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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 22.04.2005
Aktenzeichen: 7 D 11/05.NE
Rechtsgebiete: BauGB, BauNVO, 22. BImSchV


Vorschriften:

BauGB § 1 Abs. 7
BauNVO § 11
22. BImSchV
1. Führt die Auslegung einer eigentumsgestaltenden Bebauungsplanfestsetzung nach ihrem Wortlaut, Zusammenhang, Zweck und ihrer Entstehungs-geschichte zu keinem eindeutigen Ergebnis, kann ihre verfassungskonforme Auslegung geboten sein.

2. Setzt die Gemeinde ein Sondergebiet für großflächige (Einzel-)Handelsnutzungen fest, können Sortimentsbeschränkungen für zentrenrelevante und nicht zentrenrelevante Warensortimente städtebaulich gerechtfertigt sein, um die Nahversorgung oder integrierte Zentren von Nachbargemeinden zu schützen.

3. Festsetzungen eines Bebauungsplans können auch dann abwägungsgerecht sein, wenn infolge ihrer Ausnutzung durch den Erstbauenden das Maß baulicher Nutzbarkeit für den Zweitbauenden beschränkt ist.

4. Stellt die Gemeinde in die Prognose, wie das Verkehrsaufkommen eines Bebauungsplans bewältigt werden kann, einen rechtlich nicht verbindlich gesicherten Ausbau des Verkehrsnetzes ein, begründet dies keinen Prognosemangel, wenn jedenfalls eine noch hinreichende Verkehrsabwicklung gewährleistet ist.

5. Die in einem Bebauungsplan festgesetzte Geschossflächenzahl kann ein geeigneter Maßstab für die Prognose des zu erwartenden Verkehrsaufkommens sein.

6. Dem Gebot zureichender Abwägung der durch die 22. BImSchV in den Blick genommenen Immissionsschutzbelange genügt hinsichtlich der sich aus der allgemeinen Verkehrsentwicklung ergebenden Folgerungen eine Bebauungsplanung, die die Einhaltung der Grenzwerte den Verfahren der Luftreinhalteplanung überlässt.


Tatbestand:

Die Antragstellerin wandte sich gegen einen Bebauungsplan, der im Wesentlichen Sonder- und Gewerbegebiete sowie die sie erschließenden Straßen als öffentliche Verkehrsflächen festsetzte. Die Sondergebiete dienten großflächigen Einzelhandels- und Handelsbetrieben im Sinne des § 11 BauNVO. In ihnen waren Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude ausnahmsweise zulässig. Differenziert für die einzelnen Sondergebiete gab der Bebauungsplan die Quadratmeterzahl der Verkaufsfläche als Höchstgrenze vor, auf der zentrenrelevanter und/oder nicht zentrenrelevanter Einzelhandel zulässig war. Die textlichen Festsetzungen unterschieden für jedes Sondergebiet zwischen in m2 angegebenen Verkaufsflächen (VK) 1 und 2 und bestimmten: "Die Verkaufsfläche 1 (VK 1) ist als Höchstgrenze je Gebiet festgesetzt. In ihr ist sowohl zentrenrelevanter als auch nicht zentrenrelevanter Einzelhandel zulässig. Für Einzelhandelsbetriebe mit nicht zentrenrelevantem Kernsortiment ist eine Verkaufsfläche von maximal 700 m2 je Betrieb mit zentrenrelevantem Randsortiment zulässig (Nr. 2 Abs. 2 der textlichen Festsetzungen). Die Verkaufsfläche 2 (VK 2) ist als Höchstgrenze je Gebiet festgesetzt. In ihr ist ausschließlich nicht zentrenrelevanter Einzelhandel zulässig (Nr. 2 Abs. 3 der textlichen Festsetzungen)." Als zentrenrelevant war der Einzelhandel mit den zentrenrelevanten Sortimenten definiert, die in der Anlage 1, Teile A und B des Einzelhandelserlasses vom 7.5.1996, MBl. NRW 1996, 922 aufgeführt sind. "Hiervon ausgenommen sind die in Teil B der v. G. Anlage aufgeführten Sortimente, die durch Beschluss des Rates als nicht zentrenrelevant festgelegt werden (textliche Festsetzung Nr. 2 Abs. 4)." Der Bebauungsplan ordnete das Grundstück der Antragstellerin einem der Sondergebiete zu. Die Verkaufsfläche 1 war für dieses Sondergebiet mit 2.100 m2, die Verkaufsfläche 2 mit 40.300 m2 festgelegt.

Der Normenkontrollantrag hatte keinen Erfolg.

Gründe:

Die Festsetzungen sind hinreichend bestimmt und von einschlägigen Ermächtigungsgrundlagen getragen.

Soweit die Antragstellerin eine Ermächtigungsgrundlage für die angeblich dynamische Festsetzung unter Nr. 2 Abs. 4 Satz 2 der textlichen Festsetzungen vermisst, ist Folgendes auszuführen: Die Festsetzung bedarf der Auslegung. Für die Auslegung sind die anerkannten Auslegungsmethoden heranzuziehen, die die Auslegung aus dem Wortlaut der Norm (grammatische Auslegung), aus ihrem Zusammenhang (systematische Auslegung), aus ihrem Zweck (teleologische Auslegung) sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (historische Auslegung) umfassen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14.12.1995 - 4 N 2.95 -, BRS 57 Nr. 57.

Für die Auslegung ist in erster Linie ihr Wortlaut und der Sinnzusammenhang maßgebend. Erst wenn daraus allein keine Klarheit zu gewinnen ist, können Anhaltspunkte aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift Bedeutung erlangen. Auf die subjektiven Vorstellungen der den Bebauungsplan beschließenden Ratsmitglieder kommt es bei der (gerichtlichen) Ermittlung des Inhalts des Bebauungsplans jedoch nicht an.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.3.1987 - 4 B 33.87 -, Buchholz 406.11 § 10 BBauG Nr. 15, Urteil vom 21.8.1981 - 4 C 57.80 -, BRS 38 Nr. 37.

Führt die Auslegung nach den vorstehend genannten Auslegungsmethoden zu keinem eindeutigen Ergebnis, ist jedenfalls dann, wenn eine eigentumsgestaltende Festsetzung des Bebauungsplans in Rede steht, als Maßstab der Auslegung ferner zu berücksichtigen, dass die Norm zulässigerweise nur auf verfassungskonforme Festsetzungen gerichtet sein kann. Daher kann es insoweit geboten sein, eine Bebauungsplanfestsetzung verfassungskonform auszulegen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 11.3.1977 - IV C 32.76 -, Buchholz 406.11 § 9 BBauG Nr. 19; vgl. auch zur verfassungskonformen Handhabung: BVerwG, Beschluss vom 7.6.1996 - 4 B 91.96 -, BRS 58 Nr. 244.

Der Rat hat in Absatz 4 Satz 1 der genannten textlichen Festsetzung die Sortimente, denen er zentrenrelevante Bedeutung zuordnet, durch Bezugnahme auf die Anlage 1, Teile A und B des Einzelhandelserlasses NRW vom 7.5.1996, MBl NRW 1996, 922 eindeutig bestimmt. Mit Satz 2 der textlichen Festsetzung behält er sich vor, "durch Beschluss" Sortimente des Teils B der Anlage 1 zum Einzelhandelserlass abweichend von Satz 1 als nicht zentrenrelevant festzulegen. Der vor Erlass des Bebauungsplans ergangene Beschluss des Rates vom 15.6.1999 ist in Satz 2 nicht in Bezug genommen. Dem Wortlaut der textlichen Festsetzung nach sollen demnach künftige Ratsbeschlüsse in der Lage sein, neu zu bestimmen, welche Warensortimente als zentrenrelevant anzusehen sind. Der Wortlaut lässt jedoch offen und ist daher auslegungsfähig, welchen gesetzlichen Anforderungen der Beschluss genügen muss. Da ein entsprechender Ratsbeschluss den Inhalt der auf Grundlage der Bebauungsplanfestsetzungen möglichen baulichen Nutzbarkeiten ändern würde, ist er mit der ihm zugeordneten Folgewirkung nur dann rechtlich zulässig, wenn er auf Grundlage eines entsprechenden, auf Änderung des Bebauungsplans gerichteten Verfahrens ergeht. Mit dem in Satz 2 genannten Beschluss kann daher objektiv nur ein Satzungsbeschluss gemeint sein, der ein solches Bebauungsplanänderungsverfahren abschließt.

Der Bebauungsplan ist städtebaulich gerechtfertigt.

...

Die städtebauliche Rechtfertigung der Bebauungsplanung ergibt sich aus der Bebauungsplanbegründung. Danach dient der Bebauungsplan namentlich dazu, solchen Konflikten zu begegnen, die sich bei einer weiteren Entwicklung des überwiegend bebauten Plangebiets auf Grundlage des § 34 Abs. 1 BauGB ergeben würden. Die vorhandenen, teils großflächigen Einzelhandelsbetriebe entfalten zum Teil negative Auswirkungen auf die Entwicklung vorhandener Versorgungszentren in Nachbargemeinden und Stadtteilen. Um der Schädigung des Einzelhandels in den integrierten Versorgungsbereichen zu begegnen, beschränkt der Bebauungsplan die sonst bestehenden Nutzungsmöglichkeiten. Die beschränkenden Festsetzungen sind auch mit Blick auf die Auswirkungen auf das Verkehrsaufkommen getroffen worden. Mit diesen Erwägungen hat die Antragsgegnerin auf städtebaulich beachtliche Belange abgehoben.

...

Zur städtebaulichen Rechtfertigung der Sortimentsbeschränkung bedurfte es keiner auf die jeweiligen Warensortimente bezogenen Ermittlung, ob gewachsene Einzelhandelsstrukturen oder die Nahversorgung ohne die Überplanung gefährdet sind. Die Antragstellerin bezieht sich für ihre dahingehende Ansicht zu Unrecht auf das Urteil des 7a Senats des OVG NRW vom 3.12.2003 - 7a D 118/02.NE -. Dort ging es darum, ob hinreichende besondere städtebauliche Gründe im Sinne des § 1 Abs. 5, Abs. 9 BauNVO vorlagen, in einem Gewerbegebiet die nach der Baunutzungsverordnung dort allgemein zulässigen Nutzungen auszuschließen. Um eine vergleichbare Fallgestaltung geht es im vorliegenden Fall nicht. Hier geht es vielmehr darum, dass die Antragsgegnerin die Zulässigkeit solcher Nutzungen beschränken will, die (außer in Kerngebieten) nur in Sondergebieten zulässig sind. Maßgebend hierfür war nicht, ob Nutzungsausschlüsse gerechtfertigt sind, sondern ob - gewissermaßen umgekehrt - großflächige Einzelhandelsnutzungen der hier anzutreffenden Art und Quantität ermöglicht werden können, ohne die Nahversorgung oder integrierte Zentren der Nachbargemeinden zu beeinträchtigen. Die Planung in dieser Hinsicht rechtfertigende Erwägungen hat die Antragsgegnerin gutachterlich aufgearbeitet. Sie hat die "Zentrenrelevanz der SO-Festsetzungen" gutachterlich prüfen lassen. Danach war im März 2003 in den Sondergebieten eine Verkaufsfläche von rund 103.500 m2 vorhanden, wovon 39.300 m2 auf den zentrenrelevanten Bereich entfielen. Auf dieser Grundlage prognostizierte das Gutachten einen Umsatz von 238,2 Millionen Euro, davon 127,3 Millionen Euro im zentrenrelevanten Bereich. Hieraus folgerte nach den Ergebnissen des Gutachtens ein zentrenrelevanter Kaufkraftabfluss für die Nachbarstädte X. von 6,4 % und Y. von 5,9 %. Ortsteile der Gemeinde werden noch stärker betroffen (A. 14,3 %, B. 8,1 %, C. 7,3 %). Angesichts dieser Größenordnungen war städtebaulicher Handlungsbedarf gegeben. Bei einer nicht durch Bebauungsplan geplanten, d.h. hier begrenzten Ausdehnung des großflächigen Einzelhandels wären städtebaulich relevante Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche insbesondere der Nachbargemeinde zu befürchten gewesen, denen die Antragsgegnerin entgegentreten durfte.

Vgl. zu einer bei entsprechend gewichtigen Auswirkungen auf Nachbargemeinden bestehenden Planungspflicht: BVerwG, Urteil vom 17.9.2003 - 4 C 14.01 -, BRS 66 Nr. 1.

Aus dem vorstehenden Zusammenhang ergibt sich auch die städtebauliche Rechtfertigung der textlichen Festsetzung Nr. 2 Abs. 2 Satz 2. Ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb ohne Zentrenrelevanz kann je nach Größe des zentrenrelevanten Randsortiments selbst in gewissem Umfang durch die Kombination mit Angeboten, die zentrenrelevant sind, besondere Attraktivität erlangen, die durch die auf das Randsortiment bezogene Regelung der textlichen Festsetzung Nr. 2 Abs. 2 Satz 2 begrenzt wird. Die Regelung läuft auch nicht deshalb leer, weil zentrenrelevante Warenangebote auch durch großflächige Einzelhandelsbetriebe als Hauptsortiment angeboten werden können, und zwar auf einer Verkaufsfläche, die größer ist, als sie den großflächigen Einzelhandelsbetrieben ohne Zentrenrelvanz für deren jeweiliges Randsortiment zugestanden wird. Ungeachtet der Frage, ob ein solches großflächiges Einzelhandelsgeschäft die gleiche Attraktivität erlangen kann, wie ein Einzelhandelsgeschäft, das auf weit größerer Fläche zusätzlich nicht zentrenrelevante Waren anbietet, geht die dahingehende Erwägung der Antragstellerin aus einem weiteren Grunde fehl. Die Sondergebietsfestsetzungen erfassen bis auf einen Fall bebaute Bereiche. Dort sind vielfach großflächige Einzelhandelsbetriebe mit nicht zentrenrelevantem Hauptsortiment und zentrenrelevantem Randsortiment vorhanden. An den entsprechenden verwirklichten und genehmigten Nutzungen sind die Flächenfestsetzungen VK 1 und VK 2 orientiert. Mit anderen Worten ergibt sich erst dann die Möglichkeit, einen neuen großflächigen Einzelhandelsbetrieb mit zentrenrelevanten Sortimenten auf einer über 700 m2 hinausgehenden Fläche zu eröffnen, wenn andere Betriebe des jeweiligen Sondergebiets das sich durch die festgesetzte VK 1-Fläche ergebende Höchstmaß nicht (mehr) ausschöpfen. Im Falle vorhandener großflächiger Einzelhandelsbetriebe bedeutet dies, dass die Attraktivität eines solchen Gebiets insgesamt jedenfalls nicht erhöht wird.

Der Bebauungsplan genügt den Anforderungen des Abwägungsgebots.

...

Die Antragstellerin hält die Abwägung schon deshalb für fehlerhaft, weil es die Antragsgegnerin versäumt habe, konkret individuelle Feststellungen zu treffen, die der Festsetzung einer als Kappungsgrenze zu verstehenden Verkaufsflächenbegrenzung gemäß Nr. 2 Absatz 2 der textlichen Festsetzung vorausgehen müssten, um die von dieser Festsetzung betroffenen Belange des jeweiligen Einzelhandelsbetriebs sachgerecht abwägen zu können. Die Antragsgegnerin hat jedoch im Detail ermittelt, welche Verkaufsflächen im Bebauungsplangebiet vorhanden sind und ob diese zentrenrelevanten Sortimenten zuzuordnen sind oder nicht (vgl. den Ergebnisbericht einer empirischen Untersuchung über Verkaufsflächen und Kundenherkunftsbereiche des Einzelhandels im Gewerbegebiet, die auch das Grundstück der Antragstellerin erfassende Verkaufsflächenaufstellung sowie die Untersuchung zur "Zentrenrelevanz der SO-Festsetzungen"). Die Antragstellerin hält die Festsetzung von gebiets- und nicht grundstücksbezogenen Sortimentsbeschränkungen ferner deshalb für fehlerhaft, weil es von Vorhaben privater Dritter abhänge, ob das Maß zulässiger Nutzung ausgeschöpft werden könne. Sie knüpft damit der Sache nach an Ausführungen des 7a Senats des OVG NRW zur Frage an, ob es eine mit Art. 14 GG nicht zu vereinbarende und damit abwägungsfehlerhafte Bestimmung des Inhalts des Eigentums durch einen Bebauungsplan sein könne, wenn der in einem Bebauungsplangebiet Erstbauende durch die von ihm errichtete bauliche Anlage wegen an dieser Anlage anknüpfenden Bebauungsplanfestsetzungen vorgebe, in welchem Maß der Zweitbauende (noch) bauen darf. Der 7a Senat hat, an dieser Überlegung anknüpfend, eine Bebauungsplanfestsetzung als unwirksam angesehen, mit der bestimmt war, dass die Traufhöhe einer baulichen Anlage die Traufhöhe der Nachbarbebauung nicht überschreiten darf.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.12.1993 - 7a D 164/92.NE -.

Um eine vergleichbare Situation geht es hier nicht. Es kommt daher nicht darauf an, dass es die von der Antragstellerin formulierte Schranke für Festsetzungen eines Bebauungsplans in dieser Allgemeinheit ohnehin nicht gibt. Festsetzungen eines Bebauungsplans, die der Erstbauende nutzt, können durchaus in einer mit Art. 14 GG zu vereinbarenden Weise das Maß baulicher Nutzbarkeit für den Zweitbauenden beschränken. Etwa kann dies der Fall sein, wenn ein Bebauungsplan eine Doppelhausbebauung vorschreibt, der Erstbauende das zulässige Maß baulicher Nutzung jedoch nicht ausschöpft und der Zweitbauende dann an der Ausschöpfung des vollen Maßes baulicher Nutzung gehindert sein kann, um den Charakter eines Doppelhauses zu wahren.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 24.2.2000 - 4 C 12.98 -, BVerwGE 110, 355.

Um eine vergleichbare Konstellation geht es hier nicht, denn durch den Bebauungsplan sind im Wesentlichen bebaute Sondergebiete unter Berücksichtigung des vorhandenen Bestands überplant worden. Soweit die höchstzulässigen Verkaufsflächen ausgeschöpft sind, hat es hiermit sein Bewenden; der Erstbauende bestimmt die Möglichkeiten des Zweitbauenden nicht. Wenn Verkaufsflächen noch nicht ausgeschöpft sein sollten bzw. durch Aufgabe einer bisherigen Nutzung erneut genutzt werden können, geht es allenfalls um die Erweiterung des Bestandes, auf den die Antragsgegnerin die vorhandenen Betriebe im Wesentlichen beschränkt hat. Der Erstbauende bestimmt nicht die Nutzungsmöglichkeiten des Zweitbauenden, sondern infolge einer (teilweisen) Nutzungsaufgabe besteht die Chance, auf die gewissermaßen frei gewordenen Verkaufsflächen zuzugreifen. Hiergegen ist auch unter dem Blickwinkel des Art. 14 Abs. 1 GG nichts zu erinnern.

Vgl. im Ergebnis ebenso: OVG Rh.-Pf., Urteil vom 24.8.2000 - 1 C 11457/99 -, BRS 63 Nr. 83.

...

Der Rat hat sich hinreichend Klarheit über die verkehrlichen Folgewirkungen der Bebauungsplanung durch Einholung eines Verkehrsgutachtens verschafft. Das Gutachten genügt den Anforderungen, die an eine Prognose zu stellen sind. Das Gericht ist hinsichtlich der vom Rat zugrunde gelegten Prognose auf die Prüfung der Frage beschränkt, ob die Prognose in einer der Materie angemessen und methodisch einwandfreien Weise erarbeitet worden ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 7.7.1978 - 4 C 79.76 -, BVerwGE 56, 110 = BRS 33 Nr. 1, Beschluss vom 5.10.1990 - 4 CB 1.90 -, NVwZ-RR 1991, 129.

Zu berücksichtigen ist ferner, dass die prognostizierte Abschätzung hinsichtlich der zu prüfenden Belange relativ grob ausfallen durfte. Es ging bei der gutachterlichen Untersuchung um die Frage, ob die verkehrlichen Auswirkungen der Entwicklung des über den Bereich des Bebauungsplans hinaus gehenden Gewerbegebiets mit hinreichender Verkehrsqualität abgewickelt werden kann (vgl. Verkehrsprognose Seite 2). Da die Antragsgegnerin insoweit keinen bindenden gesetzlichen Vorgaben unterworfen ist, oblag es jedoch letztlich ihr zu entscheiden, welche Verkehrsqualität sie als noch hinnehmbar ansieht. So ist insbesondere die Erschließung des Gebiets des Bebauungsplans ungeachtet der Ergebnisse des Gutachtens nicht in Frage gestellt, sondern ist allenfalls fraglich, wie flüssig der Verkehr zu- und abgeführt werden kann. Es ist daher auch kein Mangel der Prognose, wenn diese das Verkehrsnetz betreffende Maßnahmen berücksichtigt, deren Umsetzung derzeit nicht verbindlich gesichert ist. Der Bebauungsplan selbst sieht keine Festsetzungen vor, die nicht ohne Umsetzung der das weitere Verkehrsnetz betreffenden Maßnahmen verwirklicht werden können. Als offen mag anzusehen sein, ob und wann die einzelnen von der Antragsgegnerin erwogenen Maßnahmen zur Verbesserung des Verkehrsnetzes außerhalb des Bebauungsplangebiets umgesetzt werden, beispielsweise wann die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen zur Absenkung der X-Straße unter die dortige Bahntrasse geschaffen werden. Kommt es (zunächst) nicht zur Umsetzung dieser oder anderer von der Antragsgegnerin verfolgter Maßnahmen zur Verbesserung ihres Verkehrsnetzes, wird das Verkehrsaufkommen des Gebiets des Bebauungsplans nicht schlechter bewältigt werden können, als dies ohne den Bebauungsplan der Fall ist, denn er eröffnet keine Nutzungen, die sich nicht derzeit schon jedenfalls auf Grundlage des § 34 BauGB ergeben. Soweit Mehrverkehr zu erwarten ist, rührt dieser im Wesentlichen aus den in der Verkehrsprognose berücksichtigten Gewerbegebieten in den südlich angrenzenden Bereichen her bzw. ergibt sich aus einem solchen Verkehrsaufkommen, das auch ohne Bebauungsplanung zu erwarten war. Die Nutzungsmöglichkeiten in den Bebauungsplangebieten werden jedoch nicht kurzfristig ausgeschöpft werden. Der Antragsgegnerin verbleibt daher ein zeitlicher Rahmen, in dem sie die von ihr in Übereinstimmung mit der Verkehrsprognose verfolgten Maßnahmen umsetzt. Selbst wenn es zwischenzeitlich zu gewissen vorübergehenden Beeinträchtigungen der Leistungsfähigkeit des Verkehrsnetzes kommen sollte, obliegt es letztlich der Antragsgegnerin, wie sie etwaigen Engpässen begegnet.

Die Verkehrsprognose ist ferner nicht deshalb ungeeignet, weil sie die durch den Bebauungsplan festgesetzte Geschossflächenzahl als Maßstab des erwarteten Verkehrsaufkommens angenommen hat. Die Geschossflächenzahl gibt gemäß § 20 Abs. 2 BauNVO an, wie viel Quadratmeter Geschossfläche je Quadratmeter Grundstücksfläche im Sinne des § 19 Abs. 3 BauNVO zulässig sind. Sie gibt damit einen Anhalt für das Maß baulicher Nutzbarkeit der Grundstücke. Auf dieses Maß konnte insoweit als geeigneter Maßstab der Verkehrsentwicklung abgestellt werden, als das Nutzungsmaß für das zu erwartende Verkehrsaufkommen aussagekräftig ist. Für die Gewerbegebiete sind keine anderweitigen Maßfestsetzungen getroffen, die die grundsätzliche Eignung der Geschossflächenzahl als Bezugspunkt der Prognose in Frage stellen würde. Allerdings sind in den Gewerbegebieten verschiedene Gewerbebetriebsarten zulässig, denen durchaus unterschiedliches Verkehrsaufkommen zuzuordnen sein kann. Ein auf die jeweilige Betriebsart abstellender Prognosemaßstab steht jedoch nicht zur Verfügung, da nicht absehbar ist, welche Betriebe sich in den Gewerbegebieten insbesondere des in weiten Bereichen noch nicht bebauten Bebauungsplans ansiedeln werden. Auch ist der auf die Geschossflächenzahl abstellende Prognosemaßstab nicht deshalb ungeeignet, weil das Bebauungsplangebiet Sondergebiete erfasst und deren Stellplatzbedarf je nach dem, ob es sich um einen Betrieb mit oder ohne zentrenrelevantem Warensortiment handelt, differieren dürfte (vgl. etwa die Erhebungen des Bay. Landesamtes für Umweltschutz unter Ziffer 5.4 der "Parkplatzlärmstudie", 4. Aufl. 2003). Regelmäßig ist großflächigen Einzelhandelsbetrieben mit oder ohne zentrenrelevantem Warensortiment jedenfalls ein höheres Verkehrsaufkommen zuzuordnen als den allermeisten Gewerbebetriebsarten. Darüber hinaus sieht der Bebauungsplan mit Ausnahme des Sondergebiets südlich der D-Straße keine neuen Sondergebiete vor, sondern orientiert seine Festsetzungen an den bestehenden Handelsbetrieben. Die Prognose der Verkehrszunahme, die sich im Wesentlichen aus den noch nicht ausgeschöpften baulichen Nutzungsmöglichkeiten der bebauten Gewerbegebiete, vor allem aber aus den noch unbebauten Gewerbegebieten südlich des Bebauungsplanbereichs ergibt, geht daher von einem derzeitigen Verkehrsaufkommen aus, dem ein anteilig höheres, den Sondergebieten zuzuordnendes Verkehrsaufkommen zugrunde liegt, als es sich bei einer reinen Gewerbegebietsnutzung ergeben würde. Das Gutachten prognostiziert daher unter Ansatz des auf die Geschossflächenzahl bezogenen Maßstabes eine eher höhere Verkehrsbelastung als sie sich bei einer betriebsbezogenen Betrachtung ergeben dürfte. Dies ist im Hinblick auf die vom Gutachter zu beantwortende Frage, ob sich das Verkehrsnetz als hinreichend leistungsfähig erweisen wird, unschädlich, führt nämlich dazu, dass das Gutachten im Ergebnis "auf der sicheren Seite" liegt.

...

Das dem Satzungsbeschluss zugrunde liegende Luftschadstoffgutachten ist nicht deshalb fehlerhaft, weil ihm lediglich ein Prognosehorizont bis zum Jahre 2005 zugrunde liegt. Die dem Gutachten zugrunde liegende 22. BImSchV sowie die zwischenzeitlich aufgehobene 23. BImSchV haben nicht geregelt, auf welchen Prognosezeitraum abzustellen ist. Da auch anderweitige Vorgaben fehlen, wäre die Entscheidung des Gutachters (und die des Rates der Antragsgegnerin), der Prognose das Jahr 2005 zugrunde zu legen, nur dann zu beanstanden, wenn sie sich als Ausdruck unsachlicher Erwägungen werten ließe.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.3.1996 - 4 A 10.95 -, NVwZ 1996, 1006.

Dies ist nicht der Fall. Für das Prognosejahr 2005 erwartete der Gutachter für das Bebauungsplangebiet außer für den Schadstoff PM 10 Verringerungen der Immissionen infolge der Änderungen der Fahrzeugflottenzusammensetzung sowie der Verflüssigung des Verkehrs auf der D-Straße. Hinsichtlich der PM 10-Belastung (so genannter Feinstaub) verweist er darauf, dass gegenüber den bestehenden Gegebenheiten ähnliche Belastungen zu erwarten seien, die detaillierte Einschätzung jedoch erst nach Abschluss laufender Forschungsarbeiten sowie weiterer in Zukunft verfügbarer Erfahrungen mit Messdaten möglich sein werde. Dabei hat der Gutachter in die auf das Prognosejahr 2005 abstellende Begutachtung allerdings bereits die geplante Entwicklung der Gewerbegebiete außerhalb des Gebiets des Bebauungsplans mit in das Gutachten einbezogen. Ein über das Jahr 2005 hinaus gehender Prognosezeitraum war von diesem Ausgangspunkt aus betrachtet nicht relevant. Luftschadstoffbelastungen können sich aus den in den Bebauungsplangebieten eröffneten Nutzungsmöglichkeiten ergeben, zum anderen auch daraus, dass der Bebauungsplan den Ausbau der Straße ermöglicht. Diese beiden Umstände hat der Gutachter berücksichtigt. Darüber hinaus kommt eine verstärkte Luftschadstoffbelastung dann in Betracht, wenn eine allgemeine nicht planbedingte Erhöhung des Verkehrsaufkommens eintritt. Eine solche Entwicklung musste nicht in die Abwägung der Antragsgegnerin eingestellt werden und daher auch nicht gutachterlich aufbereitet sein. Dem Gebot zureichender Abwägung der durch die 22. BImSchV in den Blick genommenen Immissionsschutzbelange ist bei sich aus der allgemeinen Verkehrsentwicklung ergebenden Folgerungen vielmehr regelmäßig dadurch genügt, dass der Rat die Einhaltung der Grenzwerte dem Verfahren der Luftreinhalteplanung und mithin der zuständigen Behörde überlässt.

Vgl. für die straßenrechtliche Planfeststellung: BVerwG, Urteile vom 26.5.2004 - 9 A 5.03 -, juris, und - 9 A 6.03 -, NVwZ 2004, 1237; Urteil vom 18.11.2004 - 4 CN 11.03 -, ZfBR 2005, 270.

Eine Situation, in der absehbar wäre, dass die Verwirklichung des Bebauungsplans die Möglichkeit ausschließt, die Einhaltung der maßgebenden Grenzwerte der 22. BImSchV mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung in einer mit dem Bebauungsplan zu vereinbarenden Weise zu sichern, ist nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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