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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 12.02.2004
Aktenzeichen: 7a D 134/02.NE
Rechtsgebiete: BauGB
Vorschriften:
BauGB § 1 Abs. 3 | |
BauGB § 8 Abs. 2 | |
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 18 a | |
BauGB § 214 Abs. 2 Nr. 2 |
Ein Bebauungsplan ist nicht aus dem Flächennutzungsplan entwickelt, wenn er die Errichtung von Windenergieanlagen für mehr als die Hälfte der Fläche ausschließt, die nach den Darstellungen des Flächennutzungsplans für die Errichtung von Windenergieanlagen geeignet ist.
Die Bedeutung der Beschränkung innerhalb der im Flächennutzungsplan dargestellten Konzentrationszone an sich zulässigen Windenergienutzung durch einen Bebauungsplan ergibt sich nicht alleine aus der Größe der überplanten Grundfläche, sondern auch aus der Windenergieanlagen andernorts im Gemeindegebiet ausschließenden Wirkung des Flächennutzungsplans.
Tatbestand:
Mit der 6. Änderung stellte die Antragsgegnerin im Jahre 1993 in ihrem Flächennutzungsplan für drei Teilbereiche zusätzlich zu Flächen für die Landwirtschaft "konfliktarme Eignungsflächen für Windenergienutzung" (im Folgenden auch: Konzentrationszone) dar. Mit dem Bebauungsplan "Windenergie" trifft die Antragsgegnerin Festsetzungen für alle drei Konzentrationszonen, über die der Geltungsbereich des Bebauungsplans in Teilbereichen geringfügig hinausgreift. In weiten Teilbereichen setzt der Bebauungsplan Flächen für die Landwirtschaft, für ein kleineres Teilstück Fläche für die Forstwirtschaft fest. Die Fläche für die Landwirtschaft wird in Teilbereichen durch eine Sondergebietsfestsetzung ergänzt, deren Zweck mit "Gebiet für Windkraftanlagen" angegeben ist. Die zulässige Nutzungsart ist in den textlichen Festsetzungen wie folgt bestimmt: "Das sonstige Sondergebiet dient als Fläche für die Landwirtschaft und der Unterbringung von Windenergieanlagen." Die Sondergebiete für Windenergieanlagen sind in sechs Zonen gegliedert. Innerhalb der Zonen ist das maximale Maß baulicher Nutzung nach der Nabenhöhe der Windenergieanlagen und ihrer Gesamthöhe gegliedert.
Der gegen den Bebauungsplan gerichtete Normenkontrollantrag hatte Erfolg.
Gründe:
Der Bebauungsplan ist mit den sich aus § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB ergebenden Anforderungen nicht vereinbar. Der Bebauungsplan ist danach aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln. Dies bedeutet, dass durch die Festsetzungen eines Bebauungsplans die zugrunde liegenden Darstellungen des Flächennutzungsplans konkreter ausgestaltet und damit zugleich verdeutlicht werden. Dieser Vorgang der Konkretisierung schließt nicht aus, dass die in einem Bebauungsplan zu treffenden Festsetzungen von den vorgegebenen Darstellungen des Flächennutzungsplans abweichen. Derartige Abweichungen sind jedoch nur zulässig, wenn sie sich aus dem Übergang in eine konkretere Planungsstufe rechtfertigen und die Grundkonzeption des Flächennutzungsplans unberührt lassen. In der Regel gehört zu der vom Bebauungsplan einzuhaltenden Grundkonzeption des Flächennutzungsplans die Zuordnung der einzelnen Bauflächen zueinander und zu den von Bebauung freizuhaltenden Gebieten.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 28.2.1975 - 4 C 74.72 -, BVerwGE 48, 70 (74) = BRS 29 Nr. 8; Urteil vom 26. 2.1999 - 4 CN 6.98 -, NVwZ 2000, 197 = BRS 62 Nr. 48.
Der Satzungsgeber darf auch eine im Flächennutzungsplan ausgewiesene Konzentrationszone für Windenergieanlagen einer andersartigen Nutzung zuführen. Dies kann durch Änderung des Flächennutzungsplans geschehen. Ferner kann die Errichtung von Windenergieanlagen in den Konzentrationszonen durch einen Bebauungsplan einer Feinsteuerung (z.B. Begrenzung der Anlagenhöhe, Festlegung der Standorte der einzelnen Anlagen) unterzogen werden. Will die Gemeinde jedoch das dem Flächennutzungsplan zugrunde liegende gesamträumliche Planungskonzept verändern, aufgrund dessen die positive Ausweisung von Konzentrationszonen für die Windenergienutzung an einer bestimmten Stelle des Gemeindegebiets mit einer Ausschlusswirkung für den übrigen Planungsraum verbunden ist, bedarf es hierfür der Änderung des Flächennutzungsplans.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.11.2003 - 4 BN 60.03 -, zur Veröffentlichung vorgesehen.
Der Bebauungsplan "Windenergie" konkretisiert nicht lediglich die Grundkonzeption des Flächennutzungsplans, sondern steht ihr in weiten Bereichen entgegen. Der Bebauungsplanbereich erstreckt sich auf 137,5 ha. Mehr als die Hälfte dieser nach Maßgabe des Flächennutzungsplans für die Errichtung von Windenergieanlagen geeigneten und vorgesehenen Fläche (nämlich 75 ha = 54,54 %) werden durch den Bebauungsplan nicht einem sonstigen Sondergebiet, sondern ausschließlich der Fläche für die Landwirtschaft zugeordnet, auf der landwirtlandwirtschaftsfremde Anlagen wie nicht landwirtschaftlichen Betrieben dienende Windenergieanlagen nicht zulässig sind. Der Bebauungsplan beschränkt sich daher nicht mehr nur auf eine grundsätzlich zulässige "Feinsteuerung". Ob die Beschränkungen des Nutzungsmaßes in den sonstigen Sondergebieten zulässiger Windenergieanlagen allesamt noch mit dem gesamträumlichen Planungskonzept des Flächennutzungsplans vereinbar sind oder nicht in Teilbereichen faktisch auf einen Nutzungsausschluss hinauslaufen, wie der Antragsteller meint, weil Windenergieanlagen erst ab einer bestimmten Größenordnung wirtschaftlich betrieben werden können, bedarf daher keiner Entscheidung.
Die Ausführungen der Antragsgegnerin namentlich in der Bebauungsplanbegründung dazu, warum der Ausschluss der Windenergieanlagen erforderlich sei, verlassen das Konzept, das der Flächennutzungsplan als gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB für den Bebauungsplan maßgebender Rahmen vorgibt. So führt die Erwägung, der Rat habe bei der 6. Änderung des Flächennutzungsplans nur Anlagen einer bestimmten Größenordnung vor Augen gehabt, nicht auf die weitergehende Schlussfolgerung, dass (größere) Anlagen durch Bebauungsplan ohne Änderung des Flächennutzungsplans vollständig ausgeschlossen werden dürften oder gar müssten. Es mag ein durchaus beachtliches und städtebaulich anerkennenswertes Interesse der Gemeinde daran bestehen, die zulässige Höhe von Windenergieanlagen in einer Windkonzentrationszone durch Bebauungsplan zu regeln. Dies bedeutet jedoch nicht, dass für die dortigen Bereiche Windenergieanlagen (ohne Flächennutzungsplanänderung) völlig ausgeschlossen werden dürfen, denn durch den im Bebauungsplan geregelten Ausschluss wird das den Flächennutzungsplan tragende Konzept städtebaulicher Entwicklung in weiten Bereichen verdrängt bzw. "zurückgeführt".
Die Antragsgegnerin hat weiter auf Gesichtspunkte des Ortsbildes, der Landschaftsgestaltung und des Freiraumschutzes abgestellt. All diese Erwägungen sind jedoch vom Rat bereits der Flächennutzungsplanung zugrunde gelegt worden und rechtfertigen nicht, von dieser Planungsvorgabe des Flächennutzungsplans dahin abzuweichen, Windenergieanlagen in wesentlichen Teilbereichen der Konzentrationszonen nunmehr völlig auszuschließen. Nichts anderes gilt für die von der Antragsgegnerin angezogenen Immissionsschutzerwägungen. Es mag sein, dass weitere Windenergieanlagen jedenfalls im nördlichen Bereich der Konzentrationszone nicht mehr errichtet werden können, da die vorhandenen Windenergieanlagen bereits einen Lärm erzeugen, der der nächstliegenden Wohnbebauung noch zumutbar ist, während hinzutretender Lärm das zulässige Maß überschreiten würde. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist es nicht gerechtfertigt, vom Flächennutzungsplan ohne dessen Änderung abzuweichen. Der Flächennutzungsplan ist nicht etwa deshalb obsolet, weil die bauliche Nutzbarkeit der Konzentrationszone - den Vortrag der Antragsgegnerin hier einmal als zutreffend unterstellt - durch Windenergieanlagen ausgeschöpft ist. Die vorhandenen Anlagen bleiben ohne den Bebauungsplan formell und materiell rechtmäßig, während sie durch die Festsetzung einer Fläche für die Landwirtschaft auf den bloßen passiven Bestandsschutz gesetzt werden. Müsste eine vorhandene Anlage ersetzt werden, wäre dies - sollte sie nicht landwirtschaftlicher Nutzung dienen - wegen eines Widerspruchs zu den Festsetzungen des Bebauungsplans unzulässig. Das Konzept des Flächennutzungsplans ist jedoch darauf gerichtet, in den Konzentrationszonen auch künftig die Windenergienutzung zu ermöglichen.
Die Verletzung des Entwicklungsgebots ist auch beachtlich. Nach § 214 Abs. 2 Nr. 2 BauGB ist es für die Rechtswirksamkeit eines Bebauungsplans unbeachtlich, wenn das Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB verletzt worden ist, ohne dass hierbei die sich aus dem Flächennutzungsplan ergebende geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigt worden ist. Die Verletzung des Entwicklungsgebots ist rechtlich nicht gleichbedeutend mit einer Beeinträchtigung der sich aus dem Flächennutzungsplan ergebenden geordneten städtebaulichen Entwicklung. Die Grenzen des Entwickelns des Bebauungsplans aus dem Flächennutzungsplan können verletzt worden sein, ohne dass hierbei die städtebauliche Entwicklung, wie sie sich aus dem Flächennutzungsplan ergibt, beeinträchtigt wird. Diese Abstufung entspricht dem Zweck der Vorschrift. Abweichungen des Bebauungsplans von dem Flächennutzungsplan in einer Größenordnung, die keine Auswirkungen auf das städtebauliche Gesamtkonzept des Flächennutzungsplans haben, sind aus Gründen der Planerhaltung für unbeachtlich zu erklären. Ob das Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB eingehalten ist, beurteilt sich nach der planerischen Konzeption des Flächennutzungsplans für den engeren Bereich des Bebauungsplans. Für die Frage, ob die sich aus dem Flächennutzungsplan ergebende geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigt worden ist, ist die planerische Konzeption des Flächennutzungsplans für den größeren Raum, d.h. für das gesamte Gemeindegebiet oder einen über das Bebauungsplangebiet hinausreichenden Ortsteil, in den Blick zu nehmen. Zu fragen ist also, ob die über den Bereich des Bebauungsplans hinausgehenden, übergeordneten Darstellungen des Flächennutzungsplans beeinträchtigt werden. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, welches Gewicht der planerischen Abweichung vom Flächennutzungsplan im Rahmen der Gesamtkonzeption des Flächennutzungsplans zukommt. Maßgeblich ist, ob der Flächennutzungsplan seine Bedeutung als kommunales Steuerungsinstrument der städtebaulichen Entwicklung "im Großen und Ganzen" behalten oder verloren hat.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 26.2.1999 - 4 CN 6.98 -, a.a.O.
Die Bedeutung der Beschränkung zulässiger Nutzungen innerhalb der Konzen-trationszone für die Errichtung von Windenergieanlagen durch den Bebauungsplan ist von erheblichem Gewicht für die Gesamtkonzeption des Flächennutzungsplans. Dies ergibt sich allerdings nicht allein aus der Größe der überplanten Grundstücksflächen, sondern aus dem Zusammenhang der Regelungen über die Konzentrationszone. Stellt eine Gemeinde im Flächennutzungsplan Konzentrationszonen für die Windenergienutzung dar, hat dies zur Folge, dass außerhalb der Konzentrationszone die Errichtung von Windenergieanlagen vorbehaltlich der Ausnahmeregelung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB nicht zulässig ist. Die Darstellung von Konzentrationszonen kann daher nur auf Grundlage eines für die gesamte Gemeinde zu erstellenden gesamträumlichen Konzepts erfolgen, in das die betroffenen Belange abwägend einzustellen sind. Gerade dieses auf das gesamte Gemeindegebiet bezogene Konzept wird in Frage gestellt, wenn die Konzentrationszone selbst zu einem wesentlichen Teil beschränkt wird, auch wenn dieser Teil bezogen auf das Gemeindegebiet flächenmäßig von relativ geringer Bedeutung ist.
Es kann nach alledem dahinstehen, ob der Bebauungsplan an entscheidungserheblichen Abwägungsmängeln leidet. (wird augseführt)
Ende der Entscheidung
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