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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 27.11.2006
Aktenzeichen: 7 D 118/05.NE
Rechtsgebiete: BauGB, BauNVO


Vorschriften:

BauGB § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
BauGB 233 Abs. 2 Satz 1
BauGB 233 Abs. 2 Satz 3
BauNVO § 1 Abs. 5
BauNVO § 1 Abs. 6
BauNVO § 1 Abs. 7
BauNVO § 1 Abs. 8
BauNVO § 1 Abs. 9
BauNVO § 4a
1. Ein Normenkontrollantrag ist - ausnahmsweise - wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses teilweise unzulässig, wenn der Antragsteller solche ihn nicht berührenden Teile eines Bebauungsplans angreift, die schon auf Grund vorläufiger Prüfung offensichtlich abtrennbar und selbständig lebensfähig sind.

2. Zu den Voraussetzungen für die Ausweisung sowie horizontale und vertikale Differenzierung eines besonderen Wohngebiets.

3. Für die Festsetzung in einem Bebauungsplan, dass bestimmte bauliche Anlagen nur ausnahmsweise zulässig sind, wenn sie nicht zu einer merkbaren Erhöhung der Immissionen (Lärm, Gerüche) führen und sonstige öffentliche Belange nicht entgegenstehen, gibt es keine Rechtsgrundlage.

4. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB in der Fassung des EAG Bau ist auch auf solche Bebauungspläne entsprechend anzuwenden, die vor Inkrafttreten des EAG Bau in Kraft getreten sind.

5. Zu den Voraussetzungen, unter denen von der Planung berührte Belange in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden sind.

6. Es ist sachgerecht, die für die Berücksichtigung des Schallschutzes bei der städtebaulichen Planung relevanten Immissionen des Straßen- und Schienenverkehrslärms gemäß DIN 18005 in Verbindung mit der RLS 90 bzw. Schall 03 rechnerisch zu ermitteln.

7. Zur Reichweite und den Grenzen des durch eine Baugenehmigung vermittelten baurechtlichen Bestandsschutzes.


Tatbestand:

Die Antragstellerin wandte sich gegen den Bebauungsplan ... der Antragsgegnerin, weil dieser u.a. für das Grundstück, auf dem die Antragstellerin eine Cocktail-Bar betreibt, Schank- und Speisewirtschaften ausschließt. Der Normenkontrollantrag hatte im Wesentlichen keinen Erfolg.

Gründe:

Der Normenkontrollantrag ist unzulässig, soweit die Antragstellerin mit ihrem Angriff gegen den gesamten Bebauungsplan über das südlich der N.-Straße und des S.-Platzes festgesetzte besondere Wohngebiet hinaus auch die Festsetzungen für das im nördlichen Planbereich ausgewiesene allgemeine Wohngebiet angreift.

Zwar hat die Abtrennbarkeit von Teilen eines angegriffenen Bebauungsplans und eine daraus folgende bloße Teilunwirksamkeit (früher: Teilnichtigkeit) der Satzung regelmäßig keine Auswirkungen auf die Antragsbefugnis eines Antragstellers, der die für die Zulässigkeit des Normenkontrollantrags erforderliche Rechtsverletzung (früher: Nachteil) geltend macht. Damit ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass in Fällen, in denen ein als einheitliche Satzung beschlossener Bebauungsplan aus zwei oder mehreren Teilregelungen besteht, die offensichtlich unabhängig voneinander selbständig bestehen bleiben können, ein gegen den gesamten Bebauungsplan gerichteter Normenkontrollantrag teilweise wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig ist. So greift ein Antragsteller mit einem umfassenden Antrag trotz Darlegung einer Rechtsverletzung ausnahmsweise mit der Folge der (teilweisen) Unzulässigkeit dann zu weit, wenn er auch solche ihn nicht berührenden Teile des Bebauungsplans miteinbezieht, die sich schon aufgrund vorläufiger Prüfung offensichtlich und damit auch für den Antragsteller erkennbar als abtrennbare und selbständig lebensfähige Teile einer unter dem Dach eines einheitlichen Bebauungsplans zusammengefassten Gesamtregelung darstellen.

Vgl.: BVerwG, Beschluss vom 4.6.1991 - 4 NB 35.89 -, BRS 52 Nr. 9 m.w.N..

So liegt der Fall hier.

Bereits ein Blick auf die Planurkunde des strittigen Bebauungsplans zeigt, dass dieser aus mehreren klar voneinander abgegrenzten selbständigen Regelungsbereichen besteht. Etwa die Hälfte des Plangebiets, ist als ein in sich - horizontal und vertikal - differenziertes besonderes Wohngebiet nach § 4a BauNVO ausgewiesen. Demgegenüber ist die nördliche Hälfte des Plangebiets als ein wiederum in sich - horizontal und vertikal - differenziertes allgemeines Wohngebiet nach § 4 BauNVO ausgewiesen, in das die Gemeinbedarfsfläche der Schule eingestreut ist. Schon diese unterschiedlichen planerischen Ausweisungen des südlichen Planbereichs einerseits und des nördlichen Planbereichs andererseits lassen ohne weiteres erkennen, dass nach der dem Plan ablesbaren Konzeption der Antragstellerin beide Teilbereiche ein eigenständiges städtebauliches Schicksal haben können und sollen. (wird ausgeführt)

Die Antragstellerin wird auch ausschließlich durch die für das besondere Wohngebiet getroffenen Festsetzungen berührt, so dass sie mit ihrem den nördlichen Bereich des Plangebiets mit erfassenden Normenkontrollantrag - ausnahmsweise - unzulässigerweise zu weit greift. Das Grundstück, auf dem sie ihre Bar betreibt, gehört, wie sie selbst betont, zu dem einheitlichen südlichen Bereich. Ob die dort zur Art der baulichen Nutzung getroffenen Festsetzungen den an sie zu stellenden rechtlichen Anforderungen genügen, hängt ausschließlich davon ab, ob die Ausweisung eines besonderen Wohngebiets für den südlichen Planbereich einschließlich der hierfür vorgenommenen horizontalen und vertikalen Differenzierungen und sonstigen Regelungen zu beanstanden ist oder nicht. Für die Rechtsposition der Antragstellerin unerheblich ist hingegen, ob der nördliche Planbereich zu Recht als allgemeines Wohngebiet ausgewiesen ist und die dort vorgenommenen Feindifferenzierungen und sonstigen Regelungen, mögen sie teilweise auch mit Regelungen für das besondere Wohngebiet übereinstimmen, zu beanstanden sind oder nicht.

Erweist sich nach alledem der Normenkontrollantrag nur insoweit als zulässig, als die Antragstellerin die Festsetzungen für das im südlichen Planbereich ausgewiesene besondere Wohngebiet angreift, sind auch nur die für diesen räumlichen Bereich des Plangebiets getroffenen Festsetzungen vom Senat weiter zu prüfen. Diese Prüfung führt zu dem Ergebnis, dass nur einzelne, aus dem gesamten Regelungsgeflecht abtrennbare Festsetzungen zu beanstanden sind, der Normenkontrollantrag im Übrigen - soweit er zulässig ist - aber unbegründet ist.

Formelle Mängel des strittigen Plans und Verfahrensfehler, die auch ohne Rüge beachtlich sind, sind nicht ersichtlich. Mängel, die nur auf Rüge beachtlich sind, wurden nicht gerügt.

Auch in materieller Hinsicht ist der Plan, soweit er vom Senat zu prüfen ist, weitgehend nicht zu beanstanden.

Die nach § 1 Abs. 3 BauGB erforderliche grundsätzliche städtebauliche Rechtfertigung der Planung steht außer Streit.

Die für den hier allein zu betrachtenden südlichen Planbereich getroffenen Festsetzungen sind im Wesentlichen auch von hinreichenden Ermächtigungsgrundlagen getragen.

Nicht zu beanstanden ist insbesondere die Kernentscheidung der Antragsgegnerin, den gesamten südlichen Bereich als besonderes Wohngebiet im Sinne von § 4a BauNVO auszuweisen. Nach Absatz 1 Satz 1 der genannten Vorschrift sind besondere Wohngebiete überwiegend bebaute Gebiete, die aufgrund ausgeübter Wohnnutzung und vorhandener sonstiger in Absatz 2 dieser Vorschrift genannter Anlagen eine besondere Eigenart aufweisen und in denen unter Berücksichtigung dieser Eigenart die Wohnnutzung erhalten und fortentwickelt werden soll. Diese Voraussetzungen liegen für den genannten südlichen Bereich des strittigen Bebauungsplans vor.

Dass der betroffene Bereich "überwiegend bebaut"

- zu diesem auch in § 1 Abs. 10 BauNVO enthaltenen Tatbestandsmerkmal vgl.: BVerwG, Beschluss vom 6.3.2002 - 4 BN 11.02 -, BRS 65 Nr. 41 -

ist, unterliegt angesichts der Dichte und Geschlossenheit der im hier betrachteten Planbereich vorhandenen Bebauung keinem Zweifel und bedarf keiner weiteren Erörterung.

Der Planbereich weist auch die für eine Ausweisung als besonderes Wohngebiet erforderliche "besondere Eigenart" auf. Nach der im Planaufstellungsverfahren durchgeführten umfassenden Bestandsaufnahme, deren Richtigkeit durch die vom Berichterstatter des Senats durchgeführte Ortsbesichtigung im Wesentlichen bestätigt worden ist, sind im hier betrachteten Planbereich zahlreiche - flächenmäßig sogar weit überwiegende - Wohnnutzungen vorhanden. Anzutreffen sind ferner diverse Nutzungen, die in § 4a Abs. 2 Nrn. 2 bis 5 BauNVO aufgelistet sind. Dabei handelt es sich in erster Linie um Schank- und Speisewirtschaften sowie Läden (§ 4a Abs. 2 Nr. 2 BauNVO), aber auch um vereinzelte sonstige Gewerbebetriebe (§ 4a Abs. 2 Nr. 3 BauNVO). Dass in einem als besonderes Wohngebiet auszuweisenden Bereich alle der in § 4a Abs. 2 BauNVO genannten wohnfremden Nutzungsarten vorhanden sein müssen, gibt § 4a Abs. 1 Satz 1 BauNVO nicht vor. Erforderlich ist jedoch, dass die vorhandene Struktur in dem Sinne "besonders" sein muss, als die tatsächlichen Verhältnisse eine anderweitige Festsetzung des Gebiets, beispielsweise als allgemeines Wohngebiet, gerade nicht erlauben.

So ausdrücklich: BVerwG, Beschluss vom 24.1.1992 - 4 B 228.91 -, Buchholz 406.12 § 4a BauNVO Nr. 2; vgl. ferner: Nds. OVG, Beschluss vom 5.4.2000 - 1 K 4846/98 -, BRS 63 Nr. 71.

Auch diese Voraussetzung ist hier zu bejahen.

Von einer Qualifizierung der Bebauung entlang der A.-Straße in dem hier in Rede stehenden Abschnitt als eines faktischen Kerngebiets kann keine Rede sein. Kennzeichnend für ein Kerngebiet ist nach § 7 Abs. 1 BauNVO, dass es "vorwiegend" der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur dient. Hier fehlt es bereits an irgendwelchen "zentralen Einrichtungen" der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur. Bei den vorhandenen vereinzelten Handelsbetrieben handelt es sich ferner nur um einzelne kleinere Läden, die keineswegs eine kerngebietstypische (vgl. etwa § 11 Abs. 3 Satz 1 BauNVO) Struktur aufweisen. Hinzu kommt, dass auch an der A.-Straße wohnfremde Nutzung weit überwiegend nur in den Erdgeschossen der zumeist bis zu 5-geschossigen Häuser anzutreffen sind, während in den darüber liegenden Geschossen im Wesentlichen nur gewohnt wird. Ein solch hoher Anteil an Wohnnutzungen steht regelmäßig gleichfalls einer Qualifizierung des betroffenen Bereichs als eines faktischen Kerngebiets entgegen.

Dass der hier betrachtete südliche Planbereich schon wegen der weit reichenden wohnfremden Nutzungen namentlich in den Erdgeschossen der Häuser nicht als allgemeines Wohngebiet qualifiziert werden kann, liegt auf der Hand. Ebenso scheidet eine Qualifizierung des Bereichs als eines Mischgebiets aus. Ein solches dient gemäß § 6 Abs. 1 BauNVO dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören. Es ist damit gekennzeichnet durch eine sowohl qualitativ als auch quantitativ zu verstehende Durchmischung von Wohnen und nicht wesentlich störendem Gewerbe.

Vgl.: BVerwG, Urteil vom 4.5.1988 - 4 C 34.86 -, BRS 48 Nr. 37.

Auch davon kann bei der Bebauung entlang der A.-Straße und erst recht bei der Bebauung des gesamten hier als Einheit zu betrachtenden südlichen Planbereichs schon deshalb keine Rede sein, weil die Wohnnutzung in den zumeist vier Obergeschossen der Häuser gegenüber den noch nicht einmal überall in den Erdgeschossen anzutreffenden wohnfremden Nutzungen weit überwiegt.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass der als besonderes Wohngebiet ausgewiesene Bereich in der Tat, wie die Antragsgegnerin im Planverfahren angenommen hat, eine besondere Eigenart aufweist, die seine entsprechende planerische Ausweisung nach § 4a BauNVO trägt. Es handelt sich um einen der klassischen innerstädtischen Bereiche, für die sich eine solche Ausweisung geradezu aufdrängt, wenn die betreffende Gemeinde in dem Bereich unter Berücksichtigung seiner besonderen Eigenart die Wohnnutzung erhalten und fortentwickeln will. Dies gilt umso mehr, als eine Anwendung von § 4a BauNVO im Rahmen des § 34 Abs. 2 BauGB, mithin die Annahme eines faktischen besonderen Wohngebiets, ausscheidet - vgl. hierzu: BVerwG, Beschluss vom 11.12.1992 - 4 B 209.92 -, NVwZ 1993, 1100 - und die Zielsetzung der Erhaltung und Fortentwicklung der Wohnnutzung in einer bestimmten, nicht in die Kategorien der klassischen Baugebiete passenden Eigenart des Gebiets nur mit den Mitteln der verbindlichen Bauleitplanung, nicht aber bei einer Anwendbarkeit von § 34 BauGB verfolgt werden kann.

Dass auch die letztgenannte Voraussetzung für die Ausweisung eines besonderen Wohngebiets - Erhaltung und Fortentwicklung der Wohnnutzung - vorliegt, folgt schon daraus, dass die Antragsgegnerin von der besonderen Festsetzungsmöglichkeit des § 4a Abs. 4 Nr. 2 BauNVO Gebrauch gemacht und für das gesamte ausgewiesene besondere Wohngebiet im Einzelnen differenziert festgesetzt hat, dass oberhalb bestimmter Geschosse nur Wohnungen zulässig sind.

Im Wesentlichen von hinreichenden Ermächtigungsgrundlagen gedeckt sind auch die diversen Differenzierungen, mit denen das besondere Wohngebiet in die WB/1 bis WB/5-Bereiche aufgeteilt ist. Die Antragsgegnerin hat sich insoweit des Instrumentariums des § 1 Abs. 5 bis 9 BauNVO sowie ergänzend hierzu auch des § 4a Abs. 4 Nr. 1 BauNVO bedient.

Die genannten Vorschriften lassen es insbesondere zu,

- bestimmte Arten von an sich nach § 4a Abs. 2 BauNVO zulässigen Nutzungen im Baugebiet auszuschließen oder für ausnahmsweise zulässig zu erklären (§ 1 Abs. 5 BauNVO),

- bestimmte Arten von an sich nach § 4a Abs. 3 zulässigen Ausnahmen auszuschließen (§ 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO),

- die allgemein oder ausnahmsweise zulässigen Nutzungen nur für bestimmte Geschosse zuzulassen (§ 1 Abs. 7 BauNVO),

- diese Differenzierungen auch auf Teile des Baugebiets zu beschränken (§ 1 Abs. 8 BauNVO),

- die vorstehenden Differenzierungen auch nur für bestimmte Arten von Anlagen vorzusehen (§ 1 Abs. 9 BauNVO) sowie

- oberhalb eines im Bebauungsplan bestimmten Geschosses nur Wohnungen zuzulassen (§ 4a Abs. 4 Nr. 1 BauNVO).

Dass all diese Feindifferenzierungen aus städtebaulichen Gründen erfolgen müssen, folgt bereits aus § 9 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Soweit die genannten Vorschriften darüber hinaus Feindifferenzierungen nur aus "besonderen städtebaulichen Gründen" (vgl. § 1 Abs. 7 und 9 sowie § 4a Abs. 4 BauNVO) zulassen, bedeutet dies nicht, dass die Gründe von größerem oder zusätzlichem Gewicht sein müssen. Vielmehr ist mit "besonderen" städtebaulichen Gründen nur gemeint, dass es im Einzelfall spezielle Gründe für die noch feinere Ausdifferenzierung der zulässigen Nutzungen geben muss.

So zu § 1 Abs. 9 BauNVO im Verhältnis zu § 1 Abs. 5 BauNVO ausdrücklich: BVerwG, Urteil vom 22.5.1987 - 4 C 77.84 -, BRS 47 Nr. 58.

Schließlich setzen alle diese Feindifferenzierungen - auch wenn dies in einzelnen der genannten Normen nicht ausdrücklich verlautbart ist - voraus, dass die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebietstyps für den Gesamtbereich des betroffenen Baugebiets gewahrt sein muss.

Vgl. hierzu: BVerwG, Beschluss vom 22.12.1989 - 4 NB 32.89 -, BRS 49 Nr. 74.

Gemessen an diesen Maßstäben sind die für das besondere Wohngebiet festgesetzten Feindifferenzierungen - abgesehen von den nachfolgend noch gesondert zu betrachtenden Regelungen der jeweiligen "wenn"-Sätze in Nr. 8 Buchstabe b und Nr. 14 der textlichen Festsetzungen des strittigen Bebauungsplans - im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit der jeweiligen Rechtsgrundlage und der insoweit erforderlichen städtebaulichen Rechtfertigung nicht zu beanstanden.

Den horizontalen und vertikalen Feindifferenzierungen des besonderen Wohngebiets liegt folgendes Grundraster zugrunde (wird ausgeführt).

Diesem Grundraster liegt ersichtlich die städtebauliche Zielsetzung zugrunde, dass insbesondere die zahlreichen Schank- und Speisewirtschaften künftig nur noch an den verkehrlich hoch belasteten Straßenzügen zulässig sein und im Übrigen nur noch passiven Bestandsschutz genießen sollen. Dies wird schon daran deutlich, dass es sich bei den betreffenden Bauzeilen mit zulässigen Gaststätten pp. weitgehend um solche handelt, für die nach den Festsetzungen zum passiven Schallschutz (Nr. 2 Buchstabe a der textlichen Festsetzungen in Verbindung mit den Eintragungen der Lärmpegelbereiche in der Planzeichnung) die Lärmpegelbereiche 5 bis 7 einschlägig sind.

Das vorgenannte Grundraster wird dahin ergänzt, dass in den Bereichen WB/2 bis WB/4, in denen namentlich Schank- und Speisewirtschaften und Läden (außer Sex-Shops) allgemein zulässig sind, zusätzlich Vergnügungsstätten mit Darbietungen sexuellen Charakters sowie die Ausnahmen nach § 4a Abs. 3 Nr. 3 BauNVO (Tankstellen) ausgeschlossen und für die Wohnnutzungen unterschiedliche Regelungen getroffen sind.

Zusammenfassend betrachtet ist die städtebauliche Grundentscheidung der Antragsgegnerin, im Bereich ... die die besondere Eigenart dieses Gebiets ausmachenden zahlreichen Schank- und Speisewirtschaften sowie sonstigen Betriebe des Ausgeh- und Vergnügungsbereichs im Wesentlichen auf die ohnehin verkehrlich vorbelasteten Straßenzüge zu konzentrieren und demgegenüber in den verkehrlich weniger belasteten Seitenstraßen dem Wohnen eindeutigen Vorrang zu geben, im Hinblick auf die nach den einschlägigen Rechtsgrundlagen erforderliche städtebauliche Rechtfertigung nicht zu beanstanden. Dies gilt auch, soweit in einzelnen Bereichen eine ausschließliche Wohnnutzung erst in höheren Geschossen - teilweise (WB/3 und WB/4) erst ab dem 3. Obergeschoss - vorgegeben ist. Hierbei handelt es sich überwiegend um solche Bereiche, in denen die verkehrliche Vorbelastung der angrenzenden Straßen und damit auch der Lärmpegel und die Schadstoffbelastung besonders hoch ist.

Keinen Bedenken unterliegt ferner, dass trotz der vorerwähnten Feindifferenzierungen die aus § 4a Abs. 1 BauNVO folgende allgemeine Zweckbestimmung des Baugebietstyps "besonderes Wohngebiet" für den Gesamtbereich des hier festgesetzten Baugebiets noch gewahrt ist. Insoweit ist anerkannt, dass ein besonderes Wohngebiet im Einzelfall sogar in Nutzungsbereiche gegliedert werden kann, in denen Wohnnutzung ausgeschlossen bzw. allein zulässig ist, wenn das gegliederte Gebiet als Ganzes noch die Zweckbestimmung des § 4a Abs.1 BauNVO wahrt.

Vgl.: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 15.3.1995 - 5 S 2916/93 -, BRS 57 Nr. 24.

Gemessen hieran unterliegt es keinem Zweifel, dass der gesamte als besonderes Wohngebiet ausgewiesene Bereich ... auch unter Berücksichtigung der festgesetzten Feindifferenzierungen noch eine besondere Eigenart aufweist, die ihn von anderen - "klassischen" - Baugebietstypen deutlich unterscheidet.

Keinen Bedenken unterliegt im Wesentlichen auch die Vereinbarkeit der Feindifferenzierungen mit den einschlägigen Rechtsgrundlagen, namentlich § 1 Abs. 9 BauNVO, und ihre Bestimmtheit (wird ausgeführt).

Nicht von einer einschlägigen Rechtsgrundlage gedeckt sind allerdings die zusätzlichen Kriterien, die in den "wenn"-Sätzen der Nr. 8 Buchstabe b und Nr. 14 der textlichen Festsetzungen ausgeführt sind. Hiernach sind die betreffenden Anlagen nur ausnahmsweise zulässig, wenn sie nachweislich nicht zu einer merkbaren Erhöhung der Immissionen (Lärm, Gerüche) in der Nachbarschaft [so Nr. 8 Buchstabe b] bzw. in der näheren Umgebung des jeweiligen Baugebietes [so Nr. 14] führen und sonstige öffentliche Belange nicht entgegenstehen.

Zutreffend weist die Antragstellerin darauf hin, dass diesen Sonderregelungen bereits eine hinreichende Rechtsgrundlage fehlt. Einschlägig könnte allenfalls § 1 Abs. 9 BauNVO sein. Diese Vorschrift lässt jedoch nur Feindifferenzierungen hinsichtlich solcher Nutzungsarten zu, die es in der sozialen und ökonomischen Realität bereits gibt. Sie eröffnet der Gemeinde jedoch keine Befugnis, neue Nutzungsarten zu "erfinden". Marktüblichen Gegebenheiten entsprechende Nutzungsarten werden mit den angeführten "wenn"-Sätzen jedoch nicht umschrieben. Die Antragsgegnerin hat hiermit vielmehr zusätzliche Kriterien für die ausnahmsweise Zulässigkeit der in den textlichen Festsetzungen zuvor genannten Schank- und Speisewirtschaften sowie Läden und sonstigen Verkaufstellen bzw. Nebenanlagen und Einrichtungen von planungsrechtlich zulässigen Schank- und Speisewirtschaften festgesetzt. Diese Anlagen sollen nur dann ausnahmsweise zugelassen werden können, wenn sie im konkreten Einzelfall bestimmte immissionsschutzrechtliche Anforderungen - keine "merkbare" Erhöhung der Immissionen - erfüllen. Als weitere Voraussetzung für die ausnahmsweise Zulassung im Einzelfall ist das fehlende Entgegenstehen "öffentlicher Belange" festgesetzt. Damit umschreibt diese Regelung nicht etwa ein typisierendes Merkmal der ausnahmsweise zulässigen Betriebe bzw. Anlagen, das etwa aus ihrer Betriebsform und weiteren betrieblichen Merkmalen ablesbar ist. Ob ein Betrieb oder eine Anlage wegen dieser Festsetzung zulässig ist, hängt vielmehr ausschließlich ab von den konkreten immissionsmäßigen Auswirkungen auf das bestehende Umfeld mit seiner jeweils gegebenen Vorbelastung und dem fehlenden Entgegenstehen sonstiger - noch nicht einmal näher umschriebener - öffentlicher Belange. Eine solche Regelung stellt keine Festlegung einer "bestimmten Art" von baulichen oder sonstigen Anlagen dar und findet damit in § 1 Abs. 9 BauNVO keine Grundlage.

Vgl. zu einer ähnlichen Fallkonstellation: OVG NRW, Urteil vom 19.8.2005 - 7 D 108/04.NE -, JURIS.

Erweist sich diese Sonderregelung schon wegen Fehlens einer einschlägigen Rechtsgrundlage als unwirksam, bedarf es keiner weiteren Erörterung, ob sie auch wegen einer von der Antragstellerin mit beachtlichen Argumenten begründeten Unbestimmtheit unwirksam ist. Dieser Mangel führt, wie im Nachfolgenden noch anzusprechen ist, allerdings nur zur Unwirksamkeit der entsprechenden Passagen der textlichen Festsetzungen, nicht hingegen zur Gesamtunwirksamkeit des strittigen Bebauungsplans.

Zu Unrecht rügt die Antragstellerin, dass die unter Nr. 2 Buchstabe a) der textlichen Festsetzungen getroffenen Regelungen zu Maßnahmen des passiven Schallschutzes, die auch das besondere Wohngebiet erfassen, unbestimmt sind (wird ausgeführt).

Auch die weitere auf § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB gestützte Regelung in Nr. 2 Buchstabe b der textlichen Festsetzungen begegnet keinen Bedenken. Hiernach sind in bestimmten gekennzeichneten Bereichen Ein- und Ausgänge zu Schank- und Speisewirtschaften nicht zulässig. Eine entsprechende Signatur findet sich bei verschiedenen Eckgrundstücken, auf denen Schank- und Speisewirtschaften zulässig sind, und zwar jeweils an den Hausseiten, die zu ruhigeren Seitenstraßen führen, in deren weiterem Verlauf Schank- und Speisewirtschaften ausgeschlossen sind. Ein- und Ausgänge zu Schank- und Speisewirtschaften in den betreffenden Eckhäusern sind in diesen Fällen mithin nur zulässig, wenn sie unmittelbar auf die Straße führen, an der Schank- und Speisewirtschaften auch im weiteren Verlauf zulässig sind und die zugleich erkennbar eine deutlich höhere Verkehrsbelastung haben als die jeweilige Seitenstraße, zu der hin keine Ein- und Ausgänge angelegt werden dürfen. Mit dieser Festsetzung werden bauliche oder sonstige technische Vorkehrungen im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB vorgegeben. Diese Vorkehrungen dienen auch, wie von der genannten Vorschrift gefordert, der Vermeidung oder Minderung schädlicher Umwelteinwirkungen. Gerade die Ein- und Ausgänge zu Schank- und Speisewirtschaften, namentlich in einem Viertel wie dem hier in Rede stehenden Ausgehviertel, können insbesondere in den späten Abend- und Nachtstunden eine Quelle beachtlicher Lärmimmissionen etwa durch alkoholisierte Gäste sein. Wenn - wie hier - die Wohnnutzung in dem betreffenden Bereich erhalten und gefördert werden soll, ist es städtebaulich gerechtfertigt und sachgerecht, auch den Zu- und Abgang zu den Schank- und Speisewirtschaften jedenfalls in den Bereichen durch bautechnische Vorgaben zu steuern, in denen - wie bei Eckgrundstücken - differenzierte Lösungen möglich sind, um das Potential an Lärmimmissionen auf stärker vorbelastete Bereiche zu lenken und damit für weniger vorbelastete Bereiche möglichst zu minimieren.

Schließlich bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken gegen die auf § 9 Abs. 1 Nr. 23 BauGB (nunmehr: § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchstabe a BauGB) gestützte textliche Festsetzung Nr. 1. Diese Vorschrift lässt es zu, zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen die Verwendung bestimmter luftverunreinigender Stoffe auszuschließen oder zu beschränken. Nichts anderes ist hier durch die betreffende Festsetzung geschehen.

Die Planung des hier nur prüfenden besonderen Wohngebiets leidet entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht an beachtlichen Mängeln der Abwägung nach § 1 Abs. 7 (früher: § 1 Abs. 6) BauGB.

Es ist keineswegs "zweifelhaft", ob überhaupt eine Abwägung stattgefunden hat. Davon, dass das Abwägungsergebnis zu keinem Zeitpunkt "wirklich offen gewesen" sei, kann keine Rede sein (wird ausgeführt).

Der weitere Einwand der Antragstellerin, die Abwägung sei defizitär, geht fehl.

Die Ist-Situation im hier nur noch interessierenden südlichen Bereich des Plangebiets ist nicht schon deshalb unzutreffend erkannt worden, weil es sich hierbei um ein faktisches Kerngebiet handelt. Aus dem Vorstehenden folgt vielmehr, dass der Bereich ... kein faktisches Kerngebiet ist, sondern eine besondere Eigenart aufweist, die gerade keinem der "klassischen" Baugebietstypen entspricht.

Die Antragsgegnerin hat auch nicht in beachtlicher Weise das Ausmaß der Überplanung der in diesem Bereich tatsächlich vorhandenen - wohnfremden - Nutzungen verkannt. Die Antragstellerin meint, dass insoweit ein beachtlicher Mangel im Abwägungsvorgang vorliege, nämlich bei der Ermittlung und Bewertung der von der Planung negativ betroffenen (privaten) Belange. Ein solcher Mangel wäre nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB n.F. lediglich beachtlich, wenn die Belange "in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt oder bewertet worden wären und wenn der Mangel offensichtlich und auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen" wäre. Bereits die erstgenannte Voraussetzung der hier anzuwendenden Neufassung des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB liegt nicht vor.

Die Beachtlichkeit von Mängeln bei der Ermittlung und Bewertung der Belange richtet sich bei dem hier strittigen Bebauungsplan nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB n.F., auch wenn der Bebauungsplan bereits vor dem Inkrafttreten der Neufassung dieser Vorschrift durch das EAG Bau zum 20.7.2004, nämlich am 10.12.2003, bekannt gemacht wurde und damit gemäß § 10 Abs. 3 Satz 4 BauGB in Kraft getreten ist. Dies folgt aus § 233 Abs. 2 Satz 1 BauGB n.F., wonach die Vorschriften des Dritten Kapitels Zweiter Teil Vierter Abschnitt zur Planerhaltung auch auf solche Satzungen "entsprechend" anzuwenden sind, die auf der Grundlage bisheriger Fassungen des Baugesetzbuches in Kraft getreten sind. Damit ist auch § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB n.F. auf ältere Bebauungspläne entsprechend anzuwenden, auch wenn die in dieser Vorschrift in Bezug genommene Vorschrift des § 2 Abs. 3 BauGB gleichfalls erst mit dem EAG Bau in das BauGB aufgenommen wurde. Die von § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB n.F. erfasste "Ermittlung und Bewertung der Belange" betrifft der Sache nach nichts anderes als die Sammlung und Aufbereitung des Abwägungsmaterials, die schon immer Teil des Abwägungsvorgangs im "klassischen" Verständnis war.

Aus § 233 Abs. 2 Satz 3 BauGB n.F. folgt nichts Gegenteiliges. Zwar sind nach dieser Vorschrift für vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung in Kraft getretene Satzungen die vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung geltenden Vorschriften "über die Geltendmachung der Verletzung" von Verfahrens- und Formvorschriften, von Mängeln der Abwägung und von sonstigen Vorschriften einschließlich ihrer Fristen weiterhin anzuwenden. Sie bezieht sich jedoch nur darauf, dass sich die Frage, nach welchen Vorschriften die Geltendmachung zu erfolgen hat, nach dem bisherigen Recht beurteilt. So ist in der Beschlussempfehlung und dem Bericht des federführenden Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zum EAG Bau (BT-Drs. 15/2996) auf Seite 71 ausdrücklich ausgeführt, der neue Satz 3 des § 233 Abs. 2 BauGB mache "deutlich, dass für den Fall, dass Fristen für die Geltendmachung von Fehlern nach bisherigem Recht noch nicht abgelaufen sind, sich die Frage, nach welchen Vorschriften die Geltendmachung zu erfolgen hat, nach dem bisherigen Recht beurteilt".

Weiterhin anzuwenden sind mithin lediglich die bisherigen Regelungen namentlich des § 215 BauGB über die Fristen für die Geltendmachung von Mängeln und die Voraussetzungen für den Ablauf der Fristen. Nach neuem Recht richtet sich hingegen die der Geltendmachung von Mängeln vorgeschaltete Frage, ob ein Mangel überhaupt für die Wirksamkeit der Satzung beachtlich ist.

Aus der hiernach gebotenen entsprechenden Anwendung von § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB n.F. folgt, dass Mängel bei der Sammlung und Aufbereitung des Abwägungsmaterials - "Ermittlung und Bewertung der Belange" -, die sich nicht auf wesentliche Punkte beziehen, von vornherein unbeachtlich sind, und zwar unabhängig davon, ob sie im konkreten Fall "offensichtlich und auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen" sind. Um solche unwesentlichen Punkte handelt es sich hier bei den von der Antragstellerin gerügten - angeblichen - Defiziten bei der Ermittlung des Ausmaßes der Überplanung.

Die Antragsgegnerin hat für den hier nur interessierenden südlichen Bereich des Plangebiets eine umfangreiche Bestandsaufnahme durchgeführt, die in den Planaufstellungsvorgängen umfassend dokumentiert ist. Diese Bestandsaufnahme kommt zu dem Ergebnis, dass in diesem südlichen Bereich des Plangebiets eine Vielzahl von Betrieben durch die vorgesehene Baugebietsausweisung einschließlich der hiermit verknüpften Nutzungsausschlüsse auf den bloßen passiven Bestandsschutz gesetzt wird. Zwar mag es zutreffen, dass die Antragsgegnerin insoweit bei der rechtlichen Beurteilung der überplanten wohnfremden Nutzungen in Einzelfällen einer Fehleinschätzung unterlegen ist und daher eine fehlerhafte Bewertung der Belange im Sinne der nunmehr maßgeblichen Terminologie des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB n.F. vorgenommen hat. In diesem Zusammenhang kommt insbesondere eine Fehleinschätzung bei der Beurteilung der im südlichen Bereich des Plangebiets tatsächlich vorhandenen Diskotheken in Betracht.

Einer näheren Überprüfung der insoweit maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände bedarf es jedoch nicht, weil eventuelle Fehleinschätzungen der Antragsgegnerin insoweit nicht im Sinne von § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB n.F. "wesentlich" wären. Wird - wie hier - ein weit reichendes Areal mit einer Vielzahl von Wohnhäusern und wohnfremden Nutzungen überplant, liegt es auf der Hand, dass im Einzelfall, namentlich bei rechtlich und tatsächlich nicht einfach gelagerten Sachverhalten, die planende Gemeinde bei der schon von Amts wegen gebotenen Bestandsaufnahme gewissen Fehleinschätzungen unterliegen kann. Hier eine gleichsam 100-prozentige absolute Richtigkeit der Ermittlung und Bewertung der privaten Betroffenheiten zu fordern, würde die Anforderungen an eine sachgerechte Planung überspannen und im Ergebnis zu in der Praxis nicht leistbaren Anforderungen führen. Angesichts dessen sind eventuelle Mängel bei der Sammlung und Aufbereitung des Abwägungsmaterials - Ermittlung und Bewertung der Belange - nur dann wesentlich, wenn es sich um gravierende Fehleinschätzungen in für die Planung wesentlichen Fragen handelt. Davon kann hier keine Rede sein. Die Antragsgegnerin hat zutreffend erkannt, dass sie im hier betroffenen Bereich mit den letztlich getroffenen Festsetzungen eine Vielzahl vorhandener wohnfremder Nutzungen - in einzelnen Fällen, in denen Wohnen im Erdgeschoss künftig ausgeschlossen ist, sogar auch Wohnnutzungen - auf den passiven Bestandsschutz setzt. Ob es sich dabei im Detail um insgesamt 33 Betriebe handelt, wie aus den farbigen Eintragungen in der Karte zur Bestandsaufnahme folgt, oder einige Betriebe mehr oder weniger, ist nur eine Marginalie. Dies gilt namentlich für das Festhalten an der WB-Ausweisung wie auch für die dem Plan ablesbaren und in der Begründung näher erläuterten Abgrenzungen der unterschiedlichen Nutzungsbereiche. Für diese planerischen Entscheidungen ist weder die exakte Zahl der tatsächlich auf den Bestandsschutz gesetzten Nutzungen wesentlich noch die Frage, ob alle erfassten Nutzungseinheiten im konkreten Fall rechtlich und tatsächlich zutreffend eingeschätzt wurden oder nicht. Angesichts dessen kommt es auf die weiteren Voraussetzungen des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB n.F., dass der Mangel "offensichtlich und auf das Ergebnis des Verfahrens von Einfluss gewesen" ist, nicht an.

Ebenso wenig defizitär sind die Ermittlungen hinsichtlich der Lärmimmissionen (wird ausgeführt).

Schließlich hat die Antragsgegnerin auch die von der Planung - negativ - betroffenen privaten Belange nicht in beachtlicher Weise fehlerhaft ermittelt und bewertet. Sie hat gesehen, dass sie etliche Betriebe - darunter auch den der Antragstellerin - künftig auf den bloßen passiven Bestandsschutz setzt. Die hiermit verbundenen Belastungen hat sie zutreffend eingeschätzt.

Zutreffend hat die Antragsgegnerin insbesondere die Reichweite und Grenzen des durch eine Baugenehmigung vermittelten baurechtlichen Bestandsschutzes erkannt. Dieser Bestandsschutz für bauliche Anlagen erstreckt sich aus der verfassungsrechtlichen Sicht des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG (nur) auf den genehmigten Bestand und die genehmigte Funktion. Er erfasst grundsätzlich nicht Bestands- und Funktionsänderungen, weil diese über den genehmigten Zustand hinausgreifen würden und ein solches Hinausgreifen von den die Eigentümerstellung regelnden Bauvorschriften nicht gedeckt wäre.

Vgl.: BVerfG, Beschluss vom 15.12.1995 - 1 BvR 1713/92 -, BRS 57 Nr. 246.

Hiernach lässt der Bestandsschutz, wie die Antragsgegnerin angenommen hat, eventuelle Eigentümer- und Pächterwechsel zu. Er besteht auch fort, soweit der Betrieb in dem von der Baugenehmigung gedeckten Rahmen geführt wird, ohne dass es - etwa bei Schank- und Speisewirtschaften - insoweit auf die konkrete gaststättenrechtliche Situation ankäme. Die Antragstellerin kann mithin weiterhin solche Betriebsmodalitäten ggf. auch in modifizierter Form ausüben, die sich noch innerhalb der Variationsbreite der bisherigen baurechtlich genehmigten Nutzungsart bewegt.

Vgl.: BVerwG, Urteil vom 25.3.1988 - 4 C 21.85 -, BRS 48 Nr. 138.

Nicht mehr vom Bestandsschutz gedeckt sind Eingriffe in die Bausubstanz, die dazu führen, dass das geänderte Gebäude nicht mehr mit dem alten, bestandsgeschützten identisch ist.

Vgl.: BVerwG, Beschluss vom 27.7.1994 - 4 B 48.94 -, BRS 56 Nr. 85.

Ebenso erlischt der Bestandsschutz etwa dann, wenn tatsächlich eine andere Nutzung aufgenommen wird, die außerhalb der Variationsbreite der bisherigen Nutzungsart liegt und erkennbar nicht nur vorübergehend ausgeübt werden soll.

Vgl.: BVerwG, Urteil vom 25.3.1988 - 4 C 21.85 -, BRS 48 Nr. 138.

Gemessen hieran lässt der baurechtliche Bestandsschutz etwa einer genehmigten Schank- und Speisewirtschaft es durchaus zu, gewisse Betriebsmodalitäten zu ändern, wenn und solange der Betrieb weiterhin die Merkmale des Typs "Schank- und Speisewirtschaft" erfüllt. Ob und inwieweit die für den Betrieb der Antragstellerin konkret erteilte Baugenehmigung in diesem Sinne auch gewisse Variationsmöglichkeiten zulässt, bedarf keiner weiteren Erörterung. Entscheidend für die hier zu prüfende Abwägung der Antragsgegnerin ist, dass sie - wie geschehen - Reichweite und Grenzen des baurechtlichen Bestandsschutzes der im vorliegenden Fall überplanten und auf den Bestandsschutz gesetzten Betriebe nicht verkannt hat.

Die Abwägung der Antragsgegnerin ist auch vom Ergebnis her nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hatte hier eine Entscheidung zu treffen in dem offenkundigen und in einem jahrelangen Planungsprozess kontrovers diskutierten Widerstreit zwischen dem städtebaulich in der Tat gewichtigen Interesse an einer möglichst störungsfreien Erhaltung des Bereichs als eines innerstädtischen Wohnquartiers einerseits und dem Interesse der betroffenen Gewerbetreibenden - wie auch der Antragstellerin - an möglichst ungehinderter Fortsetzung und Erweiterung ihrer wohnfremden Nutzungen. Sie hat sich dafür entschieden, den Bereich zwar als ein Kneipen- und Ausgehviertel zu erhalten, zugleich aber auch seine Funktion als eines von alters her bestehenden innerstädtischen Wohnquartiers nicht aufzugeben. Dabei hat sie die Grenzziehungen zwischen den primär dem Wohnen vorzubehaltenden Bereichen und den Bereichen mit einer Mischung aus Wohnen und den für ein Kneipen- und Ausgehviertel typischen Betrieben daran ausgerichtet, dass letztere an den bereits durch Straßen- und sonstigen Verkehr erheblich vorbelasteten Straßenzügen konzentriert werden, während in den eher ruhigen Seitenstraßen das Wohnen eindeutig Vorrang haben soll. Letzteres gilt auch für den Abschnitt der Straße, an der die Antragstellerin ihren Betrieb führt, für den die Antragsgegnerin zutreffend erkannt hat, dieser Abschnitt sei "geprägt von Wohnnutzung, die bereits im Erdgeschoss vorzufinden" sei. Dieses Ergebnis liegt im zulässigen Spektrum der der Antragsgegnerin zukommenden planerischen Gestaltungsfreiheit.

Der vorgenannte Mangel des Bebauungsplans, die Unwirksamkeit der "wenn"-Sätze in Nr. 8 Buchstabe b und Nr. 14 der textlichen Festsetzungen, tangiert nicht die Wirksamkeit des Plans insgesamt, sondern führt nur zur Unwirksamkeit eben dieser Regelungen der textlichen Festsetzungen (wird ausgeführt).

Ende der Entscheidung

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