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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 23.01.2006
Aktenzeichen: 7 D 60/04.NE
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 12
1. Das Vorliegen eines Vorhaben- und Erschließungsplans ist Wirksamkeitsvoraussetzung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans.

2. Vorhaben- und Erschließungsplan, Durchführungsvertrag und vorhabenbezogener Bebauungsplan müssen aufeinander abgestimmt sein und dürfen sich nicht widersprechen.


Tatbestand:

Der Antragsteller wendete sich gegen einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan, der Großveranstaltungen auf einer nahe gelegenen Burg ermöglichen soll. Der Normenkontrollantrag hatte Erfolg.

Gründe:

Der vorhabenbezogene Bebauungsplan Nr. 56 wird den Anforderungen des § 12 BauGB nicht gerecht. Die drei Elemente des vorhabenbezogenen Bebauungsplans - Durchführungsvertrag, Bebauungsplan und Vorhaben- und Erschließungsplan (vgl. § 12 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 BauGB) - sind zum Teil nicht vorhanden und im Übrigen auch nicht in dem erforderlichen Maße aufeinander abgestimmt.

Es fehlt an einem Vorhaben- und Erschließungsplan.

Das Vorliegen eines Vorhaben- und Erschließungsplans ist Wirksamkeitsvoraussetzung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans.

Durch den vorhabenbezogenen Bebauungsplan wird die Zulässigkeit einzelner Vorhaben bestimmt, wie sich aus § 12 Abs. 1 Satz 1 und § 30 Abs. 2 BauGB ergibt. Der vorhabenbezogene Bebauungsplan setzt gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB (u.a. ) voraus, dass der Vorhabenträger auf der Grundlage eines mit der Gemeinde abgestimmten Plans zur Durchführung der Vorhaben und der Erschließungsmaßnahmen (Vorhaben- und Erschließungsplan) bereit und in der Lage ist. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 BauGB hat die Gemeinde auf Antrag des Vorhabenträgers über die Einleitung eines Verfahrens zur Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans zu entscheiden.

Dass für das Entstehen eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans ein Vorhaben- und Erschließungsplan vorliegen muss, folgt bereits aus § 12 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BauGB. Denn der Vorhabenträger allein kann - wenn auch nach Abstimmung mit der Gemeinde - bestimmen, welches anhand des Vorhabenplans zu bestimmende Vorhaben er zu verwirklichen bereit und in der Lage ist. Es folgt ferner aus § 12 Abs. 3 Satz 1 BauGB. Nach dieser Bestimmung wird der Vorhaben- und Erschließungsplan Bestandteil des vorhabenbezogenen Bebauungsplans. Nur im Bereich des Vorhaben- und Erschließungsplans ist die Gemeinde bei der Bestimmung der Zulässigkeit der Vorhaben nicht an die Festsetzungen nach § 9 und an die Baunutzungsverordnung gebunden (§ 12 Abs. 3 Satz 2 BauGB); für einzelne Flächen außerhalb des Geltungsbereichs des Vorhaben- und Erschließungsplans, die gemäß § 12 Abs. 4 BauGB in den vorhabenbezogenen Bebauungsplan mit einbezogen werden können, gelten hingegen § 9 BauGB und die Bestimmungen der Baunutzungsverordnung. Die Differenzierung zwischen den Flächen, die im Bereich des Vorhaben- und Erschließungsplans liegen, und denen, die im übrigen Plangebiet gelegen sind, ist daher für die Rechtsgrundlage der Festsetzung von Bedeutung. Durch den Vorhaben- und Erschließungsplan und damit durch die Bestimmung bzw. Definition des Vorhabens begrenzt der Vorhabenträger darüber hinaus den Umfang des erforderlichen Abwägungsmaterials insoweit, als die Gemeinde das Vorhaben zum Gegenstand des vorhabenbezogenen Bebauungsplans macht.

Dass das Vorliegen eines Vorhaben- und Erschließungsplans unabdingbare Voraussetzung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans ist, ergibt sich schließlich auch aus § 12 Abs. 6 BauGB. Wird der Vorhaben- und Erschließungsplan nicht innerhalb der [im Durchführungsvertrag] bestimmten Frist durchgeführt, so soll die Gemeinde den vorhabenbezogenen Bebauungsplan aufheben (Satz 1 der zuletzt genannten Bestimmung). Dann ist die Gemeinde über § 12 Abs. 6 Satz 2 BauGB vor Ansprüchen des Vorhabenträgers geschützt, weil die Aufhebung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans auf die Nichtumsetzung des Vorhabens zurückzuführen und damit seiner Risikosphäre zuzuordnen ist. In anderen Fällen kann hingegen das allgemeine Planungsschadensrecht (§§ 39 ff. BauGB) zur Anwendung kommen. Das Vorliegen des Vorhaben- und Erschließungsplans dient in solchen Fällen also auch dem Schutz der Gemeinde. Diese gesetzlichen Bestimmungen verdeutlichen, dass der - vom Vorhabenträger aufzustellende und von ihm (auch nach Abstimmung mit der Gemeinde) zu verantwortende - Vorhaben- und Erschließungsplan nach der vom Gesetz vorgegebenen Konzeption essentielles und unabdingbares Wirksamkeitserfordernis eines - von der Gemeinde zu verantwortenden - vorhabenbezogenen Bebauungsplans ist. Ansonsten würde sich der vorhabenbezogene Bebauungsplan nämlich nicht von einem herkömmlichen - hier gerade nicht gewollten - Angebotsbebauungsplan unterscheiden, zu dessen Umsetzung die Gemeinde mit einem Privaten einen oder mehrere städtebauliche Verträge schließt.

Dieses aus Wortlaut und Zweck der Regelung in § 12 BauGB abzuleitende Ergebnis wird durch die Entstehungsgeschichte der Norm bestätigt. Auch die Vorläuferbestimmungen des heutigen § 12 BauGB enthielten Regelungen, die dessen Absätzen 1, 3 Satz 1 und Abs. 6 (im Wesentlichen) entsprechen. Eine Regelung zum Vorhaben- und Erschließungsplan enthielt für die neuen Bundesländer erstmals § 55 BauZVO. Nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 konnte die Gemeinde durch Satzung die Zulässigkeit von Vorhaben bestimmen, wenn der Vorhabenträger auf der Grundlage eines von ihm vorgelegten Plans zur Durchführung der Vorhaben und der Erschließungsmaßnahmen (Vorhaben- und Erschließungsplan) bereit und in der Lage war und sich zur Durchführung innerhalb einer bestimmten Frist verpflichtete; der von der Gemeinde gebilligte Vorhaben- und Erschließungsplan wurde Bestandteil der Satzung (§ 55 Abs. 1 Satz 2 BauZVO). § 55 Abs. 5 Sätze 1 und 4 enthielten Regelungen, die § 12 Abs. 6 BauGB entsprechen. Durch § 7 BauGB-Maßnahmegesetz wurden die genannten Regelungen des § 55 BauZVO unter der Bezeichnung "Satzung über den Vorhaben- und Erschließungsplan" weitgehend übernommen. Bereits für diese Vorläuferbestimmungen des § 12 BauGB war anerkannt, dass das Fehlen eines (hinreichend konkretisierten) Vorhaben- und Erschließungsplans zur Unwirksamkeit der Satzung über den Vorhaben- und Erschließungsplan führt.

Vgl. Sächs. OVG, Urteil vom 31.7.1997 - 1 S 567/94 -, BRS 59 Nr. 257.

An die zu § 55 BauZVO und § 7 BauGB-Maßnahmengesetz entwickelten Grundsätze hat der Gesetzgeber mit § 12 BauGB anknüpfen wollen, wie aus der Begründung des Gesetzentwurfs zum Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 (BT-Drucks. 13/6392, dort S. 51 f.) ersichtlich ist ...

Aus alldem folgt, dass ohne einen Vorhaben- und Erschließungsplan ein wirksamer vorhabenbezogener Bebauungsplan nicht zustande kommen kann.

So i.E. auch BayVGH, Urteil vom 27.9.2005 - 8 N 03.2750 -, JURIS; Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, 3. Auflage 2005, Rz. 2082.

Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des BVerwG vom 18.9.2003 - 4 CN 3.02 -, BRS 66 Nr. 21.

Denn dort hat das BVerwG ausdrücklich hervorgehoben, ein vorhabenbezogener Bebauungsplan setze den Abschluss eines Durchführungsvertrages voraus und daran anschließend ausgeführt: "Gegenstand des Vertrages ist der Vorhaben- und Erschließungsplan ... Der Vorhaben- und Erschließungsplan, der Bebauungsplan und der Durchführungsvertrag müssen aufeinander abgestimmt sein ..."

Den Anforderungen des § 12 BauGB genügt es aus den genannten Gründen daher nicht, wenn die Gemeinde und der Vorhabenträger sich darauf beschränken, eine als Bebauungsplan bezeichnete Urkunde zu erstellen und parallel dazu einen Durchführungsvertrag zu schließen. Eine solche Vorgehensweise kann - wenn überhaupt - allenfalls dann gerechtfertigt sein, wenn klargestellt wird, dass die Planurkunde des Bebauungsplans zugleich auch der Vorhaben- und Erschließungsplan sein soll, wenn das Vorhaben auch ohne gesonderten Vorhaben- und Erschließungsplan hinreichend genau beschrieben ist und wenn der Geltungsbereich des vorhabenbezogenen Bebauungsplans nicht gemäß § 12 Abs. 4 BauGB über den Bereich des Vorhaben- und Erschließungsplans hinausgreift.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 3.12.2003 - 7a D 42/01.NE -, BRS 66 Nr. 23.

An einem Vorhaben- und Erschließungsplan fehlt es hier. Den gesamten dem Senat vorliegenden Aufstellungsvorgängen lässt sich ein ausdrücklich als "Vorhaben- und Erschließungsplan" bezeichnetes Dokument nicht entnehmen. Es ist vorliegend auch nicht möglich, etwa im Wege der Auslegung ein anderes in den Verwaltungsvorgängen befindliches Dokument als Vorhaben- und Erschließungsplan zu identifizieren. Dies gilt insbesondere für den durch § 2 Nr. 1 des Durchführungsvertrags als Anlage 1 in Bezug genommenen "vorhabenbezogenen Bebauungsplan". Diese Anlage kann schon deshalb nicht als Vorhabenplan und damit als inkorporierter Teil des vorhabenbezogenen Bebauungsplans angesehen werden, weil sie Flächen erfasst, die im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses weder im Eigentum des Beigeladenen standen noch dieser auf deren Eigentumserwerb eine qualifizierte Anwartschaft besaß.

Vgl. z.B. BayVGH, Urteil vom 24.7.2001 - 1 N 00.1574 - , BRS 64 Nr. 228.

Der dem Durchführungsvertrag beigefügte Bebauungsplanentwurf kommt auch deshalb nicht als Vorhabenplan in Betracht, weil das Gebiet, das er umfasst, sich nicht mit dem Gebiet deckt, für das der Durchführungsvertrag aufgestellt wurde. ... Bei dieser Sach- und Rechtslage liegt der erforderliche Vorhaben(und-Erschließungs)plan nicht vor.

Dass in der kommunalen Praxis teilweise so verfahren wird, dass vorhabenbezogene Bebauungspläne erstellt werden, bei denen nur schwer feststellbar ist, was der Vorhaben- und Erschließungsplan sein soll oder bei denen ein solcher - wie hier - gänzlich fehlt, vgl. hierzu Köster, Der vorhabenbezogene Bebauungsplan nach § 12 BauGB - Bestandsaufnahme und Problemfelder nach einer ersten Konsolidierung des Instruments im Dauerrecht des BauGB, ZfBR 2005, 147 (148) sowie Kuschnerus, Der sachgerechte Bebauungsplan, 3. Auflage 2004 Rz. 92, ändert an den dargelegten gesetzlichen Erfordernissen nichts.

Eine Umdeutung des damit unwirksamen vorhabenbezogenen Bebauungsplans in einen "herkömmlichen" Bebauungsplan kommt - wenn sie denn überhaupt zulässig sein sollte - jedenfalls hier nicht in Betracht, weil dies ersichtlich nicht dem u.a. der Planbegründung zu entnehmenden Willen des Rates der Antragsgegnerin entspricht.

Vgl. BayVGH, Urteil vom 27.9.2005 - 8 N 03.2750 -, JURIS und OVG NRW, Urteil vom 3.12.2003 - 7a D 42/01.NE -, a.a.O.

Abgesehen davon, dass der vorhabenbezogene Bebauungsplan wegen des Fehlens eines Vorhabenplans aus den vorgenannten Gründen unwirksam ist, ist er noch aus weiteren (die Entscheidung des Senats selbstständig tragenden) Gründen unwirksam. Seine essentiellen Bestandteile sind nämlich nicht in dem erforderlichem Maße aufeinander abgestimmt.

Vorhaben- und Erschließungsplan, Durchführungsvertrag und vorhabenbezogener Bebauungsplan müssen aufeinander abgestimmt sein und dürfen sich nicht widersprechen. Das schließt nicht aus, dass das vereinbarte und im Vorhaben- und Erschließungsplan festgelegte Vorhaben von vornherein eine gewisse Bandbreite an Nutzungsmöglichkeiten umfasst und damit einem Bedürfnis des Vorhabenträgers oder der Gemeinde nach einem nicht allzu starren planerischen Rahmen Rechnung trägt. Ein vorhabenbezogener Bebauungsplan, der ein anderes Vorhaben als das im Durchführungsvertrag vereinbarte - ein "aliud" - zulässt, ist jedoch fehlerhaft.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.9.2003 - 4 CN 3.02 -, BRS 66 Nr. 21; OVG NRW, Urteil vom 14.6.2005 - 7 D 97/03.NE -.

Wo die zulässige Grenze der angesprochenen Band- oder Variationsbreite an Nutzungsmöglichkeiten, vgl. OVG NRW, Urteil vom 11.3.2004 - 7a D 51/02.NE -, ZfBR 2004, 575, im Einzelnen liegt, hängt im Wesentlichen davon ab, wie der Vorhabenbegriff des § 12 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu interpretieren ist. Dabei spricht vieles dafür, den Vorhabenbegriff "eher eng als weit auszulegen".

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.8.2004 - 4 BN 29.04 -, ZfBR 2005, 72 f.

Nach diesen Grundsätzen kann der angegriffene vorhabenbezogene Bebauungsplan - auch unabhängig von dem Fehlen des Vorhaben- und Erschließungsplans - seine Rechtsgrundlage in § 12 BauGB nicht finden.

Das "Vorhaben" ist in wesentlichen Punkten nicht hinreichend bestimmt.

Das Vorhaben, dessen Zulässigkeit durch einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan begründet werden soll, muss Gegenstand sowohl des Vorhaben- und Erschließungsplans als auch des Durchführungsvertrages sein.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.9.2003 - 4 CN 3.02 -, a.a.O. und OVG NRW, Urteil vom 3.12.2003 - 7a°D 142/01.NE - a.a.O.

Schon begrifflich muss das Vorhaben - und zwar regelmäßig bereits durch den Vorhaben(- und Erschließungs-) plan - konkretisiert sein. Dabei wird es sich - ausgehend von der oben beschriebenen Funktion des Vorhaben- und Erschließungsplans - regelmäßig um ein Vorhaben bzw. mehrere Vorhaben i.S.d. § 29 BauGB handeln. Vorliegend bleibt - nicht zuletzt auf Grund des Fehlens eines Vorhabenplans - unklar, was exakt das "Vorhaben" ist, insbesondere, auf welches Gebiet sich der vorhabenbezogene Bebauungsplan bezieht (wird ausgeführt).

Jedenfalls fehlt es an der hinreichenden Abstimmung schon zwischen vorhabenbezogenem Bebauungsplan und Durchführungsvertrag. Diese Diskrepanz ist bereits in § 1 Abs. 1 des Durchführungsvertrages angelegt, wo davon die Rede ist, Vertragsgegenstand seien Regelungen zu Vorhaben und Veranstaltungen auf Burg T. , die inhaltlich über die Regelungen "des" verbindlichen Bauleitplans hinausgehen. Dementsprechend betrifft der Durchführungsvertrag in wesentlichen Punkten - insbesondere mit Blick auf immissions- und straßenverkehrsrechtliche Fragen - (deutlich) weitergehende Nutzungen als der Bebauungsplan (wird ausgeführt).

Auch wenn davon auszugehen sein mag, dass ein Vorhaben i.S.d. § 12 BauGB nicht so fest umrissen sein muss, dass es nicht eine gewisse Bandbreite an Nutzungsmöglichkeiten umfassen kann, vgl. BVerwG, Urteil vom 18.9.2003 - 4 C 3.02 -, a.a.O. und Beschluss vom 10.8.2004 - 4 BN 29.04 -, a.a.O., ist angesichts der dargelegten Umgereimtheiten, die sich nicht auf vereinzelte Detailfragen, sondern auf zentrale Punkte (räumlicher Geltungsbereich, Art der Veranstaltungen, Begriff "Großveranstaltungen") beziehen, dieser Rahmen hier überschritten.

Ende der Entscheidung

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