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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 22.06.2005
Aktenzeichen: 6t A53/03.T
Rechtsgebiete: HeilBerG


Vorschriften:

HeilBerG § 60 Abs. 1 b
1. Zur Frage der Anwendbarkeit des Gedankens der Meistbegünstigung (§ 2 Abs. 3 StGB) auf das Heilberufsrecht (im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 17.3.2004 - 1 D 23.03 -, BVerwGE 120, 218, 225, das eine Übertragbarkeit im Disziplinarrecht annimmt).

2. Einzelfall einer berufswidrigen Werbung (hier: Verwendung irreführender Angaben in Anzeigen und Zeitungsartikeln).


Tatbestand:

Der Beschuldigte war von 1985 bis Ende 2004 als Facharzt für Augenheilkunde in eigener Praxis niedergelassen. Seit Anfang 2005 ist er regelmäßig als Praxisvertreter tätig. Anfang 2001 gab der Beschuldigte zwei Anzeigen in der örtlichen Lokalpresse auf, in denen er unter anderem auf die "Neueröffnung einer chirurgischen augenärztlichen Abteilung" hinwies. Außerdem erschienen in denselben Tageszeitungen zwei Zeitungsartikel über den Beschuldigten. Die zuständige Ärztekammer wertete diese Veröffentlichungen als berufswidrig und beantragte, ein berufsgerichtliches Verfahren gegen den Beschuldigten zu eröffnen. Das Berufsgericht erkannte auf einen Verweis sowie auf eine Geldbuße in Höhe von 1.000, -- Euro.Auf die hiergegen eingelegte Berufung des Beschuldigten änderte das Landesberufsgericht das angefochtene Urteil und erkannte nur auf einen Verweis.

Gründe:

Der Beschuldigte hat durch die Veröffentlichung der beiden Anzeigen sowie durch die Duldung der beiden Zeitungsartikel seine Berufspflichten verletzt, indem er gegen das in der Berufsordnung (BO) geregelte Verbot berufswidriger Werbungverstoßen hat (§ 32 Satz 2 Nr. 9 HeilBerG vom 9.5.2000, GV.NRW. S. 641, zuletzt geändert durch Gesetz vom 1.3.2005, GV.NRW S. 148. Der Senat kann offen lassen, obwegen der Tatzeitpunkte (27.1. und 23.2.2001) von der alten Berufsordnung oder wegen des Rechtsgedankens der Meistbegünstigung (vgl. § 2 Abs. 3 StGB) von der erst im Februar 2004 in Kraft getretenen neuen Berufsordnung auszugehen ist, durch die das Werberecht der Ärzte grundlegend neu gestaltet wurde (hierzu 1.). Denn bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise führt die frühere Berufsordnung aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu einer strengeren Beurteilung; vielmehr verbieten beide Fassungen eine berufswidrige Werbung (2.). Gegen dieses Verbot hat der Beschuldigte durch verschiedene irreführende Angaben in den Anzeigen und Zeitungsartikeln verstoßen (3).

1.Nach § 2 Abs. 3 StGB ist das mildeste Gesetz anzuwenden, wenn das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert wird.

Der Senat hat erwogen, den in dieser Vorschrift angelegten Gedanken der Meistbegünstigung auch im Heilberufsrecht anzuwenden und die angeschuldigten Taten allein an der Berufsordnung der Ärztekammer Westfalen Lippe vom 15.11.2003 (BO n.F.) zu messen.

Nach der neueren disziplinarrechtlichen Rechtsprechung des BVerwG ist eine Regelung nach dem Meistbegünstigungsprinzip zwar nicht verfassungsrechtlich geboten. In Ansehung des Art. 3 Abs. 1 GG bedürfe es aber einer "gewichtigen Veranlassung", wenn auf die Anwendung dieser Regelung verzichtet werden soll. Ohne einen solchen wichtigen Grund käme es nach der Auffassung des BVerwG "einer Vergewaltigung der materiellen Gerechtigkeit nahe, wenn der Richter noch ein Gesetz anwenden müsste, zu dessen Strenge der Gesetzgeber sich im Entscheidungszeitpunkt nicht mehr bekennt."

Vgl. im einzelnen BVerwG, Urteil vom 17.3.2004 - 1 D 23.03 -, BVerwGE 120, 218 (225); Urteil vom 8.9.2004 - 1 D 18.03 -, ZBR 2005, 91 (94); Urteil vom 23.2.2005 - 1 D 13.04 -, Juris.

Diese Rechtsprechung dürfte auf die hier zu beurteilende berufsrechtliche Frage übertragbar sein. Die disziplinarrechtlichen Maßnahmezwecke (Reinigung und Erziehung) sind nämlich weitgehend identisch mit den Zielen, die das (sonstige) Berufsrecht - auch dasjenige der Ärzte - verfolgt. Hinzu tritt, dass die Lockerung der Werbevorschriften durch die Berufsordnung vom 15.11.2003 dem schon seit langem erkannten Bedürfnis Rechnung trug, das Werberecht den verfassungs- und europarechtlichen Maßgaben anzupassen. Hierin liegt eine Parallele zur Neufassung der Regelung in § 14 BDG, die den Anlass für die Entwicklung der vorgenannten Rechtsprechung des BVerwG gesetzt hat. Die Absicht der Ärztekammer Westfalen-Lippe, das ärztliche Werberrecht im vorstehend dargelegten Sinne zu bereinigen, wird insbesondere belegt durch die von der Ärztekammer herausgegebene Broschüre "Arzt - Werbung - Öffentlichkeit 2003", in der nach Darstellung der Rechtsprechung insbesondere des BVerfG die Musterberufsordnung der Bundesärztekammer vom 10.9.2002 i.d.F. vom 12.8.2003 mit zusätzlichen Hinweisen und Erläuterungen wiedergegeben wird. Die neugefassten Bestimmungen in der Berufsordnung 2003 gehen erklärtermaßen auf diese Beschlüsse der Bundesärztekammer zurück- vgl. Flenker, Westfälisches Ärzteblatt 2004, 12 - und stimmen mit der Musterberufsordnung weitgehend überein.

2. Wendet man den Grundsatz der Meistbegünstigung an, so ist das mildeste Gesetz nach dem "Grundsatz der strikten Alternativität" dasjenige, das bei einem Gesamtvergleich im konkreten Einzelfall nach dessen besonderen Umständen die dem Täter günstigste Beurteilung zulässt.

BGH, std. Rspr., vgl. nur Beschluss vom 28.10.1999 - 4 StR 460/99 - NStZ 2000, 136.

Vor diesem Hintergrund kann die aufgeworfene Frage letztlich offen bleiben, denn die frühere -in bezug auf Werbevorschriften restriktivere - Fassung der Berufsordnung hat aus verfassungsrechtlichen Gründen teilweise keinen Bestand. Soweit sie in zulässiger Weise eine berufswidrige, insbesondere anpreisende, irreführende oder vergleichende Werbung verboten hat, ist sie wortgleich mit der Neufassung, so dass im Ergebnis nicht entschieden werden muss, welche der beiden Fassungen zur Anwendung kommt.

Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 BO a.F. waren dem Arzt sachliche Informationen über seine Berufstätigkeit gestattet; berufswidrige Werbung war untersagt (§ 27 Abs. 1 Satz 3 BO). Berufwidrig war nach § 27 Abs. 1 Satz 4 BO a.F. insbesondere eine anpreisende, irreführende oder vergleichende Werbung. Für Praxisschilder, Anzeigen, Verzeichnisse, Patienteninformationen in Praxisräumen und öffentlich abrufbare Arztinformationen in Computerkommunikationsnetzen verwies § 27 Abs. 1 Satz 2 BO a.F. hinsichtlich Form, Inhalt und Umfang auf die Grundsätze des Kapitels D I Nrn. 1-6 der BO a.F. Die hier in Betracht kommende Nr. 3 (Anzeigen) lautete:

"(1)Anzeigen über die Niederlassung oder Zulassung dürfen nur in Zeitungen erfolgen. Sie dürfen außer der Anschrift der Praxis nur die für die Praxisbeschilderung gestatteten Angaben enthalten und nur dreimal in der gleichen Zeitung innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten zur Bekanntgabe der Niederlassung oder der Aufnahme der Vertragsarztpraxis veröffentlicht werden.

(2) Im übrigen sind Anzeigen in den Zeitungen nur bei Praxisaufgabe, Praxisübergabe, längerer Abwesenheit von der Praxis oder Krankheit sowie bei der Verlegung der Praxis und bei der Änderung der Sprechstundenzeit oder der Fernsprechnummer gestaltet. Derartige Anzeigen dürfen aus diesem Anlass höchstens dreimal veröffentlicht werden.

(3) Form und Inhalt dieser Zeitungsanzeigen müssen sich nach den örtlichen Gepflogenheiten richten.

(4) Ärztinnen und Ärzte, welche sich zu einem zugelassenen Praxisverbund (Kapitel D II Nr. 11) zusammengeschlossen haben, dürfen dies als Verbund in Zeitungsanzeigen bis zu dreimal bekanntgeben."

Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG sind Werbeverbote für Ärzte grundsätzlich gerechtfertigt, sie dürfen aber nicht in unverhältnismäßiger Weise in das Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG)eingreifen. Dies ist hier in bezug auf die zuletzt genannte Regelung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 BO a.F. i.V.m. Kapitel D I Nr. 3 BO a.F.) der Fall; die Bestimmung ist unwirksam und kann daher als Grundlage für eine Berufspflichtverletzung des Beschuldigten nicht herangezogen werden. Demgegenüber ist das Verbot berufswidriger Werbung (§ 27 Abs. 1 Satz 3 und 4 BO a.F., wortgleich mit § 27 Abs. 3 Satz 1 und 2 BO n.F.) verfassungsrechtlich unbedenklich.

Das Werbeverbot für Ärzte soll dem Schutz der Bevölkerung dienen. Es soll das Vertrauen der Patienten darauf erhalten, dass der Arzt nicht aus Gewinnstreben bestimmte Untersuchungen vornimmt, Behandlungen vorsieht oder Medikamente verordnet. Die ärztliche Berufsausübung soll sich nicht an ökonomischen Erfolgskriterien, sondern an medizinischen Notwendigkeiten orientieren. Das Werbeverbot beugt einer gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des Arztberufs vor, die einträte, wenn der Arzt Werbemethoden verwendete, wie sie in der gewerblichen Wirtschaft üblich sind.

Dem Arzt ist allerdings nicht jede, sondern lediglich solche Werbung verboten, die keine interessengerechte und sachangemessene Information darstellt. Dem Arzt ist neben der auf seiner Leistung und seinem Ruf beruhenden Werbewirkung eine Reihe von Ankündigungen mit werbendem Charakter unbenommen: Er darf rechtmäßig erworbene Titel führen, seine Tätigkeit z.B. durch ein Praxisschild nach außen kundtun und auch durch Zeitungsanzeigen werben, sofern diese nicht nach Form, Inhalt oder Häufigkeit übertrieben wirken.

BVerfG, st. Rspr., vgl. nur Beschluss vom 18.2.2002 - 1 BvR 1644/01 - Tierarztwerbung -, NJW 2002, 3091; Beschluss vom 26.8.2003 - 1 BvR 1003/02 - Zahnarztwerbung im Internet und in den Gelben Seiten -, NJW 2003, 3470; Beschluss vom 29.4.2004 - 1 BvR 649/04 - Zahnarztwerbung in Tageszeitung -, NJW 2004, 2659; ebenso BGH, Urteil vom 9.10.2003 - I ZR 167/01 - Internetwerbung eines Zahnarztes -, NJW 2004, 440.

In Bezug auf - auch hier in Frage stehende - Veröffentlichungen in der Presse ist die wesentliche Rolle zu beachten, welche die Presse in einer demokratischen Gesellschaft erfüllt; es ist ihre Aufgabe, Informationen und Ideen über alle Fragen öffentlichen Interesses mitzuteilen. Standesregeln zum Werbeverbot dürfen im Übrigen nicht so ausgelegt werden, dass Ärzten die unverhältnismäßige Last einer inhaltlichen Kontrolle von Presseveröffentlichungen auferlegt wird.

EGMR, Urteil vom 17.10.2002 - 37928/97 (Stambuk/Deutschland), NJW 2003, 497 (499).

Vorschriften, die - wie hier Kapitel D I Nr. 3 BO a.F. - die Arztwerbung derart restriktiv einschränken, dass sie nur anlassbezogene Werbung (bei Niederlassung, Praxisaufgabe usw.) erlauben und zudem bestimmte Medien vollkommen ausschließen (z.B. persönliche Schreiben oder den Rundfunk) sind verfassungswidrig. Berufliche Werbung bedarf keiner besonderen Anlässe.

BVerfG, Beschluss vom 18.2.2002, a.a.O., S. 3092 f., zur vergleichbaren Regelung in § 14 BO für Tierärzte in Nordrhein-Westfalen.

Den Fachgerichten obliegt es, die Grenze zwischen erlaubten und verbotenen Handlungsformen - unter Abwägung des Grundrechts auf Berufsausübungsfreiheit mit der Sicherung des Werbeverbots - im Einzelfall zu ziehen.

BVerfG, st. Rspr., vgl. nur Beschluss vom 26.9.2003 - 1 BvR 1608/02 - Werbung für eine zahnärztliche Klinik -, NJW 2003, 3472.

3. In Anwendung dieser Maßgaben hält der Senat die vom BVerfG aufgezeigten Grenzen bei den beiden Anzeigen und den Zeitungsartikeln wegen der Verwendung verschiedener irreführender Angaben für überschritten.

a) Der in den beiden Anzeigen enthaltene Hinweis auf die "Neueröffnung einer chirurgischen augenärztlichen Abteilung" ist insofern irreführend, als der unzutreffende Eindruck erweckt wird, der Beschuldigte biete nunmehr in seinen eigenen Praxisräumen auch chirurgische Leistungen an. Dass diese in Wirklichkeit in den Praxisräumen des Dr. (...), erfolgen, ergibt sich lediglich aus dem Zeitungsartikel vom 24.2.2001; ausdrücklich falsch ist demgegenüber die Darstellung in dem Artikel vom 23.2.2001 ("...eröffnete in seiner Praxis an der ... diese operative Abteilung und stattete sie mit modernsten Geräten aus."). Der Senat sieht allerdings durch die irreführende Ortsangabe allein noch nicht die Grenze zu einem ahndungswürdigen beruflichen Unrechtsverhalten als überschritten an. Hierbei hat er sich auch von der Rechtsprechung des BVerfG leiten lassen, wonach - ebenso wie nach der Konzeption der neuen Berufsordnung - die "Beweislast" für die Annahme einer verbotenen Werbung bei der Ärztekammer liegt. Versteht man mit dem BVerfG das Werbeverbot als Ausnahme von der erlaubten Regel, so bedarf es der Feststellung, dass die durch ein Werbeverbot geschützten Gemeinwohlbelange im Einzelfall tatsächlich gefährdet sind.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom18.2.2002 - 1 BvR 1644/01 -, NJW 2002, 3091, 3092.

Anhaltspunkte dafür, warum ein möglicher Irrtum der Adressaten über den Ort der vom Beschuldigten angebotenen ambulanten Behandlung die Gesundheit der Bevölkerung oder das Vertrauen der Patienten in die Ärzteschaft gefährden könnte, sind jedoch schwerlich erkennbar. Denn aus Patientensicht ist die - inhaltlich zutreffende - Information über eine ambulante Behandlungsmöglichkeit vor Ort von Interesse, nicht aber der genaue Behandlungsort, den er gegebenenfalls erfragen kann und der hier zudem in unmittelbarer Nähe zu der Praxis des Beschuldigten lag.

b) Darüber hinaus bewertet der Senat auch denHinweis auf die Neueröffnung einer "Abteilung", der in den Überschriften beider Anzeigen und beider Zeitungsartikel enthalten ist("chirurgischen augenärztlichen Abteilung", "chirurgischen Abteilung", "augenärztliche Chirurgie-Abteilung") als irreführend, weil dieser aus dem Krankenhausrecht entlehnte Begriff (vgl. nur § 9 Abs. 2 Nr. 6 KHG, § 13 Abs. 2 BPflV oder § 36 Abs. 2 KHG NRW) den unzutreffenden Eindruck erwecken konnte, der Beschuldigte verfüge neuerdings über eine Belegabteilung in einem Krankenhaus. Insoweit kann auch durchaus eine durch den fehlerhaft verwendeten Ausdruck hervorgerufene Gefährdung des Patientenwohls angenommen werden, denn "Abteilung" suggeriert bei dem unbefangenen Leser eine - in Wirklichkeit nicht vorhandene - organisatorische Einbindung in eine Krankenhausstruktur und verspricht damit eine größere Sicherheit als eine ambulante Behandlung in einer Arztpraxis bieten kann.

c) Entgegen der Aufffassung der Antragstellerin erweckt die in beiden Anzeigen mehrfach verwendete Formulierung "chirurgisch" aber auch bei einem medizinischen Laien nicht die Vorstellung, der werbende Arzt sei zugleich Facharzt für Chirurgie. Hiergegen spricht nicht nur der übliche Sprachgebrauch, in dem "chirurgisch" allgemein mit "operativen Eingriffen" gleichgesetzt wird, sondern vor allem der Zusammenhang mit der in beiden Anzeigen hervorgehobenen korrekten Angabe "Augenarzt Dr. med. ... Facharzt für Augenheilkunde" (Kursivschrift nicht im Original).

d) Die Formulierung "Kosmetische Chirurgie" ist zwar ebenfalls missverständlich, da nicht deutlich wird, dass der Beschuldigte, wie er in der Hauptverhandlung erläutert hat, sein Angebot ausschließlich auf ästhetische Korrekturen am Augenlid beschränkt. Aus den vorgenannten Gründen (allgemeiner Sprachgebrauch, korrekte Wiedergabe der Facharztbezeichnung, erforderliche Feststellung einer Gemeinwohlgefährdung) vermag der Senat insoweit aber letztlich ebenfalls noch keine irreführende Werbung zu bejahen.

Vgl. auch BGH, Urteil vom 9.10.2003, a.a.O., Seite 442, wonach ein Arzt, der lediglich seine Schwerpunktbereiche benennt, sich nicht zugleich einer besonderen rechtsförmlich erworbenen Qualifikation berühmt.

e) Ebensowenig hält der Senat die Formulierung "Neben meinen allgemeinen Leistungen als Augenarzt biete ich Ihnen zusätzlich..." für unklar, denn sie suggeriert nicht, dass jede Inanspruchnahme der angebotenen Leistungen - insbesondere auch der privat zu zahlenden "Individuellen Gesundheitsleistungen", sog. IGEL-Leistungen - eine Inanspruchnahme allgemeiner augenärztlicher Leistungen voraussetzt.

f) Eine anpreisende Werbung ist nicht gegeben. Zwar fallen beide Anzeigen schon ihrer äußeren Gestaltung nach wegen ihrer Größe (ca. 13x15 cm) und ihres Layouts deutlich auf (schwarz unterlegte Flächen, verschiedene Schriftgrößen, Gestaltung in der Art eines Handzettels durch Umrandung mit einer durchbrochenen Linie mit Scherensymbol). Dies allein genügt jedoch noch nicht für die Annahme einer anpreisenden Werbung, wobei der Senat ausdrücklich offen lässt, wann die Größe einer Anzeige die Grenze zur berufwidrigen Werbung überschreitet, insbesondere ob dies erst bei einer "eigenen Zeitungsbeilage" anzunehmen ist, wie sie in der bereits genannten Broschüre "Arzt - Werbung - Öffentlichkeit" (S. 7)als Beispiel für eine berufswidrige Werbung genannt wird.

g) Die angegebene Internetadresse hält sich (noch) in den Grenzen einer erlaubten Sympathiewerbung, vgl. BGH, Urteil vom 9.10.2003 - 1 ZR 167/01 -, NJW 2004, 440, (443)indem sie eine - auch in der geschäftlichen Korrespondenz nicht unübliche - Wendung zur persönlichen Ansprache des Adressaten ("Ihr...") benutzt.

h) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist es auch nicht generell berufswidrig, mit bestimmten Leistungen eines ärztlichen Fachgebietes - wie hier mit IGEL-Leistungen oder ambulanten Operationen - zu werben, die Teil des Fachgebietes sind. Wie bereits dargelegt darf der Arzt berufsbezogen und sachangemessen auch ohne besondere Anlässe werben. Hierzu gehört auch die Wiedergabe einzelner Behandlungsleistungen, sofern die gewählten Formulierungen informativ und sachlich sind. Für Laien verständliche Umschreibungen medizinischer Fachausdrücke sind hierbei ebenfalls zulässig.

BVerfG, Beschluss vom 26.9.2003, a.a.O., Seite 3473.

Der Arzt befriedigt mit derartigen Hinweisen auf seine Behandlungsleistungen ein vorhandenes, an ihn herangetragenes Informationsinteresse.

BGH, Urteil vom 9.10.2003, a.a.O., Seite 441; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 8.1.2002 - 1 BvR 1147/01 - Bezeichnung eines Klinikarztes als "Spezialist" -, NJW 2002, 1331.

Derartige Hinweise auf besondere Angebote sind nach neuer Rechtslage im Sinne der Angabe von Tätigkeitsschwerpunkten auch ausdrücklich erlaubt ( § 27 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BO n.F.).

i) Mit Ausnahme der genannten irreführenden Angaben halten sich diebeiden Artikel im Übrigen noch im Rahmen zulässiger Werbung. Im Vordergrund der journalistisch aufbereiteten Texte steht jeweils eine sachliche Information über die Kataraktbehandlung. Der Leser erfährt ausserdem, dass der Beschuldigte diese Operation nun auch vor Ort anbietet. Weitere Leistungen des Beschuldigten werden in dem Artikel vom 24.2.2001 nur kurz am Ende, in knapper sachlicher Form erwähnt. Auch die in dem Artikel vom 23.2.2001 verwendeten Formulierungen "modernste Technik", "modernsten Geräten" und auf dem "neuesten Stand der Technik" überschreiten trotz des wiederholten Gebrauchs des Superlativs noch nicht den Rahmen zulässiger Werbung. Sie beziehen sich auf die sachliche Ausstattung der Praxisräume und heben nicht die eigenen Leistungen des Beschuldigten - insbesondere auch nicht gegenüber den Leistungen anderer - in einer Weise hervor, die als anpreisend oder vergleichend beurteilt werden müsste.

Als berufsgerichtliche Maßnahme hält der Senat insgesamt die Verhängung eines Verweises nach § 60 Abs. 1 b HeilBerG für ausreichend. Zu sanktionieren ist allein die irreführende Werbung durch die mehrfache Verwendung des Begriffs"Abteilung". Die weitere irreführende Angabe in bezug auf den Behandlungsort bezieht sich aus Patientensicht - wie dargelegt - auf einen eher unwichtigen Umstand und rechtfertigt keine berufsrechtliche Maßnahme. Der verhängte Verweis genügt, um die von dem bislang berufsrechtlich nicht vorgeahndeten Beschuldigten begangene Berufspflichtverletzung zu ahnden und ihn künftig zur Beachtung der Berufspflichten, namentlich im Bereich der Werbung, anzuhalten. Der Senat hat hierbei auch zugunsten des Beschuldigten berücksichtigt, dass dieser nicht mehr in eigener Praxis tätig ist.

Ende der Entscheidung

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