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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 29.08.2008
Aktenzeichen: 7 B 915/08.NE
Rechtsgebiete: BauGB, VwGO


Vorschriften:

BauGB § 3 Abs. 2 Satz 2
VwGO § 47 Abs. 2a
1. Ein Normenkontrollantrag ist nach § 47 Abs. 2a VwGO unzulässig, wenn der Antragsteller ausschließlich Einwendungen geltend macht, die er im Rahmen der Beteiligung nicht oder verspätet geltend gemacht hat, aber hätte geltend machen können.

2. Ist der Normenkontrollantrag zulässig, kann sich der Antragsteller auch auf solche Einwendungen berufen, die er bislang nicht geltend gemacht hat.

3. Der für den Eintritt der Rechtsfolge des § 47 Abs. 2a VwGO erforderliche Hinweis bei der Offenlegungsbekanntmachung ist auch dann ordnungsgemäß, wenn er den von § 47 Abs. 2a VwGO abweichenden Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 2 letzter Halbsatz BauGB wiedergibt.


Tatbestand:

Die Antragsteller begehrten ohne Erfolg die Außervollzugsetzung eines Bebauungsplans nach § 47 Abs. 6 VwGO.

Gründe:

Die Voraussetzungen für eine Außervollzugsetzung des angegriffenen Bebauungsplans liegen nicht vor. Es ist nicht erkennbar, dass die Antragsteller durch die anstehende Umsetzung des Plans einen schwerwiegenden Nachteil im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zu erwarten haben, so dass die Außervollzugsetzung unabhängig vom mutmaßlichen Ausgang des Hauptsacheverfahrens geboten erscheint. Ebenso wenig liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass die anstehende Umsetzung des Plans die Antragsteller jedenfalls solchen nachteiligen Folgen aussetzen würde, dass eine Außervollzugsetzung des Plans wegen einer offensichtlichen Unwirksamkeit des Plans geboten wäre. Abgesehen davon ist auf Grund des Vortrags der Antragsteller auch nicht erkennbar, dass der strittige Plan als offensichtlich unwirksam anzusehen ist. (wird ausgeführt)

Es ist nicht der Auffassung der Antragsgegnerin zu folgen, die Antragsteller seien im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 47 Abs. 2a VwGO mit solchen Einwendungen präkludiert, die sie im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 3 Abs. 2 BauGB nicht vorgetragen haben, obwohl sie sie hätten geltend machen können. Nach dem Wortlaut des § 47 Abs. 2a VwGO, den dieser im Rahmen der Ausschussberatungen zum Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte erhalten hat,

vgl. hierzu den Regierungsentwurf in BT-Drucks. 16/2496, S. 8, einerseits und die vom Gesetzgeber schließlich beschlossene Fassung in BT-Drucks. 16/3308, S. 12, andererseits,

ist ein Normenkontrollantrag unzulässig, "wenn die den Antrag stellende Person nur Einwendungen geltend macht", die im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung hätten geltend gemacht werden können, aber nicht oder verspätet geltend gemacht wurden. Der Gesetzgeber hat damit die noch im Regierungsentwurf enthaltene Fassung ersetzt, nach der der Antrag unzulässig ist, "soweit die den Antrag stellende Person Einwendungen geltend macht, die..." Diese Änderung ist erfolgt, um das Gewollte präziser zum Ausdruck zu bringen, nämlich dass der Antrag unzulässig ist, wenn der Antragsteller ausschließlich Einwendungen geltend macht, die er im Rahmen der Beteiligung nicht oder verspätet geltend gemacht hat, aber hätte geltend machen können.

So ausdrücklich: BT-Drucks. 16/3308, S. 20.

Die Regelung des § 47 Abs. 2a VwGO knüpft mithin daran an, ob der Betroffene im Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung überhaupt Einwendungen vorgebracht hat. Ist dies nicht geschehen, so kann er in der Regel - insbesondere wenn er Einwendungen hätte geltend machen können und auf die Rechtsfolge des § 47 Abs. 2a VwGO bei der Offenlegungsbekanntmachung hingewiesen worden ist - keinen zulässigen Normenkontrollantrag stellen. Ist der Normenkontrollantrag hingegen zulässig, weil der Betroffene (auch) solche Einwendungen geltend macht, die er bereits bei der Öffentlichkeitsbeteiligung fristgerecht geltend gemacht hat, und weil auch im Übrigen die Voraussetzungen für eine Zulässigkeit des Antrags vorliegen, ist der Betroffene nicht gehindert, im Normenkontrollverfahren sich auch auf solche Einwendungen zu berufen, die er bei seinen Ausführungen im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung nicht geltend gemacht hat. Die Rechtsfolge des § 47 Abs. 2a VwGO besteht nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift - entsprechend dem bereits angesprochenen Willen des Gesetzgebers - lediglich darin, dass der Normenkontrollantrag bei Vorliegen der normierten Voraussetzungen unzulässig ist, nicht hingegen darin, dass der Betroffene in dem zulässigerweise geführten Normenkontrollverfahren jedenfalls mit bestimmten, bislang nicht artikulierten Einwendungen ausgeschlossen - "präkludiert" - ist.

Allerdings tritt die Rechtsfolge des § 47 Abs. 2a VwGO nach dem letzten Halbsatz der genannten Vorschrift nur dann ein, wenn im Rahmen der Beteiligung "auf diese Rechtsfolge" - d. h. die sich aus § 47 Abs. 2a VwGO ergebende Rechtsfolge der Unzulässigkeit eines Normenkontrollantrags - hingewiesen worden ist. Die Anforderungen an einen solchen Hinweis sind jedenfalls nicht strenger als bei einer Belehrung über einen Rechtsbehelf nach der Verwaltungsgerichtsordnung. Für solche Rechtsmittelbelehrungen ist anerkannt, dass nicht jede Ungenauigkeit beachtlich ist. Entscheidend ist, dass sie die notwendigen Bestandteile enthält und keine Irrtümer erregen kann.

Vgl.: BVerwG, Beschluss vom 1.7.1971 - VII CB 23.69 -, Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 22, m.w.N..

Eine Rechtsmittelbelehrung muss die gesetzlich erforderlichen Mindestangaben enthalten und darf nicht generell geeignet sein, die Einlegung des Rechtsbehelfs zu erschweren.

Vgl.: BVerwG, Urteil vom 27. April 1990 - 8 C 70.88 -, NJW 1991, 508 m. w. N.

Gemessen an diesen Maßstäben ist der nach § 47 Abs. 2a letzter Halbsatz VwGO erforderliche Hinweis im Beteiligungsverfahren auf die Rechtsfolge dieser Vorschrift auch dann ausreichend, wenn er, wie es hier bei der Offenlegungsbekanntmachung erfolgt ist, den von § 47 Abs. 2a VwGO abweichenden Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 2 letzter Halbsatz BauGB enthält. Auch die Formulierung "soweit... Einwendungen geltend gemacht werden", macht den Betroffenen hinreichend deutlich, dass sie im Beteiligungsverfahren Einwendungen geltend machen müssen, um nach Abschluss des Planaufstellungsverfahrens zulässigerweise einen Normenkontrollantrag nach § 47 VwGO stellen zu können. Die dem Hinweis zukommende Warnfunktion ist erfüllt, da dem Betroffenen - insoweit unmissverständlich - verdeutlicht wird, dass verspätete Einwendungen zu prozessualen Nachteilen, nämlich der Unzulässigkeit eines späteren Normenkontrollantrags, führen können. Sie zielt erkennbar darauf ab, dem Betroffenen vor Augen zu führen, dass Einwendungen, die geltend gemacht werden können, auch rechtzeitig geltend zu machen sind, um die Konsequenz der Unzulässigkeit eines Normenkontrollantrags zu vermeiden. Ob das Wort "nur" oder "soweit" verwendet wird, ist insoweit ohne Belang. Insbesondere wird einem Betroffenen und potenziellen Antragsteller auf Grund eines den Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 2 letzter Halbsatz BauGB wiedergebenden Hinweises hinreichend deutlich gemacht, dass sein Normenkontrollantrag unzulässig ist, wenn er im Beteiligungsverfahren nicht rechtzeitig Einwendungen geltend macht, die er hätte geltend machen können, und dass er, wenn er nur einen Teil seiner Einwendungen nicht rechtzeitig geltend macht, nicht generell mit einem Normenkontrollantrag ausgeschlossen ist.

Können sich die Antragsteller hiermit im vorliegenden Verfahren auch auf bislang von ihnen nicht artikulierte Einwendungen gegen den Plan berufen, folgt aus ihrem diesbezüglichen Vortrag jedenfalls nicht, dass der strittige Plan offensichtlich unwirksam ist. (wird ausgeführt)



Ende der Entscheidung

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