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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 07.08.2008
Aktenzeichen: 6 B 942/08
Rechtsgebiete: SchulG NRW, GG, Verf NRW, LBG NRW


Vorschriften:

SchulG NRW § 61 Abs. 4
GG Art. 33 Abs. 2
Verf NRW Art. 58
LBG NRW § 7 Abs. 1
Der auf der Verweigerung der Zustimmung des Schulträgers beruhende Ausschluss eines Bewerbers um eine Schulleiterstelle vom Auswahlverfahren verletzt dessen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung, wenn das Votum des Schulträgers gegen das Prinzip der Bestenauslese verstößt.
Tatbestand:

Der Antragsteller, ein stellvertretender Schulleiter, bewarb sich um die Stelle des Schulleiters an einem Gymnasium. Da er im Vergleich zu seinen Mitbewerbern über die beste dienstliche Beurteilung verfügte, schlug die Schulaufsichtsbehörde dem Schulträger die Stellenbesetzung mit dem Antragsteller vor. Der Schulträger verweigerte jedoch seine Zustimmung. Aufgrund dieses Votums sah die Schulaufsichtsbehörde den Antragsteller als vom Auswahlverfahren ausgeschlossen an. Sein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Inhalt, die Besetzung der Stelle mit einem Mitbewerber vorläufig zu untersagen, hatte in erster und zweiter Instanz Erfolg.

Gründe:

Die vom Antragsgegner getroffene Auswahlentscheidung zu Lasten des Antragstellers ist rechtswidrig. Der Antragsteller durfte nicht auf der Grundlage von § 61 Abs. 4 Satz 4 SchulG vom Auswahlverfahren zur Besetzung der Stelle des Schulleiters ausgeschlossen werden. Diese Verfahrensweise verstößt gegen den durch Art. 33 Abs. 2 GG, § 7 Abs. 1 LBG verbürgten Grundsatz der Bestenauslese.

Nach Art. 58 Verf NRW hat die Landesregierung für die Beamten des Landes das Ernennungsrecht, das nicht nur formellen, sondern auch materiellen Gehalt hat. Dieser materielle Gehalt schließt ein, dass die Regierung entscheidenden Einfluss haben muss bei der Auslese der Beamten. Der Dienstherr kann sich hiernach seiner Verantwortung für die Bestellung und Auswahl der Schulleiter nicht entziehen. Er muss vielmehr gewährleisten, dass die Stellenbesetzung dem Prinzip der Bestenauslese entspricht (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 23.2.1963 - VGH 6/62 -, OVGE 18,316; VG Arnsberg, Beschluss vom 12.2.2008 - 2 L 776/07 -; Budach, in: Gesamtkommentar zum Schulgesetz NRW, Stand: März 2008, § 61 Rz. 5.1.).

Mit diesen Vorgaben ist es nicht vereinbar, dass der vom Dienstherrn nach dem Prinzip der Bestenauslese ausgewählte Bewerber aufgrund der Verweigerung der Zustimmung durch den Schulträger nach § 61 Abs. 4 Satz 4 SchulG vom Verfahren über die Stellenbesetzung ausgeschlossen wird. Dieses Ergebnis lässt sich auch nicht mit dem Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden rechtfertigen, das ebenfalls Verfassungsrang hat. Zwar haben die Gemeinden in ihrer Eigenschaft als Schulträger die sich hieraus ergebenden Aufgaben in Selbstverwaltung zu erfüllen. Die Personalhoheit über die Beamten ist von diesem Aufgabenkreis jedoch nicht umfasst; sie kommt vielmehr dem Land zu (vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 23. 2.1963, a.a.O.).

Vor diesem Hintergrund ist es ohne Belang, dass der Rat des Schulträgers ein demokratisch legitimiertes Gremium ist, denn die demokratische Legitimation reicht nur so weit wie der Bereich der gemeindlichen Selbstverwaltung.

Aus den vorstehenden Erwägungen folgt allerdings nicht zwingend die Unvereinbarkeit des § 61 Abs. 4 Satz 4 SchulG mit höherrangigem Recht. Die Vorschrift ist möglicherweise verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass der Dienstherr nur dann an die Zustimmungsverweigerung des Schulträgers gebunden ist, wenn das Prinzip der Bestenauslese gewahrt bleibt. Für ein solches Verständnis spricht § 61 Abs. 3 Satz 10 SchulG, wonach die dienstrechtlichen Vorschriften unberührt bleiben. Damit sollte nach der Begründung des Regierungsentwurfs für das Zweite Schulrechtsänderungsgesetz (LT-Drucks. 14/1572) sichergestellt werden, dass die Verantwortung für die Auswahlentscheidung und die Wahrung des dabei zu beachtenden Grundsatzes der Bestenauslese bei der Schulaufsichtsbehörde verbleibt.

Weiterer Vertiefung bedarf dies im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens nicht. Der auf dem Votum des Schulträgers beruhende Ausschluss eines Bewerbers vom Stellenbesetzungsverfahren verletzt dessen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung, wenn dieses Votum gegen das Prinzip der Bestenauslese verstößt. Dies ist hier der Fall.

Der Antragsteller ist nach Gesichtspunkten der Bestenauslese von der Schulaufsichtsbehörde ausgewählt worden. Aus den aktuellen dienstlichen Beurteilungen ergibt sich ein Qualifikationsvorsprung des Antragstellers gegenüber dem Beigeladenen. Für Qualifikationsvergleiche im Rahmen von Beförderungsentscheidungen sind dienstliche Beurteilungen von vorrangiger Bedeutung. Im Einzelfall ist ein Ausgleich durch einen besonderen Eignungsvorsprung des Mitbewerbers für die konkret zu besetzende Stelle möglich (vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 21.12.2004 - 6 B 2587/04 -, und vom 29. 7.2004 - 6 B 1212/04 -).

Hier ist für eine derartige Ausnahme nichts ersichtlich. Ein besonderer Eignungsvorsprung des Beigeladenen gegenüber dem Antragsteller ergibt sich insbesondere weder aus den einstimmigen Wahlentscheidungen der Schulkonferenz noch aus dem einstimmigen Votum des Schulträgers. Diese Entscheidungen müssen nicht am Prinzip der Bestenauslese ausgerichtet, sondern können durch hiervon unabhängige Erwägungen ausschlaggebend beinflusst sein. Da sie als Wahl- bzw. Abstimmungsergebnisse zudem ohne Angabe von Gründen ergehen, kann ihnen in Bezug auf die Eignung von Bewerbern um eine Schulleiterstelle keine Aussage entnommen werden (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23.4.2008 - 6 B 370/08 -).

Abgesehen davon ist die Bewertung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung eines Beamten allein Aufgabe des Dienstherrn. Weder die Schulkonferenz noch der Rat des Schulträgers sind legitimiert, eine besondere Eignung eines Bewerbers für das fragliche Leitungsamt festzustellen (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23.4. 2008, a.a.O.).

Zwar ist der Dienstherr grundsätzlich nicht daran gehindert, sich Bewertungen anderer Personen zu eigen zu machen. Das ist hier aber nicht geschehen, denn die Schulaufsichtsbehörde hat ihre Einschätzung, der Antragsteller sei der beste Bewerber, nicht revidiert.

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