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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 25.06.2003
Aktenzeichen: 7 A 1157/02
Rechtsgebiete: BauGB, BauO NRW, GarVO NRW


Vorschriften:

BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 4
BauO NRW § 2 Abs. 8
GarVO NRW § 2
Ein Carport ist ein überdachter Stellplatz für Autos.

§ 9 Abs. 1 Nr. 4 BauGB ermöglicht es der Gemeinde in Nordrhein-Westfalen, eine Fläche für (überdachte) Stellplätze und/oder (offene) Garagen festzusetzen.

Setzt die Gemeinde gestützt auf § 9 Abs. 1 Nr. 4 BauGB eine Fläche für Carports fest, sind auf dieser Fläche regelmäßig nur überdachte Stellplätze ohne eigene Seitenwände zulässig. Mit dieser Festsetzung tritt eine nicht überdachte Stellplatzfläche nicht in Widerspruch, wohl aber die Errichtung einer mit einer oder mit mehreren Seitenwänden versehenen (offenen) Garage.


Tatbestand:

Die Klägerin hat auf dem im Bereich eines Bebauungsplans der beigeladenen Gemeinde gelegenen Grundstück drei Fertiggaragen errichtet, die in einem Bereich stehen, der im Bebauungsplan als Fläche für Carports festgesetzt ist.

Die Klägerin beantragte, ihr für die drei bereits errichteten Fertiggaragen eine Baugenehmigung zu erteilen.

Der Beklagte lehnte den Antrag ab. Widerspruch, Klage und Berufung blieben erfolglos.

Gründe:

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung zur Errichtung von drei Fertiggaragen. Dem Vorhaben stehen öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen (vgl. § 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW). Es widerspricht der Festsetzung des Bebauungsplans, wonach auf der zur Bebauung vorgesehenen Fläche (nur) Carports zulässig sind (vgl. § 30 Abs. 1 BauGB).

Die Festsetzung einer Fläche für Carports ist wirksam. Sie ist insbesondere nicht unbestimmt.

Der Regelungsgehalt der Festsetzung eines Bebauungsplans kann - innerhalb der Grenzen, die sich aus dem sich aus dem Bebauungsplan und seiner Begründung erschließenden planerischen Willen der Gemeinde ergeben - durch Auslegung ermittelt werden.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.12.1998 - 4 NB 4.97 -, BRS 60 Nr. 20.

Für die Auslegung ist ausreichend, wenn der Norminhalt durch die anerkannten Auslegungsmethoden zweifelsfrei ermittelt werden kann. Der Kanon der klassischen Auslegungsgrundsätze umfasst die Auslegung aus dem Wortlaut der Norm (grammatische Auslegung), aus ihrem Zusammenhang (systematische Auslegung), aus ihrem Zweck (teleologische Auslegung) sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (historische Auslegung).

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.12.1995 - 4 N 2.95 -, BRS 57 Nr. 57.

Die Auslegung ergibt, dass auf der Fläche für Carports nur überdachte Stellplätze ohne Seitenwände errichtet werden dürfen. Hierfür spricht bereits der Wortlaut der Festsetzung. Die Bedeutung des im Bebauungsplan verwandten Begriffs Carport als überdachter Stellplatz für Kraftfahrzeuge entspricht dem allgemeinen Sprachgebrauch. Der Beklagte und die Beigeladene haben zum üblichen Verständnis des Wortes Carport zu Recht auf die Wortbestimmung im Duden, die Deutsche Rechtschreibung, 21. Aufl., 1996 hingewiesen. Danach ist ein Carport ein überdachter Abstellplatz für Autos. Die mit Bausachen befassten Senate des OVG NRW gehen in ihrer Rechtsprechung von eben diesem Begriff aus.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17.6.2002 - 7 A 777/00 -; Beschluss vom 8.8.2002 - 10 B 401/02 -; vgl. zum Begriff des Carports im Ergebnis ebenso: Nds. OVG, Urteil vom 29.11.1993 - 6 L 3224/91 -, MDR 1994, 166; VGH Bad.-Würrtt., Beschluss vom 29.1.1993 - 8 S 37/93 -, BauR 1993, 439; OVG Hamburg, Urteil vom 31.4.1994 - Bf II 38/92 -.

Der überdachte Stellplatz ist ferner regelmäßig ein solcher, der nur mit einer (auf Stützen ruhenden) Überdachung baulich genutzt werden darf; zusätzliche Seitenwände sind nicht zulässig. Auch dies ergibt sich, wenn nicht ohnehin schon aus dem Begriff des Carports selbst, dann doch aus der dem Bebauungsplan zugrunde liegenden landesrechtlichen Begriffsbildung, auf die die Beigeladene zutreffend hingewiesen hat. Auf die landesrechtliche Begriffsbildung ist abzustellen, da im Regelfall - und so auch hier - davon auszugehen ist, dass die Gemeinde keine Festsetzungen treffen will, zu der sie nicht ermächtigt ist, denn eine solche Festsetzung wäre unwirksam.

Die Beigeladene hat die Festsetzung einer Fläche für Stellplätze und Garagen mit dem Zusatz Carports ausweislich der Legende des Bebauungsplans nicht auf bauordnungsrechtliche Gestaltungsregelungen, sondern auf § 9 Abs. 1 Nr. 4 BauGB gestützt. Danach können im Bebauungsplan die Flächen für Nebenanlagen, die aufgrund anderer Vorschriften für die Nutzung von Grundstücken erforderlich sind, wie Spiel-, Freizeit- und Erholungsflächen sowie die Flächen für Stellplätze und Garagen mit ihren Einfahrten festgesetzt werden. Zu den nach dieser Ermächtigungsgrundlage gegebenen Festsetzungsmöglichkeiten hat das BVerwG ausgeführt: Das Bundesrecht gebraucht die Begriffe Stellplätze und Garagen nur als Sammelbegriff; es begnügt sich damit, insgesamt für Stellplätze und Garagen bestimmte Grundregeln des Inhalts zu liefern, dass solche Anlagen überhaupt in einem Bebauungsplan festgesetzt werden dürfen; ferner bestimmt das Bundesrecht, in welchen Baugebieten derartige Anlagen zulässig und wie sie hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung zu behandeln sind. Eine Definition des Unterschiedes zwischen Stellplätzen und Garagen enthält das Bundesrecht nicht. Aus der Sicht des Bundesrechts besteht kein Interesse daran, zwischen Stellplätzen und Garagen im Hinblick auf die Nutzung des Grund und Bodens zu unterscheiden. Das bedeutet, dass der Landesgesetzgeber (oder Landesverordnungsgeber) frei ist, diese Begriffe im Hinblick auf bauordnungsrechtliche Anforderungen eigenständig zu definieren. Auch der Ortsgesetzgeber wird durch das Bundesrecht nicht gehindert, für Stellplätze (auch für überdachte Stellplätze) oder für Garagen (auch für offene Garagen) mit Hilfe der Festsetzungen eines Bebauungsplans bestimmte Standorte festzulegen oder auszuschließen. Hieraus folgt ohne Weiteres, dass die Möglichkeit, im Bebauungsplan Stellplätze und Garage festzusetzen, kraft Bundesrechts auch nicht in dem Sinne festgeschrieben ist, dass der Satzungsgeber nur einheitlich beide Arten von Unterbringungsgelegenheiten für Kraftfahrzeuge zusammen in seinen Festsetzungen zulassen und zwischen beiden Arten planerisch nicht unterscheiden dürfe. Das Bundesrecht, das sich einer eigenen Definition des Begriffs "Stellplätze und Garagen" enthalten hat, geht vielmehr auch insoweit von der Begriffsbildung des Landesrechts aus. Enthält dieses differenzierende Umschreibungen und Anforderungen für Garagen einerseits und Stellplätze andererseits, so ist die Gemeinde aus bundesrechtlicher Sicht auch frei, in einem Bebauungsplan an diese Definitionen anzuknüpfen und nur die eine oder die andere Art von Unterbringungsgelegenheiten für Kraftfahrzeuge zuzulassen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 4.10.1985 - 4 C 26.81 -, BRS 44 Nr. 108; Beschluss vom 31.8.1989 - 4 B 161.88 -, BRS 49 Nr. 16.

Die Gemeinde ist demnach durch § 9 Abs. 1 Nr. 4 BauGB ermächtigt, die eine oder die andere der nach der landesrechtlichen Begriffsbildung möglichen Arten von Unterbringungsmöglichkeiten für Kraftfahrzeuge festzusetzen. Sie ist nicht darauf beschränkt, Stellplätze und/oder Garagen festzusetzen. Erfasst das Landesrecht weitere Arten der Unterstellmöglichkeiten von Kraftfahrzeugen, kann die Gemeinde eine Fläche für eben diese Unterstellmöglichkeit von Kraftfahrzeugen festsetzen. Ergibt sich aus dem Landesrecht der Begriff der offenen Garage oder des überdachten Stellplatzes, kann auch dieser Begriff verwandt werden, um die Anlage zu beschreiben, die auf der nach § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB festgesetzten Flächen zulässig ist.

Vgl. Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, 3. Aufl., 2002, § 9 Rdnr. 25; Ernst/Zinkhahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand:

Januar 2003, § 9 Rdnr. 54.

Aus der von der Klägerin zitierten Ansicht von Schwier, Handbuch der Bebauungsplan-Festsetzungen, 2002, S. 700, ergibt sich nichts anderes. Danach sei der Carport keine eigenständige planungsrechtliche Kategorie. Er könne durch die Festsetzung von Flächen für Stellplätze mit zugehörigen örtlichen Bauvorschriften normiert werden. Um einen solchen Fall geht es hier jedoch nicht. Die Beigeladene hat keinen "Carport" in dem von Schwier wohl vorausgesetzten Sinne (also einen überdachten Stellplatz, der zusätzlichen Gestaltungsanforderungen unterworfen werden soll) festgesetzt, sondern sich auf die Festsetzung einer Fläche für überdachte Stellplätze beschränkt.

Aus dem nordrhein-westfälischen Landesrecht ergibt sich Folgendes: Gemäß § 2 Abs. 8 Satz 1 BauO NRW sind Stellplätze Flächen, die dem Abstellen von Kraftfahrzeugen dienen. Garagen sind ganz oder teilweise umschlossene Räume zum Abstellen von Kraftfahrzeugen (Satz 2). Der Landesgesetzgeber unterscheidet die Unterbringungsmöglichkeiten von Kraftfahrzeugen danach anhand der von der baulichen Anlage ausgehenden Wirkung, die sich auf die Inanspruchnahme der Fläche (Stellplatz) beschränkt oder darüber hinausgehend einen Raum in Anspruch nimmt (Garage). Zu diesen Begriffen tritt in § 6 Abs. 11 Nr. 1 BauO NRW der überdachte Stellplatz hinzu. Dieser wird hinsichtlich seiner abstandrechtlichen Privilegierung der Garage gleichgestellt, denn beide baulichen Anlagen sind gemäß § 6 Abs. 11 Nr. 1 BauO NRW an der Nachbargrenze zulässig. Aus der abstandrechtlichen Gleichstellung ergibt sich jedoch zugleich, dass der Landesgesetzgeber den überdachten Stellplatz nicht als Garage ansieht. Obwohl der Stellplatz überdacht ist, steht bei ihm nicht die Raumwirkung der Garage (vgl. § 2 Abs. 8 Satz 2 BauO NRW), sondern die Flächenbezogenheit des Stellplatzes (vgl. § 2 Abs. 8 Satz 1 BauO NRW) im Vordergrund.

Die sich aus der Bauordnung NRW ergebende Unterscheidung wird durch die Regelungen der Garagenverordnung bestätigt. Die Garagenverordnung nennt den Begriff der offenen bzw. geschlossenen (Klein-, Mittel- oder Groß-)Garage (vgl. z.B. § 2 GarVO NRW). Mit Wänden versehene überdachte Stellplätze sind offene oder - je nach dem Ausmaß der Gesamtfläche der Umfassungswände - geschlossene Garagen (vgl. § 2 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 GarVO NRW). Der ohne Umfassungswände versehene überdachte Stellplatz wird als Stellplatz mit Schutzflächen ausdrücklich definiert und fiktiv der offenen Garage gleichgestellt, wie sich aus dem Wortlaut und dem Klammerzusatz des § 2 Abs. 3 Satz 2 GarVO NRW ergibt.

Aus diesem Spektrum im Landesrecht genannter Unterstellmöglichkeiten für Kraftfahrzeuge ergibt sich die Bandbreite nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 BauGB möglicher Festsetzungen. Anhaltspunkte dafür, dass die Beigeladene mit dem gewählten Begriff des Carports einen anderen Typ der Umbauung eines Kraftfahrzeugstellplatzes umschreiben wollte, gibt es nicht. Insbesondere besteht kein Anhalt für die Annahme, sie habe an die auf Grundlage der Festsetzung Carport zulässigen überdachten Stellplätze besondere bauordnungsrechtliche Gestaltungsanforderungen stellen wollen.

Die Festsetzung ist auch nicht etwa deshalb unbestimmt, wie die Klägerin meint, weil nicht klar sei, ob auf der von der Festsetzung erfassten Fläche neben überdachten Stellplätzen auch solche ohne Überdachung angelegt werden dürften. Gemäß § 30 Abs. 1 BauGB ist ein Vorhaben zulässig, wenn es den Festsetzungen eines Bebauungsplans nicht widerspricht. Durch die Festsetzung einer Fläche für überdachte Stellplätze ("Carport") betont die Gemeinde zum einen die weiterhin im Vordergrund stehende flächenbezogene Wirkung des Stellplatzes, die durch seine Überdachung nicht in Frage gestellt wird, zum anderen aber die Absicht, raumbezogene Wirkungen, wie sie von (offenen) Garagen ausgehen, ausschließen. Mit diesem Zweck der Bebauungsplanfestsetzung tritt eine nicht überdachte Stellplatzfläche nicht in Widerspruch, wohl aber die Errichtung einer mit einer oder mehreren Seitenwänden versehenen offenen Garage.

Das sich aus dem Festsetzungszusammenhang des Bebauungsplans ergebende städtebauliche Konzept bestätigt die Auslegung im vorstehenden Sinne und schließt es ebenfalls aus, dass die Beigeladene den Begriff des Carports mit dem einer offenen Garage hätte gleichsetzen wollen. (wird ausgeführt)

Die von der Klägerin errichteten Fertiggaragen widersprechen der Festsetzung Carport. Sie sind durch Wände und ein Garagentor ringsum geschlossen. Ob in Bereichen außerhalb des Bebauungsplangebiets mit einzelnen Wänden versehene überdachte Stellplätze als Carports bezeichnet werden, ist für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren ohne Belang. Nur angemerkt sei zum Vergleich der Klägerin mit der Abstandregelung in § 6 Abs. 11 Nr. 1 BauO NRW, dass ein Carport (also ein mit einem auf Stützen ruhenden Dach überdachter Stellplatz) nicht bereits dann zu einer offenen Garage wird, wenn an den Carport ein Abstellraum angebaut wird.

Die Klägerin hat schließlich keinen Anspruch auf Erteilung einer Befreiung von der Festsetzung Carport. (wird ausgeführt)

Ende der Entscheidung

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