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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 18.02.2009
Aktenzeichen: 6t A 898/07.T
Rechtsgebiete: HeilBerG NRW, BO


Vorschriften:

HeilBerG NRW § 29 Abs. 1
BO für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte vom 22.3.2003, MBl. NRW 789 § 11 Abs. 1
BO für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte vom 22.3.2003, MBl. NRW 789 § 11 Abs. 2
BO für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte vom 22.3.2003, MBl. NRW 789 § 7 Abs. 1
BO für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte vom 22.3.2003, MBl. NRW 789 § 7 Abs. 2
1) Zur Weigerung eines Psychotherapeuten, einem Patienten Psychopharmaka zu verabreichen.

2) Zur Pflicht des Arztes, keine Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu wählen, die sich bei gewissenhafter Prüfung als ungeeignet darstellen.

3) Zu dem berufsrechtlichen Verbot, diagnostische oder therapeutische Methoden unter missbräuchlicher Ausnutzung des Vertrauens, der Unwissenheit, der Leichtgläubigkeit oder der Hilflosigkeit von Patienten anzuwenden.

4) Zur Pflicht, den begründeten Wunsch des Patienten, einen weiteren Arzt zuzuziehen oder dorthin überwiesen zu werden, in der Regel nicht abzulehnen.


Tatbestand:

Der Beschuldigte ist Facharzt für Nervenheilkunde. Er hat sich 1982 als Arzt für analytische Psychotherapie selbstständig gemacht und ist seit 1986 als Arzt für Allgemeinmedizin niedergelassen. Auf die Beschwerde der Eltern eines seiner Patienten, der unter Betreuung stand, beantragte die Antragstellerin bei dem Berufsgericht für Heilberufe die Eröffnung eines berufsgerichtlichen Verfahrens gegen den Beschuldigten. Das Berufsgericht eröffnete das berufsgerichtliche Verfahren und erkannte gegen den Beschuldigten wegen Verletzung der Berufspflichten im Zusammenhang mit der Behandlung des besagten Patienten auf einen Verweis und eine Geldbuße in Höhe von 7.500,00 EUR. Die dagegen eingelegte Berufung hatte Erfolg.

Gründe:

1. Soweit dem Beschuldigten zur Last gelegt worden ist, seit Mai 2004 eine medikamentöse Behandlung seines Patienten H. strikt abgelehnt und nicht einmal als Behandlungsmöglichkeit in Erwägung gezogen zu haben, ist ein Verstoß gegen ärztliche Pflichten nicht festzustellen.

Dieser Teil des Anschuldigungssatzes ist in mehrfacher Hinsicht auslegungsbedürftig. Im Anschuldigungssatz muss die Tat, die den Gegenstand des berufsgerichtlichen Verfahrens darstellen soll, nach Zeit und Ort sowie nach den Umständen ihrer Begehung konkretisiert werden (§ 112 Satz 1 HeilBerG NRW in Verbindung mit § 200 StPO). Abgesehen davon, dass es hier schon an der hinreichenden Bestimmung des Zeitraums fehlt, innerhalb dessen die Tat begangen worden sein soll, erschließt sich aus dem Anschuldigungssatz nicht, was mit der "strikten Ablehnung einer medikamentösen Behandlung" gemeint ist. Danach könnte der Tatvorwurf sowohl darin liegen, dass der Beschuldigte selbst eine medikamentöse Behandlung des Herrn H. unterlassen habe als auch darin, dass der Beschuldigte seine Ablehnung gegenüber einer medikamentösen Behandlung des Herrn H. durch andere Ärzte geäußert habe. Ebenso wenig ist klar, ob dem Tatvorwurf, "eine medikamentöse Behandlung des Herrn H. nicht einmal als Behandlungsmöglichkeit in Erwägung gezogen zu haben", eine eigenständige Bedeutung zukommen und in welchem Verhältnis er zu dem Tatvorwurf der "strikten Ablehnung einer medikamentösen Behandlung" stehen soll. Legt man den besagten Tatvorwurf auf der Grundlage der Ausführungen der Antragstellerin im Eröffnungsantrag so aus, dass er den an den Anschuldigungssatz zu stellenden Anforderungen genügt, wird dem Beschuldigten vorgeworfen, es unterlassen zu haben, den Patienten H. in der Zeit von Mai 2004 bis zum Ende des Behandlungsverhältnisses im November 2006 mit geeigneten Psychopharmaka zu behandeln, obwohl er wusste oder hätte wissen müssen, dass eine solche Behandlung medizinisch notwendig gewesen wäre.

Mit dem Verzicht auf Psychopharmaka bei der Behandlung des Herrn H. im fraglichen Zeitraum hat der Beschuldigten nicht gegen § 11 Abs. 1 der Berufsordnung für die Nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte vom 22.3.2003 (Berufsordnung) verstoßen. Nach dieser Vorschrift verpflichtet sich der Arzt mit der Übernahme der Behandlung gegenüber seinem Patienten zur gewissenhaften Versorgung mit geeigneten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Das bedeutet mit Blick auf die grundsätzliche Therapiefreiheit des Arztes, dass er keine Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden wählen darf, die sich bei gewissenhafter Prüfung als ungeeignet darstellen. Die Verpflichtung, von mehreren geeigneten Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden eine bestimmte anzuwenden, ergibt sich aus der Vorschrift nicht. Dass hier die Verabreichung von Psychopharmaka die allein geeignete Behandlungsmethode gewesen wäre und die vom Beschuldigten gewählte psychotherapeutische Behandlung ohne die gleichzeitige Gabe solcher Medikamente deshalb ungeeignet war, lässt sich nicht feststellen. Nach dem Gutachten des Prof. Dr. med. P. vom 17.8.2008 war die Entscheidung des Beschuldigten, bei der psychotherapeutischen Behandlung des Herrn H. wegen dessen polyvalenten Suchtverhaltens auf eine Medikation mit Psychopharmaka zu verzichten, um die Flucht in eine Ersatzbefriedigung zu verhindern, jedenfalls vertretbar. Die Richtigkeit dieser Einschätzung wird durch die Krankheitsgeschichte des Herrn H. nicht widerlegt. Bis zur erneuten Aufnahme der psychotherapeutischen Behandlung bei dem Beschuldigten im April 2004 war Herr H. verschiedentlich mit Psychopharmaka behandelt worden, ohne dass sich sein Gesundheitszustand gebessert hätte. Danach hatte er bis zur Aufhebung der Betreuung im August 2008 jegliche Medikation verweigert. Gleichwohl hat er in der psychotherapeutischen Behandlung - zunächst des Beschuldigten und später der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie E. - die Fähigkeit zur selbstständigen Gestaltung seines Lebens zurückgewonnen. Diese Verbesserungen hatte der Beschuldigte bereits in seiner Stellungnahme zu der Beschwerde des Betreuers G. vom 4.5.2005 gegenüber der Antragstellerin beschrieben. Dagegen haben sich die apodiktischen Einschätzungen des Dr. St. im Gutachten vom 11.1.2005, mit einer wesentlichen Besserung sei im Hinblick auf die Verweigerung jeglicher Medikation nicht zu rechnen und eine psychotherapeutische Intervention allein sei nicht ausreichend, nicht bewahrheitet.

Auch in subjektiver Hinsicht ist ein Fehlverhalten des Beschuldigten nicht zu belegen. Von einer gewissenhaften Berufsausübung wird man im vorliegenden Zusammenhang ausgehen können, wenn der Arzt das Für und Wider einer zusätzlichen Verabreichung von Psychopharmaka sorgfältig abwägt und letztlich eine vertretbare Therapieentscheidung trifft. Dass der - wie oben ausgeführt - vertretbaren Entscheidung des Beschuldigten, auf eine Behandlung mit Psychopharmaka zu verzichten, auch eine sorgfältige Abwägung der für und gegen eine solche Medikation sprechenden Gründe vorausgegangen ist, kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden. Im Gegenteil spricht alles dafür, dass der Verzicht auf die Behandlung mit Psychopharmaka das Ergebnis einer gewissenhaften Abwägung war. Der Beschuldigte ist ein erfahrener Facharzt auf dem Gebiet psychischer Erkrankungen. Es ist davon auszugehen, dass er die Vorzüge und Nachteile einer Medikation mit Psychopharmaka sowie deren Wirkungsweise allgemein kennt und auch bezogen auf den Einzelfall einzuschätzen weiß. Er wusste auch um die Auffassung anderer Fachärzte, die die Verabreichung von Psychopharmaka für unverzichtbar hielten. Im Mai 2004 kannte er Herrn H. und seine Lebensumstände bereits aus einer Vielzahl von Therapiestunden. Sein engagiertes Bemühen um den Patienten trotz zahlreicher Anfeindungen zeigt, dass er stets dessen Wohl im Auge hatte. Schließlich konnte er die aus seiner Sicht ausschlaggebenden Gründe für den Verzicht auf Psychopharmaka benennen, deren Gewicht durch die erstatteten psychiatrischen Gutachten nicht nachvollziehbar in Frage gestellt worden ist.

§ 2 Abs. 2 Berufsordnung, wonach der Arzt seinen Beruf gewissenhaft auszuüben und dem ihm bei seiner Berufsausübung entgegengebrachten Vertrauen zu entsprechen hat, hat hinsichtlich des angeschuldigten Verzichts auf eine Behandlung des Herrn H. mit Psychopharmaka keine selbstständige Bedeutung, da insoweit § 11 Abs. 1 Berufsordnung die speziellere Vorschrift darstellt.

2. Ein Verstoß gegen ärztliche Pflichten ist auch insoweit nicht festzustellen, als dem Beschuldigten zur Last gelegt wird, im Rahmen seiner Behandlungsmethode dem Patienten H. im Oktober 2004 angeboten zu haben, in seinem Haus eine Wohnung zu beziehen, obgleich die Wohnung nicht mit den finanziellen Möglichkeiten des Patienten zu vereinbaren gewesen sei. Eine Verletzung der Berufspflicht aus § 11 Abs. 2 Satz 1 Berufsordnung, wonach es der ärztliche Berufsauftrag verbietet, diagnostische oder therapeutische Methoden unter missbräuchlicher Ausnutzung des Vertrauens, der Unwissenheit, der Leichtgläubigkeit oder der Hilflosigkeit von Patienten anzuwenden, ergibt sich aus dem Tatvorwurf nicht.

Dies ist schon deshalb nicht der Fall, weil es zur Vermietung der Wohnung an Herrn H. gar nicht gekommen ist. Von einer wie auch immer gearteten "Ausnutzung" kann daher keine Rede sein. Eine solche bereits in dem Wohnungsangebot sehen zu wollen, ist fernliegend, denn "Ausnutzung" im hier gemeinten Sinn bedeutet unter anderem die Erlangung eines Vorteils für denjenigen, der ausnutzt. Durch das bloße Vermietungsangebot erlangt der Anbietende jedoch keinen Vorteil. Nichts anderes gilt, wenn der angestrebte Vorteil hier in der Durchsetzung des eigenen therapeutischen Ansatzes gegen alle abweichenden Meinungen gesehen werden sollte, denn als Teil der von dem Beschuldigten befürworteten Milieutherapie wird man erst die tatsächliche Schaffung einer auch räumlichen Nähe zwischen Therapeut und Patient verstehen können, nicht aber bereits das diese Nähe bezweckende Wohnungsangebot als solches.

Selbst wenn man mit dem Wohnungsangebot das objektive Tatbestandsmerkmal der "Anwendung diagnostischer oder therapeutischer Methoden" als erfüllt ansehen wollte, fehlte es jedenfalls an dem subjektiven Erfordernis des "Missbrauchs". Auch unter Berücksichtigung der damals möglicherweise beschränkten Urteilsfähigkeit des Herrn H. gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschuldigte auf einen ungerechtfertigten Vorteil aus war. Er hielt, was aus seinen Schreiben vom 8.11.2004 an den Betreuer G. und vom 12.2.2005 an das Vormundschaftsgericht K. hervorgeht, im Falle des Herrn H. eigentlich eine Milieutherapie bei der "Freien Gemeinnützigen Beratungsstelle für Psychotherapie" in D. für das Beste, da zum Konzept dieser Einrichtung, die für die jahrelange erfolgreiche Behandlung und Rehabilitation massiv depressiver Entwicklungsstörungen bekannt sei, auch das betreute Wohnen gehöre. Da Herr H. jedoch nicht bereit war, sich in die Behandlung der Einrichtung zu begeben, wollte der Beschuldigte ihm eine Quasi-Milieutherapie ermöglichen, indem er ihm anbot, in seine unmittelbare Nähe zu ziehen, um auch außerhalb der Therapiestunden ständig als Ansprechpartner und Bezugsperson für ihn zur Verfügung zu stehen. In der Berufungsverhandlung hat der Beschuldigte ausgeführt, dass zu diesem Zweck jede Wohnung in der Nähe seiner Praxis geeignet gewesen wäre. Es sei ein bloßer Zufall gewesen, dass damals in seinem Hause eine Wohnung zur Vermietung gestanden und diese Wohnung Herrn H. besonders gut gefallen habe. Dass der Beschuldigte mit dem Vermietungsangebot etwas anderes im Sinn hatte, als Herrn H. zu helfen, ist nicht erkennbar, zumal dieser nach der Einschätzung des Beschuldigten bei seinem damaligen Status kaum eine Chance hatte, eine Wohnung zu finden. Es ist ebenso wenig ersichtlich, dass das Vermietungsangebot im Hinblick auf den verlangten Mietzins nicht dem Mietwert der Wohnung entsprach oder der Beschuldigte Herrn H. über Umstände getäuscht hat, die für die Annahme des Wohnungsangebotes von Bedeutung hätten sein können. Weiter spricht nichts dafür, dass der Beschuldigte die Wohnung nicht für denselben Mietzins ebenso gut anderweitig hätte vermieten können. Schließlich hat der Beschuldigte nicht versucht, Herrn H. zur Anmietung der Wohnung zu veranlassen, ohne dessen Eltern und seinen Betreuer einzubeziehen. Das Gegenteil ist der Fall. Der Beschuldigte und Herr H. haben die Wohnungsangelegenheit in Anwesenheit des Betreuers G. besprochen. Nachdem die Eltern des Herrn H. ihre Unterstützung versagt hatten, hat der Beschuldigte das Wohnungsangebot zurückgezogen. Es mag zwar sein, dass die angebotene Wohnung nicht den finanziellen Möglichkeiten des Herrn H. entsprach, doch ist nicht erwiesen, dass der Beschuldigte in genauer Kenntnis und ungeachtet der beschränkten Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Herrn H. diesem das Wohnungsangebot unterbreitet hat, um ihn zu übervorteilen. Herr H. hatte dem Beschuldigten erzählt, dass er eine größere Erbschaft erwarte, sodass der Beschuldigte im Zeitpunkt des Wohnungsangebotes durchaus davon ausgehen durfte, dass sich Herr H. die Wohnung würde leisten können.

Auch im Hinblick auf die Anschuldigung zu 2. scheidet eine Prüfung des § 2 Abs. 2 Berufsordnung wegen der spezielleren Vorschrift des § 11 Abs. 2 Berufsordnung aus.

3. Dem Beschuldigten wird schließlich zur Last gelegt, ab Februar 2005 den unter Betreuung stehenden Herrn H. mehrmals dahingehend beeinflusst zu haben, sich einer Zusammenarbeit mit weiteren Fachärzten zu verweigern. Dieser Tatvorwurf ist für sich genommen unbestimmt, da er die Tat weder nach Zeit und Ort noch nach den Umständen ihrer Begehung hinreichend konkretisiert. Zieht man zur Auslegung dieses Teils des Anschuldigungssatzes die von der Antragstellerin in dem Eröffnungsantrag niedergelegten Ermittlungsergebnisse heran, lassen sich drei Vorfälle benennen, bei denen eine entsprechende Beeinflussung des Herrn H. durch den Beschuldigten stattgefunden haben soll.

Einer dieser Vorfälle hat sich im August des Jahres 2000 abgespielt. Dieser Zeitraum, in dem Herr H. zudem noch nicht unter Betreuung stand, ist von dem Anschuldigungssatz nicht erfasst.

Ein zweiter Vorfall wird in dem an die Antragstellerin gerichteten Beschwerdeschreiben des Betreuers G. vom 18.2.2005, auf das in dem Eröffnungsantrag verwiesen wird, beschrieben. Ort, Zeit und nähere Umstände des Vorfalls werden nicht genannt. In dem Beschwerdeschreiben heißt es, der Beschuldigte blockiere die Zusammenarbeit mit weiteren Fachärzten. Der Beschuldigte habe ihm - dem Betreuer - im Zusammenhang mit der beabsichtigten Vorstellung des Herrn H. bei einem Facharzt des Fachbereichs Gesundheit der Stadt K. am Telefon wörtlich gesagt: "Ich will nicht, dass Herr H. dahin geht. Das stört mein therapeutisches Arbeitsfeld und wäre kontraproduktiv für den weiteren Verlauf der Therapie." Eine Beeinflussung im Sinne eines Einwirkens auf die Entscheidung des Herrn H., einen bestimmten, von dem Betreuer vereinbarten Termin bei einem Facharzt des Fachbereichs Gesundheit der Stadt K. wahrzunehmen oder nicht wahrzunehmen, vermag der Senat in diesem Vorfall nicht zu erkennen. Davon abgesehen läge darin - aus den zu dem dritten Vorfall nachstehend dargelegten Gründen - jedenfalls kein Verstoß gegen die allenfalls in Betracht zu ziehende Regelung in § 7 Abs. 2 Satz 3 Berufsordnung.

Der dritte Vorfall wird in dem an die Antragstellerin gerichteten Beschwerdeschreiben des Betreuers G. vom 4.5.2005, auf das in dem Eröffnungsantrag ebenfalls verwiesen wird, geschildert. Dort heißt es, im Rahmen einer Zuführung des Herrn H. zu einer ärztlichen Untersuchung durch das Ordnungsamt der Stadt K. habe sich der Beschuldigte gegenüber Herrn H. telefonisch wie folgt geäußert: "Herr H., sie gehen auf keinen Fall mit zur Begutachtung, sondern setzen sich sofort auf ihr Fahrrad und kommen zu mir." Der Vorfall, der sich nach Lage der Akten wohl am 13.4. oder 3.5.2005 in der Wohnung des Herrn H., G.-Straße 207 in K., ereignet hat, wird ebenfalls weder in dem Eröffnungsantrag noch in dem Beschwerdeschreiben des Betreuers örtlich oder zeitlich eingeordnet.

Legt man den Tatvorwurf so aus, dass er den bereits oben dargelegten Anforderungen des § 200 StPO genügt, wird dem Beschuldigten vorgeworfen, am 13.4. oder 3.5.2005 den unter Betreuung stehenden Herrn H., der sich zum Tatzeitpunkt in seiner Wohnung, G.-Straße 207 in K., aufhielt, beeinflusst zu haben, sich einer Zusammenarbeit mit einem weiteren Facharzt zu verweigern, indem er ihn telefonisch aufgefordert habe, auf keinen Fall den in der Wohnung anwesenden Betreuer und die ebenfalls anwesenden Mitarbeiter des Ordnungsamtes zu dem von seinem Betreuer vereinbarten Termin zur fachärztlichen Begutachtung zu begleiten, sondern sich sofort auf sein Fahrrad zu setzen und zu ihm - dem Beschuldigten - zu kommen. Eine Verletzung von Berufspflichten ist darin nicht zu sehen.

Insbesondere liegt kein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Berufsordnung vor, wonach jede medizinische Behandlung unter Wahrung der Menschenwürde und unter Achtung der Persönlichkeit, des Willens und der Rechte, insbesondere des Selbstbestimmungsrechts der Patienten zu erfolgen hat. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die dem Beschuldigten vorgeworfene Aufforderung Teil einer konkreten medizinischen Behandlung war, die an den Vorgaben des § 7 Abs. 1 Berufsordnung zu messen wäre.

Ebenso wenig lässt sich ein Verstoß gegen § 7 Abs. 2 Berufsordnung feststellen. Nach Satz 1 dieser Vorschrift achtet der Arzt das Recht des Patienten, seinen Arzt frei wählen oder wechseln zu können. Nach Satz 3 soll der begründete Wunsch des Patienten, einen weiteren Arzt zuzuziehen oder dorthin überwiesen zu werden, in der Regel nicht abgelehnt werden. Hier kann allenfalls ein Verstoß gegen Satz 3 der Vorschrift in Betracht kommen, denn es ging lediglich um die Einholung einer weiteren ärztlichen Meinung im Sinne einer Begutachtung und eines möglichen Therapievorschlags und nicht um einen Arztwechsel vom Beschuldigten zu einem anderen Arzt zum Zwecke der Behandlung. In der konkreten Situation am 13.4. oder 3.5.2005 hatte Herr H. selbst nicht den Wunsch, sich einer weiteren Begutachtung durch einen Facharzt zu unterziehen. Dass die Aufforderung des Beschuldigten an Herrn H., den vereinbarten Termin nicht wahrzunehmen, dem gegenteiligen Wunsch des Betreuers widersprach, stellte keine Missachtung des von diesem beanspruchten Rechts des Herrn H. auf Zuziehung eines weiteren Arztes dar. In der Situation ging es dem Beschuldigten gerade nicht um die Ablehnung eines Patientenwunsches, einen weiteren Arzt zuzuziehen, sondern um die Auflösung eines Konfliktes im Zusammenhang mit der Zuführung seines Patienten zu einer ärztlichen Untersuchung, deren konkrete Umstände dieser persönlich als sehr belastend und die er selbst unter therapeutischen Gesichtspunkten als für den Patienten schädlich empfand. Dementsprechend war die an Herrn H. gerichtete Aufforderung eher als der Versuch zu begreifen, ihm gegenüber dem für ihn entwürdigenden Procedere, durch Androhung von Gewalt oder gar mit Gewalt zu einer von ihm nicht gewünschten ärztlichen Untersuchung gezwungen zu werden, Unterstützung zu leisten. Diese Motivation entsprach auch dem von dem Beschuldigten gewählten - vertretbaren - Therapieansatz. Jedenfalls wich die beschriebene Konfliktsituation, in der der Beschuldigte seine Aufforderung ausgesprochen hat, von dem in § 7 Abs. 2 Satz 3 Berufsordnung allein angesprochenen Regelfall ab, in dem der Wunsch, einen weiteren Arzt zuzuziehen, nicht abgelehnt werden soll. Dies gilt umso mehr, als es bei der durch den Betreuer initiierten neuerlichen Begutachtung zum wiederholten Male um die Frage der Notwendigkeit einer medikamentösen Therapie ging, zu der es bereits positive Äußerungen anderer Fachärzte gab, Herr H. gleichwohl eine solche Therapie ablehnte und Anhaltspunkte für die Dringlichkeit der anberaumten Begutachtung - zumindest für den Beschuldigten - nicht erkennbar waren.

Aus demselben Grund ist ein Verstoß gegen § 2 Abs. 2 Berufsordnung zu verneinen, dem im Verhältnis zu § 7 Berufsordnung ohnehin keine selbstständige Bedeutung zukommt.

Ende der Entscheidung

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