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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 12.12.2005
Aktenzeichen: 6 B 1845/05
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 33 Abs. 2
Bei der Besetzung eines Beförderungsdienstpostens können bei einem Qualifikationsgleichstand mehrerer Bewerber, der sich aus deren dienstlichen Beurteilung ergibt, die Ergebnisse von Auswahlgesprächen als weiteres Kriterium für die Begründung der Auswahlentscheidung herangezogen werden.

Dem Dienstherrn steht hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung von Auswahlgesprächen und in Bezug auf die Frage, nach welchen Kriterien die Ergebnisse derartiger Gespräche zu bewerten sind, ein weites Ermessen zu.

Soweit die für die Bewertung von Auswahlgesprächen in Ansatz gebrachten Kriterien einen sachlichen Bezug zu der Entscheidung über die Dienstpostenbesetzung aufweisen, begegnet es keinen Bedenken, wenn einige dieser Bewertungskriterien den Leistungs- und Befähigungsmerkmalen in den dienstlichen Beurteilungen entsprechen oder in diesen Merkmalen enthalten sind.


Tatbestand:

Der Antragsteller konkurrierte mit mehreren Mitbewerbern um einen Beförderungsdienstposten bei dem Versorgungsamt K. Der Antragsgegner nahm zwischen den Bewerbern zunächst einen Qualifikationsvergleich anhand der ihnen erteilten dienstlichen Beurteilungen vor. Unter denjenigen Bewerbern, bei denen er danach von einem Qualifikationsgleichstand ausging, traf er seine Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen anhand von Auswahlgesprächen. Dem auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Besetzung des streitgegenständlichen Beförderungsdienstpostens mit dem Beigeladenen gerichteten Antrag des Antragstellers gab das VG statt. Die hiergegen von dem Antragsgegner erhobene Beschwerde hatte Erfolg.

Gründe:

Bei der Gestaltung des Auswahlverfahrens hat der Antragsgegner für seine Entscheidung, mit welchem Bewerber der hier streitgegenständliche Beförderungsdienstposten zu besetzen ist, zuerst einen Qualifikationsvergleich zwischen den Bewerbern anhand ihrer dienstlichen Beurteilungen vorgenommen. Unter denjenigen Bewerbern, bei denen er danach von einem Qualifikationsgleichstand ausgegangen ist, hat er in einem zweiten Schritt eine Auswahl anhand eines Auswahlgesprächs getroffen. Diese Vorgehensweise begegnet keinen Bedenken. Der Grundsatz der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG) erfordert es, zur Ermittlung des Leistungsstandes in erster Linie auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen. Dies sind grundsätzlich dienstliche Beurteilungen, denen im Regelfall eine besondere Bedeutung zukommt; denn vor allem sie geben Auskunft darüber, ob der jeweilige Bewerber nach Eignung, Befähigung und Leistung für die zu besetzende Stelle in Betracht kommt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 27.2.2003 - 2 C 16.02 -, ZBR 2003, 420; OVG NRW, Beschluss vom 10.11.2005 - 6 B 1710/05 -.

Daneben kann auch dem durch ein Auswahlgespräch vermittelten Eindruck eine beschränkte Aussagekraft beigemessen werden, wobei derartige Gespräche grundsätzlich nur der Abrundung des sich aus dienstlichen Beurteilungen oder vergleichbaren Leistungsnachweisen ergebenden Bildes dienen können.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10.11.2005 - 6 B 1710/05 -, m.w.N.

Hieraus folgt gleichzeitig, dass der Dienstherr bei einem sich aus den dienstlichen Beurteilungen ergebenden Qualifikationsgleichstand mehrerer Bewerber im Rahmen des ihm zustehenden weiten Ermessens das Ergebnis derartiger Gespräche als weiteres Kriterium für die Begründung einer Auswahlentscheidung heranziehen kann.

Vgl. auch Sächs. OVG, Beschluss vom 3.9.2004 - 3 BS 167/04 -, DRiZ 2005, 149.

Auch sonst ist nicht feststellbar, dass der Antragsgegner das Auswahlverfahren fehlerhaft durchgeführt hat.

Dies gilt zunächst im Hinblick auf den auf der Grundlage ihrer dienstlichen Beurteilungen erfolgten Qualifikationsvergleich zwischen dem Antragsteller und dem Beigeladenen. Insoweit begegnet es keinen Bedenken, dass der Antragsgegner von einem Qualifikationsgleichstand beider Bewerber ausgegangen ist. (wird ausgeführt)

Die von dem Antragsgegner für seine Auswahlentscheidung - wie bereits ausgeführt zulässigerweise - herangezogenen Auswahlgespräche lassen ebenfalls keine Fehler erkennen. Entschließt sich der Dienstherr zu derartigen Gesprächen, muss sichergestellt sein, dass jeder der Teilnehmer die gleiche Chance hat, seine für die Entscheidung maßgeblichen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Hierzu wird in der Rechtsprechung gefordert, dass jeweils die gleichen oder jedenfalls vergleichbare Fragen und/oder Themen zur Diskussion gestellt werden. Außerdem sei erforderlich, dass den Bewerbern ein gleicher und ausreichend großer Zeitraum eingeräumt wird, in dem sie ihre Vorstellungen darlegen können.

Vgl. OVG Schl.-H., Beschluss vom 28.10.1996 - 3 M 89/96 -, IÖD 1997, 138.

Ob dem ohne Einschränkung zu folgen ist, kann auf sich beruhen. Jedenfalls muss hinsichtlich der weiteren inhaltlichen Ausgestaltung derartiger Gespräche und der Frage, anhand welcher Kriterien deren Ergebnisse zu bewerten sind, dem Dienstherrn ein weites Ermessen zugebilligt werden. Ferner muss er - nach sachgerechten Gesichtspunkten und in den Grenzen des Willkürverbots - grundsätzlich frei darüber befinden können, welche Fragen bzw. Themenkomplexe er zur Diskussion stellt und wie Leistung und Verhalten der Bewerber zu beurteilen sind.

Es ist nicht erkennbar, dass der Antragsgegner mit den hier in Rede stehenden Auswahlgesprächen die aufgezeigten Grundsätze missachtet bzw. den ihm zukommenden Ermessensspielraum überschritten hat. Diesen Gesprächen lag ein einheitlicher Fragenkatalog u.a. mit zwei fachlich zu beurteilenden Fallgestaltungen zugrunde. Die Bewertung, die sich an festgesetzten Kriterien orientierte, erfolgte anhand einer Punkteskala von 1 bis 5 Punkten. Für jedes Gespräch war ein zeitlicher Rahmen von 50 Minuten vorgesehen.

Der Fragenkatalog ist nicht zu beanstanden. Die Fragen 2, 3, 4 und 5 standen in unmittelbarem Bezug zu den nach dem Anforderungsprofil erforderlichen Fähigkeiten für den hier in Rede stehenden Beförderungsdienstposten. Die übrigen Fragen betrafen fachliche Fragestellungen im Zusammenhang mit zwei vorgegebenen Sachverhalten aus dem Schwerbehindertenrecht, allgemeine beamtenrechtliche (Frage 6) und allgemeinpolitische, mit einer etwaigen Reform der Versorgungsverwaltung zusammenhängende Themenbereiche (Frage 7) sowie den eigenen beruflichen Werdegang der Bewerber und ihre Vorstellungen bezüglich des hier in Rede stehenden Dienstpostens. Auch diesen Fragen kann ein hinreichender sachlicher Zusammenhang zu der Dienstpostenbesetzung nicht abgesprochen werden.

Die von dem Antragsgegner herangezogenen Bewertungskriterien sowie die - für jedes Kriterium gesondert erfolgte - Bewertung anhand der genannten Punkteskala begegnen ebenfalls keinen Bedenken. Auch die Bewertungskriterien - hierbei handelt es sich um Präsentation, fachliche Kompetenz, Problembewusstsein/analytisches Denken, Organisationsfähigkeit, Urteilsfähigkeit, Entscheidungsfähigkeit, Überzeugungsfähigkeit, Konfliktfähigkeit, soziale Kompetenz und Kommunikationsfähigkeit - weisen einen sachlichen Bezug zu der Entscheidung über die Dienstpostenbesetzung auf. Unschädlich ist insoweit, dass einige der genannten Kriterien den Leistungs- und Befähigungsmerkmalen in den dienstlichen Beurteilungen entsprechen oder in diesen Merkmalen enthalten sind. Deren Bewertung anhand der Ergebnisse der Auswahlgespräche stellt namentlich keine, die dienstliche Beurteilung entwertende oder gar ersetzende "Überbeurteilung" dar. Einer derartigen Annahme steht schon entgegen, dass die Auswahlgespräche nur mit denjenigen Bewerbern geführt worden sind, die nach ihren dienstlichen Beurteilungen einen Qualifikationsgleichstand aufweisen, eben diese Beurteilungen als vorrangige Entscheidungsgrundlage also voraussetzten. In dieser Situation konnte den Auswahlgesprächen nur der Zweck zukommen, das sich anhand der Beurteilungen ergebende Bild im Hinblick auf das insoweit maßgebliche Anforderungsprofil zu ergänzen bzw. abzurunden, um eine differenzierte Auswahlentscheidung zu ermöglichen. Dass dabei den Auswahlgesprächen wegen der im Wesentlichen gleichen Beurteilungen letztlich ausschlaggebendes Gewicht zukam, ist rechtlich nicht zu beanstanden, auch wenn nicht übersehen wird, dass es sich hierbei um eine Momentaufnahme handelte, die den Bewerber bevorzugte, der sich in seinem Auswahlgespräch am besten darstellte.

Weiterhin ist auch die anhand einer Skala von 1 bis 5 Punkten erfolgte Bewertung nicht zu beanstanden. Durch die in Bezug auf jedes Bewertungskriterium gesonderte Festlegung der für die Vergabe der Punktwerte für maßgeblich erachteten Fähigkeiten bzw. Defizite ist der für die Bewertung vorgegebene Rahmen hinreichend differenziert, um ein nachvollziehbares Bewertungsergebnis sicherzustellen.

Soweit der Antragsteller geltend gemacht hat, das mit ihm geführte Auswahlgespräch habe höchstens 30 bis 40 Minuten gedauert und damit den vom Antragsgegner angesetzten zeitlichen Rahmen von 50 Minuten nicht ausgeschöpft, lässt sich hieraus keine Benachteiligung in zeitlicher Hinsicht entnehmen. Aus diesem Vorbringen allein ergibt sich nämlich nicht, dass dem Antragsteller - was insoweit allein maßgeblich ist - der vorgesehene Zeitrahmen von 50 Minuten bei Bedarf nicht zur Verfügung gestanden hätte.

Eine Fehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass die Auswahlgespräche nur unzureichend dokumentiert worden wären. Der Antragsgegner hat mit dem Fragenkatalog die Gesprächsgegenstände, sowie die Bewertung der Bewerber sowohl im Einzelnen als auch in ihrer Gesamtleistung schriftlich festgehalten. Die sich daraus ergebenden Informationen reichen aus, um die streitgegenständliche Auswahlentscheidung hinlänglich zu verdeutlichen. Hieraus lässt sich nämlich entnehmen, dass die Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen ausgefallen ist, weil er in den Auswahlgesprächen für den hier in Rede stehenden Dienstposten die beste (Gesamt-)Bewertung erzielt hat. Diese Bewertung ist wiederum anhand der Angaben zu den von den Bewerbern im Einzelnen erzielten Punktwerten ohne weiteres nachvollziehbar. Einer weiteren - etwa schriftlichen - Begründung der den Bewerbern im Einzelnen zuerkannten Punkte bedarf es hingegen nicht.

Ende der Entscheidung

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