kann, ohne Einhaltung einer Frist entlassen werden. Diese Voraussetzungen liegen nach summarischer Prüfung nicht vor.

Das der Antragstellerin vorgeworfene Verhalten stellt allerdings ein - im außerdienstlichen Bereich begangenes - Dienstvergehen dar. Sie ist wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs durch Trunkenheit zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Sie hatte ihren Pkw, in welchem mehrere Personen mitfuhren, im Zustand alkoholbedingter absoluter Fahruntüchtigkeit gegen einen am Straßenrand befindlichen Lichtmast gefahren. Diese Straftat war in besonderem Maße geeignet, Achtung und Vertrauen in einer für das Ansehen des öffentlichen Dienstes bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (§ 83 Abs. 1 Satz 2 LBG NRW). Das gilt auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerwG, vgl. Urteil vom 30.8.2000 - 1 D 37.99 -, ZBR 2001, 39, wonach eine einmalige außerdienstliche Trunkenheitsfahrt im Sinne des § 316 StGB bei einem Beamten, der (wie die Antragstellerin) nicht dienstlich mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs betraut ist, keine Verletzung der Pflicht bedeute, mit seinem Verhalten auch außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf erfordert (§ 54 Satz 3 BBG, wortgleich mit § 57 Satz 3 LBG NRW). Das VG hat insoweit zu Recht auf die Aufgaben der Polizei im Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung der Rechtsordnung und insbesondere bei der Überwachung des Straßenverkehrs hingewiesen. An dem Charakter der Straftat der Antragstellerin als Dienstvergehen ändert nichts der vom BVerwG der o.a. Entscheidung zugrundegelegte gesellschaftliche Wandlungsprozess, auf Grund dessen von einem Beamten kein wesentlich anderes Sozialverhalten erwartet werde als vom Durchschnittsbürger. Auch nach heutigen Anschauungen wird eine von einem Polizeivollzugsbeamten unter Alkoholeinfluss fahrlässig begangene Gefährdung des Straßenverkehrs von der Öffentlichkeit anders beurteilt als die entsprechende Straftat eines Durchschnittsbürgers oder eines anderen Beamten. Diese besonderen Umstände lagen dem vom BVerwG entschiedenen Fall nicht zugrunde.

Jedoch kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Straftat der Antragstellerin bei einem Beamten auf Lebenszeit eine Disziplinarmaßnahme zur Folge hätte, die nur im förmlichen Disziplinarverfahren (mindestens eine Gehaltskürzung, §§ 5 Abs. 1, 29 Abs. 1 DO NRW) verhängt werden kann. Eine Gehaltskürzung wird von den Disziplinargerichten bei einer außerdienstlichen Trunkenheitsfahrt eines Beamten, der dienstlich nicht mit dem Führen von Kraftfahrzeugen befasst ist, noch nicht verhängt, wenn es sich - wie hier - um eine Ersttat handelt. Für eine Gehaltskürzung müssen Umstände hinzukommen, die das Ausmaß der Ansehensschädigung als besonders erheblich erscheinen lassen. Solche Umstände sind etwa darin zu sehen, dass der Beamte Rückfalltäter ist und/oder zusätzlich zu dem Alkoholdelikt ein weiterer Verstoß gegen Strafnormen, etwa Unfallflucht oder Körperverletzung, gegeben ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 28.11.1989 - 1 D 16.89 - Dokumentarische Berichte B 1990, 138; OVG NRW, Urteile vom 29.11.1990 - 2 V 11/90 - und vom 3.2.1999 - 12d A 36/98.O -.

An derartigen erschwerenden Umständen fehlt es hier. Zwar handelt es sich nicht um eine "einfache" außerdienstliche Trunkenheitsfahrt, die unter § 316 StGB fällt. Von diesem Delikt hebt sich deutlich ab, dass die Antragstellerin mit mehreren anderen Personen im Auto in betrunkenem Zustand einen Lichtmast umgefahren hat. Auch der Strafrahmen bei der von der Antragstellerin fahrlässig begangenen Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315 c StGB) bringt den Unterschied zum Ausdruck. Er ist bezüglich der Freiheitsstrafe doppelt so hoch wie der des § 316 StGB, auch wenn letzteres Delikt vorsätzlich begangen wird. Das reicht jedoch für die Annahme erschwerender Umstände in dem beschriebenen Sinne nicht aus.

In diesem Zusammenhang ist auf alle für die disziplinare Maßnahmebemessung erheblichen Einzelumstände abzustellen. Bei erzieherischen Disziplinarmaßnahmen - eine Entfernung aus dem Dienst käme bei einem Beamten auf Lebenszeit bei dem vorliegenden Dienstvergehen nicht in Frage - hat eine Gesamtbetrachtung der Tat und der Persönlichkeit des Beamten stattzufinden. Unter Anlegung dieses Maßstabes dürften erschwerende Umstände trotz des größeren Gewichts eines fahrlässig begangenen Delikts nach § 315 c StGB gegenüber einer von § 316 StGB erfassten Trunkenheit im Straßenverkehr zu verneinen sein: In dem von der Antragstellerin zwecks Wiedererlangung der Fahrerlaubnis beigebrachten medizinisch-psychologischen Gutachten wird ausgeführt, nach den Untersuchungsbefunden sei nicht zu erwarten, dass sie auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde, und ein derzeit bestehender unkontrollierter Alkoholkonsum und/oder die Kraftfahrtauglichkeit ausschließende Beeinträchtigungen als Folge eines solchen Konsums seien nicht nachweisbar. Zudem hat der bei der disziplinaren Untersuchung als Zeuge vernommene Dienststellenleiter der Antragstellerin geäußert, er halte die Gefahr nicht für sehr groß, dass die Antragstellerin noch einmal eine Trunkenheitsfahrt begehe; im Übrigen sei er, auch wenn die Antragstellerin ihre dienstlichen Leistungen steigern müsse, nicht der Meinung, dass sie für den Polizeidienst nicht tauglich sei. Schließlich hat die Antragstellerin unwidersprochen vorgetragen, dass bei mehreren abgeschlossenen Disziplinarfällen Probebeamte, die ebenfalls Trunkenheitsfahrten begangen hätten (in einem Fall ebenfalls mit Verursachung von Sachschaden), nicht entlassen worden seien. Auch dies ist in die gebotene Gesamtbetrachtung einzubeziehen.

Ende der Entscheidung

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