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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 02.04.2003
Aktenzeichen: 7 B 235/03
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 15 Abs. 1
BauGB § 36
1. Will eine Gemeinde einen Bebauungsplan aufstellen, um für eine (von mehreren) im Flächennutzungsplan ausgewiesene Konzentrationszone für Windenergieanlagen solche Anlagen mit einer Höhe von mehr als 100 m aus Gründen ihrer wesentlichen Dominanz auszuschließen, handelt es sich um eine planerische Zielsetzung, die mit den Instrumenten der §§ 14, 15 BauGB (Veränderungssperre, Zurückstellung von Baugesuchen) gesichert werden kann.

2. An einer solchen Bauleitplanung ist die Gemeinde auch dann nicht gehindert, wenn sie zuvor das Einvernehmen nach § 36 BauGB zu einem entsprechenden Vorhaben erteilt hat.


Tatbestand:

Der Antragsteller wandte sich gegen einen sofort vollziehbaren Zurückstellungsbescheid, mit dem sein Bauantrag für eine über 130 m hohe Windenergieanlage in einer im Flächennutzungsplan der Beigeladenen dargestellten Konzentrationszone für Windenergieanlagen im Hinblick auf ein eingeleitetes Bebauungsplanverfahren der Beigeladenen zurückgestellt wurde. Sein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg.

Gründe:

Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, gibt keinen Anlass, die Einschätzung des VG in Frage zu stellen, bei summarischer Prüfung spreche Überwiegendes für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Zurückstellungsbescheides, sodass die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Abwägung der widerstreitenden Interessen zum Nachteil der Antragstellerin ausfalle.

Das VG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beigeladene eine Bebauungsplanung betreibt, die zulässigerweise mit dem Instrument der Zurückstellung von Baugesuchen nach § 15 Abs. 1 BauGB gesichert werden kann. Maßgeblich ist insoweit ausschließlich das vom Umwelt-, Bau- und Planungsausschusses der Beigeladenen eingeleitete Verfahren, "ein Bebauungsplanverfahren mit dem Ziel der Höhenbegrenzung von Windenergieanlagen im Vorranggebiet 'S.' auf 100 m einzuleiten". Eine solche Bebauungsplanung ist, wie das VG zutreffend unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung des BVerwG und des Senats näher ausgeführt hat, sicherungsfähig.

Dafür, dass es bei dieser Bebauungsplanung "einziges Ziel der Beigeladenen ist, die Windenergienutzung auf ihrem Gemeindegebiet soweit zu verhindern, wie dies zurzeit überhaupt noch möglich ist", wie die Beschwerde meint, geben die von der Beschwerde in Bezug genommenen maßgeblichen Aufstellungsvorgänge nichts her. Anlass für den Aufstellungsbeschluss hinsichtlich des hier einschlägigen Bebauungsplans war nach der einschlägigen Sitzungsvorlage der Umstand, dass die beiden genehmigten - noch nicht realisierten - Anlagen des Antragstellers im Vorranggebiet "S.", an deren Stelle die hier strittige Anlage aus den vom Antragsteller im Genehmigungsverfahren artikulierten wirtschaftlichen Erwägungen treten soll, mit Gesamthöhen von jeweils knapp 100 m gerade noch unter dem Schwellenwert für die luftfahrtrechtliche Relevanz liegen. Demgegenüber wäre die strittige Anlage, wie aus dem im Baugenehmigungsverfahren - erst nach der ursprünglichen Erteilung des Einvernehmens durch die Beigeladene - abgegebenen Schreiben der Luftaufsichtsbehörde folgt, aus Gründen der Flugsicherung mit einer Tageskennung in Leuchtfarben sowie einer in der genannten Sitzungsvorlage ausdrücklich angeführten Nachtkennung durch 2 versetzte blinkende Gefahrfeuer (max. 50 m unter der Rotorblattspitze) zu versehen. Dass sie schon wegen ihrer Gesamtgröße von deutlich über 130 m "wesentlich dominanter" als die bislang genehmigten Anlagen sein wird, wie gleichfalls in der genannten Sitzungsvorlage angesprochen ist, ist keineswegs - wie die Beschwerde meint - "nicht belegbar", sondern liegt offen auf der Hand; dies gilt umso mehr, wenn sie die aus Gründen der Flugsicherung vorzunehmenden optisch wirksamen Kennungen aufweist. Schließlich liegt der vorgesehene Standort der Anlage nach den zur Genehmigung gestellten Bauvorlagen mit einem Niveau von deutlich über 500 m über NN in einer Höhenlage, die nach dem bei den Bauakten befindlichen Kartenmaterial selbst von den Spitzen der in der weiteren Umgebung vorhandenen Kuppen weitgehend nicht erreicht wird. Wenn es der Beigeladenen darum geht, Windenergieanlagen dieser Größenordnungen mit den für Anlagen von mehr als 100 m Höhe typischen optisch wirksamen Merkmalen im Vorranggebiet "S." aus Gründen ihrer wesentlichen Dominanz auszuschließen, so handelt es sich hierbei um eine durchaus legitime planerische Zielsetzung, die jedenfalls die Einleitung eines entsprechenden Bebauungsplanverfahren rechtfertigt, das demgemäß auch mit den Instrumenten der §§ 14, 15 BauGB sicherungsfähig ist. Von einer kritikwürdigen restriktiven Steuerung - vgl. hierzu nunmehr: BVerwG, Urteil vom 17.12.2002 - 4 C 15.01 -, die von vornherein rechtlich unzulässig erscheint, kann angesichts dessen keine Rede sein. Ob die genannte Zielsetzung der Beigeladenen sich letztlich unter Abwägung aller relevanten Aspekte in dem von der Beigeladenen angegangenen Sinne durchsetzen lässt, muss der abschließenden Entscheidung des Rates der Beigeladenen über die Bebauungsplanung vorbehalten bleiben, bei der konkret zu prüfen ist, ob die zu erwartenden nachteiligen Auswirkungen der ausgeschlossenen Windenergieanlagen auf den betroffenen Landschaftsraum so gewichtig sind, dass sie die vorgesehene Einschränkung der vom Flächennutzungsplan vorgegebenen Errichtungsmöglichkeiten gerechtfertigt erscheinen lassen, und im Ergebnis auch nicht eine Umsetzung des Flächennutzungsplans etwa unter wirtschaftlichen Aspekten faktisch unterlaufen würden.

Vgl. hierzu bereits: OVG NRW, Beschluss vom 2.7.2002 - 7 B 918/02 - BauR 2002, 1827.

Der nach alledem zu bejahenden Sicherungsfähigkeit der hier maßgeblichen Bebauungsplanung steht nicht entgegen, dass die Beigeladene parallel zu dem Bebauungsplanverfahren für das Vorranggebiet "S." auch die Änderung ihres Flächennutzungsplans hinsichtlich der Darstellung von Konzentrationszonen für Windenergieanlagen betreibt. Es ist einer Gemeinde unbenommen, neben einer konkreten Bebauungsplanung auch eine konzeptionelle Überarbeitung ihrer Flächennutzungsplanung in Angriff zu nehmen. Ein rechtlich zu beanstandendes "Planungswirrwar" liegt dabei entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht vor. Zwar trifft es zu, dass die Beigeladene nach dem Beschluss ihres Rates zur Änderung des Flächennutzungsplans - auch - das Ziel verfolgt, nicht nur keine der ursprünglich angedachten weiteren Vorrangflächen im Flächennutzungsplan darzustellen, sondern zwei der dargestellten Vorrangflächen aus dem Flächennutzungsplan herauszunehmen und für alle im Flächennutzungsplan verbleibenden Vorrangflächen eine Höhenbegrenzung auf 100 m einzuführen. Diese weitgehenden Änderungsvorstellungen, die schon wegen ihrer deutlich gravierenderen Auswirkungen auf das gesamte Gemeindegebiet - selbstverständlich - umfassendere und damit planerisch schwieriger zu bewältigende Anforderungen an die Planung stellen, schließen es nicht aus, parallel dazu ein Planverfahren zur Verfolgung eines Teilziels zu betreiben. Dies gilt umso mehr, wenn dieses Planverfahren - wie hier das Verfahren zur Aufstellung des strittigen Bebauungsplans - durch ein konkret zur Genehmigung gestelltes Vorhaben veranlasst ist und - wie aus der bereits erwähnten Sitzungsvorlage folgt - "sicherheitshalber" erfolgt, um jedenfalls das (Teil-)Ziel, die aus landschaftsästhetischen Gründen unerwünschte Errichtung von optisch besonders auffälligen Windenergieanlagen im Vorranggebiet "S." auszuschließen, sicherzustellen. Insoweit kann jedenfalls bezüglich der hier strittigen Bebauungsplanung von einer "verkappten Verhinderungsplanung" im Sinne einer "bloßen 'Feigenblatt'-Planung" - vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 17.12.2002 - 4 C 15.01 - keine Rede sein. Ob ein solcher Vorwurf auf die bereits angesprochene Änderung des Flächennutzungsplans zutrifft, bedarf hier keiner weiteren Erörterung. Die Beigeladene wird jedenfalls im weiteren Ablauf der konzeptionellen Änderung ihres Flächennutzungsplans eingehend zu prüfen haben, ob die dort vorgesehenen eingeschränkten Darstellungen zu Konzentrationszonen in der Tat den Vorwurf einer bloßen Alibifunktion gerechtfertigt erscheinen lassen.

Schließlich gibt das Beschwerdevorbringen auch keinen Anlass, die Einschätzung des VG in Frage zu stellen, dass die Erteilung des Einvernehmens zu dem zur Genehmigung gestellten Vorhaben der Antragstellerin die Beigeladene nicht hinderte, eine die Zulässigkeit des Vorhabens ausschließende Bauleitplanung zu betreiben. Hierzu hat das BVerwG - vgl.: BVerwG, Beschluss vom 26.10.1998 - 4 BN 43.98 - Buchholz 406.11 § 36 BauGB Nr. 53 - näher ausgeführt:

"Es <bedarf> nicht erst der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass die Gemeinde durch die Erteilung des Einvernehmens hinsichtlich eines bestimmten Vorhabens grundsätzlich nicht gehindert ist, eine ihm widersprechende Bauleitplanung zu betreiben. Die Gemeinde darf nämlich ihr Einvernehmen nur aus den sich aus den §§ 31, 33, 34 und 35 BauGB ergebenden Gründen versagen (§ 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB). Fehlt es an einem Grund, der zur Verweigerung des Einvernehmens berechtigt, so ist die Gemeinde verpflichtet, ihr Einvernehmen zu erteilen. Hiervon unberührt bleibt aber das Recht der Gemeinde, ihre Bauleitpläne in eigener Verantwortung aufzustellen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Im Rahmen der Bauleitplanung darf die Gemeinde sich von 'politischen Motiven' leiten lassen. Gerade die gegenwärtige planungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens, das mit den planerischen Vorstellungen der Gemeinde nicht übereinstimmt, kann den Anstoß für die Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplans geben."

Nichts anderes hat die Beigeladene getan. Wenn sie zunächst rechtsirrig davon ausgegangen ist, sie könne ihr bereits erteiltes Einvernehmen nachträglich "versagen" und damit der Sache nach zurücknehmen bzw. widerrufen, kann ihr kein Vorwurf deswegen gemacht werden, dass sie nach Erkenntnis der richtigen Rechtslage nunmehr von dem richtigen Instrument einer Sicherstellung ihrer - nicht von vornherein illegitimen - planerischen Zielvorstellungen Gebrauch gemacht hat. Von einem "Versuch einer Umgehung der in § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB genannten Frist und der Folgen ihres Verstreichens" kann dabei keine Rede sein.

Die mit der Beschwerde erneut angesprochene Rechtsprechung des BVerwG zum gesetzgeberisch gewollten Schutzzweck der Frist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB - vgl.: BVerwG, Urteil vom 12.12.1996 - 4 C 24.95 - NVwZ 1997, 900 = BRS 58 Nr. 142 - vermag die Auffassung der Antragstellerin nicht zu stützen, wie das VG bereits zutreffend dargelegt hat. Durch bloße Bezugnahme auf das frühere Vorbringen wird die Argumentation - ungeachtet der Frage, ob dies überhaupt den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügt - nicht richtiger.

Ende der Entscheidung

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