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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 09.09.2002
Aktenzeichen: 6 B 1375/02
Rechtsgebiete: GABl. NRW. Richtlinien vom 25.5.1992


Vorschriften:

GABl. NRW. Richtlinien vom 25.5.1992 I S. 118 Nr. 2.2
GABl. NRW. Richtlinien vom 25.5.1992 I S. 118 Nr. 2.3
GABl. NRW. Richtlinien vom 25.5.1992 I S. 118 Nr. 4.3
Erfolgreicher Antrag einer Lehrerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der vorläufigen Freihaltung von Beförderungsplanstellen der Besoldungsgruppe A 13 BBesO g.D.

Zur Pflicht des Beurteilers, den zur Grundlage der dienstlichen Beurteilung gemachten Unterrichtsbesuch selbst durchzuführen.


Tatbestand:

Das VG gab dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung auf, zwei Beförderungsplanstellen der Besoldungsgruppe A 13 g.D. vorläufig nicht mit den Beigeladenen zu besetzen. Es führte aus: Das zu Gunsten der Beigeladenen ausgegangene Auswahlverfahren sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtsfehlerhaft durchgeführt worden. Die nach den Richtlinien für die dienstliche Beurteilung von Lehrerinnen und Lehrern (BRL) vom 25.5.1992, GABl. NRW. I S. 118, durch einen schulfachlichen Schulaufsichtsbeamten der Bezirksregierung erstellten Anlassbeurteilungen seien keine tragfähige Grundlage für die Auswahlentscheidung. Der u.a. als Beurteilungsgrundlage dienende Unterrichtsbesuch sei fehlerhaft durch den stellvertretenden Schulleiter und durch den Schulleiter durchgeführt worden. Nach den Beurteilungsrichtlinien hätte dieser Unterrichtsbesuch von dem schulfachlichen Schulaufsichtsbeamten vorgenommen werden müssen. Die dagegen gerichteten Beschwerden des Antragsgegners und des Beigeladenen zu 1. blieben erfolglos.

Gründe:

Die Beurteilungsrichtlinien vom 25.5.1992 regeln allerdings nicht ausdrücklich, dass ein Unterrichtsbesuch von dem Beurteiler - hier dem schulfachlichen Schulaufsichtsbeamten gemäß dem Regelfall der Nr. 2.2 Satz 1 BRL - selbst vorgenommen werden muss. Nr. 4.3 Satz 1 BRL lautet: "Eine Beurteilung, die bei der Besetzung eines höherwertigen Amtes berücksichtigt werden soll, soll sich mindestens auf die Erteilung eigenen Unterrichts... beziehen". Die Beurteilung der Qualität des Unterrichts setzt einen Unterrichtsbesuch voraus. Daran ändert nichts, dass - im Gegensatz zu Nr. 2.3 BRL - das Wort "Unterrichtsbesuch" in Nr. 4.3 BRL nicht verwendet wird. Die Person, die den Unterricht der zu beurteilenden Lehrkraft besuchen soll, wird in Nr. 4.3 BRL zwar nicht ausdrücklich benannt. Auch ohne eine derartige Präzisierung in den Beurteilungsrichtlinien richtet sich diese grundsätzliche Verpflichtung jedoch an den Beurteiler; es geht um die Schaffung von Grundlagen für die von ihm in eigener Verantwortung zu erstellende dienstliche Beurteilung. Dementsprechend hat der Beurteiler das in Nr. 4.3 BRL ebenfalls vorgesehene schulfachliche Gespräch selbst durchgeführt. Einen Besuch des Unterrichts hat er hingegen unterlassen.

Eine "Delegation" des nach Nr. 4.3 Satz 1 BRL vorausgesetzten Unterrichtsbesuchs auf den Schulleiter bzw. den stellvertretenden Schulleiter war, wie das VG zutreffend ausgeführt hat, nicht möglich. Daran ändert Nr. 2.3 BRL nichts. Danach ist bei der Vorbereitung der Beurteilung die Schulleiterin bzw. der Schulleiter zur Beratung hinzuzuziehen (Satz 1); insbesondere soll sie bzw. er - als weitere Grundlage für die dienstliche Beurteilung - einen schriftlichen Leistungsbericht anfertigen (Satz 2). Dieser Wortlaut lässt zwar Raum für eine Hinzuziehung des Schulleiters bzw. des stellvertretenden Schulleiters bei der Vorbereitung einer Beurteilung über den Leistungsbericht hinaus. Das gilt jedoch nur innerhalb bestimmter Grenzen. Diese sind überschritten, wenn der in Nr. 4.3 BRL vorgesehene Unterrichtsbesuch nicht von dem Beurteiler selbst vorgenommen wird.

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass sich Zuständigkeit und Verantwortlichkeit für die dienstliche Beurteilung nicht verschieben dürfen. Die Beurteilung muss ein vom zuständigen Beurteiler ausgehendes und ihm zurechenbares Urteil über den Beamten bleiben; die von dem Beurteiler unterstützend herangezogenen dritten Personen dürfen bei der Abgabe der Beurteilung nicht - auch nicht teilweise - an seine Stelle treten.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.4.1986 - 2 C 13.85 -, Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, ES/D I 2 Nr. 27 = ZBR 1987, 15.

Der Beurteiler kann hiernach zwar zur Vorbereitung und Unterstützung seiner Beurteilung auch Berichte und Auskünfte von anderer Seite einholen. Tatsachenfeststellungen Dritter sind aber nur dann als Beurteilungsgrundlage heranzuziehen, wenn der Beurteiler in Ermangelung zureichender eigener Wahrnehmungen und Eindrücke aus einer Zusammenarbeit mit dem Beamten oder aus sonstigem Kontakt mit ihm auf zusätzliche Informationen beschreibenden Inhalts angewiesen ist, um seiner Pflicht zu vollständiger und richtiger Beurteilung zu genügen. Auf Werturteile Dritter darf er nur unter der Voraussetzung zurückgreifen, dass er - etwa weil ihm die nötigen Fachkenntnisse fehlen - außerstande ist, aus seinen (unmittelbar) eigenen Tatsachenfeststellungen oder denjenigen Dritter wertende Schlussfolgerungen zu ziehen. Das folgt daraus, dass die Beurteilung von dem zuständigen Beurteiler ausgehen und eine ihm zurechenbare Äußerung über die Qualifikation des Beamten bleiben muss.

Vgl. Schnellenbach, Die dienstliche Beurteilung der Beamten und der Richter, 3. Aufl. 2002, Rdnr. 282.

Das war bei der Verfahrensweise, die der Beurteiler hier eingeschlagen hat, nicht mehr gegeben. Zwar handelt es sich nicht um eine derart weitreichende "Delegation" bei der Beurteilung eines Lehrers wie in dem vom Antragsgegner angeführten, einem Beschluss des Senats vom 16.11.2001 - 6 B 1226/01 - zu Grunde liegenden Fall. Jedoch durfte der Beurteiler nach den oben dargelegten Maßstäben auch nicht auf die Durchführung eines eigenen Unterrichtsbesuchs nach Nr. 4.3 BRL verzichten. Diesbezüglich war er an eigenen Tatsachenfeststellungen nicht gehindert. Demzufolge musste er auch nicht auf Werturteile Dritter (des Schulleiters bzw. dessen Stellvertreters) bezüglich der Qualität des Unterrichts zurückgreifen. Zu beidem war er - zwecks pflichtgemäßer eigener Meinungsbildung - selbst in der Lage. Unter diesen Umständen ist die dienstliche Beurteilung in einem wesentlichen Punkt nicht mehr in dem notwendigen Umfang der eigenen Meinungsbildung des Beurteilers zuzurechnen mit der Folge, dass die dienstliche Beurteilung fehlerhaft ist und keine hinreichende Grundlage für das Auswahlverfahren darstellt.

Ende der Entscheidung

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