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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 01.08.2003
Aktenzeichen: 7 B 968/03
Rechtsgebiete: BauGB, BauO NRW


Vorschriften:

BauGB § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2
BauO NRW § 75 Abs. 2
1. Wird einer Baugenehmigung für einen Ersatzbau i.S.v. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB die Nebenbestimmung beigefügt, das bestehende, im Eigentum des Bauherren stehende Gebäude, an dessen Stelle der Ersatzbau treten soll, abzubrechen, handelt es sich um eine selbständige Auflage, die eigenständig mit den Mitteln des Verwaltungszwangs vollstreckt werden kann.

2. Wird lediglich das Eigentum und auch die Bauherreneigenschaft bezüglich des Ersatzbaus auf einen Dritten übertragen, nicht hingegen auch das Eigentum an dem abzubrechenden Altbau, verbleibt die selbständige Abbruchverpflichtung - jedenfalls auch - bei dem Eigentümer des zu beseitigenden Altbaus.

3. Wird der Eigentümer des zu beseitigenden Altbaus von Miterben in einer ungeteilten Erbengemeinschaft beerbt, kann die Abbruchverpflichtung allein den Mitgliedern der Erbengemeinschaft gegenüber vollstreckt werden, auch wenn diese nicht Eigentümer und Bauherren des Ersatzbaus geworden sind.


Tatbestand:

Die Antragsteller wandten sich gegen eine Verfügung, mit der ihnen zur Befolgung der ihrem verstorbenen Vater in einer Baugenehmigung auferlegten Verpflichtung, ein bestehendes Gebäude abzubrechen, eine Frist gesetzt und ein Zwangsgeld angedroht wurde. Ihr Begehren auf einstweiligen Rechtsschutz hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg.

Gründe:

Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, gibt keinen Anlass, die Einschätzung des VG in Frage zu stellen, dass der Widerspruch der Antragsteller gegen die jedem Mitglied der Erbengemeinschaft gegenüber gesondert ergangenen Zwangsgeldandrohungen voraussichtlich erfolglos bleiben wird.

Zutreffend hat das VG das Vorliegen einer unanfechtbaren, die Antragsteller zum Abbruch des Wohnhauses B. Straße 9 verpflichtenden Grundverfügung bejaht, zu deren Vollstreckung die hier strittigen Zwangsgeldandrohungen erlassen werden konnten.

Die Bescheide des Antragsgegners vom 14./15.1.2003, mit denen den Antragstellern eine Frist zum Abbruch des Wohnhauses bis zum 14.3.2003 gesetzt und für den Fall der Nichtbefolgung jeweils ein Zwangsgeld von 2.000,-- € angedroht wurde, sind darauf gestützt, dass sich die Abbruchverpflichtung aus Nr. 2.3 der Nebenbestimmungen zu der dem Vater der Antragsteller erteilten Baugenehmigung vom 11.4.1990 ergibt und dass diese Verpflichtung auf die Antragsteller übergegangen ist, da sie nunmehr als Mitglieder einer Erbengemeinschaft Eigentümer der betreffenden Grundstücke geworden sind, auf denen das abzubrechende Haus steht. Diese Wertung trifft zu.

Bei der genannten Nebenbestimmung handelt es sich um eine selbständige Auflage zur Baugenehmigung vom 11.4.1990. Sie konnte der Baugenehmigung gemäß § 36 Abs. 1 VwVfG NRW zulässigerweise beigefügt werden, weil sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts - hier: der Baugenehmigung - erfüllt werden. Das mit der Baugenehmigung legalisierte Gebäude B. Straße 9a, das durch Umbau eines früheren Garagenbauwerks zum Wohnhaus entstanden ist, sollte nämlich als Ersatzbau gemäß § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB an die Stelle des als nicht mehr mit vertretbarem Aufwand renovierungsfähig angesehenen älteren Wohnhauses B. Straße 9 treten.

Eine solche Auflage, die eine Verpflichtung zu einem selbständigen, nicht unmittelbar mit der Realisierung des genehmigten Bauwerks verbundenen Tun begründet, steht neben der durch die Baugenehmigung als Hauptverwaltungsakt ausgesprochenen Regelung und ist daher eine selbständige hoheitliche Regelung. Sie kann demgemäss als ein auf ein Handeln gerichteter Verwaltungsakt eigenständig mit den Mitteln des Verwaltungszwangs vollstreckt werden.

Vgl. zu alledem: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 36 RdNrn. 32 und 38.

Adressat der Abbruchverpflichtung war zwar ursprünglich der zwischenzeitlich verstorbene Vater der Antragsteller, dem als Bauherren und Eigentümer des mit dem neuen Wohnhaus zu bebauenden Grundstücks die Baugenehmigung erteilt wurde. Die Verpflichtung zum Abbruch des Altbaus traf ihn jedoch als Eigentümer der Grundstücke, auf denen seinerzeit das abzubrechende Gebäude stand, das nach dem zur Baugenehmigung vom 11.4.1990 gehörigen Lageplan sich über die damaligen Flurstücke 22, 23 und 21 erstreckte. Nur in dieser Funktion konnte er zu dem - von ihm selbst zusätzlich auch durch Baulast übernommenen - Abbruch des Altbaus verpflichtet werden. Die Verknüpfung der Abbruchverpflichtung mit der Baugenehmigung konnte letztlich nur deshalb erfolgen, weil beide Adressaten, sowohl der Baugenehmigung als auch der Abbruchverpflichtung, identisch waren und der bereits genannte Sachzusammenhang einer Sicherstellung der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Baugenehmigung bestand.

Mit dem späteren Auseinanderfallen des Eigentums an dem Ersatzbau einerseits - dieser steht nach dem Vortrag der Antragsteller seit 1990 im Eigentum ihrer Schwester A. - und an dem Altbau andererseits - dieser steht auf den jetzigen Flurstücken 53, 57 und 55, die sich im Eigentum der Antragsteller als Erbengemeinschaft befinden - haben auch die Rechte und Pflichten aus der Baugenehmigung für den Ersatzbau einerseits und der ihr beigefügten selbständigen Auflage zum Abbruch des Altbaus andererseits unterschiedliche Adressaten erhalten. Soweit die Baugenehmigung den Ersatzbau legalisiert, sind die entsprechenden Rechte und Pflichten auf die neue Eigentümerin dieses Hauses, Frau A., übergegangen. Sie hat mit dem Eigentum an dem Gebäude zugleich auch die Stellung als Bauherrin übernommen, da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Eigentum und Bauherreneigenschaft künftig auseinanderfallen sollten.

Vgl. hierzu: Guckelberger, Rechtsnachfolgeprobleme im Baurecht, VerwArch 1999, 499 (500 f) m.w.N.

Die Baugenehmigung gilt gemäß § 75 Abs. 2 BauO NRW daher nunmehr ihr gegenüber.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass damit auch die Verpflichtung zum Abbruch des nicht in das Eigentum von Frau A. übergegangenen Altbaus ausschließlich auf diese übergegangen wäre. Bei der Abbruchverpflichtung handelt es sich, wie dargelegt, um eine selbständige hoheitliche Regelung, die einer eigenständigen Vollstreckung zugänglich ist. Zwar ist sie formal als Nebenbestimmung mit der Baugenehmigung verknüpft, ihr Regelungsgegenstand bezieht sich jedoch nicht auf die Errichtung und Unterhaltung des Ersatzbaus, sondern erfasst allein den Abbruch eines hiervon getrennten, einem eigenen rechtlichen Schicksal zugänglichen Gebäudes, nämlich des Altbaus. Der Sache nach steht die in die Baugenehmigung als Nebenbestimmung aufgenommene Abbruchverpflichtung einer gesonderten Abbruchverfügung gleich, die insoweit inhaltlich mit den in der Baugenehmigung getroffenen Regelungen verknüpft ist, als die Verpflichtung aufschiebend bedingt ist durch die Fertigstellung des von der Baugenehmigung erfassten Ersatzbaus. Fallen - wie hier - die Positionen des Eigentümers und Bauherren des Ersatzbaus einerseits und des mit dem Ziel der Beseitigung in Anspruch genommenen Eigentümers des zu beseitigenden Altbaus nachträglich auseinander, verbleibt die selbständige Abbruchverpflichtung jedenfalls auch bei dem Eigentümer des zu beseitigenden Altbaus. Dies war, da die Übertragung von Eigentum und Bauherreneigenschaft bezüglich des Ersatzbaus auf Frau A. vor dem Tod ihres Vaters (zugleich Vater der Antragsteller) erfolgt ist, zunächst weiterhin der Vater der Antragsteller als Eigentümer des Altbaus. Mit seinem Tod ging die Verpflichtung zum Abbruch, nicht anders als auch sonst die Pflicht bei selbständigen Abbruchverfügungen - vgl hierzu bereits: BVerwG, Urteil vom 22.1.1971 - IV C 62.66 - BRS 24 Nr. 193 -, auf seine Erben als Erbengemeinschaft über. Hierzu gehörte zunächst auch Frau A.. Mit ihrem Ausscheiden aus der Erbengemeinschaft gemäß Vergleich vom 12.1.2001 beschränkte sich die Verpflichtung hingegen auf die Antragsteller als verbleibende Mitglieder der Erbengemeinschaft, die zwar bebautes Grundeigentum geerbt hat, aber nur solches, das von vornherein mit der Verpflichtung zum Abriss des vorhandenen Altbaus belastet war.

Ist nach alledem die Verpflichtung zum Abbruch des Gebäudes auf die Antragsteller übergangen, konnte der Antragsgegner die als Grundverfügung im Sinne von § 55 Abs. 1 VwVG NRW zu wertende Nebenbestimmung 2.3 zur Baugenehmigung vom 11.4.1990 ihnen gegenüber vollstrecken. Die Nebenbestimmung war unanfechtbar geworden. Die aufschiebende Bedingung für das Entstehen der Abbruchverpflichtung - Fertigstellung des Ersatzbaus - war eingetreten und die dem Vater der Antragsteller gesetzte Frist - unverzüglich nach Fertigstellung des Ersatzbaus - war abgelaufen. Auch die weiteren Voraussetzungen für die Androhung des Zwangsmittels nach § 63 Abs. 1 VwVG NRW sind erfüllt, insbesondere ist den Antragstellern eine angemessene Frist im Sinne von Satz 2 der genannten Bestimmung gesetzt worden.

Ob daneben die Abbruchverpflichtung auch auf Frau A. als Rechtsnachfolgerin des Bauherren hinsichtlich des Ersatzbaus übergegangen ist, ist nicht entscheidungserheblich. Selbst wenn dem so wäre, brauchte der Antragsgegner sie hinsichtlich des Abbruchs des Altbaus nicht in Anspruch zu nehmen. Da nur die Antragsteller (Mit-) Eigentümer des abzubrechenden Gebäudes sind, ist es ermessensgerecht, die Verpflichtung allein ihnen gegenüber zu vollstrecken.

Ende der Entscheidung

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