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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 23.08.2007
Aktenzeichen: 7 D 113/05.NE
Rechtsgebiete: VwGO, 22. BImSchV


Vorschriften:

VwGO § 47 Abs. 2 Satz 1
22. BImSchV vom 11. 9. 2002 § 4 Abs. 2
Im Normenkontrollverfahren fehlt es an der Antragsbefugnis eines - außerhalb des Gebietes des streitigen Bebauungsplans gelegenen - Betriebes (Betonherstellung und -verarbeitung), wenn die Festsetzung von allgemeinen Wohngebieten im Plangebiet offensichtlich nicht dazu führt, dass der Betrieb (hier wegen Lärm- und Feinstaubimmissionen) mit solchen einschränkenden Anforderungen an seine Betriebsführung rechnen muss, die er nicht schon ohnehin aufgrund der vorhandenen, in einem reinen Wohngebiet gelegenen Wohnbebauung zu gewärtigen hat.
Tatbestand:

Die Antragstellerinnen betreiben auf ihrem Betriebsgrundstück seit etwa 40 Jahren ein industrielles Betonfertigteilewerk, dem eine Betonmischanlage angeschlossen ist. Sie wandten sich ohne Erfolg gegen einen Bebauungsplan der Antragsgegnerin, der im Anschluss an vorhandene Wohnbebauung weitere Wohnflächen ausweist.

Gründe:

Der Normenkontrollantrag ist bereits unzulässig.

Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Normenkontrollantrag jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Als Recht im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist auch das Recht auf gerechte Abwägung solcher privater Belange anzusehen, die für die Abwägung erheblich sind.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 24. 9. 1998 - 4 CN 2.98 -, BVerwGE 107, 215, 217 f. = BRS 60 Nr. 46 und vom 5. 11. 1999 - 4 CN 3.99 -, BRS 62 Nr. 50.

Macht der Antragsteller eine Verletzung des Abwägungsgebots geltend, so muss er einen eigenen Belang als verletzt benennen, der für die Abwägung zu beachten war. Nicht jeder private Belang ist in der Abwägung zu berücksichtigen, sondern nur solche, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben. Nicht abwägungsbeachtlich sind also insbesondere geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. 9. 1998, a.a.O.

Nach diesen Maßstäben ist der Normenkontrollantrag unzulässig.

Die Antragstellerinnen berufen sich auf die uneingeschränkte Nutzung ihres Betriebsgrundstücks, ohne hierbei auf heranrückende immissionsempfindliche Wohnnutzung Rücksicht nehmen zu müssen. Dieser private Belang werde durch die heranrückende Wohnbebauung im Plangebiet tangiert. Hieraus ergibt sich die erforderliche Antragsbefugnis aber nicht.

Allerdings gehört zu den bei der Aufstellung eines Bebauungsplans für ein Wohngebiet zu berücksichtigenden Belangen grundsätzlich auch das Interesse eines in der Nachbarschaft rechtmäßigerweise vorhandenen emittierenden Betriebes, vor einschränkenden Anforderungen an seine Betriebsführung zum Schutz der aufgrund der planerischen Ausweisung heranrückenden schutzbedürftigen Wohnbebauung gesichert zu bleiben.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. 2. 1991 - 4 NB 25.89 -, BRS 52 Nr. 39.

Dies gilt jedoch dann nicht, wenn offensichtlich ausgeschlossen ist, dass die Festsetzungen des angegriffenen Bebauungsplans für zukünftige Betriebsbeschränkungen und damit für eine Betroffenheit von Rechten des Antragstellers ursächlich sein können. Ob ein Bebauungsplan oder dessen Anwendung zu einer Rechtsverletzung (zumindest in absehbarer Zeit) führen kann, lässt sich im gegebenen Zusammenhang nur durch einen Vergleich der Rechtslage vor Erlass des Bebauungsplanes mit der durch ihn geschaffenen Rechtslage beantworten. Lässt der Bebauungsplan die bisher geltende Rechtslage hinsichtlich der von dem Antragsteller geltend gemachten Rechtsposition unberührt, fehlt es an der notwendigen Ursächlichkeit.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. 2. 1997 - 7a D 93/95.NE -, juris, Rn. 58 f.

So liegt der Fall hier. Die Festsetzung von allgemeinen Wohngebieten im Plangebiet führt offensichtlich nicht dazu, dass die Antragstellerinnen mit solchen einschränkenden Anforderungen an ihre Betriebsführung rechnen müssen, die sie nicht schon ohnehin aufgrund der vorhandenen Wohnbebauung - insbesondere an der Westseite der L-Straße - zu gewärtigen haben.

Entlang der Westseite der L-Straße erstreckt sich überwiegend in einer Bebauungstiefe von bis zu 50 m Wohnbebauung. Im mittleren, dem Betriebsgrundstück der Antragstellerinnen nächstgelegenen Bereich, setzt der Bebauungsplan Nr. 545 ein reines Wohngebiet fest. Die kürzeste Entfernung von dieser Wohnbebauung bis zum Betriebsgrundstück beträgt etwa 110 m und bis zu den nächstgelegenen Betriebsgebäuden etwa 210 m. Die entsprechenden Entfernungen zu den im hier streitigen Bebauungsplan festgesetzten allgemeinen Wohngebieten betragen dagegen etwa 220 m bzw. 260 m.

Sofern daher das Betriebsgeschehen der Antragstellerinnen wegen der Lärmemissionen zu einer Überschreitung von immissionsschutzrechtlichen Grenzwerten führt, würde sich dies zwangsläufig zuerst an der näher gelegenen Wohnbebauung an der L-Straße bemerkbar machen, die ebenfalls nicht durch den Lärmschutzwall vor betrieblichen Immissionen geschützt wird. Dies wird durch die vorgenommene Schallausbreitungsberechnung bestätigt. Danach ergibt sich durch die Gewerbeimmissionen tags an der Rückseite der Wohnbebauung an der L-Straße ein Pegel von nahezu 45 dB(A), während die Entfernung der im streitigen Bebauungsplan festgesetzten allgemeinen Wohngebiete bis zu dem Bereich, in dem mit Werten von 45 dB(A) zu rechnen ist, noch etwa 80 m beträgt. Zweifel an der Richtigkeit der Ausbreitungsberechnung sind weder geltend gemacht worden noch sonst erkennbar.

Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Vorbringen der Antragstellerinnen in der mündlichen Verhandlung. Danach sollen die am südwestlichen Rand des Betriebsgrundstücks gelegenen Gebäude zukünftig möglicherweise (lärm-)intensiver genutzt werden. Zwar liegen diese Betriebsgebäude teilweise geringfügig - etwa 10 m - näher zu den im Plangebiet festgesetzten allgemeinen Wohngebieten als zur vorhandenen Wohnbebauung an der L-Straße. Dies führt jedoch nicht dazu, dass die Antragstellerinnen gerade deshalb Einschränkungen in ihrer Betriebsführung befürchten müssen. Denn es bleibt dabei, dass die Bebauung an der L-Straße Teil eines reinen Wohngebietes ist und daher dort ein um 5 dB(A) niedrigerer Orientierungs- bzw. Richtwert gilt (vgl. Beiblatt 1 zur DIN 18005-1 "Schallschutz im Städtebau" bzw. Nr. 6.1 TA Lärm). Bei einem solchen Unterschied hinsichtlich der Schutzwürdigkeit der Wohngebiete wirkt sich der marginale Unterschied bei der Entfernung aber offensichtlich nicht aus.

Hinsichtlich der geltend gemachten Belastung des Plangebietes mit Feinstaub ist zunächst festzustellen, dass die in der mündlichen Verhandlung von den Antragstellerinnen behauptete Grenzwertüberschreitung keineswegs gesichert ist. Das Gegenteil ist der Fall. Der 1997 von der Antragsgegnerin für den Parameter Schwebstaub über einen Zeitraum von 4 Wochen in einer eher immissionsträchtigeren Jahreszeit ermittelte Mittelwert von 41,8 µg/m³ lässt vielmehr den Schluss zu, dass der nach § 4 Abs. 2 der 22. BImSchV vom 11. 9. 2002 (BGBl. I S. 3626) ab dem 1. 1. 2005 für den Schutz der menschlichen Gesundheit geltende Immissionsgrenzwert von 40 µg/m³ für PM10 (Feinstaub) seinerzeit deutlich unterschritten wurde. In der Regel ist nämlich davon auszugehen, dass der PM10-Anteil am Schwebstaub bei unter 70 % liegt.

Vgl. Umweltbundesamt, Hintergrundpapier zum Thema Staub/Feinstaub (PM), März 2005, S. 6; Umweltbericht Nordrhein-Westfalen 2006, S. 52.

Der 1997 ermittelte Wert für Schwebstaub lässt daher auf einen PM10-Immissionswert von unter 30 µg/m³ schließen. Der Umstand, dass die Messwerte aus 1996 stammen, spricht im Übrigen dafür, dass die tatsächliche Belastung im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses eher niedriger - und nicht höher - gewesen ist, weil sich die Staubbelastung in den letzten Jahren kontinuierlich verringert hat.

Vgl. etwa Umweltbericht Nordrhein-Westfalen 2006, S. 51, Abbildung 1.3-15.

Unabhängig davon kann auch hinsichtlich des Feinstaubs offensichtlich ausgeschlossen werden, dass sich eine entsprechende Belastung zuerst im Plangebiet bemerkbar machen würde. Entscheidend ist hierbei, dass das Plangebiet südlich des Betriebes liegt, die Hauptwindrichtung aber West / Südwest / Süd ist. Da die Ausbreitung von Feinstaub wesentlich von der Windrichtung bzw. Windstärke abhängt, bedeutet dies, dass eine von dem Betrieb der Antragstellerinnen ausgehende Belastung im Plangebiet eher auszuschließen ist. Jedenfalls wird eine solche Feinstaub-Belastung an der nördlich des Betriebes gelegenen T-Straße bzw. an der östlich gelegenen L-Straße deutlich höher sein. Eventuelle Betriebsbeschränkungen wegen überhöhter Feinstaubwerte würden daher offensichtlich auf eine Belastung dieses Bereichs und nicht auf eine Belastung des Plangebietes zurückzuführen sein.

Sofern die Antragstellerinnen in der mündlichen Verhandlung noch auf die von ihrem Betrieb ausgehenden Erschütterungen verwiesen haben, ist weder dargelegt noch sonst ansatzweise erkennbar, dass solche Erschütterungen sich in einem beachtlichen Maße über eine Entfernung von mehr als 200 m bis zum Plangebiet übertragen.

Insgesamt ist es somit offensichtlich, dass der Betrieb der Antragstellerinnen - wenn überhaupt - bereits wegen der bestehenden (teilweise schutzwürdigeren) Wohnbebauung Betriebsbeschränkungen befürchten müsste, nicht aber gerade wegen der Ausweisung von Wohngebieten im Gebiet des streitigen Bebauungsplans.

Dies alles hat auch die Antragsgegnerin erkannt und in der vom Rat zur Kenntnis genommenen Vorlage zum Satzungsbeschluss zutreffend näher ausgeführt.

Ende der Entscheidung

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