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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 21.11.2007
Aktenzeichen: 6s E 983/06.S
Rechtsgebiete: BauKaG NRW


Vorschriften:

BauKaG NRW § 22 Abs. 1
BauKaG NRW § 22 Abs. 2 Nr. 8
1. Ein Architekt, der im Rahmen seiner ehrenamtlichen Tätigkeit für eine Kirchengemeinde unentgeltlich Architektenleistungen erbringt, verstößt regelmäßig nicht gegen § 22 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 8 BauKaG NRW, wonach die Kammermitglieder verpflichtet sind, die HOAI in der jeweils geltenden Fassung zu beachten. Die Anwendung der HOAI setzt voraus, dass überhaupt ein Honoraranspruch nach Werkvertragsrecht besteht.

2. Ob sich der vollständige Verzicht des Architekten auf ein Honorar im Einzelfall als eine Umgehung der Mindesthonorarsätze der HOAI oder als eine sonstige berufswidrige Handlung zu Zwecken des Wettbewerbs darstellt, ist jeweils anhand der konkreten Umstände zu prüfen.


Tatbestand:

Der Beschuldigte ist freischaffender Architekt. Die Antragstellerin beantragte gegen ihn die Eröffnung des berufsgerichtlichen Verfahrens bei dem Berufsgericht für Architekten, Architektinnen, Stadtplaner und Stadtplanerinnen beim VG Düsseldorf wegen fehlender Haftpflichtversicherung in der Zeit vom 1.1.2003 bis zum 31.12.2004. Zudem bestehe der Verdacht, dass der Beschuldigte Berufspflichten verletzt habe, indem er unter Missachtung des Preisrechts der Verordnung über die Honorare für Leistungen der Architekten und der Ingenieure (HOAI) kostenlose Architektenleistungen erbracht habe. Im Zeitraum vom 1.1.2003 bis zum 31.12.2004 war der Beschuldigte nach unwiderlegten eigenen Angaben ausschließlich ehrenamtlich für die katholische Kirchengemeinde S. in M. und die mit ihr verbundene gemeinnützige Feriendorf W. GmbH tätig gewesen. Für diese Institutionen hatte er lediglich unentgeltliche Kostenschätzungen für die mögliche Sanierung des Kolpingheimes beziehungsweise des Feriendorfes vorgenommen. Das Berufsgericht lehnte die Eröffnung des berufsgerichtlichen Verfahrens ab. Die gegen den ablehnenden Beschluss eingelegte sofortige Beschwerde blieb ohne Erfolg.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde, die sich ausdrücklich nur gegen die Zurückweisung des Eröffnungsantrags bezüglich des Vorwurfs einer Berufspflichtverletzung nach § 22 Abs. 2 Nr. 8 BauKaG NRW richtet, ist nicht begründet.

Bei einer vorläufigen Tatbewertung auf der Grundlage des Akteninhalts ist davon auszugehen, dass der Beschuldigte mit den für die Feriendorf W. GmbH beziehungsweise die katholische Kirchengemeinde S. in M. unentgeltlich vorgenommenen Kostenschätzungen keine Berufspflichten verletzt hat.

Ein Verstoß gegen § 22 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 8 BauKaG NRW, wonach die Kammermitglieder verpflichtet sind, die Verordnung über die Honorare für Leistungen der Architekten und der Ingenieure (HOAI) in der jeweils geltenden Fassung zu beachten, scheidet aus. Zwar ist nach § 4 Abs. 1 HOAI das Honorar für Architektenleistungen, zu denen auch die hier in Rede stehenden Kostenschätzungen gehören, grundsätzlich im Rahmen der durch die HOAI festgesetzten Mindest- und Höchstsätze zu vereinbaren, doch setzt die Anwendung der HOAI voraus, dass überhaupt ein Honoraranspruch nach Werkvertragsrecht besteht.

An einem solchen Honoraranspruch fehlt es hier, denn der Beschuldigte hat sich von vornherein verpflichtet, die Kostenschätzungen unentgeltlich durchzuführen. Die öffentlich-rechtliche Preisvorschrift des § 4 HOAI beschränkt die Privatautonomie der Parteien eines Architektenvertrages nicht in der Weise, dass diese sich nicht auf eine unentgeltliche Leistung des Architekten einigen könnten (vgl. Saarl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 13.3.2002 - 1 U 702/01 -, MDR 2002, 1006).

Allerdings kann sich der vollständige Verzicht des Architekten auf ein Honorar im Einzelfall als eine Umgehung des § 4 Abs. 1 HOAI oder als eine sonstige berufswidrige Handlung zu Zwecken des Wettbewerbs und einen Verstoß gegen § 22 Abs. 2 Nr. 8 beziehungsweise Nr. 6 BauKaG NRW darstellen. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn die Leistung, für die kein Honorar berechnet werden soll, im Zusammenhang mit einer anderen Leistung steht, für die ihrerseits ein Honorar im Rahmen der durch die HOAI festgesetzten Mindest- und Höchstsätze vereinbart ist, oder wenn der Architekt sich durch die Erbringung der unentgeltlichen Leistung einen Vorteil bei der Vergabe anderer Aufträge durch den Leistungsempfänger erhofft. Andererseits sind unbestreitbar Fälle denkbar, in denen - etwa im Verhältnis naher Verwandter - der vollständige Verzicht auf ein Honorar weder nach § 22 Abs. 2 Nr. 8 BauKaG NRW noch nach § 22 Abs. 2 Nr. 6 BauKaG NRW als berufswidrig anzusehen ist, sodass die Frage der Berufswidrigkeit eines solchen Honorarverzichts jeweils anhand der konkreten Umstände geprüft werden muss.

Hier ist die Berufswidrigkeit der ohne Honorar durchgeführten Kostenschätzungen zu verneinen. Der Beschuldigte ist seit vielen Jahren in seiner Kirchengemeinde S. ehrenamtlich tätig und dort vor allem in der Jugendarbeit engagiert, die ihrerseits eine enge Verbindung zu dem Feriendorfprojekt W. und damit auch zu dessen Trägerin, der gemeinnützigen Feriendorf W. GmbH aufweist. Bei einer solchen langjährigen ehrenamtlichen Tätigkeit für eine Institution entwickeln sich regelmäßig Beziehungen persönlicher Art zu den dort verantwortlichen Personen. Es darf als üblich angesehen werden, dass im Rahmen derartiger persönlicher Beziehungen die Bitte geäußert beziehungsweise erfüllt wird, eigene - auch berufliche - Kenntnisse und Fähigkeiten im Interesse der Institution unentgeltlich einzusetzen. Die Unentgeltlichkeit des Einsatzes solcher Kenntnisse und Fähigkeit entspricht dem Charakter des Ehrenamtes und ist jedenfalls dann, wenn die Institution - wie hier - soziale oder karitative Zwecke verfolgt, gesellschaftlich erwünscht. Mit Blick auf den vergleichsweise geringen Umfang der in Rede stehenden Architektenleistungen und die sonstigen konkreten Umstände lässt sich weder eine Umgehung der in der HOAI festgesetzten Mindesthonorarsätze feststellen noch besteht die Gefahr, dass der Anschein einer solchen Umgehung erweckt wird. Der Beschuldigte hat - soweit ersichtlich - als freischaffender Architekt über die Kostenschätzungen hinaus keine Architektenleistungen für die Kirchengemeinde S. oder die Feriendorf W. GmbH erbracht, die den Verdacht nahe legen könnten, es sei ein unterhalb der Mindesthonorarsätze der HOAI liegendes "Gesamthonorar" vereinbart worden. Ebenso wenig liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beschuldigte durch die unentgeltlichen Kostenschätzungen die Entscheidungsträger der Kirchengemeinde S. und der Feriendorf W. GmbH hat für sich einnehmen wollen, um von diesen bei künftigen lukrativen Architektenaufträgen bedacht zu werden.

Ende der Entscheidung

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