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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 03.02.2004
Aktenzeichen: 7 B 2622/03
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3
Bei stallgesteuerten Windenergieanlagen muss die Prognose zu erwartender Emissionspegel berücksichtigen, dass sich der Schallleistungspegel einer solchen Anlage weiter erhöhen kann, wenn die Windgeschwindigkeit das für die Nennleistung erforderliche Maß überschreitet. Allein die Beschränkung der Nennleistung einer stallgesteuerten Windenergieanlage in der vom Nachbarn angefochtenen Baugenehmigung stellt den Immissionspegel der Anlage daher nicht sicher.
Tatbestand:

Der Antragsgegner erteilte der Beigeladenen eine Baugenehmigung zur Errichtung einer stallgesteuerten Windenergieanlage. Die Baugenehmigung ist mit an die Nennleistung der Anlage anküpfenden Auflagen versehen, die dem Nachbarn unzumutbare Immissionen der Windenergieanlage ausschließen sollen.

Auf den von einer Nachbarin gestellten Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ordnete das OVG NRW unter Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Baugenehmigung an.

Gründe:

Die Auflage, bestimmte Immissionsrichtwerte einzuhalten, ist als bloße Zielvorgabe allein allerdings nicht geeignet, den erforderlichen Nachbarschutz sicherzustellen.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13.7.1998 - 7 B 956/98 -, BRS 60 Nr. 193; Beschluss vom 24.4.2002 - 10 B 939/02 -.

Die Baugenehmigung enthält auch keine weiteren Regelungen, die der Antragstellerin unzumutbaren Lärm der Windenergieanlage ausschließen, obwohl bereits auf Grundlage der von der Beigeladenen vorgelegten Immissionsprognose unzumutbare Lärmeinwirkungen nicht unwahrscheinlich sind. Das Schallgutachten errechnet für das Grundstück der Antragstellerin einen Beurteilungspegel von 34,6 dB(A) nachts. Es ist jedoch bereits nicht ersichtlich, worauf die Antragstellerin mit der Beschwerde zutreffend hinweist, dass in die Ermittlung des Schallleistungspegels ein Sicherheitszuschlag von 2 dB (A) einbezogen worden ist, um die Risiken einer herstellungsbedingten Serienstreuung gegenüber der auf einer Referenzmessung beruhenden Prognose auszuschließen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18.11.2002 - 7 A 2127/00 -, BRS 65 Nr. 182; Beschluss vom 27.11.2003 - 22 B 292/03 -.

Hinzu kommt Folgendes: Dem Schallgutachten vom 4.10.2001 - dem nicht zu entnehmen ist, welche Qualifikation der Gutachter für sich in Anspruch nehmen kann und das zudem nur als Entwurf bezeichnet ist - liegt das auf einer Referenzvermessung beruhende schalltechnische Gutachten aus September 2000 zugrunde. Dieses Gutachten hat den Schallleistungspegel der stallgesteuerten Anlage bei Windgeschwindigkeiten in 10 m Höhe von bis 9,5 m/s bestimmt. Eine verlässliche Aussage, mit welchem Schallleistungspegel bei höheren Windgeschwindigkeiten zu rechnen ist, lässt sich dem Gutachten nicht entnehmen. Im Gegensatz zu pitchgesteuerten Anlagen ist bei stallgesteuerten Anlagen bei einem weiteren Anstieg der Windgeschwindigkeit jedoch mit einem höheren Emissionspegel zu rechnen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 18.11.2002 - 7 A 2127/00 -, a.a.O., unter Bezug auf die vom Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen herausgegebenen "Sachinformationen zu Geräuschemissionen und - immissionen von Windenergieanlagen"; ferner Nr. 1.1 der "Materialen Nr. 63 - Windenergieanlagen und Immissionsschutz", herausgegeben vom Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen.

Allein durch eine Beschränkung der Nennleistung einer stallgesteuerten Windenergieanlage ist der Immissionspegel nicht sichergestellt, der sich dann ergibt, wenn die Windstärke gerade das für die Nennleistung erforderliche Maß übersteigt. Auch das Gutachten gibt keine Antwort auf die Frage, welche Schallleistungen erreicht werden, wenn die Windgeschwindigkeit größer ist als für die Nennleistung erforderlich. Dem Gutachten liegt eine Messung der Schallleistungspegel der Anlage bei bestimmten Windgeschwindigkeiten zugrunde. Nichts aber ist zum Emissionsverhalten der Anlage für den Fall ausgeführt, dass die Leistung der Windenergieanlage auf einen Wert festgeschrieben werden soll, der unterhalb des nach der tatsächlichen Windgeschwindigkeit Möglichen verbleibt.

Der Unsicherheit darüber, welcher Schallleistungspegel der Windenergieanlage bei den jeweiligen Windgeschwindigkeiten jeweils zu erwarten ist, trägt die Auflage BA 0015 der Baugenehmigung keine hinreichende Rechnung. Nach dieser Auflage wird der "emissionsrelevante Schallleistungspegel LWA 10 m/s auf 101 dB (A) sowie die Tonhaltigkeit auf 2 dB (A) begrenzt". Diese Auflage setzt dem Schallleistungspegel, den die Windenergieanlage erreichen darf, keine Grenze, sondern beschränkt sich auf die Vorgabe des maximalen Schallleistungspegels bei einer Windgeschwindigkeit von 10 m/s. Damit ist den Besonderheiten einer stallgesteuerten Anlage nicht genügt; bei höheren Windgeschwindigkeiten als 10 m/s oder bei einer höheren Windgeschwindigkeit als erforderlich, um einem leistungsreduzierten Betrieb zu genügen, können höhere Emissionen erreicht werden.

Mit der nur auf das Grundstück der Antragstellerin bezogenen Auflage BA 0016 Abs. 5 der Baugenehmigung ist kein maximaler Schallleistungspegel der Anlage, sondern für die Nachtzeit abhängig von der Windrichtung lediglich eine Leistungsbegrenzung auf 757 kW festgesetzt. Da sich aus der Leistungsbegrenzung jedoch, wie ausgeführt, keine Prognose über den bei über (für die festgelegte Leistung erforderlichen) 8 m/s hinausgehenden Windgeschwindigkeiten zu erwartenden Schallleistungspegel ableiten lässt, ergibt sich auch aus dieser Auflage keine Begrenzung der höchstzulässigen Schallimmissionen. Die Auflage ist ferner insoweit ungeeignet, worauf die Antragstellerin mit der Beschwerde zutreffend hinweist, als sie die Leistungsbegrenzung für eine Mitwindsituation in einem Winkel von 85° bis 115° vorgibt. Nach den Stellungnahmen der Herstellerfirma kann eine Leistungsbegrenzung dadurch erreicht werden, dass die Windenergieanlage beim Erreichen einer bestimmten Windgeschwindigkeit abgeschaltet wird. Ob dieser Vorgang aber bei wechselnden Windrichtungen bezogen auf einen schmalen Windrichtungssektor möglich ist, hat die Antragsgegnerin nicht geprüft und schon gar nicht ermittelt, weshalb die Leistungsbegrenzung nur für die Mitwindsituation von immissionserheblicher Bedeutung sein sollte.

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