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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 29.01.2003
Aktenzeichen: 6t A 4560/00.T
Rechtsgebiete: GG, HeilBerG


Vorschriften:

GG Art. 12 Abs. 1
HeilBerG § 29
Die Führung der von der Deutschen Diabetes-Gesellschaft verliehenen Bezeichnung "Diabetologe DDG" mit dem ergänzenden Hinweis "Schwerpunktpraxis Diabetes" ist berufsrechtlich nicht zu beanstanden.
Tatbestand:

Der beschuldigte Arzt für Allgemeinmedizin (hier: Antragsteller) kündigt sich auf dem Briefkopf der Praxis u.a. mit den Hinweisen "Diabetologe DDG - Schwerpunktpraxis Diabetes" an. Dies führte zu einer förmlichen Rüge durch die zuständige Ärztekammer. Der Antragsteller hatte mit seinen Rechtsmitteln gegen die Rüge in erster und zweiter Instanz Erfolg.

Gründe:

Das Berufsgericht hat durch das angefochtene Urteil zu Recht die Rüge der Antragsgegnerin aufgehoben. Die Freiheit der Berufsausübung aus Art. 12 Abs. 1 GG umfasst das Recht des Antragstellers, in seinem ärztlichen Briefkopf die Angaben "Diabetologe DDG - Schwerpunktpraxis Diabetes" aufzunehmen.

Die höchstrichterliche Rechtsprechung, insbesondere des BVerfG, hat zu einer Klärung der rechtlichen Möglichkeiten im ärztlichen Ankündigungsrecht und der Grenzen der in Berufsordnungen enthaltenen Werbeverbote für Ärzte geführt.

Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 9.3.2000 - 1 BvR 1662/97 -, DVBl. 2000, 976 ("Facharzt für Sportmedizin"), vom 23.7.2001 - 1 BvR 873/00 - NJW 2001, 2788 ("Implantologie"), vom 8.1.2002 - 1 BvR 1147/01 - NJW 2002, 1331 ("Spezialisten"), vom 18.2.2002 - 1 BvR 1644/01 -, MedR 2002, 49 (Zeitungsanzeige eines Tierarztes), vom 29.10.2002 - 1 BvR 525/99 -, Hinweis in DVBl. 2003, A 5 ("Facharzt für Allgemeinmedizin"); BVerwG, Urteil vom 5.4.2001 - 3 C 25.00 -, MedR 2002, 31 ("Akupunktur"); vgl. auch Ratzel/Lippert, Das Werberecht der Ärzte nach den Beschlüssen des 105. Deutschen Ärztetages in Rostock, MedR 2002, 697 ff.

Nach dieser Rechtsprechung fällt in den Bereich der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten berufsbezogenen Tätigkeiten auch die berufliche Außendarstellung des Grundrechtsberechtigten einschließlich der Werbung für die Inanspruchnahme ihrer Dienste. Ebenfalls ist geklärt, welche Gemeinwohlbelange der Werbefreiheit der Ärzte Grenzen setzen. Das BVerfG hat im Einzelnen wie folgt erläutert:

Das Werbeverbot für Ärzte soll dem Schutz der Bevölkerung dienen, es soll das Vertrauen der Patienten darauf erhalten, dass der Arzt nicht aus Gewinnstreben bestimmte Untersuchungen vornimmt, Behandlungen vorsieht oder Medikamente verordnet. Die ärztliche Berufsausübung soll sich nicht an ökonomischen Erfolgskriterien, sondern an medizinischen Notwendigkeiten orientieren. Das Werbeverbot beugt einer gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufs vor. Werberechtliche Vorschriften in ärztlichen Berufsordnungen hat das BVerfG daher mit der Maßgabe als verfassungsgemäß angesehen, dass nicht jede, sondern lediglich die berufswidrige Werbung verboten ist. Als berufswidrig in diesem Sinne gilt unter anderem das Führen von Zusätzen, die im Zusammenhang mit den geregelten Qualifikationsbezeichnungen und Titeln zu Irrtümern und damit zu einer Verunsicherung des Kranken führen können, was das Vertrauen in den Arztberuf untergraben und langfristig negative Rückwirkung auf die medizinische Versorgung der Bevölkerung haben könnte. Für interessengerechte und sachangemessene Informationen, die keinen Irrtum erregen, muss im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr jedoch Raum bleiben.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.7.2001, a.a.O. (mit weiteren Nachweisen).

Die angefochtene Rüge wird diesen Maßstäben nicht gerecht.

Die Antragsgegnerin hält die Bezeichnung "Diabetologe DDG - Schwerpunktpraxis Diabetes" für unstatthaft, weil sie in den Vorschriften der Berufsordnung nicht ausdrücklich zugelassen worden sei. Darauf allein kann die Rüge jedoch nicht gestützt werden.

Das Verbot, im Briefkopf auf ein besonderes Leistungsangebot hinzuweisen, lässt sich nur mit Gefährdungen für die zu schützenden Gemeinwohlbelange rechtfertigen. Insoweit vertritt die Antragsgegnerin die Auffassung, die Patienten würden dem Zusatz "Diabetologe DDG - Schwerpunktpraxis Diabetes" irrtümlich dieselbe Bedeutung zumessen, wie der in der Weiterbildungsordnung zugelassenen Gebietsbezeichnung. Diese Auslegung ist mit der Bedeutung und Tragweite der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) nicht zu vereinbaren. Denn durch die Angabe "Diabetologe DDG - Schwerpunktpraxis Diabetes" wird schon sprachlich ausgedrückt, dass es sich nicht um eine von der Ärztekammer nach der Weiterbildungsordnung verliehene Gebietsbezeichnung, sondern um einen von einer anderen Organisation verantworteten Zusatz verbunden mit dem Hinweis auf einen Tätigkeitsschwerpunkt handelt. Die vom Rechtsverkehr hieraus gezogene Annahme, dass der Antragsteller auf dem Bereich der Behandlung von Diabeteserkrankungen über besondere Erfahrungen verfüge und auf diesem Gebiet nachhaltig tätig sei, ist durchaus im Sinne von Art. 12 Abs. 1 GG zulässig. Eine Irreführung käme nur dann in Betracht, wenn der Antragsteller tatsächlich keine besonderen Kenntnisse der Diabetesbehandlung und keinen Tätigkeitsschwerpunkt auf diesem Gebiet hätte. Davon kann aber nach den vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen über die Voraussetzungen der Erlangung des Qualifikationsmerkmals "Diabetologe DDG" und die Bezeichnung als "Schwerpunktpraxis Diabetes" keine Rede sein. Dergleichen wird auch von der Antragsgegnerin nicht vorgetragen.

Der von der Antragsgegnerin weiter vorgebrachte Einwand, das Qualifikationsmerkmal sei nicht rechtsförmlich in einem öffentlich-rechtlichen Verfahren erworben und deshalb nicht ankündigungsfähig, erweist sich - gerade auch im Hinblick auf die Grundsätze in dem o.a. Beschluss des BVerfG vom 23.7.2001 - nicht als tragfähig. Wie im vorliegenden Fall wurde auch dort der Nachweis besonderer Kenntnisse und Fähigkeiten durch das schriftliche Zertifikat eines privaten Verbandes einschlägig tätiger Spezialisten geführt.

Das Ergebnis des vorliegenden Rechtsstreits erweist sich auch im Lichte der inzwischen eingetretenen Weiterentwicklung des Satzungsrechts der Antragsgegnerin als zutreffend:

Die angefochtene Rüge ist gestützt auf die Berufsordnung vom 14.11.1998, MBl.NRW 1999, 350, die bei wortgetreuer Handhabung keinen Raum für die streitige Bezeichnung lässt. Inzwischen hat die Antragsgegnerin (nach der Änderung vom 18.3.2000) eine weitere Änderung der Berufsordnung am 27.10.2001, MBl.NRW 2002, 308, verabschiedet, deren § 27 neu gefasst worden ist. Hiernach (§ 27 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Kapitel D.I. Nr. 6) gelten für Briefbögen und Rezeptvordrucke nicht mehr die Regeln über Praxisschilder, sondern die - weiterreichenden - Bestimmungen über die Patienteninformation in Praxisräumen (Kapitel D.I. Nr. 5). Danach sind "sachliche Informationen, die im Zusammenhang mit der Erbringung ärztlicher Leistungen stehen, ... zur Unterrichtung der ... Patienten zulässig, wenn eine berufswidrig werbende Herausstellung der ärztlichen Person und Leistung unterbleibt" (Abs. 1). Solche Angaben über "besondere Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen (Tätigkeiten)" dürfen "nicht mit solchen der Weiterbildungsordnung oder solchen Qualifikationen, die von den Ärztekammern verliehen werden, verwechselt werden können"; ihnen muss ein entsprechender "deutlicher Hinweis vorangestellt werden" (Abs. 1 Sätze 1 und 2). Gemessen hieran unterliegt es keinem durchgreifenden Zweifel, dass die vom Antragsteller geführte Bezeichnung jedenfalls jetzt auch den Maßgaben der Berufsordnung gerecht wird; denn daran strikte Beschränkung auf nach der Weiterbildungsordnung erworbene Bezeichnungen besteht nicht mehr.

Ende der Entscheidung

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