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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 30.10.2009
Aktenzeichen: 6 B 1496/09
Rechtsgebiete: LVO NRW, LPVG


Vorschriften:

LVO NRW § 40 Satz 2 Nr. 3
LPVG § 26 Abs. 2
1. Bei der Abordnung eines Beamten zum Zwecke der Erprobung nach § 40 Satz 2 Nr. 3 LVO NRW bedarf es keiner Ermessenserwägungen über eine Gestaltung der Erprobung, die dem Beamten abweichend von § 26 Abs. 2 LPVG NRW seine Mitgliedschaft im Personalrat der abordnenden Behörde erhält.

2. Auch eine Erprobung, die einen Wechsel in die Laufbahn des höheren Dienstes und die Verleihung eines entsprechenden Beförderungsamtes vorbereiten soll, ist bei einem an der tatsächlichen Durchführung der Erprobung gehinderten Mitglied eines Personalrats einer fiktiven Laufbahnnachzeichnung zugänglich.


Gründe:

I. Der Antragsteller, ein Oberamtsrat im Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen (IM NRW) und Vorsitzender des dortigen Personalrats, wendet sich gegen seine Abordnung zu einem anderen Ministerium des Landes NRW, die das IM NRW für die Dauer von fünf Monaten zwecks Einführung des Antragstellers in die Aufgaben des höheren Verwaltungsdienstes verfügt hat. Sie soll sich nahtlos an eine zur Zeit laufende fünfmonatige Abordnung zur Bezirksregierung D. anschließen und die zehnmonatige Erprobung auf einem Dienstposten des höheren Dienstes (§ 40 Satz 2 Nr. 3 LVO NRW) zum Abschluss bringen, die dem Aufstieg in die Laufbahn des höheren Dienstes und der Verleihung eines entsprechenden Beförderungsamtes vorausgeht. Der Antragsteller hat im Dezember 2008 seine Teilnahme am Aufstiegsverfahren beantragt, ist sodann zum Auswahlverfahren zugelassen worden, hat daran mit Erfolg teilgenommen und sein grundsätzliches Einverständnis mit der Abordnung erteilt, in diesem Zusammenhang aber seine Auffassung bekräftigt, dass sein Personalratsmandat fortbestehe bzw. ihm erhalten bleiben müsse. Im zugehörigen Klageverfahren macht er geltend, die angefochtene Abordnungsverfügung verstoße gegen § 7 Abs. 1 LPVG NRW. Sie führe nach der von dem Antragsgegner inzwischen vertretenen Rechtsauffassung gemäß § 26 Abs. 2 LPVG NRW zu einem Erlöschen seiner Mitgliedschaft im Personalrat, stelle ihn also vor die Alternative, auf sein Personalratsmandat oder auf die Erprobung zu verzichten, und sei deshalb eine nach § 7 Abs. 1 LPVG NRW verbotene Benachteiligung. Das VG hat dem Antrag zu 1., die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abordnungsverfügung anzuordnen, stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners. Den Antrag zu 2., dem Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung vorläufig aufzugeben, die Erprobung ab dem 1.11.2009 so zu gestalten, dass der Antragsteller sein Mandat im Personalrat nicht verliert, hat es abgelehnt. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Anschlussbeschwerde.

II. Die Beschwerde des Antragsgegners hat Erfolg.

1. Das VG hält die streitbefangene Abordnungsverfügung für offensichtlich rechtswidrig. Das IM NRW habe das ihm nach § 24 Abs. 1 LBG NRW eingeräumte Ermessen rechtsfehlerhaft nicht ausgeübt. Es hätte zumindest erwägen müssen, ob unter Berücksichtigung des Benachteiligungsverbots nach § 7 Abs. 1 LPVG NRW nicht eine andere Abordnung in Betracht gekommen wäre, durch die ein Erlöschen der Mitgliedschaft im Personalrat vermieden werde. Die ständige Verwaltungspraxis des IM NRW, Erprobungen immer in einer anderen obersten Landesbehörde durchzuführen, werde der atypischen Situation des Antragstellers als Mitglied des Personalrats nicht gerecht. Auch die im gerichtlichen Verfahren angeführten Überlegungen des Antragsgegners insbesondere zu den im Rahmen der Erprobung zu berücksichtigenden Grundsätzen des Art. 33 Abs. 2 GG seien nicht tragfähig.

Der Senat vermag diesen Erwägungen, die der Antragsgegner in einer den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügenden Weise in Frage gestellt hat, nicht beizutreten.

2. Der Senat unterstellt zugunsten des Antragstellers, dass seine an die laufende Abordnung unmittelbar anschließende weitere Abordnung, nunmehr zu einer anderen obersten Landesbehörde, den Tatbestand des § 26 Abs. 2 LPVG NRW erfüllt und - wie der Antragsgegner annimmt - zum Erlöschen der Mitgliedschaft im Personalrat führt. Wäre - mit dem Antragsteller - vom Gegenteil auszugehen, würde sich dies im vorliegenden Rechtsstreit zu seinen Lasten auswirken. Denn dann hätte es für den Antragsgegner schon im Ansatz keinen Grund gegeben, die vom VG vermissten Erwägungen anzustellen, um ein Erlöschen der Mitgliedschaft zu vermeiden. Dies vorausgeschickt ist von Folgendem auszugehen:

Das Erlöschen der Mitgliedschaft im Personalrat bei einer mehr als sechsmonatigen Abordnung hat seinen Rechtsgrund nicht in der Abordnungsverfügung, sondern unmittelbar in der gesetzlichen Bestimmung des § 26 Abs. 2 LPVG NRW. Das Erlöschen der Mitgliedschaft ist also mit anderen Worten nicht Bestandteil der mit der Abordnung getroffenen Einzelfallregelung, sondern eine an den Tatbestand der Abordnung anknüpfende gesetzliche Rechtsfolge. Von daher ist schon fraglich, ob hierin überhaupt eine Benachteiligung i.S.d. § 7 Abs. 1 LPVG NRW liegen kann; denn eine Rechtsfolge, die nach einer speziellen Vorschrift des Gesetzes (hier § 26 Abs. 2 LPVG NRW) ausdrücklich angeordnet wird, kann nicht zugleich als verboten im Sinne einer allgemeinen Bestimmung desselben Gesetzes (hier § 7 Abs. 1 LPVG NRW) angesehen werden.

Jedenfalls fehlt es aber an der für eine Benachteiligung im Sinne des Gesetzes erforderlichen Finalität der angegriffenen Maßnahme. § 7 Abs. 1 LPVG NRW verbietet eine Benachteiligung des Personalratsmitglieds nur "wegen seiner Tätigkeit". Das setzt - anders als bei dem in der Vorschrift außerdem enthaltenen Behinderungsverbot - eine entsprechende Absicht desjenigen voraus, dem die Benachteiligung zur Last gelegt wird.

Vgl. Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, BPersVG, Kommentar, § 8 Rdnr. 31 zu der gleichlautenden Bestimmung in § 8 BPersVG m.w.N.

Für eine solche Absicht gibt es im Streitfall keinen Anhaltspunkt. Die weitere Abordnung des Antragstellers dient seiner beruflichen Förderung, nämlich seiner Erprobung und der - bei entsprechender Bewährung - damit verbundenen Ermöglichung seines beruflichen Aufstiegs in ein Amt des höheren Dienstes. Sie zielt nicht - auch nicht indirekt - darauf ab, die Rechtsfolge des § 26 Abs. 2 LPVG NRW herbeizuführen. Jedenfalls gibt es für die dahingehenden Mutmaßungen des VG keinen greifbaren Anhaltspunkt in den dem Senat vorliegenden Akten. Das gilt auch für den Vortrag des Antragstellers in seiner Beschwerdeerwiderung (wird ausgeführt).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund kann der Antragsgegner nicht verpflichtet sein, den Eintritt der in § 26 Abs. 2 LPVG NRW vorgesehenen Rechtsfolge durch eine andere Gestaltung der Erprobung nach Möglichkeit zu vermeiden oder dies wenigstens in Erwägung zu ziehen. Der gegenteiligen Betrachtungsweise des VG hält der Antragsgegner mit Recht entgegen, dass eine anderweitige Durchführung der Erprobung, namentlich im Innenministerium selbst, dem Antragsteller bei seiner Erprobung eine Sonderbehandlung zuteil werden ließe. Diese würde von der sonstigen Verwaltungspraxis des Antragsgegners abweichen und damit das Prinzip der Chancengleichheit und in der Folge auch den Grundsatz der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG) verletzen. Darüber hinaus wäre eine solche Besserstellung mit dem in § 7 Abs. 1 LPVG NRW außerdem vorgesehenen Begünstigungsverbot unvereinbar. Zu dahingehenden Erwägungen bestand demnach im Rahmen der Entscheidung über die weitere Abordnung des Antragstellers kein Anlass.

3. Davon abgesehen trifft auch der rechtliche Ausgangspunkt des Antragstellers, den sich unausgesprochen auch das VG zu eigen gemacht hat, nicht zu, dass er durch die angefochtene Abordnungsverfügung vor die Alternative gestellt werde, entweder auf sein weiteres berufliches Fortkommen oder auf sein Personalratsmandat verzichten zu müssen. Allerdings geht der Antragsgegner davon aus, dass eine Erprobung des Antragstellers vor der Verleihung eines Beförderungsamtes in der Laufbahn des höheren Dienstes unverzichtbar sei. Diese im Einklang mit früherer Rechtsprechung, vgl. OVG NRW, Urteil vom 24.6.1980 - 6 A 292/78 -, PersV 1982, 75; Beschluss vom 25.8.2003 - 1 A 2351/02 -, PersR 2004, 38; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 8.11.2004 - 2 A 10994/04.OVG -, ZfPR 2005, 8, stehende Annahme lässt sich nach der neueren Rechtsprechung des BVerwG, vgl. dessen Urteil vom 21.9.2006 - 2 C 13.05 -, BVerwGE 126, 333, nicht aufrechterhalten. Nach dieser Rechtsprechung kann auch eine nach den laufbahnrechtlichen Vorschriften vor einer Beförderung notwendige Erprobung im Wege fiktiver Laufbahnnachzeichnung ersetzt werden, wenn der Beamte wegen seiner Personalratstätigkeit an der tatsächlichen Durchführung der Erprobung gehindert ist. Das gilt auch für den hier vorliegenden Fall, dass die angestrebte Beförderung zugleich mit einem Laufbahnwechsel in den höheren Dienst verbunden ist. Dass in einem solchen Fall dem Beamten möglicherweise weitere Beförderungsämter offenstehen, ist entgegen der Annahme des Antragsgegners keine Besonderheit, die eine andere Betrachtung rechtfertigen würde; denn auch bei Beförderungen ohne einen solchen Laufbahnwechsel ist die Möglichkeit weiterer Beförderungen nicht ausgeschlossen, sondern in vielen Fällen die Regel.

Voraussetzung für eine fiktive Laufbahnnachzeichnung ist freilich, dass nach den Gesamtumständen, die alle verfügbaren Erkenntnisse einschließen muss, die Feststellung getroffen werden kann, ob der Beamte den Anforderungen der Erprobung aller Voraussicht nach gerecht werden würde. Anhaltspunkte dafür, dass dies im Streitfall nicht möglich und aus diesem Grund die weitere Erprobung vor einer Beförderung des Antragstellers unerlässlich sein könnte, liegen nicht vor.

Der Antragsteller hätte es mithin in der Hand, sich um sein weiteres berufliches Fortkommen auf dieser Basis zu bemühen. Die Mitgliedschaft in der Personalvertretung bliebe ihm unter dieser Voraussetzung erhalten. Stattdessen hat er den Weg des Aufstiegsverfahrens und die damit verbundene Erprobung gewählt. Sein diesbezügliches Einverständnis war zugleich die notwendige Grundlage für die angegriffene Abordnung, nachdem der Personalrat seine Zustimmung dazu verweigert hatte (§ 43 Abs. 1 LPVG NRW) und eine Entscheidung der Einigungsstelle herbeigeführt werden musste. Ein Anlass für den Antragsgegner, die Erprobung abweichend vom Normalfall zu gestalten, um trotz der von dem Antragsteller getroffenen Wahl diesem sein Personalratsmandat zu erhalten, war demzufolge nicht gegeben.

III. Die Anschlussbeschwerde muss erfolglos bleiben. Wird unterstellt, dass der damit weiterverfolgte erstinstanzliche Antrag zu 2. zulässig ist, kann ihm jedenfalls in der Sache nicht entsprochen werden. Eine Regelung seiner Abordnung in der von ihm gewünschten Weise kann der Antragsteller aus den oben dargelegten Gründen nicht verlangen. Sie verstieße wegen der damit verbundenen Änderung der äußeren Rahmenbedingungen, die abweichend von der sonstigen Verwaltungspraxis nur für ihn geltend würde, gegen den Gleichheitssatz und in der Folge gegen das personalvertretungsrechtliche Begünstigungsverbot.

Ende der Entscheidung

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